Mit ‘Missstände’ getaggte Artikel

Dienstag, 17. April 2012, von Elmar Leimgruber

Journalistenclub an ÖBB: Spendet Einnahmen aus Presse-Vorteilscard!

In diesen Tagen erhalten Journalisten und weitere im Presseumfeld Tätige (z.B. Pressesprecher), welche bislang eine ÖBB-Vorteilscard Presse in Anspruch nahmen, von den Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) einen Brief (siehe Screenshot), in welchem mitgeteilt wird, dass aufgrund einer “verschärften Compliance-Richtlinie” und um “einen wichtigen Schritt zur Korruptionsbekämpfung” zu setzen, ab Juli keine Presse-Vorteilscards mehr vergeben werden. Der Österreichische Journalistenclub (ÖJC), die größte Vertretung der Journalisten Österreichs, weist in einer Reaktion den Korruptionsvorwurf auf Schärfste zurück: “Wir Journalisten sind kein Sündenbock in der innenpolitischen Auseinandersetzung. Journalisten berichten im Inland kritisch über österreichische Missstände und im Ausland oft unter Einsatz ihres eigenen Lebens und haben es daher nicht nötig, als “bestechlich” denunziert zu werden”, betont ÖJC-Präsident Fred Turnheim (Foto).

Bislang bezahlten Journalisten -ohne vorher eine Leistung der ÖBB erhalten zu haben- 49,50 Euro jährlich (anstatt der üblichen 99,90 Euro) für ihre Vorteilscard Presse und durften mit einem Ticket der Zweiten Klasse auch die (sowieso oft halbleere) Erste Klasse benützen. Zudem durften sie -genauso wie andere Erste-Klasse-Gäste auch- die ÖBB-Lounge mit ausgewählten Freigetränken (jedoch nur im Rahmen von Fahrten von über 50 Kilometern) besuchen.

Journalisten haben keine anderen “Privilegien”, als MitarbeiterInnen großer Unternehmen und Mitglieder der Gewerkschaften oder anderer Fachverbände auch, erklärt der ÖJC: In der Wirtschaft nennt man dies “Flottenverträge”, also Verträge die größere Interessentengruppen gemeinsam mit einem Unternehmen abschließen. So erhalten laut ÖJC beispielsweise ÖAMTC-Mitglieder mit ihrer Clubkarte 10 Prozent Rabatt beim ÖBB-Mitbewerber “Westbahn”. Oft muss zudem für solche Vereinbarungen sogar der Kunde eine entsprechende Gebühr für die Nutzung dieser “Privilegien” zahlen. Die ÖBB jedoch verdient -basierend auf den Angaben von ÖBB-Generaldirektor Christian Kern (7.510 ausgestellte Karten)- , durch die Vergabe der ÖBB-Presse-Vorteilskarten 371.745 Euro jährlich, und dies, ohne vorher eine Leistung erbracht zu haben, ärgert sich Turnheim über die ungerechtfertigten Vorwürfe.

Auf Grund der Auflassung einer seit den 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts gültigen ÖBB-Angebotes an Medienvertreter ersucht der ÖJC alle Kolleginnen und Kollegen ihre ÖBB-Pressevorteilskarte sofort (und nicht erst ab Fälligkeit) an die ÖBB-Holding AG, Mag. Christian Kern, Wienerbergstr.11, 1100 Wien zurück zu senden und mit sofortiger Wirkung auf die “ÖBB-Privilegien” zu verzichten. Gleichzeitig empfiehlt der ÖJC, dass alle bisherigen Karteninhaber auf die Rückerstattung der im Voraus bezahlten Kartengebühr verzichten und den ÖBB-Chef dazu auffordern, den Betrag nachweislich an die SOS-Kinderdörfer überweisen zu lassen.

Samstag, 14. August 2010, von Elmar Leimgruber

Reporter ohne Grenzen und DJV kritisieren “Sachsen-Sumpf”-Urteil gegen Journalisten

Die verurteilten Reporter Arndt Ginzel und Thomas Datt
Foto: ROG © Jan Zappner

Am Freitag, 13. August, hat das Dresdner Amtsgericht die beiden Reporter Thomas Datt und Arndt Ginzel zu 50 Tagessätzen à 50 Euro verurteilt, weil sie sich im Zusammenhang mit der sogenannten “Sachsen-Sumpf”-Affäre nach Ansicht des Gerichts der üblen Nachrede schuldig gemacht haben. Reporter ohne Grenzen (ROG) kritisiert dieses Urteil als “Skandal”:

In vielen Ländern der Welt seien Journalisten willkürlichen Strafverfahren wegen Verleumdung ausgesetzt. Fast immer sei dies ein Vorwand, um Pressefreiheit zu unterdrücken. “Der Dresdner Prozess zeigt das gleiche Muster: Justizbehörden benutzen das Strafrecht gegen unliebsame Journalisten”, reagiert ROG-Vorstandssprecher Michael Rediske.

Auch der Deutsche Journalisten Verband (DJV) kritisiert das Urteil: In Zukunft könnte nun auch anderswo versucht werden, “kritisch und investigativ recherchierende Journalisten einzuschüchtern,” befürchtet DJV-Chef Michael Konken. “In Anklage und Prozess wurden völlig normale journalistische Arbeitsabläufe und Handlungen kriminalisiert. Das können wir nicht hinnehmen“, erklärte die sächsische DJV-Landesvorsitzende Sabine Bachert. Man werde die Urteilsbegründung abwarten und behalte sich weitere Schritte vor, so der DJV-Landesverband Sachsen, der die beiden freien Journalisten juristisch berät.

Gegenstand der Anklage sind Artikel im Nachrichtenmagazin “Der Spiegel” und bei “Zeit Online” aus dem Jahr 2008 zum “Sachsen-Sumpf” – eine mögliche Korruptionsaffäre, in dem es auch um eventuelle Verstrickungen ranghoher sächsischer Justizvertreter geht. Ginzel und Datt waren Autoren des “Zeit Online”-Berichts und an dem “Spiegel”-Artikel als Co-Autoren beteiligt. Ihnen werden ehrverletzende Tatsachenbehauptung, üble Nachrede und Verleumdung vorgeworfen. Der Hintergrund der Anklage ist hier online abrufbar. Der entsprechende Beitrag bei “Zeit Online” kann hier gelesen werden.

ROG und DJV hatten bereits im Vorfeld der Gerichtsverhandlung Freispruch für die beiden Journalisten gefordert:

“Eine Verurteilung der beiden Journalisten würde den Rechtsstaat beschädigen und die Pressefreiheit verletzen”, betonte die stellvertretende Bundesvorsitzende des DJV, Ulrike Kaiser: “Das Verfahren war und ist in unseren Augen der Versuch der Einschüchterung von investigativ recherchierenden Journalisten.” Im Prozess wurde laut DJV durch Zeugenaussagen und Akten, die durch die Angeklagten eingeführt wurden, erwiesen, dass es die im Bericht aufgezeigten Unstimmigkeiten tatsächlich gab”. Und zudem sollte in diesem Fall “auch die mögliche Einflussnahme von Landesbehörden auf das Strafverfahren gegen die beiden freien Journalisten aufgeklärt werden”. “Eine Verurteilung wäre nicht nachvollziehbar”, so Kaiser.

“Journalistische Handlungen werden in dem Prozess zu Unrecht kriminalisiert. Eine der wichtigsten Funktionen der Medien ist es, Missstände aufzudecken. Eine Verurteilung würde künftige Berichterstattung zu Korruptionsaffären behindern und damit die Pressefreiheit beeinträchtigen,” warnte Rediske: “Schon die Einleitung des Strafverfahrens gegen die freien Journalisten Arndt Ginzel und Thomas Datt, die im so genannten “Sachsen-Sumpf” recherchiert hatten, sei mehr als fragwürdig gewesen. Schließlich hätten sich die Nebenkläger nicht einmal getraut, presserechtlich gegen die angeblich diffamierenden Äußerungen vorzugehen”. Zudem habe viel in dem Prozess darauf hingedeutet, “dass Behörden Druck auf investigativ recherchierende Journalisten ausüben wollen”, kritisiert Rediske.