Mit ‘Pressefreiheit’ getaggte Artikel

Donnerstag, 24. Mai 2012, von Elmar Leimgruber

DJV verurteilt islamistischen Mordaufruf an Journalisten

Der deutsche Journalisten Verband (DJV) ist empört über einen Mordaufruf an Journalisten. In einem im Internet kursierenden Mordaufruf eines Islamisten wird unter anderem dazu aufgerufen, Journalisten zu ermorden, die Demonstranten mit Mohammed-Karikaturen gezeigt hätten.

„Unvoreingenommene und kritische Berichterstattung ist die Aufgabe von Journalistinnen und Journalisten“, reagiert DJV-Bundesvorsitzender Michael Konken: „Dazu gehört auch die Berichterstattung über Demonstrationen.“ Es sei völlig inakzeptabel, dass Journalisten ins Visier von Fanatikern gerieten.

Der DJV-Vorsitzende forderte die Sicherheitsbehörden zu umfangreichen und zügigen Ermittlungen gegen die Urheber des Mordaufrufs auf. „Es muss klar sein, dass Hasspamphlete keinen Platz in der demokratischen Gesellschaft haben.“ Er erwarte, dass die ins Visier geratenen Journalisten und ihre Angehörigen von den Behörden größtmöglichen Schutz erhielten, so Konken.

Seit Jahresbeginn wurden übrigens weltweit 21 Journalisten und 6 Blogger getötet, viele von ihnen in Kriegsgebieten wie Syrien oder Somalia. Im Schnitt kam alle fünf Tage ein Berichterstatter ums Leben. Zum Internationalen Tag der Pressefreiheit am 3. Mai hatte Reporter ohne Grenzen (ROG) diese Zahl publiziert und die neue Liste der „Feinde der Pressefreiheit“ vorgestellt.

Sonntag, 13. Mai 2012, von Elmar Leimgruber

Henri Nannen Preis: die Ausgezeichneten 2012

Die Nannen-Preisträger 2012
Foto: © Waberseck/Stern

Der Henri Nannen Preis 2012 geht an an Stefan Willeke (Reportage), Kai Löffelbein (Fotoreportage), Ferry Batzoglou, Manfred Ertel, Ullrich Fichtner, Hauke Goos, Ralf Hoppe, Thomas Hüetlin, Guido Mingels, Christian Reiermann, Cordt Schnibben, Christoph Schult, Thomas Schulz, Alexander Smoltczyk (Dokumentation), Nikolaus Harbusch, Martin Heidemanns (Investigation), Hans Leyendecker, Klaus Ott, Nicolas Richter (Investigation), Niklas Maak (Essay). Der Fotograf F.C. Gundlach wird vom Verlagshaus Gruner + Jahr und dem stern für sein Lebenswerk geehrt. Der Preis für Pressefreiheit geht an den britischen Journalisten Nick Davies.

Da auch die BILD (im Bereich Investigation) ausgezeichnet wurde, verzichteten Hans Leyendecker, Klaus Ott, Nicolas Richter von der SZ aus Protest auf ihren Nannen Preis. Am Freitag Abend wurde zum achten Mal den Henri Nannen Preis vergeben, mit dem die Bestleistungen im deutschsprachigen Print- und Onlinejournalismus ausgezeichnet werden. Die insgesamt 22 Preisträger wurden im Rahmen einer festlichen Veranstaltung im Deutschen Schauspielhaus Hamburg vor rund 1.200 prominenten Gästen aus Medien, Kultur, Politik und Wirtschaft geehrt.

Mit dem Henri Nannen Preis stellen Gruner + Jahr und der stern die Bedeutung von anspruchs-vollem Print- und Onlinejournalismus heraus und erinnern zugleich an das Werk des stern-Gründers Henri Nannen (1913-1996). Der Preis ist mit insgesamt 35.000 Euro dotiert. Außerdem erhalten die Preisträger den „Henri“, eine von dem Berliner Bildhauer Rainer Fetting geschaffene Bronzeskulptur Henri Nannens im Andenken an dessen Lebenswerk. “Ein aufwendiges Sichtungsverfahren sowie eine hochkarätige Jury, der erfahrene Journalisten, Autoren, Chefredakteure und Herausgeber großer Verlage Deutschlands angehören, gewährleisten die Unabhängigkeit der Auszeichnung;” heisst es in den Unterlagen des Wettbewewerbs. Um den „Henri 2012“ bewarben sich Journalisten mit 872 Arbeiten aus 154 Print- und Onlinepublikationen.

Der Hauptjury des Henri Nannen Preises gehören an: Peter-Matthias Gaede (Chefredakteur GEO), Margot Klingsporn (Inhaberin der Fotoagentur FOCUS), Giovanni di Lorenzo (Chefredakteur DIE ZEIT), Helmut Markwort (Herausgeber Focus), Georg Mascolo (Chefredakteur DER SPIEGEL), Nils Minkmar (Ressortleiter Feuilleton Frankfurter Allgemeine Zeitung), Felix E. Müller (Chefredakteur NZZ am Sonntag), James Nachtwey (Fotograf), Thomas Osterkorn (Chefredakteur stern, im jährlichen Wechsel mit seinem Kollegen Andreas Petzold), Jan-Eric Peters (Chefredakteur DIE WELT-Gruppe), Ines Pohl (Chefredakteurin taz), Richard David Precht (Autor), Ulrich Reitz (Chefredakteur Westdeutsche Allgemeine Zeitung), Anja Reschke (Autorin und Moderatorin Panorama) und Gerhard Steidl (Verleger).

Donnerstag, 3. Mai 2012, von Elmar Leimgruber

Heute ist der internationale Tag der Pressefreiheit

Aus Anlass des heutigen Welttags der Pressefreiheit hat der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) die europäischen Politiker aufgefordert, der Presse- und Meinungsfreiheit in den einzelnen Mitgliedsstaaten der EU mehr Beachtung zu schenken. Die europäische Politik müsse die grundlegende Bedeutung freier Medien für die Demokratie stärker in den Mittelpunkt rücken, forderte DJV-Bundesvorsitzender Michael Konken. „Pressefreiheit ist ein Grundwert und nicht ein Luxusartikel, auf den man in der Euro-Krise leicht verzichten kann“, stellte Konken klar.

Sicherheitspolizeigesetz und Vorratsdatenspeicherung schränken die Pressefreiheit in Österreich ein, schreibt der Österreichische Journalisten Club (ÖJC) zum heutigen Welttag der Pressefreiheit: So wird der § 38 SPG häufig von der Exekutive dafür benutzt, Journalisten von einem Einsatzort “wegzuweisen”. Der ÖJC fordert daher erneut eine Änderung des Sicherheitspolizeigesetzes. “Die Vorratsdatenspeicherung widerspricht klar dem Lissabon-Vertrag und dem Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention. Daher sollte Österreich hier Vorreiter bei der Abschaffung sein”, so der ÖJC-Präsident. Turnheim unterschreibt am 3. Mai, dem Tag der Pressefreiheit, die von der “AK Vorrat” initiierte “Verfassungsklage gegen Vorratsdatenspeicherung”.

Die unabhängige und kritische Berichterstattung und die damit verbundene demokratische Form des Journalismus hat den äquivalenten Schutz zu genießen, wie die anderen drei Säulen der demokratischen Gesellschaft, die Exekutive, die Legislative und die Judikative, fordert Konken. Die EU-Kommission habe etwa in Ungarn „viel zu spät und halbherzig“ auf die Einführung der Zensur in Form des Mediengesetzes reagiert. „Deutliche Worte von EU-Politikern fielen zur Wirtschaftskrise in Ungarn, nicht aber zur Einschränkung der Pressefreiheit.“

Der DJV-Vorsitzende kritisierte ferner, dass die Ukraine erst durch die Haftbedingungen von Julia Timoschenko in den Fokus deutscher und europäischer Politiker geraten sei. Reglementierungen der Pressefreiheit, wie sie vor Monaten vom ukrainischen Parlament beschlossen wurden, seien in Brüssel und Berlin scheinbar unbemerkt geblieben. „Wer es mit den demokratischen Grundwerten Europas Ernst meint, darf nicht die Augen vor der Wirklichkeit in einigen Mitgliedsstaaten verschließen“, sagte Konken.

 

Auch in Österreich gibt es in den vergangenen Jahren vermehrt Angriffe auf die Pressefreiheit, wie der ÖJC aufzeigt: Das vom Österreichischen Journalisten Club (ÖJC) mehrfach, auch in parlamentarischen Stellungnahmen, kritisierte Sicherheitspolizeigesetz schränkt massiv die Möglichkeiten der freien Berichterstattung ein. Die von Österreich viel zu früh umgesetzte Vorratsdatenspeicherung wird nun von der  EU-Kommission neu geregelt. Nach “Spiegel”-Informationen soll bereits in den kommenden Monaten ein neuer Entwurf für die EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung vorliegen. ÖJC-Präsident Fred Turnheim ersucht daher die österreichische Bundesregierung dringend, bei den Verhandlungen in Brüssel gleich die Abschaffung der Vorratsdatenspeicherung durchzusetzen.

Der Tag der Pressefreiheit am 3. Mai wurde 1993 von der UNO-Generalversammlung ausgerufen. Zwei Jahre zuvor war in Namibias Hauptstadt Windhuk die “Erklärung zur Pressefreiheit” beschlossen worden. Seit damals hat sich die Lage für Journalisten weltweit nicht verbessert – sondern dramatisch verschärft. So könnte heuer, nach Angaben des in Wien ansässigen IPI, “2012 für Journalisten das tödlichste Jahr seit 15 Jahren” werden.

 

Freitag, 9. März 2012, von Elmar Leimgruber

Widerstand gegen Lockerung des Berufsgeheimnisses

Österreichs Justizministerin Beatrix Karl

Die österreichische Journalistengewerkschaft startet eine Online-Petition gegen die Einschränkung der Pressefreiheit durch eine Gesetzesabänderung (konkret § 112 StPO): Konkret geht es darum, dass weisungsgebundene Staatsanwälte mit Hilfe der Polizei praktisch jederzeit redaktionelle Unterlagen und Daten von Redaktionscomputern beschlagnahmen können. “Informanten wird damit jeder Schutz entzogen.

Die Aufdeckung von Korruptionsfällen und Fehlverhalten der Regierung sollen damit praktisch unmöglich gemacht werden, reagiert Franz C. Bauer, Chef der Journalistengewerkschaft. “In einer überfallsartigen Änderung des ursprünglichen Ministerratsentwurfs und nach Ende der Begutachtungsfrist habe Justizministerin Beatrix Karl nach der Gebutachtungsfrist Formulierungen in eine Änderung der Strafprozessordnung (StPO) eingeschleust, die das Redaktionsgeheimnis und damit die Pressefreiheit abschaffen, lautet der Vorwurf. Und hier kann die Petition “Rettet die Pressefreiheit” der Journalistengewerkschaft online unterzeichnet werden.

Auch der Österreichische Journalisten Club (ÖJC) fordert eine sofortige Rücknahme der geplanten StPO-Änderung: er befürchtet eine endgültige Aushebelung des Redaktionsgeheimnisses: “Dies ist ein neuerlicher Versuch des Justizministeriums die Grund-und Freiheitsrechte und damit die Pressefreiheit einzuschränken”, reagiert ÖJC-Präsident Fred Turnheim: “Dieser neuerliche Angriff auf Grundpfeiler des demokratischen Rechtsstaates zeigt von einem gefährlichen demokratiepolitischen Gedankengut der Justizministerin.” Der ÖJC fordert daher alle Nationalräte auf, “diesem Angriff auf die Pressefreiheit keinesfalls zuzustimmen”.

Ähnliche Reaktionen kommen auch von der Österreichischen Rechtsanwaltskammer (ÖRAK) und von der Kammer der Wirtschaftstreuhänder: Die ÖRAK kritisiert “die Schaffung gesetzlicher Rahmenbedingungen, unter denen Redaktionsgeheimnis, anwaltliche Verschwiegenheit und eine Reihe weiterer gesetzlich geregelter Verschwiegenheitspflichten und -rechte problemlos von der Staatsanwaltschaft ausgehebelt werden können, und zwar ohne Einbindung eines unabhängigen Gerichts, dessen Kompetenzen im Strafverfahren weiter zugunsten der weisungsgebundenen Staatsanwaltschaft eingeschränkt werden”. Beschuldigte Rechtsanwälte, Journalisten, Ärzte, Steuerberater, Notare, Priester könnten so künftig nicht mehr der Sicherstellung von Aufzeichnungen und Datenträgern widersprechen: “Es wäre daher ein Leichtes, die Verschwiegenheit eines Rechtsanwaltes oder das Redaktionsgeheimnis auszuhebeln, indem man den Betroffenen in die Position eines Beschuldigten versetzt”, mahnt ÖRAK-Präsident Rupert Wolff.

Bisher hatten unabhängige Gerichte zu entscheiden, ob die Verwendung zulässig ist. Mit dem neuen Gesetz liege das nun im Ermessen des Staatsanwalts, kritisiert die Kammer der Wirtschaftstreuhänder: “Das ist ein unzulässiger Eingriff in die Schutzrechte der Klienten und ist abzulehnen”, sagt der Präsident der Freien Berufe, Klaus Hübner, der auch Präsident der Kammer der Wirtschaftstreuhänder ist.

Da das BZÖ wegen dieser geplanten Gesetzesänderung einen Misstrauensantrag gegen Justizministerin Beatrix Karl eingebracht hat, reagiert nun auch diese auf die Vorwürfe: “Scheinbar ist es den Kritikern nicht recht, dass sich das Justizsystem auf die Schwerstkriminalität in Sachen Amtsmissbrauch und Korruption konzentriert”. Und sie verspricht, dass “das Redaktionsgeheimnis und Informationen von Geheimnisträgern weiterhin vollumfänglich geschützt werden.” Und natürlich werden laut Karl “auch in Zukunft werden Hausdurchsuchungen ausschließlich durch einen Richter bewilligt. Zusätzlich soll es für dabei sichergestellte Unterlagen die Möglichkeit des Widerspruchs zunächst an die Staatsanwaltschaft und bei Uneinigkeit eine Anrufung des Einzelrichters und eine Beschwerdemöglichkeit an einen Richtersenat geben”, verspricht die Justizministerin und: “rechtswidriges Handeln von Amtspersonen führt selbstverständlich zur Nichtigkeit etwaiger Entscheidungen”.

Mittwoch, 15. Februar 2012, von Elmar Leimgruber

Reporter Ohne Grenzen und der Eurovision Song Contest

Der Eurovision Song Contest ist nicht unpolitisch, kritisieren Reporter ohne Grenzen
Grafik: eurovision.de/NDR

“Der Eurovision Song Contest (ESC) ist nicht einfach eine unpolitische Musikveranstaltung, wie die Organisatoren uns weismachen wollen”, sagt ROG-Vorstandssprecher Michael Rediske. “Er findet in einem Land statt, in dem es keine freie Berichterstattung gibt und kritische Journalisten bedroht werden”, so Rediske. Reporter ohne Grenzen fordert daher von der aserbaidschanischen Regierung, die Visavergabe und Akkreditierung für ausländische Journalisten frei und transparent zu gestalten. Unbehinderte Recherche muss vor, während und nach dem ESC sowohl in Baku als auch im Rest des Landes möglich sei. Journalisten dürfen in ihrer Arbeit nicht thematisch beschränkt werden.

Einen Tag vor dem Deutschland-Finale des Eurovision Song Contests (ESC) ruft Reporter ohne Grenzen (ROG) zudem alle am Contest daher alle Beteiligten auf, sich intensiv mit dem Gastgeberland Aserbaidschan auseinanderzusetzen und öffentlich Position zu den Verletzungen der Presse- und Meinungsfreiheit dort zu beziehen. Rediske: “Jury, Journalisten, Produzenten und Sänger – sie alle können und sollten dazu beitragen, dass die Menschenrechtsverletzungen nicht ignoriert werden.”
Zum Eurovision Song Contest versucht die aserbaidschanische Regierung – mit tatkräftiger Hilfe westlicher PR-Agenturen – ihr Land als modernen, offenen Staat zu präsentieren. Als für den Bau einer millionenschweren Veranstaltungshalle im Zentrum Bakus etliche Einwohner mit Gewalt aus ihren Häusern vertrieben wurden, versuchten die Behörden hingegen, eine unabhängige Berichterstattung zu verhindern. „Die Diskrepanz zwischen der glitzernden PR-Fassade und der bitteren Wirklichkeit Aserbaidschans kann nur eine unabhängige Presse sichtbar machen“, betont ROG-Vorstandssprecher Michael Rediske.

ROG zählt den aserbaidschanischen Präsidenten Ilcham Alijew zu den Feinden der Pressefreiheit, Journalisten arbeiten in dem südkaukasischen Land unter ständiger Bedrohung. Im vergangenen Jahr wurden nach Angaben lokaler NGOs über 50 Medienvertreter überfallen oder von der Polizei angegriffen, besonders während der Proteste gegen die Regierung im Frühjahr 2011. Immer wieder werden Journalisten und Blogger aus fadenscheinigen Gründen verhaftet. Awas Sejnalli, Chefredakteur der Zeitung Chural, sitzt seit Ende Oktober 2011 im Gefängnis, nachdem er in Artikeln den autokratisch regierenden Präsidenten Ilcham Alijew kritisiert hatte. Gegen mehrere Blogger, die im Frühjahr zu Protesten aufgerufen hatten, wurden Ermittlungsverfahren eingeleitet. Die Morde an den Journalisten Elmar Husejnow (2005) und Rafik Tagi (2011) sind bis heute nicht aufgeklärt.

Dienstag, 17. Januar 2012, von Elmar Leimgruber

Angela und der böse Wulff

Bundespräsident Christian Wulff
Foto: © Bundespresseamt Jesko Denzel

Vorausgeschickt: Ich beabsichtige mit diesem Kommentar weder eine Verteidigungsrede für Christian Wulff noch schlage ich weiter auf ihn ein. Genaugenommen ist mir der aktuelle deutsche Bundesbundespräsident schlichtweg egal: ich stehe ihm also vollkommen emotionslos gegenüber. Mich beschäftigen im Zusammenhang mit ihm aber mittlwerweile ganz andere Fragen, die ich hiermit zu beantworten beabsichtige,

Natürlich ist es Skandal, wenn ein amtierender deutscher Bundespräsident den Chefredakteur des einflußreichsten, weil meistgelesensten Mediums anruft und mutmaßlich in den Hörer brüllt oder gar mit Konsequenzen im Falle einer Veröffentlichung droht. Aber welche wichtigen Politiker nützen nicht immer wieder direkt oder indirekt ihre öffentliche Position zu ihrem Schutz und Vorteil oder auch, um auch politische Ziele zu erreichen?

Eigentlich geht es ja-abgesehen von seinem Ton wichtigen Medien gegenüber- nur um eher belanglose Kleinigkeiten, die den deutschen Bundespräsidenten Christian Wulff seit Wochen aus seiner Sicht sicher ungewollt im Rampenlicht stehen lassen. Eigentlich hat er, wenn man es genau nimmt, das getan, was im Prinzip die meisten Mächtigen machen: Dank guten einflußreichen Kontakten wurde er Bundespräsident und diese Kontakte zu Wirtschaftskreisen hat er auch privat genützt. Sicher mag es rein ethisch nicht ok sein, aber wer von denen, die da obene stehen, nützt nicht seine Kontakte, lässt sich helfen und hilft seinen Freunden genauso?

Dass “der böse Wulff” sich also seit Wochen einer Schmutzkübelkampagne der  Medien des Axel Springer Verlages (den ich ansonsten schätze) ausgesetzt sieht, hat mit Sicherheit andere Ursachen und ich befürchte, es sind dieselben, die seit Jahren den Regierungstuhl der deutschen Kanzlerin Angela Merkel ansägen.

Bundespräsident Christian Wullf
Foto: CC Martina Nolte

Es war in der Tat auffällig, wie sehr der Springer Verlag (“Welt”, “Bild-Zeitung…) , seit der “Schönling der Nation”, Karl-Theodor zu Guttenberg (und auch er ist mir im Grunde vollkommen egal und ich bin so auch hier emotionslos) Minister in der Regierung war, genau diesen immer wieder zur Zukunftshoffnung und künftigen Bundeskanzler aufbaute und wie gleichzeitig vom selben Verlag systematisch versucht wurde, die regierende Bundeskanzlerin zu demontieren, um Platz für ihn als ihren Nachfolger zu schaffen.

Da aber der gute Karl-Theodor eine Rückkehr in die deutsche Spitzenpolitik beabsichtigt, erscheint auch die Medienkampagne gegen den Merkel-Vertrauten Christian Wulff in einem ganz neuen Licht: Die Vermutung liegt nahe (und auch hier gilt wie üblich die Unschuldsvermutung), dass mit dieser Kampagne wieder mal das Ansehen der Kanzlerin beschädigt werden soll. Und sie reagiert erfreulich unbeeindruckt und fordert sowohl Aufklärung als auch uneingeschränkte Pressefreiheit: aus meiner Sicht genau die richtige Reaktion: Man darf sich in der Politik nicht “erpressen” lassen, auch nicht von einflussreichen Medien.
Und hier stellt sich natürlich die Frage: was ist unmoralischer? Kontakte zu Freunden für persönliche Vorteile zu nützen, die aber im Grunde niemanden schaden? Oder systematisch das wichtigste deutsche öffentliche Amt, den Bundespräsidenten, in den Dreck ziehen (wer auch immer da im Hintergrund damit seine eigenen, möglicherweise keinesfalls edlen Absichten und Interessen verfolgen mag)?

Das Verhalten Medien gegenüber und vor allem der offensichtliche Jähzorn von Christian Wulff und seine Unbeherrschtheit stellen natürlich die entscheidende Frage nach seiner Eignung als höchster Mann im Staat. Daran darf gezweifelt werden: sein Rücktritt von diesem verantwortungsvollen Amt wäre durchaus überlegenswert.

Aber dennoch dürfen nicht jene letztlich als “Sieger” der Affäre hervorgehen, bei denen es offensichtlich nicht um sachliche Aufklärung, sondern vielmehr um unmoralische andere Pläne, denen Wulff nun zum Opfer fällt. iIh verstehe in diesem Zusammenhang auch nicht, wie sich Journalisten für sowas einspannen lassen können: da wäre mehr kritischer Journalismus von Nöten.

Und es wäre vor allem sinnvoll, dass auch in Deutschland der Bundespräsident künftighin direkt vom Volk gewählt wird und damit das Vertrauen der Bevölkerung geniießt, was beim höchsten Amt im Staat unbedingt notwendig ist.

Ich plädiere also im Sinne des an sich hochangesehenen Amtes des Bundespräidenten dafür, dass Christian Wulff sein Amt aufgibt und dass diese Position so lange vakant bleibt, bis ein neues Gesetz die Direktwahl des Bundespräsidenten ermöglicht.

Und die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel ist gut beraten, sich auch weiter medial nicht beeindrucken zu lassen, sondern ihren Weg zum Wohle Deutschlands konsequent weiterzugehen. Und in jedem Fall bleibt es fraglich, ob es aktuell nicht viel zu früh für ein Comeback des “Schönlings der Nation” ist.

Freitag, 30. Dezember 2011, von Elmar Leimgruber

ORF-Journalisten fordern endlich Unabhängigkeit – Info + Kommentar

Unter dem Motto “Der ORF gehört den Österreicherinnen und Österreichern – nicht den Parteien” startet in allen Redaktionen des ORF eine Unterschriftenaktion, mit der die ORF-Journalisten “gegenüber der Öffentlichkeit ebenso wie als Selbstverpflichtung ein bedingungsloses Bekenntnis zur Unabhängigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ablegen” und Forderungen an Gesetzgeber und Geschäftsführung formulieren. Hintergrund der Aktion ist die Ernennung des SPÖ-Mannes Niko Pelinka zum Büroleiter von ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz. Die Unterschriftenaktion in den ORF-Redaktionen läuft bis 10. Jänner.

Wrabetz schädigt das Ansehen der ORF-Redakteure, die sich jeden Tag bemühen, parteipolitisch unabhängig zu berichten”, solidarisiert sich der Österreichische Journalisten Club (ÖJC) mit den ORF-Redakteuren:”Einerseits erfahrene ORF-Mitarbeiter zu zwangspensionieren und andererseits journalistisch unerfahrene junge Menschen sofort zu leitenden Redakteuren in der Verwendungsgruppe 16 zu machen, zeigt deutlich auf, dass Wrabetz das Unternehmen nicht mehr im Griff hat”, erklärt ÖJC-Präsident Turnheim. Wrabetz möge “von der Bestellung eines 24-Jährigen zum Büroleiter des wichtigsten Mediums in Österreich Abstand nehmen und die Stelle mit einem erfahrenen ORF-Mitarbeiter hausintern besetzen”, so die Forderung die ÖJC.

Der zur Unterschrift aufliegende Text der ORF-Journalisten im Wortlaut:
“Für einen unabhängigen ORF!
Wir, die Journalistinnen und Journalisten des ORF, stehen für einen unabhängigen ORF. Wir sind ausschließlich journalistischer Ethik und dem ORF-Publikum verpflichtet und lassen uns die in der Verfassung garantierte Unabhängigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks nicht nehmen. Weder durch parteipolitische Wünsche noch durch die Bereitschaft der Geschäftsführung diese zu erfüllen. Während Dienstposten in den Redaktionen in längst unerträglichem Ausmaß reduziert werden, gibt es für Stellen, die zur Erfüllung parteipolitischer Wünsche neu geschaffen werden, offenbar Geld. Wir fordern von der Geschäftsführung alle Vorhaben, die das Ansehen des ORF als unabhängiges Medienunternehmen beschädigen, zurückzunehmen. Vom Gesetzgeber fordern wir Rahmenbedingungen, die die ORF-Unabhängigkeit stärken (u.a. völlig neues Aufsichtsgremium, verbessertes Redakteursstatut).
Der ORF gehört den Österreicherinnen und Österreichern – nicht den Parteien.”
 

Spät aber doch wachen nun auch die ORF-Journalisten auf, die bislang möglicherweise einer Art SPÖ-Hypnose erlegen waren: In den vergangenen Jahren war ich ja zutiefst enttäuscht und frustriert über die äußerst devote Haltung der ORF-Journalisten der regierenden SPÖ gegenüber, zumal es keinerlei wirkliche Proteste gab, als SPÖ-Chef Werner Faymann bereits ab Beginn seiner Kanzlerschaft -wie mehrfach berichtet- eine SPÖ-Alleinregierung im ORF konstruierte und seinen Einfluss auf den ORF immer mehr einzementierte:

Zunächst setzte er sich über die Ergebnisse der ORF-Publikumsrats-Wahlen einfach hinweg und nominierte -entgegen den Wählerstimmen und den Protesten namhafter Vereine und Verbände- ausschließlich 17 (!) SPÖ-Getreue zu Mitgliedern in diesem Gremium. Diese “Umverteilung” führte sogleich zu einer parteipolitisch roten Umfärbung des letztlich entscheidenden ORF-Stiftungsrates. Die ORF-Journalisten hatten aber offenbar kein Problem damit. Und sie protestierten auch nicht dagegen, dass anschließend alle wichtigen, vor allem redaktionellen Positionen, allen voran die Chefredakteure und andere redaktionellen Chefposten mit SPÖ-Getreuen besetzt wurden, wehrten sich aber umgekehrt sehr wohl dagegen, als eine ÖVP-nahe Redakteurin im Gespräch für eine Verantwortungsposition im ORF war.

Und als Elmar Oberhauser wenigstens den letzten, den TV-Chefredakteurs-Posten durch einen SPÖ-Getreuen verhindern wollte, wurde er von Generaldirektor Wrabetz gefeuert. Und auch er stand letztlich allein da, weil die ORF-Journalisten -aus welchen Gründen auch immer- lieber einen weiteren SPÖ-Mann als Chefredakteur wollten als sich mit einem Kollegen zu solidarisieren, welcher aus parteipolitischen Gründen den ORF verlassen musste.

Wrabetz selbst galt ja seit jeher als getreuer SPÖ-Mann, der immer den Wünschen seiner Genossen entsprach. So schien es dann ja auch sehr fraglich, ob er denn wiedergewählt würde. Dass er dieses Ziel entgegen aller Logik und entgegen vor allem seinen parteipolitsichen Personalentscheidungen dennoch erreichte, kann vermutlich nur auf “Pakteleien” hinter den Kulissen zurückgeführt werden, denen bedauerlicherweise offenbar leider keine Partei widerstehen konnte, was auch andere Personalentscheidungen der letzten Monate belegen. Das ist traurig und beschämend und zeigt uns das mangelnde Rückgrat der Politiker in unserem Land. Und Koordinator der Wiederwahl von Wrabetz war kein Geringerer als der jetzt als Neueinsteiger in den ORF wechselnde SPÖ-Spitzenfunktionär Niko Pelinka.

Natürlich wäre es wünschenswert, wenn sich die Politik künftig aus dem ORF heraushalten würde. Aber das will in der Politik ja schließlich niemand, weil alle politischen Parteien eben auch Einfluss auf den ORF haben wollen. Und da auch neue noch so strenge Gesetze den effektiven Einfluss der Politik nicht verhindern werden, plädiere ich wieder mal drauf, dass im Sinne der gelebten Demokratie auch alle (!) Parlamentsparteien im ORF ein Mitspracherecht haben sollen und zwar nicht ein indirektes, sondern ein offizielles Mitspracherecht, und dass weiters alle wichtigen vor allem redaktionellen Positionen im ORF mit einer großen Mehrheit im (neu zu definierenden) ORF-Stiftungsrat beschlossen werden müssen:

Nur dann, wenn Journalisten von verschiedensten (auch entgegengesetzten) Parteien (unabhängig von ihrer möglichen politischen Nähe) als objektiv und sachlich gesehen werden, haben sie auch das Anrecht, die redaktionellen Hauptverantwortungen übertragen zu bekommen. Dann käme der ORF, der tatsächlich -wie zu Recht gewünscht- das Volk rapräsentiert, einen entscheidenden Schritt näher. Und genau das wäre wünschenswert: Wenn es schon keinen politisch unabhängigen ORF geben kann, dann zumindest einen, in dem alle Parteien gemeinsam zusammenarbeiten für ein möglichst sachliches und objektives Programm zum Wohle aller.

Donnerstag, 22. Dezember 2011, von Elmar Leimgruber

66 ermordete Journalisten 2011

Die Zahl der Bedrohung von Journalisten nimmt weltweit zu: Bereits 66 Journalisten wurden im Jahr 2011 (2010: 57) während ihrer Arbeit oder wegen ihres Berufs ermordet. Und auch die Zahl der Festnahmen, Entführungen und Übergriffe stieg 2011 weiter. Dies geht aus der aktuellen Jahresbilanz von Reporter Ohne Grenzen (ROG) hervor. 1.044 Journalisten wurden demnach seit vergangenem Januar weltweit festgenommen (2010: 535), 1.959 wurden angegriffen oder bedroht (2010: 1.374), 71 wurden entführt (2010: 51).

Zu den Ländern mit der höchsten Zahl an getöteten Journalisten gehören wie bereits im vergangenen Jahr Pakistan (10 Todesfälle), Irak (7) und Mexiko (5). Zu dieser Gruppe zählt erstmals auch Libyen mit fünf getöteten Journalisten. In seiner aktuellen Bilanz veröffentlicht ROG außerdem eine Liste der zehn gefährlichsten Regionen, Städte und Plätze für Medienschaffende weltweit: Dazu gehören zum Beispiel die syrischen Städte Deraa, Homs und Damaskus, der Tahrir-Platz in Kairo, der Distrikt Khuzdar in der südwestpakistanischen Provinz Belutschistan oder der mexikanische Bundesstaat Veracruz.

Auch die Repressionen gegen Blogger und Internetaktivisten haben laut ROG in diesem Jahr weiter zugenommen. So wurden bisher 199 Cyberdissidenten festgenommen (2010: 152), zudem verloren mindestens fünf Online-Aktivisten ihr Leben. Der Anstieg der Repressionen gegen Blogger und Internetnutzer hängt mit deren zunehmend wichtigen Rolle bei der Verbreitung von Informationen und Nachrichten zusammen. “In einigen Ländern haben Blogger eine zentrale Rolle bei der Berichterstattung übernommen, vor allem, wenn konventionelle Medien stark zensiert oder internationale Journalisten nicht ins Land gelassen wurden”, sagt ROG-Vorstandssprecher Michael Rediske. Damit seien sie stärker in das Visier von Behörden oder gewaltbereiter Gruppen geraten, so Rediske weiter.

Einen Anstieg verzeichnet ROG auch bei der Zahl der Länder mit Online-Zensur, die sich von 62 auf 68 erhöht hat. Dagegen ist die Zensur konventioneller Medien mit rund 500 zensierten Medien konstant geblieben. Zudem registrierte ROG in den vergangenen zwölf Monaten mehr als 70 Journalisten, die aus ihrer Heimat flüchten mussten. In zehn dieser Fälle leistete das Nothilfe-Referat der deutschen ROG-Sektion Unterstützung bei der Beantragung von Asyl für die Aufnahme in Deutschland.

Ein bedeutender Faktor für den starken Anstieg an Repressionen und Gewalt gegen Medienschaffende waren die Ereignisse um den “Arabischen Frühling” sowie Proteste in Ländern wie Sudan, Belarus oder Uganda. “2011 war in vielen Ländern ein Jahr der Demonstrationen und Kämpfe für Freiheit und Demokratie”, so  Rediske. “Die meisten Machthaber antworteten mit systematischer Gewalt. Nicht nur die Proteste sollten im Keim erstickt, sondern auch Berichte darüber unterdrückt werden”, so Rediske weiter. Überwiegend treffe die Gewalt einheimische Journalisten, deren Schicksal ROG mit der Bilanz in das Blickfeld der Öffentlichkeit rücken will. Die ROG-Jahresbilanz 2011 ist hier online abrufbar.

Freitag, 9. Dezember 2011, von Elmar Leimgruber

ROG-Pressefreiheitspreis und Lorenzo-Natali-Journalistenpreis verliehen

Gleich zwei bedeutende internationale Journalistenpreise wurden nun verliehen: ROG-Preis für Pressefreiheit 2011 und der Lorenzo-Natali-Preis 2001 der EU-Kommission. Reporter ohne Grenzen (ROG) ehrt den syrischen Karikaturisten Ali Fersat als Journalist des Jahres. Der ROG-Preis für das “Medium des Jahres” geht an die birmanische Wochenzeitung Weekly Eleven News. Den Lorenzo Natali Grand Prize erhielt Tom Heinemann (Dänemark) für ‘The Micro Debt’.

Mit der jährlichen Auszeichnung würdigt ROG Journalisten und Medien für ihren besonderen Einsatz für Pressefreiheit und Menschenrechte. Der Preis ist in beiden Kategorien mit je 2.500 Euro dotiert. Stellvertretend für den syrischen Künstler konnte der französische Karikaturist Jean Plantureux (Plantu) die Auszeichnung entgegennehmen. Der Preis in der Kategorie Medium des Jahres wurde an zwei Journalisten von Weekly Eleven News überreicht.

Im Rahmen der gestrigen Preisverleihung in Brüssel wurden insgesamt 17 Journalisten aus aller Welt mit dem Lorenzo-Natali-Preis für herausragende journalistische Arbeiten zu den Themen Entwicklung, Menschenrechte und Demokratie geehrt. Die ausgezeichneten Beiträge der Lorenzo-Natali-Preisträger 2011 behandeln folgende Themen: Mikrokredite, Vergewaltigung von lesbischen Frauen durch Männer und das Doppelleben Homosexueller in Afrika, die Geschlechterverteilung in Indien, Kinderhandel, Okkultismus, weibliche Genitalverstümmelung und Sklaverei. Es wurden Preise in einer Gesamthöhe von 60.000 EUR an insgesamt 17 Journalisten vergeben.

Mit dem Lorenzo-Natali-Preis, der in diesem Jahr zum 20. Mal verliehen wurde, honoriert die Europäische Kommission in Zusammenarbeit mit ROG die Leistung von Journalisten, die häufig unter schwierigen Umständen arbeiten, und würdigt das Potenzial des Journalismus als Auslöser für positive Veränderungen, Inspiration für Entwicklung und treibende Kraft für Demokratie und Menschenrechte. Eine komplette Liste aller Gewinner und ihrer Artikel und Fernseh- und Hörfunkbeiträge ist online abrufbar.

ROG vergibt seinen Menschenrechtspreis seit 1992 und damit in diesem Jahr zum 20. Mal. Mit der Auszeichnung sollen weltweit Journalisten und Medien ermutigt werden, die in ihrer täglichen Arbeit die Pressefreiheit verteidigen. Die diesjährige internationale Jury bestand aus zwölf Journalisten sowie Vertretern von Menschenrechtsorganisationen.

Mittwoch, 16. November 2011, von Elmar Leimgruber

Reporter ohne Grenzen verurteilt chinesische Internet-Zensur

Chinas Regierungschef Wen Jiabao
Foto: World Economic Forum

Rund 40 führende Köpfe chinesischer Internet- und Telekommunikationsfirmen haben sich bereit erklärt, Verordnungen der Onlinekontrolle umzusetzen, welche ihnen die chinesische Regierung vorschreibt. Reporter ohne Grenzen (ROG) missbilligt eine geplante Kooperation zwischen führenden chinesischen Technologieunternehmen und der Regierung der Volksrepublik.

Offiziell handelt es sich bei der geplanten Webüberwachung um Richtlinien zur „Bekämpfung von Pornografie” und „Betrügereien”, sowie um „Eindämmung der Verbreitung von Gerüchten und Falschinformationen”. Nach Beobachtung von ROG werden solche Vorschriften in der kommunistischen Volksrepublik China jedoch auch dazu missbraucht, um Kritik an der Regierung und um Diskussionen zu politischen und sozialen Tabuthemen zu unterdrücken. ROG hatte schon bisher -wie berichtet- vor einer zunehmenden Internetzensur in China gewarnt und verurteilt deswegen auch die von den Unternehmen zugesagte Zusammenarbeit. „Damit werden die Unternehmen zu Komplizen staatlicher Internetzensur”, so ROG.

Erst vor kurzem hat ROG in China wieder Einschränkungen des freien Nachrichten- und Informationsfluss im Internet dokumentiert: Ende Oktober sind Online-Berichte und Suchanfragen nach „Zhili”, einer Stadt im Südosten des Landes, in der Unruhen ausgebrochen waren, blockiert worden. Die kommunistischen Behörden verstärkten nach Protesten außerdem Ihre Internetkontrollen in der Inneren Mongolei, ein autonomes Gebiet in der Volksrepublik. Mongolische Webseiten riefen nach dem Tod eines Hirten, der traditionelles Weideland vor Zerstörung durch Öltransporte schützen wollte, am 20. Oktober zu Demonstrationen auf. Mehrere Seiten wie etwa „Boljoo”, „Mongolian BBS” und „Medege” wurden daraufhin blockiert.

Die Anzahl der chinesischen Internetnutzer hat mittlerweile die 500-Millionen-Marke erreicht. Elektronische Medien sind zu wichtigen Kanälen für die öffentliche Meinungsbildung geworden. ROG kritisiert die obsessiven staatlichen Internetkontrollen und die massive Streuung von Regierungs-Propaganda im Internet. China gehört schon seit Jahren zu den größten „Feinden des Internets”. Unter den Kooperationspartnern der Regierung sind nun  vielgenutzte Internet- und Telekommunikationsdienstleister wie „Sina Corp”, Betreiber des Microbloggingservice „Sina Weibo”, „Baidu”, die führende Suchmaschine in China, und „Tencent”, Betreiber eines Live-Chat Service. Bei einem dreitägigen Treffen in Peking mit Regierungsvertretern in der vergangenen Woche erklärten unter anderem diese Technologieunternehmen zu der Zusammenarbeit mit der Regierung bereit.