Mit ‘Medien’ getaggte Artikel

Donnerstag, 14. Oktober 2010, von Elmar Leimgruber

15.10.: Tag der Freien Medien

Der 15. Oktober steht in Wien ganz im Zeichen der Freien Medien. Der Österreichische Medienverband lädt hierzu ins Museumsquartier ein. Neben den Präsentationen der Freien Medien, die das hautnahe Erleben des Medienalltags möglich machen, taucht der Medienverband in der Podiumsdiskussion in die Herausforderungen, Möglichkeiten und Gefahren des Medienumbruchs ein. Medienstaatssekretär Josef Ostermayer (SPÖ), Martin Blumenau (Fm4), Peter Krotky (Die Presse), und Michaela Wein (mokant.at) werden unter der Leitung von Corinna Milborn (News) die Veränderungen der Medienbranche und ihre Herausforderungen diskutieren. Freier Eintritt mit Voranmeldung (office@medienverband.at), 3 Euro Eintritt ohne Voranmeldung.

“Der Tag der Freien Medien ermöglicht es den Freien Medien in Österreich, ihr Schaffen und ihre Anliegen einem breiten Publikum zu präsentieren”, erklärt Martin Aschauer, Präsident des Österreichischen Medienverbandes. “Gleichzeitig soll damit auf die teils prekäre Situation innerhalb der Freien Medienszene aufmerksam gemacht und Probleme zur Sprache gebracht werden”, so Aschauer. “Freie Medienprojekte sind meist auf Ehrenamtlichkeit ihrer MitarbeiterInnen angewiesen. Finanzielle Sorgen und keinerlei rechtliche Absicherung gehören zu ihrem Alltag. Diese Missstände aufzuzeigen und gegenzusteuern, ist unser Ziel”, erklärt Aschauer.

Ort: Quartier für digitale Kultur (QDK), Museumsplatz 1, 1070 Wien

Programm:
15:30h: Medienworkshop für Freie Medien. Digitalks erklärt digitale Medien in verständlicher Sprache

17:00h: Eröffnung der Medienmesse – Medienvielfalt erleben. Infostände der Freien Medien Österreichs

19:00h: Freie Medien on stage: Ausgewählte Medien präsentieren ihre Arbeit und Schwerpunkte am Podium

20:00h: Podiumsdiskussion zur Stellung der Freien Medien in Österreich – “ProduzentInnen brauchen keine Sender”. Mit: Peter Krotky (DiePresse.com), Michael Ostermayer (Medienstaatssekretär), Martin Blumenau (Fm4), Michaela Wein (mokant.at). Moderiert von Corinna Milborn (News)
Weitere Informationen gibts online.

Sonntag, 26. September 2010, von Elmar Leimgruber

Pressefreiheit bedeutet nicht journalistische Willkür

Elmar Leimgruber
Foto: © Leimgruber

Vorausgeschickt: Ja, die Pressefreiheit ist in Gefahr, und zwar nicht nur in irgendwelchen Entwicklungsländern, sondern auch in Europa und hier wie in Italien und in anderen Ländern auch in Deutschland und Österreich. Dies hat in erster Linie wirtschaftliche Gründe, denn rein durch Abonnement-Einnahmen können sich viele Medien nicht finanzieren, wodurch ein problematisches Spannungsfeld zwischen journalistischer Unabhängigkeit und wirtschaftlichen Zwängen entsteht.

Und dann gibt es in jedem Land auch noch so genannte staatsnahe Medien, die von der jeweiligen Regierung kontrolliert werden. So kam in Österreich unter der schwarz-blauen Regierung ein “schwarzer” Chefredakteur an die Spitze der “Wiener Zeitung” und wurde prompt von einem “roten” abgelöst, als der rote Faymann Bundeskanzler wurde. Und beim ORF ging es seit der letzten rot-schwarzen Regierung noch weit unverfrorener her:

In der schwarz-blauen-orangen Regierungszeit wurde nur versucht, ein gewisses politisches “Gleichgewicht” der einzelnen Parlaments-Parteien im ORF herzustellen, was jene Leute im ORF, die es gewohnt waren, politisch immer nur unter ihresgleichen zu sein, verstörte und die SOS ORF gegen die vermeintliche politische Vereinnahmung des ORF ins Leben rufen liess.

Was hingegen seit der Regierung des roten Kanzlers Faymann im ORF vor sich geht, hat mit Meinungsvielfalt und Demokratie nichts mehr gemeinsam: Nicht nur, dass er -wie berichtet- alle ihm -leider- per Gesetz zustehenden Publikumsräte ausschliesslich aus den Reihen seiner Partei der SPÖ rekruitierte, und damit das Sehervotum nicht nur ignorierte, sondern im Nachhinein zu seinem Vorteil manipulierte (und ich höre nach wie vor niemanden im ORF und kaum wen ausserhalb, der gegen eine solch haarsträubende politische Einflussnahme und Umfärbung auftritt), sondern alle wichtigen Umbesetzungen der Spitzenfunktionen der letzten Monate waren SPÖ-Sympatisanten. Gegen solche Vorgänge und Einmischungen müssten Journalisten und ihre Standesvertretungen protestieren, das passiert aber leider nicht. Es scheint fast, es herrscht chronische Blindheit auf dem einen Auge. Bezüglich ORF und Politik stehe ich übrigens nach wie vor (wenn ein politisch unabhängiger ORF schon nicht möglich und offenbar auch nicht erwünscht ist) für einen ORF, in dem alle Parlamentsparteien je nach ihrer Stärke vertreten sind.

Und dann gibts in Österreich noch die “Kronenzeitung”, die sich offenbar nicht zu schade dafür ist, nach den Treueschwüren der SPÖ-Spitze vor einiger Zeit dem Medium gegenüber, derlei aktiv Parteipropaganda für die SPÖ zu betreiben, dass deren Funktionäre schon gebeten wurden, der “Krone” passende Promotion-Artikel zukommen zu lassen.

Also nein: Es herrscht nicht wirklich Pressefreiheit, wenn reichweitenstärkste Medien eines Landes (ORF, “Krone”, “Österreich” und in letzter Zeit vermehrt auch “heute”) wohlwollende Hofberichterstattung für die SPÖ liefern (müssen). Und dies ist der eigentliche Skandal: dass das Medien- und Machtimperium in Österreich vor allem von einer einzigen Partei kontrolliert wird: der SPÖ.

Aber derzeit gegen die Wogen hoch im Zusammenhang mit zwei konkreten Rechts-Fällen, wo manche Journalisten ihre Befürchtung bestätigt sehen, dass die Pressefreiheit in Gefahr ist. Dabei handelt es sich hier um zwei grundunterschiedliche Ereignisse:

Im ersten Fall hatte vor einigen Tagen die Oberstaatsanwaltschaft Wien Journalisten der Nachrichtenmagazine “profil” und “News” im Rahmen einer Beschuldigteneinvernahme vernommen, weil diese aus dem Gerichtsdossier in der Causa “Hypo Alpe-Adria” berichtet hatten, was jedoch in Österreich nicht strafbar ist. Weil es hierbei aber um einen “Tatbestand” in Deutschland handelt, hatte die Staatsanwaltschaft München aber die Einvernahme der österreichischen Journalisten in Wien verlangt.

Bei allem Verständnis dafür, dass die Justiz -zu Recht- ein berechtigtes Problem mit eigenen “Maulwürfen” hat: Erstens ist das Zitieren aus Gerichtsakten in Österreich nicht strafbar und zweitens gilt das Redaktionsgeheimnis verbunden mit dem Schutz der jeweiligen Informanten. Es ist ist Aufgabe der Justiz, ihre “2undichten Stellen” selbst ausfindig zu machen und nicht Journalisten damit zu quälen. Geschieht es dennoch, handelt es sich auch für mich eindeutig um eine Gefährdung der Pressefreiheit.

Im zweiten Fall hatte bereits vor Monaten die “Am Schauplatz”-Redaktion des ORF eine Dokumentation über Skinheads vorbereitet und diese offenbar zu einer Veranstaltung von FPÖ-Chef Strache gebracht. Und hier stehen nun Aussage gegen Aussage: Strache behauptete, dass Redakteure die Skinheads zur Naziparolen anstifteten und erstattete Anzeige wegen “Wiederbetätigung”. Der ORF stellte sich schützend hinter seine Redakteure, die ihre Unschuld beteuerten. Die Staatsanwaltschaft forderte daraufhin sofort die Herausgabe des gefilmtes Materials. Erst viele Stunden später und erst am nächsten Tag übergab der ORF einen Teil des Filmmaterials. Der ORF verklagte daraufhin Strache.

Jetzt Monate später wurde mitgeteilt, dass laut einem Gutachter auf dem abgegebenen Filmmaterial keine Manipulationen erkennbar sind. Und wenige Tage später hob das Parlament die Immunität des FPÖ-Chefs auf, um ein Gerichtsverfahren gegen ihn eröfffnen zu können. Und in Folge wurde vom ORF durch Beschluss des OLG Wien auch die Herausgabe des restlichen Filmmaterials gefordert.

Der Aufstand des ORF und weiterer Medien war gross und man ortete einen schwerwiegenden Angriff gegen die Pressefreiheit und das Redaktionsgeheimnis.

Aber hier kann ich beim besten Willen nicht mit: Es überrascht und mich und erfüllt mich mit Sorge, dass ausgerechnet auch jene journalistischen Kollegen, die bei politischen Gegnern dauernd der Justiz Untätigkeit vorwerfen, wenn sie vermutliche “Skandale” über diese aufgedeckt haben, jetzt “Skandal” und “Rettet die Pressefreiheit” schreiben. Wäre ihr Gerechtigkeitssinn so ausgeprägt, wie sie ihn für sich selbst gern beanspruchen und einfordern, müssten sie auch in diesem konkreten Fall entschieden für die volle Aufklärung eintreten, schon ihrer eigenen Glaubwürdigkeit wegen:

Wenn mir als Journalist ein Politiker unverfroren vorwirft, ich manipuliere, dann lege ich mein Material sofort und vollständig und freiwillig vor Zeugen offen und überführe ihn der Verleumdung. Und das ist meines Erachtens in diesem Fall der einzig richtige Weg, wenn man “unschuldig” ist. Die “Am Schauplatz”-Redaktion und mit ihr der ORF haben sich hingegen für einen Weg entschieden, der Vertuschung vermuten lässt. Sich hier auf das Redaktionsgeheimnis und die Pressefreiheit zu berufen, klingt zumindest nach einer billigen Ausrede, weil man (zu Recht?) nicht zu dem stehen kann, was man als Journalist tut.

Und dass in diesem Fall auch noch durch Anzeige des ORF die Immunität eines Abgeordneten aufgehoben wurde, um ein gerichtliches Verfahren zu ermöglichen, kommt erschwerend dazu. Wie soll man ein Verfahren gegen wen führen können, wenn die Beweismittel nicht verwendet werden dürfen?

In diesem Fall bezüglich dieser so genannten “Skinhead-Affäre” halte ich den Schrei nach dem Schutz der Pressefreiheit nicht nur für eine Überreaktion, sondern für vollkommen unangebracht und unberechtigt. Hier sollen die Redakteure zu dem stehen, was sie produziert haben; das hätten sie sofort und ohne gerichtliches Urteil machen sollen, schon um ihre -sofern es diese gibt- Unschuld zu beweisen.

Ich bin hier für eine lückenlose und vollständige Aufklärung der Causa, und zwar ohne irgendwelche politischen oder sonstigen Rücksichten, weder auf Strache, noch auf die betreffende Redaktion.

Und obwohl ich in diesem Fall keinerlei Verletzung weder des Redaktionsgeheimnisses noch der Pressefreiheit feststellen kann, aber im zuerst genanntenFall sehr wohl und weil die Pressefreiheit ein unersetzbarer Wert für die demokratische Gesellschaft darstellt, nehme ich auch am einmaligen Krisen-Journalistentreff am Montag Abend teil, um mit besorgten Kolleginnen und Kollegen Massnahmen gegen die Aushöhlung der Pressefreiheit zu diskutieren.

Übrigens: es sollte zwar selbstverständlich sein, aber ich erinnere dennoch daran: Als Journalist tragen wir eine grosse Verantwortung: nicht nur nur dem Chefredakteur oder dem Verleger gegenüber, sondern vor allem uns selbst und den Menschen gegenüber, für die wir berichten, und natürlich auch jenen gegenüber, über die wir recherchieren. Dessen sollten wir uns immer bewusst sein.

Weitere Beiträge zum Thema:

Weitere Beiträge zum Spannungsfeld PR, Unabhängigkeit, Korruption und Glaubwürdigkeit der Medien:

- Deutsche Bundeskanzlerin Merkel plädiert für Pressefreiheit (Info)

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- dpa-Chefredakteur plädiert für mehr Mut im Journalismus (Info)

- Was macht einen Terroristen aus? (Kommentar)

- Press Freedom Award 2010 (Info)

Samstag, 11. September 2010, von Elmar Leimgruber

Deutsche Kanzlerin plädiert für Selbstbewusstsein, Toleranz, Religions-, Meinungs- und Pressefreiheit

Die deutsche Bundeskanzlerin Merkel zeichnet den dänischen Karikaturisten Kurt Westergaard aus
Foto: REGIERUNGonline/Hanschke

Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel hat anlässlich der Verleihung des Medienpreises “M 100 Sanssouci Colloquium”an den dänischen Karikaturisten Kurt Westergaard die Bedeutung von Presse- und Meinungsfreiheit hervorgehoben. Dieser muss für seine Mohammed-Karikaturen seit 2005 um sein Leben bangen. “Europa ist ein Ort, in dem ein Zeichner so etwas zeichnen darf. Das ist im Übrigen kein Widerspruch dazu, dass Europa auch ein Ort ist, in dem die Freiheit des Glaubens und der Religion sowie der Respekt vor Glaube und Religion ein hohes Gut sind”, sagte Merkel. “Das Geheimnis der Freiheit ist der Mut.” Dieser Satz von Perikles sei heute noch genauso aktuell wie im 5. Jahrhundert vor Christus. “Freiheit zu leben, erfordert Mut, und zwar jeden Tag aufs Neue, im Kleinen wie im Großen,” betonte die deutsche Kanzlerin.

Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) hat sich indes gegen die laut gewordene Kritik von Moslem-Organisationen an der Ehrung des dänischen Karikaturisten Kurt Westergaard gewandt. “Satire und Karikatur sind ironische Stilmittel der Pressefreiheit“, stellte der DJV-Vorsitzende Michael Konken klar: “Sie zu akzeptieren, selbst wenn man sich angegriffen fühlt, ist demokratisches Prinzip.“

redakteur.cc dokumentiert in Ausschnitten die beeindruckende und bedenkenswerte Jahrhundertrede von Angela Merkel zur Verleihung des Medienpreises am 8. September 2010 in Potsdam:

Die Wirkung der präzisen Frage zum richtigen Zeitpunkt, die Freiheit, sie stellen zu können, und vor allem die Freiheit, über die Antwort zu berichten, und zwar ungekürzt, unverändert, unverzüglich – welch hohes Gut. Niemals dürfen wir dieses hohe Gut als selbstverständlich ansehen – auch bei Themen nicht, die nicht sofort die Welt verändern, sondern Fragen des Alltags berühren…

Reden wir also Klartext… Aussagen, zum Beispiel von mir, münden in eine Debatte, eine breite Debatte um Artikel 5 unseres Grundgesetzes. Er lautet: “Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt. Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre. Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.” – So weit Artikel 5. Er ist es wert, gerade bei einer solchen Tagung zum Thema “Freiheit und Pressefreiheit” in Gänze vorgetragen zu werden. Er ist das auch wert, weil er neben Artikel 1 zur Unantastbarkeit der Würde des Menschen, Artikel 2 zur freien Entfaltung der Persönlichkeit, Artikel 3 zur Gleichheit aller Menschen vor dem Gesetz und Artikel 4 zur Freiheit des Glaubens für mich zu den größten Schätzen unserer Gesellschaft gehört…

Das Thema Sarrazin ist aber gerade kein Thema der Gefährdung der Meinungsfreiheit, sondern es geht darum, ob und gegebenenfalls welche Folgen zum Beispiel ein Buch für einen Autor in einer besonders wichtigen öffentlich-rechtlichen Institution haben kann oder nicht…

Der heutige Tag kann uns für unser Thema “Pressefreiheit in Europa” – da bin ich mir sicher – Orientierung geben. Bei dem Mann, den Sie heute auszeichnen, dem dänischen Zeichner und Karikaturisten Kurt Westergaard, geht es um die Meinungs- und Pressefreiheit. Bei ihm geht es darum, ob er in einer westlichen Gesellschaft mit ihren Werten seine Mohammed-Karikaturen in einer Zeitung veröffentlichen darf, ja oder nein; egal, ob wir seine Karikaturen geschmackvoll finden oder nicht, ob wir sie für nötig und hilfreich halten oder eben nicht. Darf er das? Ja, er darf. Er ist ein Zeichner, wie es in Europa viele gibt. Europa ist ein Ort, in dem ein Zeichner so etwas zeichnen darf. Das ist im Übrigen kein Widerspruch dazu, dass Europa auch ein Ort ist, in dem die Freiheit des Glaubens und der Religion sowie der Respekt vor Glaube und Religion ein hohes Gut sind. Wenn ein fundamentalistischer evangelikaler Pastor in Amerika am 11. September den Koran verbrennen will, so finde ich das deshalb – kurz gesagt – schlicht respektlos, sogar abstoßend und einfach falsch.

In der Diskussion um die Veröffentlichung der so genannten Mohammed-Karikaturen geht es also genau darum, ob wir in Europa mit unseren Werten – Sie haben die von mir genannten ersten fünf Artikel unseres Grundgesetzes sicher noch im Ohr – aus Angst vor Gewalt und Massendemonstrationen davon absehen, die Zeichnungen dieses Karikaturisten zu veröffentlichen oder nicht, ob sie auch in anderen Zeitungen nachgedruckt werden oder nicht und, wenn nein, warum nicht.

Denen, die das seinerzeit aus welchen Gründen auch immer nicht gemacht haben, werfe ich nichts vor. Jeden Tag stehen Sie bei Ihrer Berichterstattung vor Abwägungsfragen; sie gehören zur Verantwortung der Medien in Ausübung ihrer Pressefreiheit ganz selbstverständlich dazu. Ich kenne solche Abwägungsfragen auch selbst: Soll die deutsche Bundeskanzlerin die Hauptrede anlässlich dieser Veranstaltung halten? Soll sie den Dalai Lama empfangen? Soll sie Briefe, die sie zum Beispiel von “Reporter ohne Grenzen” bekommt, ernst nehmen und den neuen ukrainischen Präsidenten bei seinem ersten Besuch in Berlin auf die Einschränkungen der Pressefreiheit in seinem Land ansprechen oder damit besser bis zur zweiten Begegnung warten?

Wie also verhält es sich mit den Werten und den Interessen, den politischen wie wirtschaftlichen, die für unser Land wichtig sind – für Sie wie für mich? Ich habe für mich die genannten drei Fragen drei Mal mit Ja beantwortet, und zwar aus einem einzigen Grund, der mich seit Beginn meiner politischen Arbeit leitet: Deutsche Politik vertritt ihre Interessen wertegebunden – nach innen wie nach außen. Werte und Interessen gehören zusammen. Wer einen Gegensatz aufmacht, hat sich bereits aufs Glatteis führen lassen…

Ja, geben wir den Menschen eine Stimme – in politischen Parteien genauso wie in den Medien. Aber überzeugen wir sie gleichzeitig, dass es in unserem Land am wenigsten darum geht, was gesagt werden darf. Richtige Entscheidungen, Taten statt Worte – das hingegen führt zum Kern dessen, was notwendig ist, zum Beispiel damit Integration gelingt und nicht scheitert, damit Parallelgesellschaften verhindert und nicht auch noch gefördert werden, damit jugendliche Gewalt eingedämmt und nicht hingenommen wird, damit der Sozialstaat denen hilft, die ihn brauchen, und nicht denen, die ihn missbrauchen, und vieles mehr…

Erstens: Freiheit ist nicht bindungslos. Das gilt für unser persönliches Leben, das gilt in der Politik, das gilt für die Verantwortung der Medien, das gilt für uns alle. Freiheit ist stets und für alle mit Verantwortung verbunden. Freiheit steht nie nur für sich. Sie ist eine Medaille mit zwei Seiten: Auf der einen Seite steht die Freiheit von etwas, auf der anderen Seite die Freiheit zu etwas. Wenn wir also von Freiheit sprechen, dann sprechen wir tatsächlich immer auch von der Freiheit des anderen. Was uns in Deutschland wie Europa auszeichnet, das ist der Umgang mit unserer Vielfalt, unserer Freiheit und der Freiheit der anderen. Wir Deutsche und Europäer haben in unserer Geschichte gelernt, aus der Vielfalt das Meiste zu machen. Die Eigenschaft, die uns dazu befähigt, ist die Toleranz.

Zweitens: Die Toleranz ist eine anspruchsvolle Tugend. Sie braucht das Herz und den Verstand. Aber sie ist nicht mit Standpunktlosigkeit und Beliebigkeit zu verwechseln. Sie hat niemals das geringste Verständnis für Intoleranz, für Gewalt von Links- und Rechtsextremismus oder für Gewalt im Namen einer Religion. Die Toleranz ist ihr eigener Totengräber, wenn sie sich nicht vor Intoleranz schützt. Religionsfreiheit meint eben nicht, dass im Zweifelsfall die Scharia über dem Grundgesetz steht. Toleranz meint nicht Wegsehen oder das Messen mit zweierlei Maß. Und Respekt bedeutet nicht Unterwerfung.

Drittens: Freiheit in Verantwortung – das gilt auch für die Wirtschaft. Eine auf Freiheit beruhende Soziale Marktwirtschaft bietet die Spielräume, damit Menschen verantwortlich handeln können. Die Lektion, die uns die Finanz- und Wirtschaftskrise schmerzhaft erteilt hat, muss überall ankommen. Seit Ludwig Erhard gilt, dass der Staat der Hüter der Ordnung unserer Sozialen Marktwirtschaft ist.

Viertens: “Das Geheimnis der Freiheit ist der Mut.” Dieser Satz von Perikles ist heute noch genauso aktuell wie im 5. Jahrhundert vor Christus. Freiheit zu leben, erfordert Mut, und zwar jeden Tag aufs Neue, im Kleinen wie im Großen – wenn ein Jugendlicher nicht mehr mitmacht beim Mobbing eines Klassenkameraden und den Ausschluss aus der Gruppe riskiert, wenn ein Manager nicht mehr mitmacht bei unlauteren Unternehmenspraktiken und dafür seine Karriere riskiert, wenn man in einer Diktatur versucht, jeden Tag in den Spiegel schauen zu können… Ja, so ist es: Mut fängt mit der Überwindung der eigenen Verzagtheit an…


Fünftens: Die Freiheit wird durch die schier unbegrenzten Möglichkeiten der digitalen Revolution geradezu herausgefordert. Auch ich bin fasziniert von den Möglichkeiten des World Wide Web. Trotzdem werden Sie keine Fotos von meiner letzten Geburtstagsfeier im Internet finden – zumindest keine, die ich selbst eingestellt hätte. Im Ernst: Es macht mir Sorgen, wie leichtfertig Menschen ihre Privatsphäre, den Hort individueller Freiheit, aufgeben und im Internet sensible persönliche Daten preisgeben. Gänzlich unverständlich ist mir das, wenn man bedenkt, wie erbittert wir in Deutschland über die Videoüberwachung öffentlicher Plätze oder eine Volkszählung streiten können. Politik und Medien müssen hier weiter Aufklärungs- und – ja, ich sage – Bildungsarbeit leisten, um in diesem Bereich zu einem verantwortungsvollen Umgang mit Freiheit zu kommen.

Sechstens: Auch unsere Außenpolitik ist wertegebunden. Ich sehe mit Sorge, dass Diktaturen und autokratische Staaten den Freiheits- und Toleranzbegriff missbrauchen. Denken wir zum Beispiel an die dritte Konferenz der Vereinten Nationen gegen Rassismus im Jahre 2001. Diese Anti-Rassismus-Konferenz und ihre Nachfolgetreffen wurden leider von Abgesandten aus Diktaturen und autoritär regierten Ländern bestimmt, die den Gedanken dieser Konferenzen in ihr Gegenteil verkehrt haben.

In Zusammenhängen wie diesen wird oft gefragt: Ist es nicht eine kulturelle, westliche, europäische, christliche Anmaßung, dass wir unsere Werte und Freiheitsrechte für universal gültig halten? Meine Antwort ist eindeutig: Nein, es ist keine Anmaßung. Fast alle Staaten sind Mitglieder der Vereinten Nationen und haben die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte anerkannt. Die großartigen 30 Artikel der Menschenrechtserklärung machen deutlich: Wer diese Rechte bestreitet, hat nicht das Wohl der Menschen im Blick. Kein kultureller Unterschied kann die Missachtung dieser Rechte rechtfertigen.

Ich bin im Übrigen überzeugt: Wenn wir selbstbewusst zu unseren Werten stehen, verschafft uns das weltweit mehr Respekt und Anerkennung, als wenn wir es nur verschämt tun.

Meine Damen und Herren, Freiheit – ich habe es schon oft gesagt – ist für mich persönlich die glücklichste Erfahrung meines Lebens. Auch bald 21 Jahre nach dem überwältigenden Geschenk der Freiheit mit dem Fall der Mauer und 20 Jahre nach der Vollendung der Einheit Deutschlands gibt es noch immer nichts, das mich mehr begeistert, nichts, das mich mehr anspornt, nichts, das mich stärker mit positiven Gefühlen erfüllt als die Kraft der Freiheit.

Mittwoch, 8. September 2010, von Elmar Leimgruber

Irak-Krieg: 230 Medienmitarbeiter getötet

Reporter ohne Grenzen: Bildband Pressefotos
Foto: rog.de

Seit dem Einmarsch der US-geführten Truppen im Irak im März 2003 sind in dem vorderasiatischen Land 230 Medienmitarbeiter getötet worden. Diese Bilanz zieht Reporter ohne Grenzen (ROG) in einem am 7. September veröffentlichten Bericht zur Entwicklung der Pressefreiheit im Irak. In der Studie wird der Zeitraum von Beginn der Invasion der US-Koalition am 20. März 2003 bis zum Rückzug der letzten Kampfeinheit der US-Armee aus dem Land am 19. August 2010 untersucht.

Der Sturz des ehemaligen Machthabers Saddam Hussein nach Beginn der “Operation Iraqi Freedom” bedeutete zwar größere Freiräume für Journalisten und Medien im Irak. Aber die folgenden politischen und ethnischen Auseinandersetzungen verursachten auch ein extremes Ausmaß an Gewalt, die sich auch gegen Medienvertreter richtete. “Bis heute liegt die Zahl der ermordeten Journalisten und Medienmitarbeiter bei 230″, heißt es in dem Bericht. “Das übersteigt die Zahl der getöteten Reporter während des Vietnamkrieges.” Während des Vietnam-Kriegs von 1955 bis 1975 kamen 63 Journalisten ums Leben.

Rund 70 Prozent der Journalisten starben bei gezielten Anschlägen und Attacken – eine weitaus höhere Rate als bei vorangegangenen Kriegen. In mehr als 80 Prozent der Fälle kamen die Täter aus den Reihen bewaffneter Gruppen, die im Widerstand zur US-Koalition und der irakischen Regierung stehen. Für rund zehn Prozent der Todesfälle waren die internationalen Besatzungstruppen verantwortlich.

Die meisten Todesopfer, fast 90 Prozent, waren irakische Medienvertreter. Vermutlich spielten in vielen Fällen die politische Ausrichtung oder Nähe zu ethnischen Gruppen der Medien, für die sie arbeiteten, eine Rolle. Vor allem staatliche Medien wurden zur Zielscheibe von Gewalt: Sie werden von militanten oppositionellen Gruppen häufig verdächtigt, im Dienst der US-amerikanischen Streitkräfte zu stehen und deswegen als Verräter oder Feinde betrachtet.

ROG verzeichnete in den vergangenen Jahren einen weiteren Negativrekord im Irak. Mindestens 93 Medienmitarbeiter wurden im Untersuchungszeitraum des Berichts entführt. 47 von ihnen wurden wieder frei gelassen, 32 ermordet, das Schicksal weiterer 14 entführter Medienschaffender bleibt ungewiss.

Schließlich dokumentiert ROG in dem Bericht zahlreiche Festnahmen von Journalisten. US-amerikanische Soldaten verhafteten rund 30 Journalisten, die irakischen Behörden nahmen mehrere Dutzend Reporter fest. Die meisten Journalisten wurden unter dem Verdacht verhaftet, sie kollaborierten mit aufständischen Gruppen. Aus Sicht von ROG handelte es sich häufig um willkürliche Festnahmen, deren Rechtmäßigkeit nicht ausreichend überprüft wurde.

Das jüngste Opfer der Gewalt im Irak war in dieser Woche der 35-jährige Fernsehmoderator Riad el Sarai, der für den staatlichen Fernsehsender “El Irakija” gearbeitet hatte. Er wurde von unbekannten bewaffneten Männern am 7. September erschossen, als er am Morgen sein Haus in Bagdad verließ. ROG verlangt die umgehende Einleitung von Ermittlungen.

Der 13-seitige ROG-Bericht zur Entwicklung der Pressefreiheit im Irak ist hier abrufbar.

Donnerstag, 2. September 2010, von Elmar Leimgruber

Stefan Ströbitzer wird ORF-Radio-Chefredakteur

ORF-Radio-Chefredakteur Stefan Ströbitzer
Foto: ORF

Der bisherige Info-Chef von ORF 2 und Sendungsverantwortliche der TV-Nachrichten “Zeit im Bild” (ZIB), Stefan Ströbitzer, übernimmt am 7. September die ORF-Radio Chefredaktion. Ströbitzer folgt Bettina Roither in dieser Funktion nach, die seit August 2010 Ö1-Chefin ist. Die Mehrheit der Radio-Inforedakteure hatte sich zuvor für Innenpolitikchef Hannes Aigelsreiter als Radiochefredakteur ausgesprochen.

ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz zu seiner Ernennung: “Stefan Ströbitzer ist ein Garant für unabhängigen öffentlich-rechtlichen Qualitätsjournalismus. Das hat er nicht nur als Info-Chef von Ö3, sondern auch in den vergangenen Jahren als Verantwortlicher der ‘ZiB’ in ORF 2 unter Beweis gestellt. Verlässliche, objektive und publikumsorientierte Information ist eines der Kernstücke der ORF-Radioflotte. Mit Stefan Ströbitzer als neuem Chefredakteur ist der Informationsvorsprung der ORF-Radios gegenüber den Privaten jedenfalls gesichert.”

Stefan Ströbitzer zu seiner neuen Funktion: “Unabhängige, aktuelle und rasche Information: dafür stehen die Nachrichtensendungen der ORF-Radios. Diese Stärken abzusichern und weiterzuentwickeln ist mein zentrales Ziel als neuer Chefredakteur der ORF-Radios. Gemeinsam mit den hochkompetenten Kolleginnen und Kollegen der Radio-Information werden wir die Qualitätsstandards fortschreiben, die unser Publikum gewohnt ist, und auf diese Weise einen wichtigen Beitrag zum Programmerfolg der ORF-Radios im zunehmenden Wettbewerb leisten. Ich freue mich auf diese Herausforderung!”

Stefan Ströbitzer (geboren am 26. Februar 1966 in St. Pölten) kam 1994 (bis 1997) als freier Mitarbeiter in den Aktuellen Dienst des ORF-Landesstudios Wien. Zuletzt arbeitete er dort als Chef vom Dienst von “Wien heute”. 1997 wechselte der studierte Jurist in die Ö3-Wortredaktion, ab März 1997 war er Wortchef bei Ö3. 1999 wurde Ströbitzer außerdem Ö3-Info-Chef und war als solcher für die Nachrichten und Journale auf Ö3 verantwortlich. 2007 wechselte er in die Fernsehinformation und wurde Info-Chef von ORF 2 sowie Sendungsverantwortlicher der “Zeit im Bild”.

Mittwoch, 1. September 2010, von Elmar Leimgruber

Deutscher PR-Rat fordert klare Trennung von Redaktion und PR (Info + Kommentar)

Ulrich Nies, Präsident der Deutschen Public Relations Gesellschaft (DPRG), im deutschen PR-Rat zuständig für den Online-Bereich und Leiter “Information Coordination” bei einem bedeutenden Chemieunternehmen
Foto: redakteur.cc-Archiv

Für den Nutzer von Internetangeboten muss es jederzeit mühelos möglich sein, zu erkennen, ob er es mit unabhängigen redaktionellen Inhalten, der Meinung von Privatpersonen oder mit PR als professionellem, interessensgesteuerten Management von Informations- und Kommunikationsprozessen zu tun hat. Dies geht aus der soeben veröffentlichten Online-Richtlinie des Deutschen Rats für Public Relations (DRPR) hervor, welche ein verbindliches Regelwerk für alle Personen, die Interessen von Unternehmen oder Organisationen im Internet professionell vertreten, ist.

Der Deutsche Rat für Public Relations hält es aufgrund von häufigen Vermischungen von PR und redaktionellen Inhalten für erforderlich, die bestehenden Richtlinien und Kodizes um eine spezifische Richtlinie zur PR in digitalen Medien und Netzwerken zu ergänzen. Dabei gehe es nicht darum, die freie Meinungsbildung von Privatpersonen zu reglementieren. Ziel sei vielmehr ein verbindliches Regelwerk für alle Personen, welche die Interessen von Unternehmen oder Organisationen in diesen Medien und Netzwerken professionell vertreten. Dies schließt ausdrücklich Privatpersonen ein, die für ihre Kommunikationsaktivitäten durch Zahlungen oder Sachleistungen vergütet werden.

“Parallel zum Vorgehen in den klassischen Medien wird der DRPR Verstöße gegen dieses Transparenzgebot in Eigeninitiative oder auf der Basis von Beschwerden auch im Online-Bereich rügen oder mahnen,” kündigt der deutsche PR-Rat an: “In besonderem Maß gilt dies für Personen oder Unternehmen, die mit dem Erbringen derartiger unzulässiger Leistungen sogar werben”.

Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) begrüsst die neue PR-Richtlinie des Deutschen Rates für Public Relations “als notwendige Grenzziehung zwischen PR und Journalismus im digitalen Zeitalter”. Dass bezahlte PR-Beiträge Medien als journalistische Artikel angeboten werden, bezeichnet die Richtlinie als “unzulässige Täuschung”. Auch fordert sie die klare Unterscheidung zwischen redaktionellem Content und PR-Veröffentlichungen auf Webseiten.

“Die Richtlinie gibt Redaktionen wie Mediennutzern Sicherheit im Umgang mit Kommentaren und Meinungsbeiträgen in Online-Medien” und “trägt zur Glaubwürdigkeit der Medien bei,” erklärt DJV-Bundesvorsitzender Michael Konken. Die Akzeptanz der PR hänge entscheidend davon ab, “ob sie seriös informiert oder mit unzulässigen Tricks versucht, Stimmung zu machen,” betont Konken. Er hoffe, dass die klaren Worte der neuen PR-Richtlinie ihren Niederschlag in der Arbeitsweise von PR-Agenturen und Unternehmen finden. Der DJV-Vorsitzende forderte den Deutschen Rat für Public Relations auf, die Einhaltung der Richtlinie konsequent zu verfolgen.

Die Richtlinie zu PR in digitalen Medien und Netzwerken ist hier downloadbar.

Vorausgesetzt, dass PR-Meldungen so interessant sind, dass sie auch für die breite Öffentlichkeit von Interesse sind, werden sie üblicherweise -zumindest etwas vom PR-Schmäh entrümpelt- auch von klassischen Nachrichtenagenturen verwertet und verbreitet. Aber dennoch darf es niemals so sein, dass auf Redakteure, Chefredakteure und Geschäftsführer von Medien vor allem auch wirtschaftlicher Druck von PR-Beauftragten und/oder Agenturen ausgeübt wird oder erst recht solche bezahlt also “bestochen” werden, dass eine PR-Meldung unbedingt -und vor allem als redaktioneller Beitrag gebracht werden müsste.

Die Realität sieht leider vielfach anders aus: Einerseits unterliegen vor allem Geschäftsführer von rein kommerziell ausgerichteten Medien zu oft der Versuchung, sich über Werbeaufträge oder persönlich finanziell kaufen zu lassen und dann auch die Redakteure über den genehmen Chefredakteur zu instruieren, gewisse Informationen über das Auftrags- Unternehmen zu beschönigen bzw. jene des Mitbewerbers zu verschweigen oder verzerrt darzustellen. Genauso, wie es redaktionell unmoralisch ist, über gewisse Unternehmen bewusst falsche Informationen zu verbreiten, um Werbeaufträge zur Besänftigung der öffentlichen Meinung zu generieren, ist auch das Gegenteil redaktionell verwerflich: nämlich Unternehmen wegen finanziellen Vorteilen schönzuschreiben oder in der Berichterstattung vorzuziehen. Zu viele Medieninhaber gehen hier leider einen sehr bequemen und zu angepassten Weg. Würde kein Eigentümer oder Chefredakteuer oder Redakteur käuflich, würde die Korruption auf diesem Gebiet ein rasches Ende finden: Das ist erstrebenswert.

Insofern bin ich besonders erfreut, dass dieser nun formulierte PR-”Ehrenkodex” nicht von Seiten der Medienverantwortlichen, also der Verführten kommt, sondern von jenen, denen üblicherweise unterstellt wird, dass sie um jeden Preis ihre PR-Artikel auch redaktionell vertreten haben wollen und daher wirtschaftlich oder finanziell verführen.

Und ich schliesse mich hier der Meinung des Deutschen Journalisten Verbandes an, dass Grenzen zwischen Journalismus und PR notwendig sind und zwar grenzüberschreitend überall, und dass von Seiten des PR-Rates die Einhaltung der neuen Richtlinie auch konsequent verfolgt wird.

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Montag, 23. August 2010, von Elmar Leimgruber

ORF-Journalist Günter Schmidt verstorben

Günter Schmidt
Foto: ORF, ZIB

Der langjährige ORF-Journalist und Brüssel-Korrespondent Günter Schmidt ist tot. Er verstarb, wie der ORF mitteilt, vor wenigen Tagen im 69. Lebensjahr unerwartet an den Folgen einer Erkrankung.

Der gebürtige Wiener Günter Schmidt schloss 1967 sein Studium an der Hochschule für Welthandel als Diplomkaufmann ab. Bereits während des Studiums arbeitete er im Wiener Büro der Nachrichtenagentur Reuters als Assistent des Chefkorrespondenten. 1968 übersiedelte Günter Schmidt nach London, wo er für den deutschsprachigen Dienst der BBC London tätig war. Während seiner Zeit in London übernahm er nach Beendigung seiner Tätigkeit für die BBC die redaktionelle Leitung des deutschsprachigen Dienstes des Los Angeles Times/Washington Post News Service.

1972 wechselte Günter Schmidt zum ORF, wo er seit Jänner 1975 als leitender Redakteur/Reporter für Ausland und Wirtschaft sowie als langjähriger Moderator der “Zeit im Bild” (ZIB) tätig war. Von 1992 bis 2002 leitete Günter Schmidt das ORF-Korrespondentenbüro in Brüssel. 2002 wurde Günter Schmidt der Professoren-Titel verliehen, 2003 wurde er vom ORF und zahlreichen Persönlichkeiten aus Politik und Wirtschaft in den Ruhestand verabschiedet. Der ORF trauert:

“Besonders in den zehn Jahren als ORF-Korrespondent in Brüssel brachte Schmidt den Österreicherinnen und Österreichern den Europagedanken nachhaltig näher,” würdigte ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz den langjährigen Mitarbeiter: “Für diese Vermittlung von Informationen zu allen Fragen der Europäischen Union war Günter Schmidt sowohl in Österreich als auch über die Grenzen des Landes hinaus hoch geschätzt. Wir verlieren eine der prägenden Persönlichkeiten der ORF-Information,” erklärte Wrabetz.

Mittwoch, 18. August 2010, von Elmar Leimgruber

Volksdroge Alkohol: Sucht Info Schweiz fordert Werbeverbot

Vielfach unterschätzt: Die Volksdroge Alkohol
Foto: © Leimgruber

Das in der Schweiz geplante total revidierte Alkoholgesetz sieht zu lasche Werbevorgaben für Bier und Wein vor. Dies kritisiert die Sucht Info Schweiz in einer Aussendung: “Alkoholwerbung schafft Konsumanreize und positive Einstellungen zum Produkt, gerade auch bei jungen Konsumierenden. Unverständlich ist deshalb die vom Bundesrat in die Vernehmlassung geschickte Vorlage, Lifestyle-Werbung für Bier und Wein zuzulassen”. Sucht Info Schweiz (ehemals SFA) fordert daher, im total revidierten Alkoholgesetz einheitliche Regeln für sämtliche alkoholischen Getränke.

Es sei enttäuschend, dass Lifestyle-Werbung nur für Spirituosen unzulässig bleibt, hingegen für Bier und Wein weiterhin möglich ist: “Attraktive, beruflich, sportlich und sozial erfolgreiche junge Menschen werben für Alkohol und schaffen so eine positive Haltung gegenüber dem beworbenen Produkt”, was ein Lebensgefühl vermittle, “das an Werte wie Sportlichkeit, Jugend oder Erfolg anknüpft.”

Das Gesetz verbiete zwar Werbung für alkoholische Getränke, die sich an Jugendliche unter 18 Jahren richtet. Dennoch aber versuche die Alkoholindustrie aber, junge Konsumierende zu gewinnen. Studien belegten zudem, dass ein früher Konsumeinstieg die Wahrscheinlichkeit erhöht, im Erwachsenenalter einen problematischen Alkoholkonsum zu entwickeln.

“Wissenschaftliche Studien zeigen, dass Alkoholwerbung nicht nur die Einstellung von Jugendlichen gegenüber Alkohol, sondern auch deren Konsumverhalten beeinflusst”, sagt Michel Graf, Direktor von Sucht Info Schweiz. Nebst dem Verbot der Lifestyle-Werbung sollte gemäss Sucht Info Schweiz die Gelegenheit der Gesetzesrevision daher dazu genutzt werden, die Werbung für sämtliche alkoholischen Getränke in den elektronischen Medien (Fernsehen, Radio, Internet) und auch für alkoholfreie Getränke mit gleichem Namen oder Aufmachung wie die alkoholhaltigen Produkte zu verbieten. Die Totalrevision des Alkoholgesetzes ist bis Ende Oktober 2010 in der Vernehmlassung. Ein erster Positionsbezug von Sucht Info Schweiz zu dem vom Bundesrat am 30. Juni 2010 in die Vernehmlassung geschickten Gesetzestext ist online abrufbar.

Sucht Info Schweiz will Probleme verhüten oder vermindern, die aus dem Konsum von Alkohol, anderen psychoaktiven Substanzen oder potenziell abhängigkeits-erzeugenden Verhaltensweisen hervorgehen. Sucht Info Schweiz konzipiert und realisiert Präventionsprojekte, engagiert sich in der Gesundheitspolitik und der psychosozialen Forschung. Sie ist eine private, parteipolitisch unabhängige Organisation mit gemeinnützigem Zweck. Sucht Info Schweiz ist auf nationaler Ebene tätig und pflegt Kontakte zu Institutionen im Ausland. Wir treten daher auch unter den Bezeichnungen Addiction Info Suisse, Dipendenze Info Svizzera und Addiction Info Switzerland auf.

Bücher zum Thema “Alkohol und Sucht” finden Sie hier.

Weitere interessante Beiträge zum Thema Alkohol:

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- Alkohol-Missbrauch unter Schülern erschreckend hoch

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Montag, 16. August 2010, von Elmar Leimgruber

Dr. Karl Renner Publizistikpreis 2010 und ÖZIV Medienpreis ausgeschrieben

ÖJC-Präsident Fred Turnheim
Foto: © Leimgruber

Der Österreichische Journalisten Club (ÖJC) hat den “Dr. Karl Renner Publizistikpreis 2010″ ausgeschrieben. Der Preis wird ab sofort wieder jährlich vergeben. Neu ist auch, dass die nach eigenen Angaben höchste Auszeichnung im österreichischen Journalismus nun in den Kategorien Print, Radio, Fernsehen und Online vergeben wird. “Wir wollen damit auf die geänderte Medienlandschaft reagieren”, begründete ÖJC-Präsident Fred Turnheim die Umstellung des traditionsreichen Preises. Ende der Einreichfrist ist der 30. September 2010.

Vorschläge für Preisträger können alle Mitglieder des Österreichischen Journalisten Clubs sowie die Redaktionen aller Print-, Online- und Funkmedien in Österreich, sowie alle österreichischen Journalistinnen und Journalisten einreichen. Einreichungen sind an Österreichischer Journalisten Club, Kennwort: “Rennerpreis 2010″, Blutgasse 3, 1010 Wien zu richten. Film- und Fernsehproduktionen sind auf DVD einzusenden, Hörfunksendungen auf Audio-CD und Online-Medien auf CD-ROM/DVD.

Die Jury entscheidet am 13.Oktober 2010. Die Nominierten werden telefonisch verständigt. Die eingereichten Bewerbungsunterlagen werden nicht zurückgesandt und gehen in das Eigentum des ÖJC über. Die Verleihung des Dr. Karl Renner-Journalistenpreises 2010 findet Ende Oktober in Wien statt.

Mit einem geänderten Einreichschluss geht der diesjährige ÖZIV Medienpreis (in Zusammenarbeit mit dem ÖJC) in seine fünfte Auflage. Für den Preis, mit dem herausragende Berichterstattung über Menschen mit Behinderungen im Arbeitsleben/in der Wirtschaft ausgezeichnet wird, kann bis 31.12.2010 eingereicht werden. Der Galaabend mit der Prämierung des besten Beitrages geht am 31.3.2011 über die Bühne. Ausgelobt sind die Statue “Schuasch” des Künstlers Rudolf Pinter sowie ein Preisgeld in Höhe von 1.000,- Euro.

“Mit den vielen aktuellen Themen heuer, wie z.B. dem Europäische Jahr gegen Armut und soziale Ausgrenzung, den Debatten um Pflegegeld und Kündigungsschutz sowie der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen steht eine breite Palette an Ansatzmöglichkeiten für interessante Stories zur Verfügung,” erklärte ÖZIV Präsident Klaus Voget.

Samstag, 14. August 2010, von Elmar Leimgruber

Reporter ohne Grenzen und DJV kritisieren “Sachsen-Sumpf”-Urteil gegen Journalisten

Die verurteilten Reporter Arndt Ginzel und Thomas Datt
Foto: ROG © Jan Zappner

Am Freitag, 13. August, hat das Dresdner Amtsgericht die beiden Reporter Thomas Datt und Arndt Ginzel zu 50 Tagessätzen à 50 Euro verurteilt, weil sie sich im Zusammenhang mit der sogenannten “Sachsen-Sumpf”-Affäre nach Ansicht des Gerichts der üblen Nachrede schuldig gemacht haben. Reporter ohne Grenzen (ROG) kritisiert dieses Urteil als “Skandal”:

In vielen Ländern der Welt seien Journalisten willkürlichen Strafverfahren wegen Verleumdung ausgesetzt. Fast immer sei dies ein Vorwand, um Pressefreiheit zu unterdrücken. “Der Dresdner Prozess zeigt das gleiche Muster: Justizbehörden benutzen das Strafrecht gegen unliebsame Journalisten”, reagiert ROG-Vorstandssprecher Michael Rediske.

Auch der Deutsche Journalisten Verband (DJV) kritisiert das Urteil: In Zukunft könnte nun auch anderswo versucht werden, “kritisch und investigativ recherchierende Journalisten einzuschüchtern,” befürchtet DJV-Chef Michael Konken. “In Anklage und Prozess wurden völlig normale journalistische Arbeitsabläufe und Handlungen kriminalisiert. Das können wir nicht hinnehmen“, erklärte die sächsische DJV-Landesvorsitzende Sabine Bachert. Man werde die Urteilsbegründung abwarten und behalte sich weitere Schritte vor, so der DJV-Landesverband Sachsen, der die beiden freien Journalisten juristisch berät.

Gegenstand der Anklage sind Artikel im Nachrichtenmagazin “Der Spiegel” und bei “Zeit Online” aus dem Jahr 2008 zum “Sachsen-Sumpf” – eine mögliche Korruptionsaffäre, in dem es auch um eventuelle Verstrickungen ranghoher sächsischer Justizvertreter geht. Ginzel und Datt waren Autoren des “Zeit Online”-Berichts und an dem “Spiegel”-Artikel als Co-Autoren beteiligt. Ihnen werden ehrverletzende Tatsachenbehauptung, üble Nachrede und Verleumdung vorgeworfen. Der Hintergrund der Anklage ist hier online abrufbar. Der entsprechende Beitrag bei “Zeit Online” kann hier gelesen werden.

ROG und DJV hatten bereits im Vorfeld der Gerichtsverhandlung Freispruch für die beiden Journalisten gefordert:

“Eine Verurteilung der beiden Journalisten würde den Rechtsstaat beschädigen und die Pressefreiheit verletzen”, betonte die stellvertretende Bundesvorsitzende des DJV, Ulrike Kaiser: “Das Verfahren war und ist in unseren Augen der Versuch der Einschüchterung von investigativ recherchierenden Journalisten.” Im Prozess wurde laut DJV durch Zeugenaussagen und Akten, die durch die Angeklagten eingeführt wurden, erwiesen, dass es die im Bericht aufgezeigten Unstimmigkeiten tatsächlich gab”. Und zudem sollte in diesem Fall “auch die mögliche Einflussnahme von Landesbehörden auf das Strafverfahren gegen die beiden freien Journalisten aufgeklärt werden”. “Eine Verurteilung wäre nicht nachvollziehbar”, so Kaiser.

“Journalistische Handlungen werden in dem Prozess zu Unrecht kriminalisiert. Eine der wichtigsten Funktionen der Medien ist es, Missstände aufzudecken. Eine Verurteilung würde künftige Berichterstattung zu Korruptionsaffären behindern und damit die Pressefreiheit beeinträchtigen,” warnte Rediske: “Schon die Einleitung des Strafverfahrens gegen die freien Journalisten Arndt Ginzel und Thomas Datt, die im so genannten “Sachsen-Sumpf” recherchiert hatten, sei mehr als fragwürdig gewesen. Schließlich hätten sich die Nebenkläger nicht einmal getraut, presserechtlich gegen die angeblich diffamierenden Äußerungen vorzugehen”. Zudem habe viel in dem Prozess darauf hingedeutet, “dass Behörden Druck auf investigativ recherchierende Journalisten ausüben wollen”, kritisiert Rediske.