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Dienstag, 12. Oktober 2010, von Elmar Leimgruber

Die Hoffnung stirbt zuletzt – Kommentar zum Wiener Wahlergebnis

Die SPÖ hat bei den Wiener Landtags- und Gemeinderatswahlen bekommen, was sie verdient hat: eine kräftige Wahlschlappe. Sie konnte sich zwar als stimmenstärkste Partei behaupten, vor allem durch einen monatelang anhaltenden klugen psychologischen Wahlkampf, der viele Menschen in Wien arglistig getäuscht hat mit der falschen Botschaft: Wien ist die lebenswerteste Stadt, wegen der SPÖ. Aber sie hat -und da müsste eigentlich jeder überzeugte Demokrat dafür dankbar sein- die Absolute Mehrheit und damit dem Absoluten Machtanspruch, den sie unbedingt haben wollte, verfehlt. Und der Grund dafür liegt unter anderem an ihrem Anspruch auf Alleinherrschaft und der damit verbundenen Arroganz und Überheblichkeit und Ignoranz gegenüber den echten Sorgen der Bürger der Stadt.

Dass die SPÖ noch immer relativ viele Stimmen erhielt, ist aber wohl auch auf eine massive Geldverschwendung im Wahlkampf (die die Wiener Bevölkerung schon bald durch neue ebenso massive Belastungspakete bezahlen wird müssen) und tragischerweise auch auf eine gezielte Unterstützung durch die einflussreichsten Medien des Landes: ORF (ob die ÖVP jetzt endlich der roten Alleinherrschaft im ORF ein Ende setzen wird? Zeit wärs!), Kronenzeitung, Heute und Österreich zurückzuführen. Und ja: das Wiener Wahlrecht gehört reformiert hin in Richtung mehr Demokratie, politischer Vielfalt und Meinungsfreiheit. Und das Wahlkartensystem gehört entweder grundlegend überarbeitet (eine Stimmabgabe nach Bekanntgabe des Wahlergebnisses muss unmöglich werden!) und abgeschafft.

Bei all dem, was sich die Wiener SPÖ seit Jahren auf Kosten seiner Bürger leistet, darf es auch nicht weiter verwundern, wenn ausgerechnet der einzige (leider!) wirkliche politische Gegner (weil als einziger Bürgermeisterkandidat neben Häupl Strache auftrat), die FPÖ, der grosse Wahlsieger wurde. Machtbesessenheit und Ignoranz werden meist vom Wähler bestraft. Und ja, es gibt in Wien ein immer problematischer werdendes schwerwiegendes Integrationsproblem: Dass viele Zuwanderer, speziell aus islamischen Herkunftsländern sich nicht integrieren wollen, ist eine Tatsache. Und dass die offiziellen Zahlen der Stadt Wien vielleicht nur insofern stimmen, weil während der zu langen Wiener SPÖ-Alleinherrschaft bis vor noch nicht allzulanger Zeit fast jeder ohne die nötigen Sprachkenntnisse und ohne Integrationswillen sehr schnell die österreichische Staatsbürgerschaft erhielt und auch alle Familienangehörigen problemlos ebenfalls -ohne die geringsten Voraussetzungen hierfür- ebenfalls zu Staatsbürgern wurden und damit auch Anspruch auf die Sozialleistungen inklusive Sozialwohnungen der Stadt erhielten.

Und ja: HC Strache wird von vielen Einheimischen, aber auch Zuwanderern aus der EU und aus anderen nicht islamischen Ländern als jener Politiker gesehen, der ihre Sorgen nicht nur erkennt, sondern auch ernstnimmt und thematisiert. Und daher wurde er auch bei den Wiener Gemeinderatswahlen so massiv gewählt: Nicht, weil -wie unverbesserliche Ignoranten immer wieder zu suggerieren versuchen- weil die Menschen “braun” wären, sondern weil sie berechtigte Ängste vor Überfremdung haben und vor allem von der regierenden SPÖ, aber auch von den Grünen nicht ernst genommen werden. Und es gibt nun mal einen gravierenden Unterschied zwischen dem klassischen Einwanderungsland Österreich, in dem seit jeher Menschen aus den umliegenden Ländern Heimat suchten und auch fanden und zu jenen “neuen” Einwanderern, die sich schon aufgrund ihrer Mentalität nicht dem abendländischen Kultur- und Menschenbild und Demokratieverständnis verpflichtet fühlen, die sich nicht als Gäste empfinden, sondern als Herren und die daher gar nicht im Geringsten daran denken, sich zu integrieren.

Friedliches Zusammenleben ist aber eben nun mal nur mit jenen Menschen möglich, die selbst auch Wert darauf legen und es auch selbst leben, aber nicht mit solchen, die sich nicht integrieren wollen und die vielleicht zudem auch noch ihre eigene Kultur dem christlich-liberalen europäischen Abendland aufzuzwingen versuchen. Die diesbezüglich mahnenden Stimmen kommen inzwischen bei weitem nicht nur aus dem so genannten rechten politischen Lager, sondern auch unter anderem aus der deutschen Sozialdemokratie (Thilo Sarazzin, SPD), aus der CSU (Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer) und selbst von der bekannten Feministin Alice Schwarzer. Dass mangelnder Integrationswille von Migranten schon jetzt aber vor allem längerfristig ein schwerwiegendes Problem für ganz Europa (und das muss auch europaweit angepackt werden) darstellt, das dringendst gelöst werden muss, sollte mittlerweile endlich auch von den Naivsten erkannt werden, aber vor allem von regierenden, also konkret Verantwortung tragenden Parteien.

HC Strache jedenfalls wird weiterhin Wahlen gewinnen, so lange die berechtigten Sorgen der Menschen von den anderen Parteien ignoriert werden und vor allem, wenn diesbezügliche Meinungsfreiheit weiterhin mit öffentlicher Ächtung bestraft wird. Kann man es einem populistischen Politiker verübeln, dass er die Sorgen, die viele Menschen haben, thematisiert und zu seinem Anliegen macht?

Neben der SPÖ hat aber auch die ÖVP bei diesen Wahlen viele Stimmen eingebüsst, was nur vielleicht auch darauf zurückzuführen ist, dass sie besonders nach der Steiermarkwahl plötzlich mit harten Migrations-Themen aufzutrumpfen versuchte, wie es uns linke Medien zu vermitteln versuchen. Viel mehr liegt die Ursache ihrer Wahlschlappe wohl eher an einer schwarzen Themenlosigkeit im Wiener Wahlkampf und vor allem an ihrem unterwürfigen Kuschelkurs der SPÖ gegenüber. Die Wiener ÖVP ist es einfach seit Jahrzehnten gewohnt, es sich in Wien bei der SPÖ bequem zu machen, sich mit ihr zu arrangieren und daher besser auch im Wahlkampf nicht zusehr anzuecken. Und dieses schäbige Verhalten wurde von den Wählen auch abgestraft. Und natürlich muss jetzt nicht nur in der Wiener ÖVP, sondern auch an der der Bundesspitze der ÖVP endlich umgedacht werden und selbst personelle Konsequenzen werden wohl folgen müssen. Die ÖVP muss von ihrem hohen Ross der Privilegien und der Teilhabe an der Macht runtersteigen und konkret auf die Menschen und ihre Probleme und Sorgen eingehen: Wirtschaftswachstum ist gut und notwendig, aber nicht auf Kosten der Schwächsten in der Gesellschaft.

Dass die Grünen trotz ihres parteiinternen Streits (und hier bin ich enttäuscht, dass die von den Grünen rausgemobbten Intellektuellen nicht mehr Stimmen erhielten) und der Überheblichkeit einiger weniger unbedingter egoistischer Machtmenschen noch relativ gut abgeschnitten haben, liegt vor allem an einem: an ihrem mit Engelsgeduld ausgestatteten Ex-Chef Alexander Van der Bellen, der -für viele Intellektuelle absolut nicht mehr nachvollziehbar- sie auch in diesem Wahlkampf unterstützt hat, obwohl sie seinen vorgeschlagenen klugen grünen Weg schon längst durch billige Machtspielchen, Mobbing und Intrigen ersetzt haben. Hätten die Grünen wirklich klug entschieden, hätten sie ihn als Bürgermeisterkandidaten für Wien aufgestellt und es wäre ein echt spannender Wahlkampf der Bürgermeisterkandidaten Häupl, Van der Bellen und Strache geworden. So aber spielte Van der Bellen offiziell im Grünen Wahlkampf keine Rolle. Und dennoch wurde er die Nummer 2 der Vorzugsstimmensieger in Wien: Er erhielt nach dem vorläufigen Endergebnis der Wiener Wahl 9162 Vorzugsstimmen und liegt damit nur knapp hinter dem amtierenden Bürgermeister Michael Häupl mit 9436 Vorzugsstimmen, während die überall beworbene grüne Spitzenkandidatin Maria Vassilakou, die eine vollkommene Fehlbesetzung darstellt, nur 4083 Vorzugstimmen erhielt. FP-Chef Strache erhielt übrigens 8431, die Wiener VP-Chefin Christine Marek 2554 Stimmen.

Dass das BZÖ zwar Stimmen dazugewinnen konnte, aber kein Mandat im Wiener Gemeinderat erhielt, ist ein Verlust für die Demokratie und Vielfalt, vertrat es doch äusserst bürgerliche Themen, die im Wahlkampf aber wohl nicht auffielen. Das lag sicher weniger am durchaus sympathischen Spitzenkandidaten Walter Sonnleitner, sondern daran, dass diese Partei weder das Budget für einen weithin sichtbaren Wahlkampf, als auch kein wirklich starkes Profil an der Spitze (mehr) hat. Will das BZÖ nach den nächsten Nationalratswahlen weiterhin im Parlament vertreten sein, braucht es wohl wieder kantige Politiker mit Profil wie ehemals Peter Westenthaler oder Ewald Stadler.

Nun bleibt aber die Frage, wie es weitergehn soll in Wien: Der linke Flügel der SPÖ, massiv unterstützt vom ORF und anderen linksorientierten Medien fordert nun lautstark eine Koalition mit den Grünen. Häupl selbst, “Macher” der grossen Koalition auf Bundesebene, tendiert sicher auch in Wien eher zu einer Koalition mit der äusserst bescheidenen, devoten und willigen ÖVP.

Kommt es zur Koalition mit den Grünen (sofern dies von der grünen Basis nach den Koalitionsverhandlungen überhaupt noch erwünscht ist), könnten eventuell die Öffentlichen Verkehrsmittel noch stärker subventioniert werden zugunsten von günstigeren Jahreskarten, was wohl das einzig Positive in dieser Koalition wäre. Die Wiener Regierung würde insgesamt einen äusserst gefährlichen Linksruck vollziehen und die brennenden Themen der Stadt wie Wirtschaftswachstum und Integration würden nicht nur boykottiert, sondern (schon mangels Finanzierbarkeit) zu einer massiven Verschlechterung der Lebensqualität in Wien führen, die längerfristig zu bürgerkriegsähnlichen Zuständen führen könnte.

Kommt es hingegen zur Koalition mit der ÖVP, bleibt Wien als Wirtschaftstandort wichtig, was auch einen weiteren gewissen Wohlstand und damit Frieden innerhalb der Stadt garantiert. Nur muss die Wiener ÖVP sich hier endlich ein eigenes starkes Profil zulegen und ich plädiere dafür, dass die starke ÖVP-Bezirksvorsteherin des 1. Bezirks, Ursula Stenzel, Vizebürgermeisterin wird und ihrer Forderung nach Stärkung der Autonomie der einzelnen Wiener Bezirke Vorschub leistet und überhaupt für mehr Lebensqualität in der Stadt sorgt.

Kommt es aber zur Koalition der SPÖ mit der ÖVP (nicht mit Stenzel an der Spitze) ist leider zu befürchten, dass der devote Kuschelkurs der ÖVP fortgesetzt wird und sich Häupl sich ihrer bedienen wird, um längst fällige “rechte” Reformen durchzusetzen, die er im eigenen Namen beziehungsweise im Namen der SPÖ nicht durchführen kann, wo er aber anschliessend die ÖVP als einen billigen “Schuldigen” präsentieren kann. Hier muss die ÖVP sehr darauf achten, sich nicht für unpopuläre Reformen instrumentalisieren zu lassen und dann auch noch die Verantwortung dafür übernehmen zu müssen.

Wie auch immer die Koaltionsverhandlungen in Wien enden werden: Ich hoffe auf positive und bessere Weichenstellungen für Wien und seine Bevölkerung, aber auch für ganz Österreich. Die Hoffnung stirbt ja bekanntlich zuletzt…

Und hier ist mein Kommentar im Vorfeld der Wiener Wahl nachzulesen.

Samstag, 11. September 2010, von Elmar Leimgruber

Deutsche Kanzlerin plädiert für Selbstbewusstsein, Toleranz, Religions-, Meinungs- und Pressefreiheit

Die deutsche Bundeskanzlerin Merkel zeichnet den dänischen Karikaturisten Kurt Westergaard aus
Foto: REGIERUNGonline/Hanschke

Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel hat anlässlich der Verleihung des Medienpreises “M 100 Sanssouci Colloquium”an den dänischen Karikaturisten Kurt Westergaard die Bedeutung von Presse- und Meinungsfreiheit hervorgehoben. Dieser muss für seine Mohammed-Karikaturen seit 2005 um sein Leben bangen. “Europa ist ein Ort, in dem ein Zeichner so etwas zeichnen darf. Das ist im Übrigen kein Widerspruch dazu, dass Europa auch ein Ort ist, in dem die Freiheit des Glaubens und der Religion sowie der Respekt vor Glaube und Religion ein hohes Gut sind”, sagte Merkel. “Das Geheimnis der Freiheit ist der Mut.” Dieser Satz von Perikles sei heute noch genauso aktuell wie im 5. Jahrhundert vor Christus. “Freiheit zu leben, erfordert Mut, und zwar jeden Tag aufs Neue, im Kleinen wie im Großen,” betonte die deutsche Kanzlerin.

Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) hat sich indes gegen die laut gewordene Kritik von Moslem-Organisationen an der Ehrung des dänischen Karikaturisten Kurt Westergaard gewandt. “Satire und Karikatur sind ironische Stilmittel der Pressefreiheit“, stellte der DJV-Vorsitzende Michael Konken klar: “Sie zu akzeptieren, selbst wenn man sich angegriffen fühlt, ist demokratisches Prinzip.“

redakteur.cc dokumentiert in Ausschnitten die beeindruckende und bedenkenswerte Jahrhundertrede von Angela Merkel zur Verleihung des Medienpreises am 8. September 2010 in Potsdam:

Die Wirkung der präzisen Frage zum richtigen Zeitpunkt, die Freiheit, sie stellen zu können, und vor allem die Freiheit, über die Antwort zu berichten, und zwar ungekürzt, unverändert, unverzüglich – welch hohes Gut. Niemals dürfen wir dieses hohe Gut als selbstverständlich ansehen – auch bei Themen nicht, die nicht sofort die Welt verändern, sondern Fragen des Alltags berühren…

Reden wir also Klartext… Aussagen, zum Beispiel von mir, münden in eine Debatte, eine breite Debatte um Artikel 5 unseres Grundgesetzes. Er lautet: “Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt. Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre. Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.” – So weit Artikel 5. Er ist es wert, gerade bei einer solchen Tagung zum Thema “Freiheit und Pressefreiheit” in Gänze vorgetragen zu werden. Er ist das auch wert, weil er neben Artikel 1 zur Unantastbarkeit der Würde des Menschen, Artikel 2 zur freien Entfaltung der Persönlichkeit, Artikel 3 zur Gleichheit aller Menschen vor dem Gesetz und Artikel 4 zur Freiheit des Glaubens für mich zu den größten Schätzen unserer Gesellschaft gehört…

Das Thema Sarrazin ist aber gerade kein Thema der Gefährdung der Meinungsfreiheit, sondern es geht darum, ob und gegebenenfalls welche Folgen zum Beispiel ein Buch für einen Autor in einer besonders wichtigen öffentlich-rechtlichen Institution haben kann oder nicht…

Der heutige Tag kann uns für unser Thema “Pressefreiheit in Europa” – da bin ich mir sicher – Orientierung geben. Bei dem Mann, den Sie heute auszeichnen, dem dänischen Zeichner und Karikaturisten Kurt Westergaard, geht es um die Meinungs- und Pressefreiheit. Bei ihm geht es darum, ob er in einer westlichen Gesellschaft mit ihren Werten seine Mohammed-Karikaturen in einer Zeitung veröffentlichen darf, ja oder nein; egal, ob wir seine Karikaturen geschmackvoll finden oder nicht, ob wir sie für nötig und hilfreich halten oder eben nicht. Darf er das? Ja, er darf. Er ist ein Zeichner, wie es in Europa viele gibt. Europa ist ein Ort, in dem ein Zeichner so etwas zeichnen darf. Das ist im Übrigen kein Widerspruch dazu, dass Europa auch ein Ort ist, in dem die Freiheit des Glaubens und der Religion sowie der Respekt vor Glaube und Religion ein hohes Gut sind. Wenn ein fundamentalistischer evangelikaler Pastor in Amerika am 11. September den Koran verbrennen will, so finde ich das deshalb – kurz gesagt – schlicht respektlos, sogar abstoßend und einfach falsch.

In der Diskussion um die Veröffentlichung der so genannten Mohammed-Karikaturen geht es also genau darum, ob wir in Europa mit unseren Werten – Sie haben die von mir genannten ersten fünf Artikel unseres Grundgesetzes sicher noch im Ohr – aus Angst vor Gewalt und Massendemonstrationen davon absehen, die Zeichnungen dieses Karikaturisten zu veröffentlichen oder nicht, ob sie auch in anderen Zeitungen nachgedruckt werden oder nicht und, wenn nein, warum nicht.

Denen, die das seinerzeit aus welchen Gründen auch immer nicht gemacht haben, werfe ich nichts vor. Jeden Tag stehen Sie bei Ihrer Berichterstattung vor Abwägungsfragen; sie gehören zur Verantwortung der Medien in Ausübung ihrer Pressefreiheit ganz selbstverständlich dazu. Ich kenne solche Abwägungsfragen auch selbst: Soll die deutsche Bundeskanzlerin die Hauptrede anlässlich dieser Veranstaltung halten? Soll sie den Dalai Lama empfangen? Soll sie Briefe, die sie zum Beispiel von “Reporter ohne Grenzen” bekommt, ernst nehmen und den neuen ukrainischen Präsidenten bei seinem ersten Besuch in Berlin auf die Einschränkungen der Pressefreiheit in seinem Land ansprechen oder damit besser bis zur zweiten Begegnung warten?

Wie also verhält es sich mit den Werten und den Interessen, den politischen wie wirtschaftlichen, die für unser Land wichtig sind – für Sie wie für mich? Ich habe für mich die genannten drei Fragen drei Mal mit Ja beantwortet, und zwar aus einem einzigen Grund, der mich seit Beginn meiner politischen Arbeit leitet: Deutsche Politik vertritt ihre Interessen wertegebunden – nach innen wie nach außen. Werte und Interessen gehören zusammen. Wer einen Gegensatz aufmacht, hat sich bereits aufs Glatteis führen lassen…

Ja, geben wir den Menschen eine Stimme – in politischen Parteien genauso wie in den Medien. Aber überzeugen wir sie gleichzeitig, dass es in unserem Land am wenigsten darum geht, was gesagt werden darf. Richtige Entscheidungen, Taten statt Worte – das hingegen führt zum Kern dessen, was notwendig ist, zum Beispiel damit Integration gelingt und nicht scheitert, damit Parallelgesellschaften verhindert und nicht auch noch gefördert werden, damit jugendliche Gewalt eingedämmt und nicht hingenommen wird, damit der Sozialstaat denen hilft, die ihn brauchen, und nicht denen, die ihn missbrauchen, und vieles mehr…

Erstens: Freiheit ist nicht bindungslos. Das gilt für unser persönliches Leben, das gilt in der Politik, das gilt für die Verantwortung der Medien, das gilt für uns alle. Freiheit ist stets und für alle mit Verantwortung verbunden. Freiheit steht nie nur für sich. Sie ist eine Medaille mit zwei Seiten: Auf der einen Seite steht die Freiheit von etwas, auf der anderen Seite die Freiheit zu etwas. Wenn wir also von Freiheit sprechen, dann sprechen wir tatsächlich immer auch von der Freiheit des anderen. Was uns in Deutschland wie Europa auszeichnet, das ist der Umgang mit unserer Vielfalt, unserer Freiheit und der Freiheit der anderen. Wir Deutsche und Europäer haben in unserer Geschichte gelernt, aus der Vielfalt das Meiste zu machen. Die Eigenschaft, die uns dazu befähigt, ist die Toleranz.

Zweitens: Die Toleranz ist eine anspruchsvolle Tugend. Sie braucht das Herz und den Verstand. Aber sie ist nicht mit Standpunktlosigkeit und Beliebigkeit zu verwechseln. Sie hat niemals das geringste Verständnis für Intoleranz, für Gewalt von Links- und Rechtsextremismus oder für Gewalt im Namen einer Religion. Die Toleranz ist ihr eigener Totengräber, wenn sie sich nicht vor Intoleranz schützt. Religionsfreiheit meint eben nicht, dass im Zweifelsfall die Scharia über dem Grundgesetz steht. Toleranz meint nicht Wegsehen oder das Messen mit zweierlei Maß. Und Respekt bedeutet nicht Unterwerfung.

Drittens: Freiheit in Verantwortung – das gilt auch für die Wirtschaft. Eine auf Freiheit beruhende Soziale Marktwirtschaft bietet die Spielräume, damit Menschen verantwortlich handeln können. Die Lektion, die uns die Finanz- und Wirtschaftskrise schmerzhaft erteilt hat, muss überall ankommen. Seit Ludwig Erhard gilt, dass der Staat der Hüter der Ordnung unserer Sozialen Marktwirtschaft ist.

Viertens: “Das Geheimnis der Freiheit ist der Mut.” Dieser Satz von Perikles ist heute noch genauso aktuell wie im 5. Jahrhundert vor Christus. Freiheit zu leben, erfordert Mut, und zwar jeden Tag aufs Neue, im Kleinen wie im Großen – wenn ein Jugendlicher nicht mehr mitmacht beim Mobbing eines Klassenkameraden und den Ausschluss aus der Gruppe riskiert, wenn ein Manager nicht mehr mitmacht bei unlauteren Unternehmenspraktiken und dafür seine Karriere riskiert, wenn man in einer Diktatur versucht, jeden Tag in den Spiegel schauen zu können… Ja, so ist es: Mut fängt mit der Überwindung der eigenen Verzagtheit an…


Fünftens: Die Freiheit wird durch die schier unbegrenzten Möglichkeiten der digitalen Revolution geradezu herausgefordert. Auch ich bin fasziniert von den Möglichkeiten des World Wide Web. Trotzdem werden Sie keine Fotos von meiner letzten Geburtstagsfeier im Internet finden – zumindest keine, die ich selbst eingestellt hätte. Im Ernst: Es macht mir Sorgen, wie leichtfertig Menschen ihre Privatsphäre, den Hort individueller Freiheit, aufgeben und im Internet sensible persönliche Daten preisgeben. Gänzlich unverständlich ist mir das, wenn man bedenkt, wie erbittert wir in Deutschland über die Videoüberwachung öffentlicher Plätze oder eine Volkszählung streiten können. Politik und Medien müssen hier weiter Aufklärungs- und – ja, ich sage – Bildungsarbeit leisten, um in diesem Bereich zu einem verantwortungsvollen Umgang mit Freiheit zu kommen.

Sechstens: Auch unsere Außenpolitik ist wertegebunden. Ich sehe mit Sorge, dass Diktaturen und autokratische Staaten den Freiheits- und Toleranzbegriff missbrauchen. Denken wir zum Beispiel an die dritte Konferenz der Vereinten Nationen gegen Rassismus im Jahre 2001. Diese Anti-Rassismus-Konferenz und ihre Nachfolgetreffen wurden leider von Abgesandten aus Diktaturen und autoritär regierten Ländern bestimmt, die den Gedanken dieser Konferenzen in ihr Gegenteil verkehrt haben.

In Zusammenhängen wie diesen wird oft gefragt: Ist es nicht eine kulturelle, westliche, europäische, christliche Anmaßung, dass wir unsere Werte und Freiheitsrechte für universal gültig halten? Meine Antwort ist eindeutig: Nein, es ist keine Anmaßung. Fast alle Staaten sind Mitglieder der Vereinten Nationen und haben die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte anerkannt. Die großartigen 30 Artikel der Menschenrechtserklärung machen deutlich: Wer diese Rechte bestreitet, hat nicht das Wohl der Menschen im Blick. Kein kultureller Unterschied kann die Missachtung dieser Rechte rechtfertigen.

Ich bin im Übrigen überzeugt: Wenn wir selbstbewusst zu unseren Werten stehen, verschafft uns das weltweit mehr Respekt und Anerkennung, als wenn wir es nur verschämt tun.

Meine Damen und Herren, Freiheit – ich habe es schon oft gesagt – ist für mich persönlich die glücklichste Erfahrung meines Lebens. Auch bald 21 Jahre nach dem überwältigenden Geschenk der Freiheit mit dem Fall der Mauer und 20 Jahre nach der Vollendung der Einheit Deutschlands gibt es noch immer nichts, das mich mehr begeistert, nichts, das mich mehr anspornt, nichts, das mich stärker mit positiven Gefühlen erfüllt als die Kraft der Freiheit.

Montag, 23. August 2010, von Elmar Leimgruber

Schock-Regisseur Christoph Schlingensief verstorben

Christoph Schlingensief bei der Berlinale 2009
Foto: Siebbi (Wikimedia Commons)

“Das Wesentliche ist die Verwandlung. Das Sterben. Und die Angst vor dieser letzten Verwandlung ist allgemein, auf die kann man sich verlassen, auf die kann man bauen”: Christoph Schlingensief 2009 in seinem “Fluxus-Oratorium”: “Eine Kirche der Angst vor dem Fremden in mir”.

Der erst 49-jährige deutsche Regisseur, der durch seine provokanten Aktionen und Regieführungen umstritten war, ist am 21. August 2010 verstorben.

Manche Kritiker werfen ihm vor, einfach schockiert zu haben, um aufzufallen, dass es ihm aber nicht um den Idealismus gegangen sei, wieder andere sehen ihn hingegen als vorbildlichen Weltverbesserer.

Die Wahrheit wird wohl auch in diesem Fall dazwischenliegen:

Kunst muss provozieren – Keine Frage.

Im Rahmen der Wiener Festwochen installierte der Künstler den “Ausländer Raus! Schlingensiefs Container” vor der Wiener Staatsoper, der als Vorbild die Fernseh-Show “Big Brother” hatte und in dem sich Asylsuchende befanden. Durch Abstimmungen konnte das Publikum entscheiden, welcher Teilnehmer den Container und das Land verlassen musste.

Ich mag diesbezüglich vielleicht zu sensibel sein, aber diese Aktion Schlingensiefs ging mir eindeutig zu weit: Durch Mega-Überzeichnung von manchem Gedankengut schärft man nämlich nicht selbstverständlich den Blick für das Wahre und die eigene Wirklichkeit, sondern schafft man möglicherweise geradezu eine Massenstimmung, die dem, was man eigentlich mit dieser Aktion erreichen will, entgegengesetzt ist. Hier trägt man als Künstler einfach Verantwortung für das, was man vermittelt und wie man provoziert (siehe dazu auch meinen noch sehr bissigen Kommentar vom Dezember letzten Jahres).

Die vor einigen Jahren diagnostizierte schwere Krebserkrankung Christoph Schlingensiefs aber hat nach meiner Beobachtung -in dem streitbaren Regisseur, der in seinen früheren TV-Talks zuweilen wirkte, wie wenn er von Sinnen wäre -eine “Besinnung auf das Wesentliche”, auf die Kostbarkeit der des Augenblicks und der Kürze der Lebenszeit ausgelöst: Im Gegensatz zu den meisten von schwerem Krebs (in seinem Fall Lungenkrebs) Betroffenen, die sich aus der Welt zurückziehen und sich innerlich aufgeben, ging Schlingensief gleich mehrmals in die Offensive: in seinen Werken und in seinem bewussten und aktiven Auftreten in der Öffentlichkeit: er wurde ein ehrlich rastlos Suchender.

Das zeugt von einer starken Persönlichkeit und von aktivem Überlebenwillen: das ist zutiefst beeindruckend und sein Umgang mit Krankheit und Tod könnte für viele andere Menschen, die ebenfalls eine unheilbare Krankheit diagnostiziert bekommen, hilfreich sein: “Ich habe immer entschieden: Die Leidenden. Der Aktive mag Unendliches für die Welt erreichen. Aber der Leidende, der gar nichts tun kann, erfüllt durch sein Leiden die Welt mit christlicher Substanz”.

Christoph Schlingensief war bei aller Kritik, die jeder grosse Künstler in Laufe seines Lebens wohl auch verdientermassen ernten musste, zweifelsohne ein Grosser, der kaum jemenden,d er sich für Kultur interessiert, kalt liess. Und unter anderem legte er den Grundstein für das Remdoogo Festspielhaus Afrika (oft auch Operndorf Afrika genannt) im westafrikanischen Ouagadougou (Burkina Faso).

Und wenn er in seinem Oratorium weiter schreibt: “Ich hab immer das Gute, die Totale gesucht. Ich habe es gut gemeint. Ich habe das Gute gesucht und ich habe es nicht böse gemeint,” dann glaube ich ihm dies. Und dann möge es auch so sein, wie immer es auch auf seine Kritiker gewirkt haben mag. Es möge das tatsächlich Gute, das er gewirkt hat, auch reiche Frucht bringen: Und möge nun alle Antworten auf seine brennenden Lebensfragen und das Totale und Gute gefunden haben und versöhnt und erlöst sein. Oder aber wir sehen es mit seinen eigenen Worten:

“Wir gedenken des zukünftig Verstorbenen, der vieles leisten wollte, kaum dass er schon wieder weg war. Ein Mensch, wie wir, wie du, wie ich, wie alle – und damit auch besonders. Er war der, der er war, mehr nicht, aber immerhin, wer kann das schon von sich sagen. Viele sind tot, viele sind untot, uns hat man jedenfalls noch nicht beerdigt. Halleluja!”

Und hier gibts Werke (Bücher, Filme, Hörbücher…) von Christoph Schlingensief zum Nachlesen, Nachsehen und Nachhören.

Freitag, 13. August 2010, von Elmar Leimgruber

TÜV: Bei Online-Bezahlung auf internationalen Standard PCI DSS achten

Wer im Internet einkauft, sollte unbedingt darauf achten, dass er dabei Sicherheitsstandards einhält. Darauf weisst der TÜV Rheinland hin. Eine kürzlich veröffentlichte, repräsentative Studie von Forsa im Auftrag des Branchenverbands Bitkom ergab, dass im vergangenen Jahr bereits jeder sechste in Deutschland Bezahlverfahren im Internet nutzte. “Das internationale Zertifikat PCI DSS mit dem Payment Card Industry Security Standard stellt hohe Anforderungen an den Dienstleister. Darauf kann man sich verlassen”, sagt TÜV Rheinland-Experte Michael Sax. Generell gilt: Je weniger Informationen der Internetnutzer preisgibt, desto geringer ist das Risiko. “Ist die Kontonummer einmal im Netz in falsche Hände geraten, wird sie unter Umständen immer weiter verbreitet”, erklärt Sax.

Wer unkompliziert im Netz einkaufen will, kann auf eine Reihe von Bezahldiensten zurückgreifen, die nach unterschiedlichen Prinzipien arbeiten. Zum einen gibt es Anbieter, die eine Treuhandfunktion übernehmen (paypal, Click and Buy). Der Kunde hinterlegt seine Zahlungsdaten einmalig und begleicht Online-Rechnungen dann über diesen Dienstleister. “Ein großer Vorteil dieser Verfahren ist, dass die Zahlung im Rahmen eines Schlichtungsverfahrens zurückgefordert werden kann”, betont der TÜV Rheinland-Experte.

Eine weitere Möglichkeit bietet das Verfahren “Giropay”, das von verschiedenen Banken getragen wird und das über das Online-Banking-Konto des Kunden läuft. Hier bestehen dieselben Risiken wie beim Online-Banking selbst (z.B. Phishing). Allerdings hat der Kunde den Vorteil, dass “Giropay” den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) seiner Bank entspricht. Dieses Verfahren muss dort explizit als zulässiges Verfahren gekennzeichnet sein. Nutzt der Kunde einen anderen Anbieter und gibt dort sensible Bankdaten – wie etwa die PIN seines Kontos – ein, muss er im Missbrauchsfall voll haften.

Kunden, die am liebsten ganz anonym bleiben möchten, können auf Prepaid-Karten zurückgreifen. Diese sind in Geschäften und an Automaten erhältlich. Zum Bezahlen werden lediglich die Kennzahl der Karte und eine PIN benötigt, dann wird der Betrag vom Guthaben der Karte abgebucht. Eine weitere Möglichkeit ist die Bezahlung übers Handy beziehungsweise per SMS, die vor allem bei kleineren Beträgen genutzt wird. Hier sollte man sich vorab unbedingt und sehr genau die AGB des Anbieters ansehen: Einige Dienste verleiten den Kunden dazu, ein ganzes Abo zu buchen, anstatt eine vermeintliche Einmalzahlung zu leisten.
Für welches Verfahren man sich auch entscheidet – wichtig ist, dass der eigene Computer sicher ist: “Der Rechner muss frei von Schadsoftware sein”, betont TÜV Rheinland-Experte Michael Sax: “Die Anbieter können die Sicherheit der Transaktion immer nur auf ihrer Seite gewährleisten. Dafür, dass auch auf Seiten des Benutzers alles gesichert ist, trägt der Kunde selbst die Verantwortung.”

Dienstag, 10. August 2010, von Elmar Leimgruber

Arbeiterkammer fordert 1300 Euro Mindestlohn

Die oberösterreichische Arbeiterkammer (AK) fordert einen kollektivvertraglich geregelten Mindestlohn von 1.300 Euro, um die Massenkaufkraft zu stärken, denn “in Österreich sind 247.000 Menschen armutsgefährdet, obwohl sie arbeiten”. Mit Mindestlöhnen werde Armut verhindert, die Einkommenskluft zwischen Männern und Frauen verringert und die private Nachfrage angekurbelt, sagen die Befürworter. Höhere Mindestlöhne wirkten zudem durch die Stärkung der Massenkaufkraft sogar beschäftigungsfördernd, verspricht die AK.

Die Behauptung der Gegner, dass Mindestlöhne negative Beschäftigungseffekte haben und der Niedriglohnsektor ein Sprungbrett in höher entlohnte Beschäftigung bedeute, sei mittlerweile durch mehrere Studien widerlegt. Trotzdem wurde die Senkung der Mindestlöhne in einigen Ländern als gezieltes Instrument zur Bekämpfung der Krise gefordert. “Tatsächlich sind aber jene Länder, die 2009 die Mindestlöhne angehoben haben, teilweise besser über die Krise hinweggekommen, als jene, die auf der Bremse standen”, argumentiert AK-Präsident Johann Kalliauer. Die Erhöhung des Mindestlohns auf 1.300 Euro sei daher “nicht nur verteilungspolitisch gerecht, sondern auch wirtschaftspolitisch sinnvoll”.

Mindestlöhne seien zudem die einfachste Variante, Arbeitnehmern/-innen ein ausreichendes Einkommen zu ermöglichen. Bei Kombilohnmodellen hingegen bestünde die Gefahr, dass Arbeitgeber/-innen Kosten auf die öffentliche Hand abwälzen. “Damit wird die verteilungspolitische Auseinandersetzung von der betrieblichen Ebene hin zum Wohlfahrtsstaat verlagert. Die Betriebe versuchen, sich aus ihrer Verantwortung für Einkommensgerechtigkeit zu stehlen”, kritisiert Kalliauer. Damit zudem auch Personen mit prekären Beschäftigungsverhältnissen profitieren können, müssten auch die Rahmenbedingungen der Mindestlohnbestimmungen verbessert werden. Es sei höchste Zeit, den Arbeitnehmerbegriff an die aktuellen Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt anzupassen. “Verstärken könnte man die Wirkung von Mindestlöhnen im Hinblick auf eine gerechtere Einkommensverteilung durch mehr Einkommenstransparenz”, so Kalliauer.

Dienstag, 27. Juli 2010, von Elmar Leimgruber

Loveparade: Deutscher Journalisten Verband fordert Sachlichkeit

Katastrophen wie jene in bei der Loveparade in Duisburg verleiten aus Schock, Trauer, Entsetzen und Ärger zuweilen auch Journalisten dazu, vorschnell “Schuldige” zu suchen, zu finden und zu vorverurteilen, was der Trauerbewältigung nicht hilft, aber nicht wieder gutzumachenden Schaden bewirken kann. Darauf weist der Deutsche Journalisten Verband (DJV) hin; die Stellungnahme im Wortlaut:

Auch wenn der überwiegende Teil der Medien nach Überzeugung des Deutschen Journalisten-Verbands angemessen über die Loveparade-Katastrophe berichtet hat: Den Deutschen Journalisten-Verband und den Deutschen Presserat haben dennoch zahlreiche Beschwerden erreicht. Diese betreffen vor allem eine große deutsche Boulevardzeitung und deren Onlineauftritt.

Die stellvertretende DJV-Bundesvorsitzende Ulrike Kaiser appellierte in dem Zusammenhang: “Die Informations- und Chronistenpflicht gilt auch für Boulevardzeitungen. Es gibt publizistische Grundsätze, die eingehalten werden müssen. Dazu zählt, dass die Presse auf eine unangemessen sensationelle Darstellung von Gewalt, Brutalität und Leid verzichtet.” Wer diesen Grundsatz missachte, beschädige die Glaubwürdigkeit der Medien nachhaltig. “Gerade bei derart tragischen Ereignissen müssen Medien ihrer besonderen Verantwortung nachkommen”, so Kaiser: “Es ist pietätlos gegenüber Opfern und Angehörigen, gezielt die Sensationslust zu bedienen.”

Donnerstag, 11. März 2010, von Elmar Leimgruber

Jeder zweite 11-19-Jährige Südtiroler trinkt Alkohol

Jeder sechste Südtiroler (16 Prozent) zwischen 11 und 13 Jahren hat bereits Alkohol konsumiert, in der Altersspanne zwischen 11 und 19 Jahren sind es mit 49,6 Prozent knapp die Hälfte. Dies geht aus einer Mehrzweckerhebung der Haushalte 2009 des Italienischen Statistikamtes (ISTAT) hervor. Die Ergebnisse, auf Südtirol bezogen, hat nun das Südtiroler Statistikamt (ASTAT) bekanntgegeben.

Demnach sind die 20-29-Jährigen Spitzenreiter beim Alkoholkonsum (45,2 Prozent) , gefolgt von den 30-39-Jährigen mit 20 Prozent und von den den 11-19-Jährigen mit 15,8 Prozent. Ein Fünftel/Sechstel (17,2 Prozent) aller Südtiroler trinkt an einem einzigen Abend mehr als sechs Gläser alkoholische Getränke, wobei vor allem Männer auch zu Alkohol ausserhalb der Mahlzeiten greifen.

2,0% der Befragten geben an, täglich Wein oder andere alkoholische Getränke außerhalb der Mahlzeiten zu trinken. 10,1% tun dies ein paar Mal in der Woche, 38,3% seltener und 49,6% nie. Männer konsumieren häufiger als Frauen alkoholische Getränke außerhalb der Mahlzeiten: Laut ASTAT trinken 61 Prozent der Südtiroler Frauen nie bzw. 33,4 Prozent selten Alkohol, während diese Zahlen bei den Männern bei 37,8 Prozent (nie) und bei 43,4 Prozent (selten) liegen. Täglich zum Glas greifen laut dieser Statistik 0,1 Prozent der Südtiroler Frauen und 3,9 Prozent der Männer.

Was mich hier gewaltig stört: und dies sollte vor allem Politikern und Eltern zu denken geben: Wie kommen bereits 11-13-Jährige zu Alkoholkonsum?

Verbote bringen meines Erachtens -gerade in diesem Alter- wenig bis nichts. Hier ist das Vorbild der Erwachsenen gefragt: Es darf nicht der Eindruck erweckt werden, dass es ein Zeichen von Erwachsensein und Reife ist, Alkohol zu trinken und erst recht nicht, dass Alkohol in oder cool wäre oder gar Probleme lösen könnte.

Auch in Südtirol ist das Betrunkensein gesellschaftsfähig und wird meistens toleriert, sogar, wenn es sich bei den Betroffenen offensichtlich um Alkoholkranke oder gar um Kinder handelt. Da muss sich einfach was ändern: Nicht durch persönliche Verbote, sondern durch authentische Vorbilder und überzeugende Argumente: Alkoholismus ist eine schwere unheilbare Krankheit, die lebenslang bleibt, was vielen offenbar nicht bewusst ist. Und da tragen wir Erwachsene eben eine grosse Verantwortung Kindern und Jugendlichen gegenüber.

Auch, wenn Alkohol -mässig genossen- grundsätzlich nicht schädlich ist: Alles mit Mass und Ziel und keinesfalls zu früh und und viel und zu oft.

Donnerstag, 21. Januar 2010, von Elmar Leimgruber

Welche moralische Autorität hat ein Staat, der seinen Menschen die medizinische Grundversorgung verwehrt?

Innerhalb der EU ist medizinische Grundversorgung selbstverständlich
Foto: aok.de

Wenn ein Staat im so genannten Osten oder Süden (von Europa aus betrachtet) seinen Menschen nicht elementarste Werte, wie die einer medizinischen Grundversorgung zuerkennt, dann betrachten wir ihn -wie ich finde zu Recht- als zumindest rückständig.

Die USA hingegen, die seit Jahrzehnten für sich in Anspruch nehmen, sowohl Weltrichter als auch moralische Instanz für die Welt zu sein, verweigern ihren Menschen genau diese Werte: Nur wer in den USA das nötige Geld hat, hat bislang auch einen Anspruch auf medizinische Grundversorgung, entweder über teure Privatversicherungen oder im Krankheitsfall durch direkte Bezahlung der anfallenden Kosten. Arme Menschen hingegen können es sich im wahrsten Sinne des Wortes aus finanziellen Gründen nicht “leisten” krank zu werden, weil es die staatliche Krankenversicherung, die in Europa glücklicherweise üblich ist, dort nicht gibt.

Und US-Präsident Barack Obama will dies -vollkommen zu Recht- ändern: Er will ein neues Gesetz, das nicht nur den Reichen, sondern allen Menschen in den USA eine medizinische Grundversorgung ermöglicht. Und siehe da: Das Selbstverständlichste vom Selbstverständlichen klappt nicht: Seine politischen Gegner, die Republikaner laufen seit Monaten Sturm gegen diese Pläne Obamas, und sein edles Ziel scheint zum Scheitern verurteilt.

Was steckt dahinter? Auch unter den Republikanern gibt es sicher nicht nur Reiche, sondern auch Arme: Warum verweigert man Menschen, die sowieso täglich um das Überleben kämpfen müssen, eine medizinische Grundversorgung? Entscheidet man hier über die Köpfe des Volkes hinweg? Ist es einfach eine Zweiklassen-Neidgesellschaft, dass man das, was man sich selbst leisten kann, anderen nicht auch gönnen will?

Ich verstehe diese Haltung der Republikaner in den USA genauso wenig wie ihren Standpunkt zum Thema Todesstrafe: Wer gibt einem Menschen das Recht, über das Leben eines anderen Menschen zu entscheiden? Beides hat auch mit dem Christentum nichts zu tun, auf das sie sich so gerne berufen: Im Gegenteil: Im Christentum gelten Werte wie Menschenwürde, Solidarität, Vergebung…

Was sind das bloss für Politiker, die sich sonst immer für ach so wertekonservativ geben, aber wo Solidarität gefragt ist, kneifen und alles nur egoistisch für sich selbst haben wollen?

Ich befürchte, dass es auch hier eigentlich nicht um das Thema Gesundheit geht, sondern dass es sich “nur” um ein politisches Problem handelt: dass die Republikaner einfach alles dransetzen, um den erfolgreichen neuen und anderen amerikanischen Weg von Barack Obama einzubremsen, ihn zu hindern, Reformen umzusetzen, und um die eigenen Anhänger zu mobilisieren, bei den nächsten Wahlen wieder republikanisch zu wählen. Es geht also leider wohl wieder und immer nur um Macht und nicht um das, worum es den politischen Verantwortlichen eigentlich gehen sollte und zwar weltweit: Um den Schutz der Menschenwürde für alle Menschen, um möglichst gute und gerechte Lebensbedingungen für alle Menschen, um die Solidarität aller Menschen miteinander und untereinander, um den weltweiten Frieden unter allen Menschen, um die Bewahrung der Schöpfung. Ja dann ginge es uns allen, der ganzen Menschheit, gut.

Dienstag, 19. Januar 2010, von Elmar Leimgruber

Was macht einen Terroristen aus?

Wodurch begeht man eine terroristische Straftat? Ist jede gesetzlich strafbare Handlung (z.B. eine Besetzung) oder auch eine Demonstration vielleicht automatisch potentiell schon eine terroristische Aktion?

Ist es erst dann ein terroristischer Akt, wenn man eine vorher definierte terroristische Tat tatsächlich auch selbst durchführt? Wie ist es, wenn man sie finanziert? Ist es bereits Terrorismus, wenn man öffentlich darüber nachdenkt, dass und/oder wie eine solche Tat zu begehen wäre? Und vor allem: Ist man bereits ein Terrorist, wenn man medial dafür mobilisiert oder auch nur damit sympathisiert oder wenn man sachlich korrekt darüber berichtet?

Vergangenen Freitag endete die Begutachtungsfrist zum so genannten österreichischen Terrorismuspräventionsgesetz 2010. Die Novelle sieht vor, künftig auch die Aufforderung zu terroristischen Straftaten sowie deren “Gutheißung” unter Strafe zu stellen. Daher meine obigen Fragen dazu.

Österreichs Spezialeinheit COBRA
Foto: BMI

Der Österreichische Rechtsanwaltskammertag (ÖRAK) tritt in einer Aussendung vor allem der beabsichtigten Erweiterung des Katalogs terroristischer Straftaten entschieden entgegen. “Bedenklich stimmt, dass abermals rechtsstaatliche Grundsätze unter dem Vorwand der Terrorismusbekämpfung über Bord geworfen werden”, kritisiert ÖRAK-Präsident Dr. Gerhard Benn-Ibler:

Vor allem der Tatbestand der “Gutheißung” öffne potenziellem Missbrauch Tür und Tor. Laut Entwuf ist künftig der zu bestrafen, der eine terroristische Straftat in einer Art gutheißt, die geeignet ist, das allgemeine Rechtsempfinden zu empören oder zur Begehung einer solchen Handlung aufzurufen. “Diese Strafbestimmung ist geeignet, eine offene Diskussion der Erscheinungen des Terrorismus zu erschweren”, erklärt Benn-Ibler, “und stellt daher einen Angriff auf die Meinungsfreiheit in Österreich dar”.

Es bestehe dann die Gefahr einer Pönalisierung von Auseinandersetzungen über historische, wirtschaftliche oder kulturelle Ursachen von Terroranschlägen. “Die Pönalisierung des so genannten Gutheißens terroristischer Straftaten, so verwerflich diese auch sind, schafft jedenfalls eine Gefahr, die ihre denkbaren Vorteile überwiegt”, ist Benn-Ibler besorgt über die weitreichenden Folgen. Der vorliegende Entwurf findet daher nicht die Zustimmung der Rechtsanwaltschaft.

Auch der Österreichische Journalisten Club (ÖJC) brachte bei der Parlamentsdirektion und im Justizministerium eine Stellungnahme zur geplanten Gesetzesnovelle ein:

Er begrüßt zwar grundsätzlich den Willen des Gesetzgebers, die Vorbereitung einer terroristischen Handlung unter Strafe zu stellen. “Aus der Sicht der Journalisten bringen aber die angedachten Gesetzesänderungen einige Probleme mit sich. Besonders der § 278f „Anleitung zur Begehung einer terroristischen Straftat“ bringt eine dramatische Einengung der Berichtsmöglichkeit für Medienmitarbeiter und gleicht einer Zensurmaßnahme.” Diese Bestimmungen machten es Journalisten nahezu unmöglich, über Missstände zu berichten.

Aufgabe des investigativen Journalismus sei aber die Aufdeckung von Missständen, wozu zum Beispiel auch “die schlampige Handhabung von Sicherheitsmaßnahmen auf einem Flughafen” gehöre. Diese Aufdeckungen hätten in der vergangenen Zeit dafür gesorgt, “dass Schwachstellen aufgrund dieser Berichte dann tatsächlich verbessert wurden und in Folge dessen vielleicht sogar zur Verhinderung eines terroristischen Anschlags beigetragen haben”.

Die COBRA im Einsatztraining
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Für den ÖJC ist dieser Paragraf im Zusammenspiel mit der geplanten Verschärfung des Medienrechtes “ein weiterer Versuch, die Arbeit des Journalisten zu kriminalisieren. Journalistische Berichterstattung über gefährliche Missstände im Sicherheitswesen können mit den Tatverdacht des nicht sachlich definierbaren Begriffs „Aufreizung“ zu einer Verurteilung eines Journalisten führen”, kritisiert der ÖJC. Fachmedien, die sich mit dem Sicherheitsthemen beschäftigen wäre zudem die Existenzgrundlage entzogen, wenn nicht anhand konkreter Tatsachen über Schwachpunkte von Sicherheitseinrichtungen berichtet werden darf.

Der Journalistenclub fordert daher “die ersatzlose Streichung des Paragrafen 278f StGB, da er einerseits die Pressefreiheit drastisch einschränkt und andererseits keine Straftat und deren Vorbereitung oder aber auch die Verleitung dazu verhindern wird können”.

Ich habe zu Beginn dieses Artikel bereits einige Fragen gestellt, die meines Erachtens vor der Verabschiedung eines Gesetzes beantwortet werden müssten und die, wenn es schon zu einer Gesetzesverschärfung kommt, auf jedem Fall auch im Gesetzestext klar genannt und geregelt sein sollten. Denn es kann nicht sein, sondern stellte wohl auch eine Überforderung dar, würde man von jedem Richter erwarten, selbst von Fall zu Fall entscheiden zu müssen, was Terror ist.

Tatsächlich terroristische Handlungen (z.B. Anschläge, Morde, bewafftete Gruppenbildungen, Überfälle…) medial zu bewerben oder gutzuheissen wäre meines Erachtens vollkommen unverantwortlich. Und im Zusammenhang mit dem sogenannten investigativen Journalismus erwarte ich mir schon auch mehr Verantwortungsbewusstsein anstelle von billiger Sensationslust von Seiten mancher Medien, gerade was “Sicherheitslücken” betrifft. Um das mit einem Beispiel zu belegen: Wenn ich als wichtiges Magazin darüber berichte, dass es erstaunlich ist, dass die hochprominente Familie XY nicht nur keine Leibwächter hat, sonderen deren Haus nicht einmal alarmanlagengeschützt ist, dann wird die betroffene Familie zwar wohl rasch für Sicherheitsmassnahmen sorgen (reicht es nicht, wenn ich die Betroffenen auf ihre Sicherheitslücken aufmerksam mache? Muss ich darüber berichten?), aber vielleicht kommen diese zu spät, weil meine Story sofort Verbrecher anlockt…

Andererseits: Nur sachlich korrekt darüber zu berichten, was geschieht, bedeutet keinesfalls eine Aufforderung oder Gutheissung dessen.

Zusammengefasst: Es muss im Interesse aller (auch aller Medien) liegen, echten Terrorismus (und zuvor muss definitiv abgeklärt werden, was da alles dazugehört) zu bekämpfen, und dem weder eine Plattform noch Werbemöglichkeiten zu bieten und ihn erst recht nicht gutzuheissen. Eine objektive und sachliche mediale Berichterstattung ist ja auch niemals eine Terrorismusförderung oder gar -gutheissung.

Die Bevölkerung hat das Recht auf unzensorierte Informationen. Die freie Meinungsäusserung und die Pressefreiheit sind Grundwerte einer demokratischen Gesellschaft und dürfen also niemals zugunsten des sogenannten “Kampfes gegen den Terror” geopfert werden. Und daher sind auch gesetzliche Versuche einer Internetzensur (wie aktuell beispielsweise im angeblich liberalen Frankreich) strikt abzulehnen.

Jeder aber, der publizistisch oder anderweitig (z.B. als Unterrichtender) an der öffentlichen Meinungsbildung mitwirkt, trägt eine überaus grosse Verantwortung, nicht nur für sich, sondern mit für all jene, die er erreicht und mitprägt. Dieser Verantwortung muss man sich -auch als Journalist- bewusst sein und gewissenhaft zugunsten des Allgemeinwohls (=das Wohl aller) handeln.