Mit ‘Informationsfreiheitsgesetz (IFG)’ getaggte Artikel

Dienstag, 2. November 2010, von Elmar Leimgruber

Netzwerk Recherche fordert Akteneinsicht

Die Stärkung der Recherchefreiheit durch Ausbau des Akteneinsichtrechts, die schnellere Bearbeitung von journalistischen Anfragen und die Abschaffung des “fliegenden Gerichtsstands” fordert die deutsche Journalistenorganisation Netzwerk Recherche (nr). Auf ihrer Presserechts-Konferenz beim Erich-Brost-Institut in Dortmund tauschten sich Journalistinnen und Journalisten aus der gesamten Bundesrepublik Deutschland über die Auskunftspflichten staatlicher und quasi-staatlicher Einrichtungen und über die Bedrohungen der Pressefreiheit durch die Behinderung der journalistischen Arbeit aus.

Dabei wurde laut den Veranstaltern deutlich, dass sich viele Behörden nach wie vor verweigern, den rechtlich garantierten Auskunftsansprüchen zu genügen. “Behörden konzentrieren sich gern auf Informationen, die sie in einem guten Licht erscheinen lassen”, so nr-Vorstandsmitglied David Schraven. “Deshalb fordern wir ein Akteneinsichtsrecht für Journalisten, damit die von einer Behörde gegebenen Auskünfte überprüft werden können.”

Ein Akteneinsichtsrecht gibt es gegenwärtig bereits bei Anfragen nach dem Informationsfreiheitsgesetz (IFG) und dem Umweltinformationsgesetz (UIG). Doch auch hier versuchen Ministerien und Behörden immer wieder, Antworten auf legitime Anfragen von Journalisten in der Tradition des “Amtsgeheimnisses” abzulehnen oder hinauszuzögern. Wie Teilnehmer der Konferenz berichteten, engagieren Ministerien oftmals hochbezahlte Anwaltskanzleien, um sich der Anfragen nach IFG oder UIG zu entledigen. “Offensichtlich soll der oft jahrelange Rechtsstreit die Journalisten zermürben”, so David Schraven. Deshalb fordere netzwerk recherche, dass Anfragen in der gesetzlich vorgesehenen Zeit bearbeitet werden. Um eine unsachgemäß lange Bearbeitung zu verhindern, müssten Sanktionsmöglichkeiten geschaffen werden.

Die Konferenz begrüßte hingegen die Pläne der deutschen Bundesregierung, wonach Journalisten in ihrer Arbeit künftig nicht mehr wegen der “Beihilfe zum Geheimnisverrat” strafrechtlich verfolgt werden können. Der Entwurf des Gesetzes zur Stärkung der Pressefreiheit im Straf- und Strafprozessrecht kann unter http://www.bmj.bund.de/files/-/4673/RegE_Pressefreiheit.pdf eingesehen werden. Der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesjustizministerium, Max Stadler, hatte die Pläne des Bundes auf der Konferenz vorgestellt. Er sagte laut Netzwerk Recherche den Teilnehmern der Konferenz zu, auch die weiteren Anliegen der Journalisten zur Änderung des Medienrechts zu prüfen.

Zentral war hier die Forderung nach Abschaffung des “fliegenden Gerichtsstands”. Betroffene sollten künftig nur noch die Wahl zwischen zwei Gerichtsständen haben, so David Schraven. Für Unterlassungsansprüche gegen Medien sollte neben dem Gericht, in dessen Bezirk das Medienunternehmen seinen Sitz hat, nur das Gericht zuständig sein, in dessen Bezirk der Antragsteller seinen (Wohn-)Sitz hat. Die heutige Praxis des “fliegenden Gerichtsstands” führe hingegen zu einem regelrechten “Gerichte-Hopping”, so Schraven. “Waren Anwälte von Betroffenen bei einem Gericht erfolglos, stellen sie ihren Antrag in leicht abgewandelter Form beim nächsten Gericht – bis sie eine Kammer finden, die die Verfügung erlässt.”

Außerdem müsse das Eilverfahren zur Verhinderung von Medienberichten so gestaltet werden, dass das betroffene Medium eine faire Chance erhält, sich gegen den Unterlassungsantrag zur Wehr zu setzen. Dazu gehöre, dass das Gericht bei seiner Entscheidung in jedem Falle den Vortrag beider Parteien berücksichtigt. Einer gerichtlichen Unterlassungsverfügung müsse daher immer eine mündliche Verhandlung vorgeschaltet sein.

Die Konferenz fand in Kooperation mit dem Erich-Brost-Institut für internationalen Journalismus und dem Westdeutschen Rundfunk sowie mit Unterstützung des deutschen Bundesministeriums der Justiz statt.

Dienstag, 20. April 2010, von Elmar Leimgruber

Deutsche Presse Agentur klagt Verkehrsministerium wegen Informationsverweigerung

Foto: dpa.de

Sowas kommt üblicherweise nicht vor, aber jetzt doch: Die Deutsche Presse-Agentur dpa hat beim Berliner Verwaltungsgericht eine Klage gegen das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) eingereicht. Es geht dabei um Informationen zum Zustand der Brücken und Tunnel deutscher Autobahnen und Bundesfernstraßen. Das Ministerium verweigert die Herausgabe eines Teils der Daten unter anderem mit Hinweis auf Sicherheitsinteressen. Die dpa beruft sich hingegen auf einen Auskunftsanspruch nach dem Informationsfreiheitsgesetz (IFG).

Seit zwei Jahren bemühen sich Rechercheure der Redaktion dpa-DataReporting vergeblich um Bauwerksdaten aus der Straßeninformationsbank. Diese enthält Informationen zur Lage, zur Konstruktion und zum Zustand der rund 40 000 Brücken und Tunnel. Die Auswertung dieser Daten soll in die Berichterstattung der dpa zur Verkehrsinfrastruktur einfließen.

Die Redaktion bat zunächst bei der Pressestelle des BMVBS, die Daten zu übermitteln. Das Ministerium verweigerte die Herausgabe jedoch mehrfach und lieferte nur zusammenfassende Berichte. Diese boten lediglich einen groben Überblick, dessen Schwerpunkte zudem das Ministerium festlegte. Eine unabhängige journalistische Arbeit ist aus Sicht der dpa auf Basis dieser Auskünfte nicht möglich.

Im Februar 2009 beantragte die dpa auf Grundlage des IFG offiziell die Herausgabe der Daten. Das Verkehrsministerium lehnte erneut ab, wesentliche Teile der nachgefragten Informationen, vor allem bezogen auf den Zustand der Bauwerke, zu übergeben. Als Begründung führte es unter anderem “sicherheitsrelevante Gründe” an. Es bestehe die Gefahr, dass die Veröffentlichung der Informationen “nachteilige Auswirkungen” auf “Belange der inneren und äußeren Sicherheit” haben könne. Die Daten seien langfristig für “Auswertungen mit terroristischem Hintergrund nutzbar”.

Aus Sicht der dpa geht diese Argumentation fehl, weil viele der angefragten Informationen durch Anschauen der Bauwerke erhoben werden könnten – nur dass dies kein Journalist bei 40 000 Bauwerken leisten kann. Zudem beruft sich das Ministerium auf Informationsvorbehalte in einem Verwaltungsrundschreiben aus dem Jahr 1997, das schon allein aufgrund seines Alters nicht als Rechtsgrundlage dienen kann. Das IFG trat 2006 in Kraft.

Da das Ministerium auch eine konkrete terroristische Gefährdung nicht ausreichend belegen kann, entsteht der Eindruck, dass mit Hilfe eines vorgeschobenen Sicherheits-Arguments das gesetzlich verbriefte Informationsrecht des Bürgers ausgehebelt werden soll. Fragen nach Detailinformationen zum Zustand der Infrastruktur sind nach Auffassung der dpa berechtigt und notwendig, wie nicht zuletzt die Katastrophe des Kölner Stadtarchivs und die Mängel beim U-Bahnbau in der Domstadt gezeigt haben.

Derartige Informationsbegehren können nicht mit einem allgemeinen Verweis auf mögliche Terroranschläge abgelehnt werden. Deshalb hat die dpa dem ablehnenden Bescheid im Mai 2009 widersprochen. Auf diesen Widerspruch hat das Verkehrsministerium formell bis heute nicht reagiert. Die dpa hat sich daher nun zur Klage vor dem Berliner Verwaltungsgericht entschlossen.

“Wir begrüßen die Entscheidung der dpa, sich mit einer Klage gegen die Informationsblockade des Verkehrsministeriums zu wehren”, sagt Manfred Redelfs, Vorstandsmitglied des Journalistenverbands Netzwerk Recherche. “Nur wenn große Medienhäuser ihre Rechte nutzen und bereit sind, Musterprozesse zu führen, wird die alte Verwaltungskultur, die vom Amtsgeheimnis geprägt ist, von einer Kultur der Transparenz abgelöst werden. Die dpa übernimmt hier eine Rolle, vor der freie Journalisten schon aus Kostengründen meist zurückschrecken.”

Das Verhalten des Ministeriums sei leider typisch, sagt Redelfs: “Die Beamten konzentrieren sich darauf, Gründe zu finden, warum eine Information angeblich nicht freigegeben werden darf. Dass es hier nicht um die Abwehr von Anschlagsgefahren geht, ist schon daran erkennbar, dass Tunnel und Brücken für jeden in der Landschaft erkennbar sind. Die vermeintliche Terrorismusgefahr soll hier als Freibrief für Informationsverweigerung herhalten.”

Sicher kann es Gründe geben, die dafür sprechen, dass von Ministerien in Einzelfällen Informationen “aus Sicherheitsgründen” nicht gegeben werden (z.B. bei Poliezeieinsätzen, bei der konkreten Terrorismus-Bekämpfung…), aber gerade wo es um die öffentliche Sicherheit geht, wie im Bereich Brücken, Tunnels und öffentliche Gebäude, gibt es wohl ein Recht auch der Bevölkerung, darüber zu erfahren.