Mit ‘Journalismus’ getaggte Artikel

Samstag, 8. Januar 2011, von Elmar Leimgruber

57 ermordete Journalisten 2010

Grafik: ROG

Mindestens 57 Journalisten und ein Medienassistent in insgesamt 25 Staaten sind im Jahr 2010 während ihrer Arbeit oder wegen ihres Berufs getötet worden. Dies berichtet Reporter ohne Grenzen (ROG) in seiner Jahresbilanz über die Pressefreiheit. Die Zahl der Länder, in denen Medienmitarbeiter ermordet wurden, ist demnach im Vergleich zu 2009 von 20 auf 25 gestiegen. Vermehrt hat ROG in diesem Jahr außerdem Fälle von Entführungen beobachtet (2010: 51, 2009: 33). Die gefährlichsten Länder für Journalisten sind in diesem Jahr Pakistan (11 Todesfälle), Mexiko (7), Irak (7) und die Philippinen (4):

In Pakistan werden Reporter vor allem von islamistischen Gruppen ins Visier genommen. In Mexiko geht die Gefahr für kritische Journalisten überwiegend von Drogenkartellen aus. Im Irak wurden Journalisten Opfer von Bombenattentaten. Auf den Philippinen stehen hinter den meisten Ermordungen private Milizen von Clanchefs und lokalen Politikern. Die Täter fürchten die unabhängige oder kritische Berichterstattung über kriminelle Machenschaften oder Korruption. Im Vorjahr lag die Todesrate wegen eines Massakers an Medienmitarbeitern im November 2009 auf den Philippinen um rund 25 Prozent höher. Damals wurden 32 Journalisten an einem Tag ermordet.

Grafik: ROG

Die Zahlen der körperlichen Angriffe auf Journalisten, der Festnahmen von Medienschaffenden sowie der zensierten Medien zeigen im Vergleich zum Vorjahr keine größeren Bewegungen. 535 Journalisten wurden im Laufe des Jahres festgenommen (2009: 573), 1.374 erlitten Gewalt oder wurden bedroht (2009: 1.456), 504 Medien wurden zensiert (2009: 570) und 62 Staaten waren von Internetzensur betroffen (2009: 60).

Zu weiteren Brennpunkten der Pressefreiheit entwickelten sich in diesem Jahr Honduras und Thailand. In dem südostasiatischen Land starben bei Gefechten zwischen Regierungstruppen und den oppositionellen „Rothemden“ zwei ausländische Korrespondenten. In Honduras hat ROG in mindestens drei Mordfällen einen direkten Zusammenhang mit der journalistischen Tätigkeit der Opfer festgestellt. Weitere sieben Morde an Reportern sind noch nicht aufgeklärt. Vermehrte Fälle von Entführungen von Medienmitarbeitern dokumentiert ROG derzeit in Afghanistan, Nigeria oder Mexiko.

Die Zahl der körperlichen Übergriffe und Drohungen gegen Journalisten in Europa und der GUS-Region hat sich im Unterschied zu anderen Weltregionen deutlich erhöht. Einen Anstieg der Gewalt gegen Medienmitarbeiter verzeichnete ROG unter anderem in Ländern mit landesweiten Wahlen wie Aserbaidschan, der Ukraine und Belarus.

In Belarus sind zudem weiterhin zehn Journalisten inhaftiert. Sie wurden nach der Präsidentschaftswahl am 19. Dezember in Minsk festgenommen. Die meisten Journalisten sind derzeit im Iran hinter Gittern (37), gefolgt von China (30) und Eritrea (29). Die Arbeitsbedingungen für Journalisten im Iran haben sich in diesem Jahr weiter verschlechtert. Das Regime hat die Überwachung von Medienmitarbeitern ausgedehnt und die Einreisebestimmungen für Korrespondenten verschärft. Journalisten, die ihr Menschenrecht auf freie Berichterstattung wahrnehmen wollen, müssen erhebliche Risiken in Kauf nehmen.

Die zwei inhaftierten Mitarbeiter der „Bild am Sonntag“ haben das auf tragische Weise zu spüren bekommen. Seit mehr als 80 Tagen sind die Beiden in Haft, weil sie aus einem Land berichten wollten, das sich hermetisch abschottet und keine unabhängigen Beobachter zulässt. Sie dürfen nicht in politischen Verhandlungen als Faustpfand missbraucht werden und müssen sofort freigelassen werden.

Die vollständige ROG-Jahresbilanz ist hier abrufbar.

Mittwoch, 22. Dezember 2010, von Elmar Leimgruber

ÖJC wird standespolitische Vertretung – Vorstand neu gewählt

Der neue ÖJC-Vorstand (v.l.n.r): Richard Pyrker, Norbert Welzl, Harald Vaca, Fred Turnheim, Christiane Laszlo, Oswald Klotz
Foto: ÖJC/Hannes Hochmuth

Der Österreichische Journalisten Club (ÖJC) wird künftig mehr Standesvertretung und weniger Serviceorganisation sein. Dies beschloss die Generalversammlung mit Neuwahl des Vorstandes. Der ÖJC wird sich demnach in Zukunft verstärkt “besonders dem Schutz der Grund- und Freiheitsrechte, der Pressefreiheit, des Redaktionsgeheimnisses, aber auch der Arbeitsbedingungen der Journalisten, “insbesondere der jungen Kolleginnen und Kollegen annehmen. Weiters wird künftig der Kontakt zu ausländischen Journalisten und ihren Organisationen ausgebaut und gepflegt werden.”

Der langjährige Präsident des ÖJC, Fred Turnheim, wurde von der Generalversammlung einstimmig wieder gewählt. Neue Vizepräsidentin ist nun die freie Journalistin Christiane Laszlo. Weitere Mitglieder des Vorstandes: Harald Vaca (Kassier), Norbert Welzl (Schriftführer), Richard Pyrker (stellv. Kassier), und Oswald Klotz (stellv. Schriftführer). Kooptiert wurde zudem als Rechtspfleger der Wiener Rechtsanwalt Frank Bock.

Der ÖJC wird sich nach eigenen Angaben weiter in der Journalistenaus- und -weiterbildung betätigen und dabei die Kooperation mit der Donau-Universität in Krems weiter ausbauen. Die heuer gestartete “Seminarreihe Journalismus” wurde hervorragend angenommen. In Verhandlungen ist bereits die Schaffung eines chinesisch/österreichischen Journalisten-College in Peking und Wien. Ausgeweitet werden zudem in den kommenden vier Jahren auch die Kontakte zu den Entscheidungsträgern in der Europäischen Union, da zum Beispiel der Schutz der Pressefreiheit, das Urheberecht und die Vorratsdatenspeicherung nur auf europäischer Ebene geklärt werden können.

Im Rahmen der Generalversammlung wurden auch die immer häufiger auftretenden, oft subtilen, Verstöße gegen die Pressefreiheit in Österreich diskutiert. Aus diesem Grund wurde im Rahmen des ÖJC das “Netzwerk kritische Journalisten” gebildet. Die Generalversammlung hat beschlossen, dieses Netzwerk weiter auszubauen und alle Organisationen und Journalisten einzuladen, an der Verteidigung der Grund-, Freiheits- und Menschenrechte und der Pressefreiheit teilzunehmen. Der ÖJC hat daher eine telefonische Meldestelle für Verstöße gegen die Pressefreiheit eingerichtet. Die Telefonnummer lautet: +43 650 202 46 58.

Der Österreichische Journalisten Club wurde 1977 von Wolf In der Maur und Günter Nenning gegründet. Er hat rund 6.500 Mitglieder, die alle zwei Jahre einen Nachweis ihrer journalistischen Tätigkeit bringen müssen.

Mittwoch, 15. Dezember 2010, von Elmar Leimgruber

Renner Publizistik-Preis 2010 für Bürger, Krebs und Brickner

Gruppenfoto im Anschluss an die Verleihung des Renner Publizistikpreises 2010
Foto: Hannes Hochmuth/ÖJC

ORF-ZIB-Innenpolitik-Chef Hans Bürger (Fernsehen), die ORF-Ö1-Journalistin Cornelia Krebs (Radio) und die Standard-Bloggerin Irene Brickner (Online) wurden mit dem diesjährigen Dr. Karl Renner Publizistikpreis des Österreichischen Journalisten Clubs (ÖJC) ausgezeichnet. In der Kategorie Print befand die Jury (Fred Turnheim, Christoph Feurstein, Elisabeth Gardavsky, Gerlinde Hinterleitner, Helmut Kletzander, Kurt Langbein und Albert Malli) heuer, keinen Preis zu vergeben.

Beim Festakt im Wiener Rathaus forderte ÖJC-Präsident Fred Turnheim die politischen Parteien dringend auf, sich aus den Aufsichtsratsgremien der Medien, besonders des öffentlich/rechtlichen ORF zurück zu ziehen. “Der ÖJC bekennt sich zu einem öffentlich/rechtlichen Rundfunk in Österreich – aber ohne Parteieneinfluss.” Hans Bürger sei ein “echter” Unabhängiger Journalist, erklärte Turnheim in seiner Laudatio. “Diese politische Unabhängigkeit und Geradlinigkeit machen Bürger zu einem einzigartigen, hervorragenden Journalisten in Österreich,” so Turnheim.

“Cornelia Krebs ist eine Garantin der Pressefreiheit und der freien Berichterstattung” erklärte ORF-Radiodirektor Karl  Amon  in seiner Laudatio. Die Juryentscheidung fiel auf Cornelia Krebs für ihre vielen Radiobeiträge im “Journal-Panorama” wegen ihrer “immer von gleichbleibenden, hohen Qualität”. “Brickners-Blog” sei zur zentralen Informationsplattform zum Thema Grund-, Freiheits- und Menschenrechte in Österreich geworden, daher werde sie heuer auch ausgezeichnet.

“Ich bin der Überzeugung, dass Journalismus, guter, kritischer, aufklärerischer Journalismus noch nie so wichtig wie heute war,” betonte Stadtrat Christian Oxonitsch in seiner Festrede: Guter Journalismus schaffe Ordnung und diene der Aufklärung und objektivierenden Interpretation.”Und die Verantwortung des Journalisten gerade in einer Kommunikationswelt, die overloaded and overnewsed ist, ist groß wie noch nie,” so Oxonitsch.

Montag, 13. Dezember 2010, von Elmar Leimgruber

Wikileaks und die Folgen

Wikileaks-”Chef” Julian Assange
Foto: Espen Moe, CC Lizenz

Genaugenommen stehen weder das in die Schlagzeilen geratene Wikileaks noch dessen Gründer Julian Assange für die so bedeutsamen Begriffe wie Meinungs- und Pressefreiheit. Zum einen handelt es sich hier nicht um Meinungen im eigentlichen Sinn, sondern um unkommentierte Kopien von bestehenden Schriftwerken. Und zum anderen ist das reine Kopieren und Publizieren derselben auch nicht wirklich eine Pressetätigkeit, sondern maximal eine Publikation, allerdings ohne eigenen redaktionellen Verdienst.

Und trotzdem fasziniert mich Wikileaks und ich bin dankbar dafür, dass es existiert, denn es schafft und bewirkt eine Demokratisierung des Internets (wie schnell auch Assanges Fans auf seine Verhaftung- auf die ich bewusst nicht inhaltlich eingehe- reagierten, ist schon beeindruckend und zeigt, dass sich das Internet -Gott sein Dank- so leicht nicht zensurieren lässt), die offenbar selbst die USA beängstigt. Und ja: es spricht auch überhaupt nix dagegen, dass irgendwelcher diplomatischer Hick-Hack auf Wikileaks zu lesen ist. Ich finde dies teilweise sogar äusserst amüsant. Und wer schon in der Öffentlichkeit steht als Botschafter oder was auch sonst, sollte eben mehr als sonst wer darauf achten, was er sagt bzw. schreibt.

Ich trete also für diese Demokratisierung ohne wenn und aber ein: Wikileaks und auch andere ähnliche Webseiten (die WAZ, die letzthin Wikileaks Verantwortungslosigkeit vorgeworfen hatte, betreibt nun ein eigenes deutsches “Wikileaks”) sollen uneingeschränkt und frei agieren können. Jegliche Versuche der USA und anderer Staaten, über Geldtransaktionssperren und Ähnlichem Macht und Druck auszuüben, sind einer liberalen Gesellschaft nicht würdig. Druck von aussen ist daher strikt abzulehnen.

Und jetzt kommt trotzdem ein Aber, das sich allerdings nicht auf Vorgaben von aussen bezieht, sondern was Wikileaks selbst betrifft, also von innen her, von seinem Selbstverständnis her:

Wer weiss, welche Macht er hat, und diese nicht in Verantwortung ausübt, verliert meine Solidarität. Wikileaks hat mit der Veröffentlichung von besonders vor Terror schützenswerten Einrichtungen weltweit eine Grenze überschritten, die nicht zulässig ist. Die Veröffentlichung sollte nicht verboten werden, aber die Wikileaks-Betreiber selbst sollten den nötigen Anstand und das entsprchende Verantwortungsbewusstsein besitzen, auf solche und ähnliche Veröffentlichungen von sich aus zu verzichten. Werden hingegen weitherhin derart brisante Geheimdokumente veröffentlicht, dass damit die öffentliche und weltweite Sicherheit ernsthaft in Gefahr steht, bezweifle ich am “Heldentum” und an edlen Absichten.

Zudem beunruhigt mich, dass Russland von den bisherigen Wikilekas-Veröffentlichungen offenbar sehr begeistert ist, ein Land, wo in den letzten Jahren mehr als sonstwo gerade investigative Journalisten mit dem Leben bezahlen mussten. So erwarte ich mir in Zukunft also von Wikileaks neben mehr Verantwortungsbewusstsein mit Blick auf die Konsequenzen der Veröffentlichungen, aber auch, dass weit über den amerikanisch-westlichen und auch über jeglichen ideologischen Tellerrand hinaus ebenso interessante Dokumente veröffentlicht werden. Nun dann wird es auch den hohen Erwartungen von Demokratie und Transparenz gerecht.

Wenn beides eintritt, bin ich zuversichtlich, dass Wikileaks und ähnliche Seiten Regierungen und Institutionen (hoffentlich bald weltweit) mit ihren Veröffentlichungen dazu zwingen werden, immer unkorrumpierter und offener zu werden und Transparenz und Demokratie zu praktizieren. Das ist im Sinne aller, ausser von ein paar wenigen (derzeit viel zu) Mächtigen: Ich bin voll dafür.

Samstag, 27. November 2010, von Elmar Leimgruber

New Media Journalism Award geht an “das biber”

ÖJC-Chef Fred Turnheim mit das biber-Onlinechefin Ivana Martinovic

Die Onlineausgabe des Multikulti-Magazins “das biber” ist am Freitag Abend im Rahmen des ÖJC-Adventfestes mit dem diesjährigen “New Media Journalism Award” ausgezeichnet worden. “Hier handelt es sich eindeutig um ein Pionierprojekt in der österreichischen Medienlandschaft für Wienerinnen und Wiener, die einen Hintergrund als Migranten haben, aber bereits in der zweiten oder dritten Generation in der Bundeshauptstadt leben”, begründet ÖJC-Präsident Fred Turnheim die Entscheidung des ÖJC-Vorstandes. Der ÖJC-Vorstand hat heuer einstimmig “das biber” gewählt.

Im Türkischen und im Serbokroatischen steht der Begriff biber für Paprika und Pfeffer. dasbiber.at berichtet laut ÖJC über und aus den multiethnischen Communities in Österreich und zwar auf Basis einer unabhängigen, demokratischen, pluralistischen, rechtsstaatlichen und jeden Extremismus ausschließenden freien Gesellschaftsordnung. Diese Website versteht sich als transkulturelles Internet Portal für Menschen mit und ohne Migrationshintergrund in Österreich. Der “New Media Journalism Award” wird jedes Jahr für hervorragende journalistische Leistungen im Bereich des Online-Journalismus vom Österreichischen Journalisten Club (ÖJC) vergeben.

Das ÖJC-Adventfest
Foto: © Leimgruber

Einen wichtigen Erfolg für die Pressefreiheit konnte Turnheim am Abend ebenfalls vermelden: Der geplante § 278f StGB, der Journalisten leicht in die Nähe terroristischen Handelns gebracht hätte, und gegen den der Journalistenclub gekämpft hatte, fällt offenbar. “Für uns war der § 278f eine dramatische Einengung der Berichtsmöglichkeit für Medienmitarbeiter und wäre daher eine Zensurmaßnahme gewesen”, so ÖJC-Präsident Fred Turnheim.

In seiner Stellungnahme (24/SN-119/ME) an den Justizausschuss vom 11. Jänner des heurigen Jahres hatte der ÖJC festgestellt: “Der ÖJC fordert daher die ersatzlose Streichung des Paragrafen 278f StGB, da er einerseits die Pressefreiheit drastisch einschränkt und andererseits keine Straftat und deren Vorbereitung oder aber auch die Verleitung dazu verhindern wird können.

” Erfreulich ist nun, dass der Justizausschuss sich der Meinung des ÖJC angeschlossen hat. Der ÖJC konnte damit diesen Versuch der Aushöhlung der Pressefreiheit in Österreich erfolgreich bekämpfen und damit eine Kriminalisierung des Journalistenberufes verhindern”, freut sich der ÖJC-Präsident Turnheim. Der ÖJC schlägt zudem ein Europäisches Medienrecht und ein Europäisches Urheberrecht vor.

Die ausführliche Stellungnahme des ÖJC im Rahmen des Begutachtungsverfahrens ist auf der Parlamentsseite online.

Sonntag, 14. November 2010, von Elmar Leimgruber

Prälat Ungar Journalistenpreis 2010 vergeben

Am 10. November wurde von der Caritas Wien der diesjährige Prälat Leopold Ungar Journalistenpreis vergeben. Die beiden ORF-Report Journalisten Ernst Johann Schwarz und Münire Inam wurden in der Kategorie TV ausgezeichnet. Der Falter-Journalist Stefan Apfl ist der Print-Preisträger, in der Kategorie Hörfunk hat Isabelle Engels (Ö1) überzeugt. Heuer vergibt die Jury erstmals in der Kategorie Online einen Gesamtpreis an das Projekt “dastandard.at”.

“Mit dem Preis zeichnen wir herausragende Leistungen von Journalistinnen und Journalisten aus, die den Mut haben, sich auf soziale Themen einzulassen, Bruchstellen in der Gesellschaft aufzuzeigen und den Weg einer engagierten, anwaltschaftlichen und unbequemen Berichterstattung einschlagen – speziell auch wenn es um Unrecht geht. Diese Journalistinnen und Journalisten leisten mit ihrer Arbeit einen wesentlich Beitrag zu einer offenen und ehrlichen Auseinandersetzung mit sozialen Themen”, so Caritasdirektor Michael Landau.

Die Auszeichnungen im Detail:

Ernst Johann Schwarz und Münire Inam führen in ihrem prämierten Report-Beitrag “Österreich ohne Ausländer” mit den dramaturgischen Mitteln des Fernsehens “Ausländer raus”-Rufe und “Migranten-Stopp”-Ansagen der Wahlkampf-Populisten ad absurdum. “Hervorzuheben ist der kreative Kunstgriff eines “Was wäre wenn”-Spiels, in dem Pfarrer, Kabarettisten und VerantwortungsträgerInnen vom Krankenhaus über die Bauwirtschaft bis zum Fußball “mitspielen” und authentische Aussagen über ein Österreich ohne AusländerInnen machen. Dadurch wird die Fiktion vorübergehend zur Realität und die Misere, in die Österreich geraten würde, noch glaubwürdiger vor Augen geführt”, so die Jurybegründung.

Der Falter-Journalist Stefan Apfl überzeugte in der Kategorie Print mit zwei Reportagen – “In einem Land vor unserer Zeit” über die Alltagswirklichkeit im Kosovo und “Leopoldine und Emir” über die Mühen der Integration am Beispiel des Islamischen Zentrums in Wien-Floridsdorf. Er kultiviert das Genre der Reportage, die das öffentliche Interesse an aktuellen Konflikten nützt, um den Blick zu weiten, Hintergründe auszuleuchten und den widerstreitenden Argumenten auch konkrete Gesichter und Biografien zu geben. Apfl arbeitet damit leidenschaftlich gegen die Kurzatmigkeit der schnellen Nachricht und Meinungsbildung, so die Jurybegründung, und gibt dem Zeitungsjournalismus seinen unersetzlichen Wert zurück: Aufklärung im besten Sinn – engagiert, aber ohne jeden Anhauch von Polemik und Einseitigkeit, heißt es in der Begründung.  Er versteht seine Arbeit abseits von schwülstigem Betroffenheitsjournalismus und enthüllt so durch die nüchterne Schilderung von Fakten menschenrechtliche Skandale.

Isabelle  Engels ist in ihrem Feature “Die Kinder vom Schwedenstift” in der Ö1-Serie “Hörbilder” scheinbar Unmögliches gelungen: Ein Radio-Porträt über Menschen, die sich akustisch nur durch Schreien und andere Laute ausdrücken können. “Die Kinder vom Schwedenstift” nimmt sich mit hoher gestalterischer Professionalität eines selten behandelten Themas an und lassen ein tief berührendes Bild komplexer menschlicher Beziehungen in extremen Umständen entstehen, urteilte die Jury. Das “Schwedenstift” ist Pflegeheim für schwerstbehinderte Kinder und junge Erwachsene in Niederösterreich. Mit großer Sensibilität und ohne falsches Pathos erzählt das Hörbild über verschiedene Beziehungen – zu Eltern und Geschwister, Betreuerinnen und Betreuer oder “Eltern auf Zeit” im Rahmen einer Partnerschaft. Engels zeigt, welch große Fähigkeit die Kinder haben, Beziehungen zu ihren Mitmenschen aufzubauen, obwohl das auf den ersten Blick angesichts des Grades ihrer Behinderungen schwer möglich erscheint.

In der Kategorie Online, die heuer zum ersten Mal prämiert wurde, ging die Auszeichnung an die Redaktion von dastandard.at. Online bietet dastandard.at ein bemerkenswert qualitätvolles Angebot, das sich dem Thema “Migration in Österreich” in allen Facetten des täglichen Lebens widmet – und das zudem die journalistische Kompetenz von Menschen mit Migrationshintergrund bündelt und fördert. Die eingereichten Beiträge beleuchten eine Welt, die für die überwiegende Mehrheit der Österreicher zugleich ganz nah und doch ferne ist. Dabei nehmen es junge JournalistInnen nicht länger hin, dass andere über sie schreiben, sondern berichten selbst und das in einer modernen Form. Sie haben sich in kürzester Zeit als ein Sprachrohr jener etabliert, die in diesem Land diskreditiert und diskriminiert werden, so die Jurygründung.

Anerkennungspreise für hervorragende journalistische Leistungen wurden in der Kategorie Hörfunk an Georgia Schulze (Ö1), Elisabeth Putz gemeinsam mit Iris Nindl (Ö1) und in der Kategorie Print an Edith Meinhart (Profil) vergeben. In der Kategorie TV wurden Zoran Dobric (ORF Thema), Markus Mörth (ORF Kreuz & Quer) und Danielle Proskar (ORF Kreuz & Quer) ausgezeichnet.

Für den renommierten Medienpreis haben heuer laut Caritas insgesamt 90 Journalistinnen und Journalisten ihre Beiträge eingereicht, davon 34 in der Kategorie TV, 24 in der Kategorie Print, 25 in der Sparte Hörfunk und sieben in der Kategorie Online. Der Preis, der im Sinne des Lebenswerkes von Prälat Leopold Ungar bereits zum siebten Mal von der Caritas der Erzdiözese Wien vergeben und von der Raiffeisenlandesbank Niederösterreich-Wien gesponsert wird, ist heuer erstmals mit 20.000 Euro dotiert.

Mittwoch, 10. November 2010, von Elmar Leimgruber

DJV: Verlage demontieren Journalismus

DJV-Chef Michael Konken
Foto: djv.de Michael Ebner

“Die Verlagsmanager sind dabei, einen ganzen Berufsstand zu demontieren und gefährden ihre eigene Zukunft,” warnte DJV-Bundesvorsitzender Michael Konken bei der Eröffnung des DJV-Tages  2010 in Essen. Schließlich hingen auch Abonnements und Verkäufe von der Qualität ab, die in den Redaktionen produziert werden. “Wir haben in den vergangenen Jahren mit viel Verständnis den Verlagen über schwierige Zeiten geholfen und Einbußen hingenommen”, sagte Konken. Aber: “Das geht so nicht weiter!”

Der Erhalt redaktioneller Arbeitsplätze und des Auftragsvolumens für Freie gehört demnach zu den wichtigsten Aufgaben der Tarifpolitik. Der Deutsche Journalisten-Verband erwartet daher von den Medienarbeitgebern, dass für die Arbeitsplätze der Journalistinnen und Journalisten die Flächentarifverträge in vollem Umfang gelten. Und das Urheberrecht dürfe nicht angetastet werden. Auch müssten Journalistinnen und Journalisten ihre Beiträge weiterhin mehrfach verwerten können. An den Erlösen der Verlage aus einem Leistungsschutzrecht müssten die Journalisten angemessen beteiligt werden, forderte Konken.

Gegen den Missbrauch von Leiharbeit übte erneut der DJV-Vorsitzende Kritik: Wichtig sei die zeitliche Begrenzung der Leiharbeit auf maximal zwei Jahre und eine konsequent gleiche Bezahlung. “Die Umgehung von Tarifverträgen ist kein Kavaliersdelikt, sondern ein Anschlag auf die Sozialpartnerschaft in den Verlagen.” Mit großer Mehrheit nahmen die Delegierten des DJV-Tags auch die Forderung nach einem Tarifvertrag zur Qualifizierung von Journalisten an.

Der DJV-Verbandstag legte zudem ein klares Bekenntnis zum Informantenschutz ab und forderte ein Ende der Online-Durchsuchungen ebenso wie den Stopp von Plänen des Gesetzgebers, die Vorratsdatenspeicherung wieder einzuführen. Eine deutliche Absage wurde auch der nachrichtendienstlichen Überwachung von Journalisten und der Regelanfrage beim Verfassungsschutz im Rahmen der Akkreditierung zu Großveranstaltungen erteilt. Die DJV-Delegierten sprachen sich darüber hinaus für die Gleichbehandlung aller Berufsgeheimnisträger und gegen Ermittlungsverfahren wegen Beihilfe zum Geheimnisverrat aus, die sich gegen Journalisten richten.

Am Rande seiner Tagung hat sich der Deutsche Journalisten-Verband solidarisch mit dem schwer verletzten russischen Journalisten Oleg Kaschin erklärt: Er fordert in einer öffentlichen Stellungname den russischen Präsidenten Dmitrij Medwedew auf, den Überfall auf Kaschin lückenlos aufzuklären und die Täter zur Rechenschaft zu ziehen. Kaschin war Ende letzter Woche überfallen und mit gebrochenen Beinen, Fingern und einem gebrochenen Kiefer sowie einer Gehirnerschütterung ins Krankenhaus eingeliefert und in künstliches Koma versetzt worden. Ähnlich zu diesem Fall äusserten sich auch der Österreichische Journalisten Club (ÖJC) und Reporter ohne Grenzen (ROG), die vor allem kritisieren, dass in den vergangenen zehn Jahren sei kein einziges Verbrechen gegen Journalisten in Russland aufgeklärt worden sei.

Donnerstag, 4. November 2010, von Elmar Leimgruber

5. November: Stand Up for Journalism

Nach wie vor lehnen es zahlreiche Verlage in Deutschland ab, die seit Februar geltenden Vergütungsregeln für freie Journalisten anzuwenden. Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) und die dju in ver.di fordern daher alle Redakteurinnen und Redakteure auf, sich am kommenden Freitag an der weltweiten Aktion „Stand up for journalism“ zu beteiligen. Die beiden Gewerkschaften haben die Situation der freien Journalistinnen und Journalisten an Tageszeitungen zum Thema der deutschen „Stand up“-Aktion gemacht. In den Redaktionen soll daher am 5. November die Umsetzung der Gemeinsamen Vergütungsregeln für Freie an Tageszeitungen Gesprächsthema sein.

DJV-Bundesvorsitzender Michael Konken rief Redakteure und freie Mitarbeiter auf, „gemeinsam für faire Honorare gegen uneinsichtige Verlagsleitungen vorzugehen“. „Dafür brauchen sie die Solidarität der Redakteurinnen und Redakteure“, betonte der stellvertretende ver.di-Bundesvorsitzende Frank Werneke: „Sie können übermorgen unter Beweis stellen, dass die Tageszeitung ein Team ist.“

Die Gemeinsamen Vergütungsregeln stellen klar, in welchem Rahmen Honorare und die Mehrfachverwertung von Beiträgen akzeptabel sind. Aktuelle Informationen über die Gemeinsamen Vergütungsregeln, über den Stand der Umsetzung und über Möglichkeiten für eigene Aktivitäten der Freien bietet die Homepage www.faire-zeitungshonorare.de, die DJV und dju in ver.di gemeinsam eingerichtet haben.

Um die Frage, wie „Qualitätsjournalismus für ein demokratisches Europa“ gewährleistet werden kann, geht es hingegen beim  Kolloquium des Deutschen Journalisten-Verbands und der Vertretung des Freistaates Bayern bei der Europäischen Union. Es findet am Mittwoch, 17. November, in der Vertretung des Freistaates Bayern in Brüssel statt. Nähere Informationen dazu gibts online.

Dienstag, 2. November 2010, von Elmar Leimgruber

Netzwerk Recherche fordert Akteneinsicht

Die Stärkung der Recherchefreiheit durch Ausbau des Akteneinsichtrechts, die schnellere Bearbeitung von journalistischen Anfragen und die Abschaffung des “fliegenden Gerichtsstands” fordert die deutsche Journalistenorganisation Netzwerk Recherche (nr). Auf ihrer Presserechts-Konferenz beim Erich-Brost-Institut in Dortmund tauschten sich Journalistinnen und Journalisten aus der gesamten Bundesrepublik Deutschland über die Auskunftspflichten staatlicher und quasi-staatlicher Einrichtungen und über die Bedrohungen der Pressefreiheit durch die Behinderung der journalistischen Arbeit aus.

Dabei wurde laut den Veranstaltern deutlich, dass sich viele Behörden nach wie vor verweigern, den rechtlich garantierten Auskunftsansprüchen zu genügen. “Behörden konzentrieren sich gern auf Informationen, die sie in einem guten Licht erscheinen lassen”, so nr-Vorstandsmitglied David Schraven. “Deshalb fordern wir ein Akteneinsichtsrecht für Journalisten, damit die von einer Behörde gegebenen Auskünfte überprüft werden können.”

Ein Akteneinsichtsrecht gibt es gegenwärtig bereits bei Anfragen nach dem Informationsfreiheitsgesetz (IFG) und dem Umweltinformationsgesetz (UIG). Doch auch hier versuchen Ministerien und Behörden immer wieder, Antworten auf legitime Anfragen von Journalisten in der Tradition des “Amtsgeheimnisses” abzulehnen oder hinauszuzögern. Wie Teilnehmer der Konferenz berichteten, engagieren Ministerien oftmals hochbezahlte Anwaltskanzleien, um sich der Anfragen nach IFG oder UIG zu entledigen. “Offensichtlich soll der oft jahrelange Rechtsstreit die Journalisten zermürben”, so David Schraven. Deshalb fordere netzwerk recherche, dass Anfragen in der gesetzlich vorgesehenen Zeit bearbeitet werden. Um eine unsachgemäß lange Bearbeitung zu verhindern, müssten Sanktionsmöglichkeiten geschaffen werden.

Die Konferenz begrüßte hingegen die Pläne der deutschen Bundesregierung, wonach Journalisten in ihrer Arbeit künftig nicht mehr wegen der “Beihilfe zum Geheimnisverrat” strafrechtlich verfolgt werden können. Der Entwurf des Gesetzes zur Stärkung der Pressefreiheit im Straf- und Strafprozessrecht kann unter http://www.bmj.bund.de/files/-/4673/RegE_Pressefreiheit.pdf eingesehen werden. Der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesjustizministerium, Max Stadler, hatte die Pläne des Bundes auf der Konferenz vorgestellt. Er sagte laut Netzwerk Recherche den Teilnehmern der Konferenz zu, auch die weiteren Anliegen der Journalisten zur Änderung des Medienrechts zu prüfen.

Zentral war hier die Forderung nach Abschaffung des “fliegenden Gerichtsstands”. Betroffene sollten künftig nur noch die Wahl zwischen zwei Gerichtsständen haben, so David Schraven. Für Unterlassungsansprüche gegen Medien sollte neben dem Gericht, in dessen Bezirk das Medienunternehmen seinen Sitz hat, nur das Gericht zuständig sein, in dessen Bezirk der Antragsteller seinen (Wohn-)Sitz hat. Die heutige Praxis des “fliegenden Gerichtsstands” führe hingegen zu einem regelrechten “Gerichte-Hopping”, so Schraven. “Waren Anwälte von Betroffenen bei einem Gericht erfolglos, stellen sie ihren Antrag in leicht abgewandelter Form beim nächsten Gericht – bis sie eine Kammer finden, die die Verfügung erlässt.”

Außerdem müsse das Eilverfahren zur Verhinderung von Medienberichten so gestaltet werden, dass das betroffene Medium eine faire Chance erhält, sich gegen den Unterlassungsantrag zur Wehr zu setzen. Dazu gehöre, dass das Gericht bei seiner Entscheidung in jedem Falle den Vortrag beider Parteien berücksichtigt. Einer gerichtlichen Unterlassungsverfügung müsse daher immer eine mündliche Verhandlung vorgeschaltet sein.

Die Konferenz fand in Kooperation mit dem Erich-Brost-Institut für internationalen Journalismus und dem Westdeutschen Rundfunk sowie mit Unterstützung des deutschen Bundesministeriums der Justiz statt.

Donnerstag, 21. Oktober 2010, von Elmar Leimgruber

ROG: Pressefreiheit-Rankings 2010 – Europa im Abwärtstrend

Die Lage der Medienfreiheit in Europa hat sich weiter verschlechtert. Dies ist ein Ergebnis der am 20.10.2010 veröffentlichten Rangliste zur Lage der Pressefreiheit 2010 (World Press Freedom Index 2010) von Reporter ohne Grenzen (ROG). Der bereits bei der vorherigen Erhebung von 2009 festgestellte Abwärtstrend einiger süd- und südosteuropäischer Staaten setzt sich demnach im aktuellen ROG-Ranking fort. Auch bei den EU-Gründungsstaaten Frankreich und Italien hat sich diese Entwicklung bisher nicht umgekehrt.

Gleichzeitig beobachtet ROG bei der Lage der Pressefreiheit wachsende Unterschiede zwischen den EU-Mitgliedsländern: Zwischen den drei am besten platzierten EU-Ländern an der Spitze des Rankings – Finnland, die Niederlande und Schweden – und den am schlechtesten platzierten – Bulgarien, Griechenland – liegen rund 70 Positionen.

Rund die Hälfte der 27 EU-Mitgliedsstaaten sind unter den 20 führenden Ländern der aktuellen Rangliste. Die Schere innerhalb der Staatengemeinschaft geht jedoch stark auseinander. So liegen zwölf EU-Länder, also fast die Häflte, zwischen dem 30. und 70. Rang. Am stärksten gefallen ist Griechenland (2009: Platz 35, 2010: Platz 70). Damit bildet das südeuropäische Land gemeinsam mit Bulgarien (2009: Platz 68, 2010: Platz 70) das Schlusslicht unter den EU-Staaten. In Griechenland waren körperliche Angriffe bei Demonstrationen und Drohungen gegen Journalisten ein Grund für die Abwärtsbewegung.

Auch bei den EU-Gründungsstaaten Frankreich (2009: Platz 43, 2010: Platz 44) und Italien (2009 und 2010: Platz 49) gibt es keine Indizien für eine Verbesserung der Situation: Grundlegende Probleme wie die Verletzung des Quellenschutzes, die zunehmende Konzentration von Medieneigentum sowie gerichtliche Vorladungen von Journalisten dauern an.

“Es ist beunruhigend festzustellen, wie einige EU-Mitgliedstaaten weiter Plätze in der Rangliste verlieren”, äusserte sich dazu ROG-Generalsekretär Jean-François Julliard: “Wenn die EU-Staaten keine Anstrengungen unternehmen, setzt sie ihre weltweit führende Position bei der Einhaltung von Menschenrechten aufs Spiel. Die europäischen Staaten müssen dringend ihre Vorbildfunktion wiedererlangen”, appelliert Julliard.

Die Pressefreiheit – Rangliste 2010
Grafik: rog.at

Auch in diesem Jahr dominieren wieder nordeuropäische Staaten die ersten Ränge. Finnland, Island, die Niederlande, Norwegen und Schweden teilen sich zusammen mit der Schweiz den ersten Rang. Seit Veröffentlichung der ersten ROG-Rangliste im Jahr 2002 hatten alle sechs Staaten schon einmal diese Position inne. Die gesetzlichen Schutzgarantien für Medienschaffende und das hohe Maß an Respekt für die wichtige Arbeit von Journalisten in demokratischen Systemen sind in diesen Ländern vorbildlich.

Österreich nimmt in diesem Jahr Platz 7 ein. Die Verbesserung im Vergleich zum Vorjahr (Platz 13) ist in Relation zu den anderen genannten Ländern zu sehen. Österreich hat 2010 im Ranking deshalb besser abgeschnitten, weil sich die Situation der Pressefreiheit in den anderen Ländern teilweise verschlechtert hat. Grossbritannien liegt übrigens am 19. und die USA am 20. Platz.

Deutschland steht in diesem Jahr – fast unverändert – auf Platz 17 (2009: Platz 18): Wie auch in anderen EU-Staaten wurden Redaktionszusammenlegungen und Stellenstreichungen negativ bewertet. Der Zugang zu Behördeninformationen bleibt ebenfalls unzureichend. Zu weiteren Kritikpunkten gehörten unter anderem das Strafverfahren gegen zwei Leipziger Journalisten in der so genannten Sachsensumpf-Affäre.

Anlass zur Sorge bietet darüber hinaus die Entwicklung der Türkei. Nachdem sich der EU-Anwärter schon im Index 2009 um 20 Plätze verschlechtert hatte, folgt in diesem Jahr ein weiterer Rückfall um 16 Ränge. Damit steht das südeuropäische Land auf Position 138 (2009: 122). Ins Gewicht fielen bei der schlechten Platzierung die steigende Zahl von Klagen gegen Journalisten und Medien sowie Festnahmen von Medienmitarbeitern. Die Türkei gerät somit in unmittelbare Nachbarschaft zu Russland (2009: 153, 2010: 140).

Zensur, Gewalt und Repressionen gehören nach wie vor zum Alltag vieler kritischer Journalisten auch in der Russischen Föderation. Die Mordserie im Erhebungszeitrum der vorherigen Rangliste hat sich jedoch nicht wiederholt. Eine äußerst schwierige Situation der Pressefreiheit dokumentiert ROG zudem seit vielen Jahren auf dem Balkan. Besonders kritisch ist die Lage in Serbien (85), im Kosovo (92) und in Montenegro (104). Drohungen gegen Journalisten und der steigende Einfluss krimineller Gruppen auf Medienunternehmen erschweren die Arbeit von Medienschaffenden in Südosteuropa erheblich.

Die Situation auf den untersten Positionen der Rangliste weltweit ist fast unverändert: Birma, Iran, Turkmenistan, Nordkorea und Eritrea sind erneut die Schlusslichter. Neu hinzugekommen zu der Gruppe der zehn repressivsten Staaten der Welt sind in diesem Jahr der Sudan und Ruanda. Mit der diesjährigen Rangliste wird zum neunten Mal die Situation der Pressefreiheit in 178 Staaten und Regionen weltweit verglichen. In die Bewertung wurden Verstöße gegen dieses Menschenrecht im Zeitraum von September 2009 bis August 2010 einbezogen:

Seit 2005 stehen Eritrea (178), Nordkorea (177) und Turkmenistan (176) ganz unten auf der Liste. Eine systematische Verfolgung von unabhängigen Medienschaffenden und ein vollständiges Fehlen von Nachrichten und Informationen kennzeichnet die Lage in den Ländern seit mehreren Jahren. “Wir sehen leider keine Verbesserung in den autoritären Staaten”, so Julliard. „Wir sind besorgt über den harschen politischen Kurs einiger Regierungen von Ländern am unteren Ende des Rankings.”

Die Situation hat sich auch in Ruanda (2009: 157, 2010: 169) und im Sudan (2009: 148, 2010: 172) verschärft. Die beiden Länder im Osten und Nordosten Afrikas sind deswegen auf die zehn hintersten Ränge abgerutscht. In Ruanda fielen zusätzliche Zensurmaßnahmen und Schließungen von Medien vor der Präsidentschaftswahl im August 2010 ins Gewicht. Überdies wurde ein Journalist ermordet. Im Sudan hat die Regierung ihre Überwachung der Printmedien deutlich verstärkt, mehrere Journalisten wurden verhaftet und eine oppositionelle Tageszeitung wurde geschlossen.

Auch Birma rangiert wieder unter den letzten zehn Staaten. Auf Versuche von Journalisten, Nachrichten jenseits von Propaganda zu veröffentlichen, reagieren die Behörden mit Gefängnis und Zwangsarbeit. Es gibt erste Anzeichen dafür, dass sich die Lage angesichts der im kommenden Monat bevorstehenden Parlamentswahl noch verschärfen wird.

Kaum verändert haben sich darüber hinaus die Positionen der Volksrepublik China (2009: 168, 2010: 171), des Irans (2009: 172, 2010: 175) und Syriens (2009: 165, 2010: 173). Die starke Wirtschaftsmacht China nimmt immer noch nicht ihre Verantwortung bei der Wahrung der Menschenrechte wahr. Anlässlich der Bekanntgabe der Verleihung des diesjährigen Friedensnobelpreises an Liu Xiaobo hat die Regierung wieder ihre starre Haltung manifestiert: Medienberichte über die Preisvergabe wurden zensiert, Unterstützer Lius festgenommen.

Im Iran haben die Menschenrechtsverletzungen gegen Journalisten und Blogger und die staatliche Zensur in diesem Jahr ein noch größeres Ausmaß erreicht. Mehr als 200 Medienschaffende sind seit Sommer 2009 aus der islamischen Republik geflüchtet. In Syrien lassen weit greifende Mechanismen zur Kontrolle von staatlichen und privaten Medien, repressive Pressegesetze und die Unterdrückung von oppositionellen oder kritischen Journalisten so gut wie keine Freiräume mehr für unabhängige Meinungsäußerung.

Die Philippinen, Ukraine und Kirgistan sind neben Griechenland am stärksten in diesem Jahr abgestiegen: Auf den Philippinen (2009: 122, 2010: 156) ereignete sich im vergangenen November eines der schwersten Massaker an Journalisten: Rund 30 Medienmitarbeiter kamen damals ums Leben. In der Ukraine (2009: 89, 2010: 131) verzeichnet ROG eine stetige Verschlechterung der Situation der Pressefreiheit seit Viktor Janukowitschs Wahl zum Präsidenten: Die staatliche Kontrolle über die Medien und Repressionen gegen Journalisten haben zugenommen, die Medienvielfalt nimmt ab. In Kirgistan (2009: 125, 2010: 159) gingen die politischen Unruhen mit der Verfolgung von Journalisten einher, die ethnischen Minderheiten angehören.

Die vollständigen Pressefreiheit-Rankings 2010 weltweit sind hier abrufbar.