Mit ‘Russalnd’ getaggte Artikel

Montag, 13. Dezember 2010, von Elmar Leimgruber

Wikileaks und die Folgen

Wikileaks-”Chef” Julian Assange
Foto: Espen Moe, CC Lizenz

Genaugenommen stehen weder das in die Schlagzeilen geratene Wikileaks noch dessen Gründer Julian Assange für die so bedeutsamen Begriffe wie Meinungs- und Pressefreiheit. Zum einen handelt es sich hier nicht um Meinungen im eigentlichen Sinn, sondern um unkommentierte Kopien von bestehenden Schriftwerken. Und zum anderen ist das reine Kopieren und Publizieren derselben auch nicht wirklich eine Pressetätigkeit, sondern maximal eine Publikation, allerdings ohne eigenen redaktionellen Verdienst.

Und trotzdem fasziniert mich Wikileaks und ich bin dankbar dafür, dass es existiert, denn es schafft und bewirkt eine Demokratisierung des Internets (wie schnell auch Assanges Fans auf seine Verhaftung- auf die ich bewusst nicht inhaltlich eingehe- reagierten, ist schon beeindruckend und zeigt, dass sich das Internet -Gott sein Dank- so leicht nicht zensurieren lässt), die offenbar selbst die USA beängstigt. Und ja: es spricht auch überhaupt nix dagegen, dass irgendwelcher diplomatischer Hick-Hack auf Wikileaks zu lesen ist. Ich finde dies teilweise sogar äusserst amüsant. Und wer schon in der Öffentlichkeit steht als Botschafter oder was auch sonst, sollte eben mehr als sonst wer darauf achten, was er sagt bzw. schreibt.

Ich trete also für diese Demokratisierung ohne wenn und aber ein: Wikileaks und auch andere ähnliche Webseiten (die WAZ, die letzthin Wikileaks Verantwortungslosigkeit vorgeworfen hatte, betreibt nun ein eigenes deutsches “Wikileaks”) sollen uneingeschränkt und frei agieren können. Jegliche Versuche der USA und anderer Staaten, über Geldtransaktionssperren und Ähnlichem Macht und Druck auszuüben, sind einer liberalen Gesellschaft nicht würdig. Druck von aussen ist daher strikt abzulehnen.

Und jetzt kommt trotzdem ein Aber, das sich allerdings nicht auf Vorgaben von aussen bezieht, sondern was Wikileaks selbst betrifft, also von innen her, von seinem Selbstverständnis her:

Wer weiss, welche Macht er hat, und diese nicht in Verantwortung ausübt, verliert meine Solidarität. Wikileaks hat mit der Veröffentlichung von besonders vor Terror schützenswerten Einrichtungen weltweit eine Grenze überschritten, die nicht zulässig ist. Die Veröffentlichung sollte nicht verboten werden, aber die Wikileaks-Betreiber selbst sollten den nötigen Anstand und das entsprchende Verantwortungsbewusstsein besitzen, auf solche und ähnliche Veröffentlichungen von sich aus zu verzichten. Werden hingegen weitherhin derart brisante Geheimdokumente veröffentlicht, dass damit die öffentliche und weltweite Sicherheit ernsthaft in Gefahr steht, bezweifle ich am “Heldentum” und an edlen Absichten.

Zudem beunruhigt mich, dass Russland von den bisherigen Wikilekas-Veröffentlichungen offenbar sehr begeistert ist, ein Land, wo in den letzten Jahren mehr als sonstwo gerade investigative Journalisten mit dem Leben bezahlen mussten. So erwarte ich mir in Zukunft also von Wikileaks neben mehr Verantwortungsbewusstsein mit Blick auf die Konsequenzen der Veröffentlichungen, aber auch, dass weit über den amerikanisch-westlichen und auch über jeglichen ideologischen Tellerrand hinaus ebenso interessante Dokumente veröffentlicht werden. Nun dann wird es auch den hohen Erwartungen von Demokratie und Transparenz gerecht.

Wenn beides eintritt, bin ich zuversichtlich, dass Wikileaks und ähnliche Seiten Regierungen und Institutionen (hoffentlich bald weltweit) mit ihren Veröffentlichungen dazu zwingen werden, immer unkorrumpierter und offener zu werden und Transparenz und Demokratie zu praktizieren. Das ist im Sinne aller, ausser von ein paar wenigen (derzeit viel zu) Mächtigen: Ich bin voll dafür.

Mittwoch, 10. November 2010, von Elmar Leimgruber

DJV: Verlage demontieren Journalismus

DJV-Chef Michael Konken
Foto: djv.de Michael Ebner

“Die Verlagsmanager sind dabei, einen ganzen Berufsstand zu demontieren und gefährden ihre eigene Zukunft,” warnte DJV-Bundesvorsitzender Michael Konken bei der Eröffnung des DJV-Tages  2010 in Essen. Schließlich hingen auch Abonnements und Verkäufe von der Qualität ab, die in den Redaktionen produziert werden. “Wir haben in den vergangenen Jahren mit viel Verständnis den Verlagen über schwierige Zeiten geholfen und Einbußen hingenommen”, sagte Konken. Aber: “Das geht so nicht weiter!”

Der Erhalt redaktioneller Arbeitsplätze und des Auftragsvolumens für Freie gehört demnach zu den wichtigsten Aufgaben der Tarifpolitik. Der Deutsche Journalisten-Verband erwartet daher von den Medienarbeitgebern, dass für die Arbeitsplätze der Journalistinnen und Journalisten die Flächentarifverträge in vollem Umfang gelten. Und das Urheberrecht dürfe nicht angetastet werden. Auch müssten Journalistinnen und Journalisten ihre Beiträge weiterhin mehrfach verwerten können. An den Erlösen der Verlage aus einem Leistungsschutzrecht müssten die Journalisten angemessen beteiligt werden, forderte Konken.

Gegen den Missbrauch von Leiharbeit übte erneut der DJV-Vorsitzende Kritik: Wichtig sei die zeitliche Begrenzung der Leiharbeit auf maximal zwei Jahre und eine konsequent gleiche Bezahlung. “Die Umgehung von Tarifverträgen ist kein Kavaliersdelikt, sondern ein Anschlag auf die Sozialpartnerschaft in den Verlagen.” Mit großer Mehrheit nahmen die Delegierten des DJV-Tags auch die Forderung nach einem Tarifvertrag zur Qualifizierung von Journalisten an.

Der DJV-Verbandstag legte zudem ein klares Bekenntnis zum Informantenschutz ab und forderte ein Ende der Online-Durchsuchungen ebenso wie den Stopp von Plänen des Gesetzgebers, die Vorratsdatenspeicherung wieder einzuführen. Eine deutliche Absage wurde auch der nachrichtendienstlichen Überwachung von Journalisten und der Regelanfrage beim Verfassungsschutz im Rahmen der Akkreditierung zu Großveranstaltungen erteilt. Die DJV-Delegierten sprachen sich darüber hinaus für die Gleichbehandlung aller Berufsgeheimnisträger und gegen Ermittlungsverfahren wegen Beihilfe zum Geheimnisverrat aus, die sich gegen Journalisten richten.

Am Rande seiner Tagung hat sich der Deutsche Journalisten-Verband solidarisch mit dem schwer verletzten russischen Journalisten Oleg Kaschin erklärt: Er fordert in einer öffentlichen Stellungname den russischen Präsidenten Dmitrij Medwedew auf, den Überfall auf Kaschin lückenlos aufzuklären und die Täter zur Rechenschaft zu ziehen. Kaschin war Ende letzter Woche überfallen und mit gebrochenen Beinen, Fingern und einem gebrochenen Kiefer sowie einer Gehirnerschütterung ins Krankenhaus eingeliefert und in künstliches Koma versetzt worden. Ähnlich zu diesem Fall äusserten sich auch der Österreichische Journalisten Club (ÖJC) und Reporter ohne Grenzen (ROG), die vor allem kritisieren, dass in den vergangenen zehn Jahren sei kein einziges Verbrechen gegen Journalisten in Russland aufgeklärt worden sei.