Mit ‘Das Gute’ getaggte Artikel

Montag, 23. August 2010, von Elmar Leimgruber

Schock-Regisseur Christoph Schlingensief verstorben

Christoph Schlingensief bei der Berlinale 2009
Foto: Siebbi (Wikimedia Commons)

“Das Wesentliche ist die Verwandlung. Das Sterben. Und die Angst vor dieser letzten Verwandlung ist allgemein, auf die kann man sich verlassen, auf die kann man bauen”: Christoph Schlingensief 2009 in seinem “Fluxus-Oratorium”: “Eine Kirche der Angst vor dem Fremden in mir”.

Der erst 49-jährige deutsche Regisseur, der durch seine provokanten Aktionen und Regieführungen umstritten war, ist am 21. August 2010 verstorben.

Manche Kritiker werfen ihm vor, einfach schockiert zu haben, um aufzufallen, dass es ihm aber nicht um den Idealismus gegangen sei, wieder andere sehen ihn hingegen als vorbildlichen Weltverbesserer.

Die Wahrheit wird wohl auch in diesem Fall dazwischenliegen:

Kunst muss provozieren – Keine Frage.

Im Rahmen der Wiener Festwochen installierte der Künstler den “Ausländer Raus! Schlingensiefs Container” vor der Wiener Staatsoper, der als Vorbild die Fernseh-Show “Big Brother” hatte und in dem sich Asylsuchende befanden. Durch Abstimmungen konnte das Publikum entscheiden, welcher Teilnehmer den Container und das Land verlassen musste.

Ich mag diesbezüglich vielleicht zu sensibel sein, aber diese Aktion Schlingensiefs ging mir eindeutig zu weit: Durch Mega-Überzeichnung von manchem Gedankengut schärft man nämlich nicht selbstverständlich den Blick für das Wahre und die eigene Wirklichkeit, sondern schafft man möglicherweise geradezu eine Massenstimmung, die dem, was man eigentlich mit dieser Aktion erreichen will, entgegengesetzt ist. Hier trägt man als Künstler einfach Verantwortung für das, was man vermittelt und wie man provoziert (siehe dazu auch meinen noch sehr bissigen Kommentar vom Dezember letzten Jahres).

Die vor einigen Jahren diagnostizierte schwere Krebserkrankung Christoph Schlingensiefs aber hat nach meiner Beobachtung -in dem streitbaren Regisseur, der in seinen früheren TV-Talks zuweilen wirkte, wie wenn er von Sinnen wäre -eine “Besinnung auf das Wesentliche”, auf die Kostbarkeit der des Augenblicks und der Kürze der Lebenszeit ausgelöst: Im Gegensatz zu den meisten von schwerem Krebs (in seinem Fall Lungenkrebs) Betroffenen, die sich aus der Welt zurückziehen und sich innerlich aufgeben, ging Schlingensief gleich mehrmals in die Offensive: in seinen Werken und in seinem bewussten und aktiven Auftreten in der Öffentlichkeit: er wurde ein ehrlich rastlos Suchender.

Das zeugt von einer starken Persönlichkeit und von aktivem Überlebenwillen: das ist zutiefst beeindruckend und sein Umgang mit Krankheit und Tod könnte für viele andere Menschen, die ebenfalls eine unheilbare Krankheit diagnostiziert bekommen, hilfreich sein: “Ich habe immer entschieden: Die Leidenden. Der Aktive mag Unendliches für die Welt erreichen. Aber der Leidende, der gar nichts tun kann, erfüllt durch sein Leiden die Welt mit christlicher Substanz”.

Christoph Schlingensief war bei aller Kritik, die jeder grosse Künstler in Laufe seines Lebens wohl auch verdientermassen ernten musste, zweifelsohne ein Grosser, der kaum jemenden,d er sich für Kultur interessiert, kalt liess. Und unter anderem legte er den Grundstein für das Remdoogo Festspielhaus Afrika (oft auch Operndorf Afrika genannt) im westafrikanischen Ouagadougou (Burkina Faso).

Und wenn er in seinem Oratorium weiter schreibt: “Ich hab immer das Gute, die Totale gesucht. Ich habe es gut gemeint. Ich habe das Gute gesucht und ich habe es nicht böse gemeint,” dann glaube ich ihm dies. Und dann möge es auch so sein, wie immer es auch auf seine Kritiker gewirkt haben mag. Es möge das tatsächlich Gute, das er gewirkt hat, auch reiche Frucht bringen: Und möge nun alle Antworten auf seine brennenden Lebensfragen und das Totale und Gute gefunden haben und versöhnt und erlöst sein. Oder aber wir sehen es mit seinen eigenen Worten:

“Wir gedenken des zukünftig Verstorbenen, der vieles leisten wollte, kaum dass er schon wieder weg war. Ein Mensch, wie wir, wie du, wie ich, wie alle – und damit auch besonders. Er war der, der er war, mehr nicht, aber immerhin, wer kann das schon von sich sagen. Viele sind tot, viele sind untot, uns hat man jedenfalls noch nicht beerdigt. Halleluja!”

Und hier gibts Werke (Bücher, Filme, Hörbücher…) von Christoph Schlingensief zum Nachlesen, Nachsehen und Nachhören.

Samstag, 16. Januar 2010, von Elmar Leimgruber

Über das Monster Mensch

Thomas Müller:
“Bestie Mensch”

In jedem Menschen steckt auch ein Monster: “Derjenige, der noch nie daran gedacht hat, einen anderen umzubringen, der ist mir suspekt”. Damit schockte der prominente Kriminalpsychologe Thomas Müller bereits 2004 in einem Interview mit dem “Falter” anlässlich der Präsentation seines ersten Bestsellers “Bestie Mensch”.

In jedem Mensch steckt ein Sadist, ein Diktator, ein blinder Mitläufer. Dies behauptet nun auch das Wissenschaftsmagazin P.M. in seiner aktuellen Ausgabe. Den Beweis lieferten sogenannte “Monsterstudien”, in denen Psychologen in ausgeklügelten Versuchen die verborgenen Abgründe der menschlichen Natur aufdeckten.

Ihren Höhepunkt fanden laut P.M. die Psychoversuche mit dem Stanford-Prison-Experiment im Jahr 1971 (das übrigens 30 Jahre später verfilmt wurde). Kalifornische Psychologen wollten das Denken und Fühlen von Inhaftierten und ihren Aufsehern ergründen. Es wurden 24 männliche Studenten als Versuchspersonen aus mehr als 70 Bewerbern ausgewählt. Mit heimlichem Münzwurf wurde entschieden, wer Gefangener wurde, wer Wärter. Wen das schlechtere Los traf, wurde ohne Ankündigung verhaftet und in ein extra aufgebautes Gefängnis im Keller des Psychologischen Instituts der Stanford University gesperrt. Statt ihres Namens trugen sie nur noch eine Nummer. Jeden Morgen mussten sie zum Appell aus ihren kleinen Zellen treten.

Jedes Detail stimmte, sogar die Uniformen der Wärter und die Häftlingskleidung. Was dann geschah, schockierte alle. Aus dem Experiment wurde Wirklichkeit. Die Aufseher begannen laut P.M. die zunehmend verängstigten Gefangenen zu quälen, schlugen sie, erniedrigten sie sexuell, ließen sie auf dem nackten Betonboden schlafen. Aus braven Studenten wurden brutale Menschenquäler, weswegen dieses psychologische Experiment auch vorzeitig abgebrochen werden musste.

Ähnlich schaurige Ergebnisse wie die von Stanford Prison brachten auch die Untersuchungen von Stanley Milgram (aus dem Jahr 1974): Als er Freiwillige darum ersuchte, hatten diese keine Bedenken, -und dies ohne äusseren Zwang- andere Menschen auch mit (vermeintlichen) Stromschlägen zu töten. Wie das Journal “American Psychologist” berichtete, hat ein US-Psychologe diesen Milgram-Test übrigens im Jahr 2008 mit Freiwilligen wiederholt und es wurde ihnen vorher mitgeteilt, dass sie jederzeit aussteigen könnten. Auch hier ignorierten zwei Drittel der Testpersonen die Schreie und das Flehen der “Gequälten” und verabreichten ihren Opfern vermeintlich tödliche Stromschläge .

Im Zusammenhang mit dem Skandal um die Folterung und Demütigung irakischer Häftlinge im US-Gefängnis Abu Ghureib war zunächst auch nur von wenigen schwarzen Schaden die Rede. Laut dem Fachmagazin “Science” kommen Sozialpsychologen der Princeton University nach Auswertung von insgesamt 25.000 psychologischen Studien, die acht Millionen Fälle dokumentieren, zum eindeutigen Schluss: Eine strenge Hierarchie und die Duldung durch Vorgesetzte schalte wichtige Kontrollmechanismen in der Psyche aus und dadurch könnten auch sonst “normale” Menschen rasch zu Sadisten und Menschenquälern werden.

Nun, das sind beunruhigend und beängstigende Ergebnisse: Und meine Meinung dazu?

Im Grunde ist der Mensch an sich auf das Gute ausgerichtet und strebt von Natur aus auf das Gute hin. Dennoch gibt es jedem Menschen auch böse Seiten. Und es liegt in der Freiheit des Menschen, sich -auch in Extremsituationen- aktiv und bewusst gegen die Versuchung des Bösen und für das Gute zu entscheiden. Natürlich weiss niemand, wie er sich in gewissen Situationen mit Sicherheit verhalten würde. Aber ich hoffe darauf, dass ich stark genug wäre.

Und was denken Sie darüber? Schreiben Sie mir Ihre Meinung.