Mit ‘Reporter ohne Grenzen (ROG)’ getaggte Artikel

Donnerstag, 21. April 2011, von Elmar Leimgruber

Türkei: ROG kritisiert Verhaftung von Journalisten

Das Menschenrecht auf Presse- und Meinungsfreiheit wird in der Türkei nach wie vor massiv unterdrückt. Darauf wiesen am gestrigen Mittwoch Reporter ohne Grenzen (ROG) und die Türkische Journalistenvereinigung (TGC) bei einer gemeinsamen Pressekonferenz in Istanbul hin. Die Lage der Medienfreiheit in der Türkei sei besorgniserregend: Investigativ arbeitende Journalisten riskierten, festgenommen, körperlich angegriffen oder bedroht zu werden. ROG-Generalsekretär Jean-François Julliard forderte die türkische Regierung unter Premierminister Recep Tayyip Erdogan auf, den Schutz der Pressefreiheit zu einer „nationalen Priorität“ zu machen.

Auf Kritik von ROG stößt seit mehreren Jahren vor allem die missbräuchliche Anwendung strafrechtlicher Regelungen zur Beschneidung der Presse- und Meinungsfreiheit. Das Anti-Terror-Gesetz Nummer 3713 gehört demnach zu den problematischsten rechtlichen Regelungen in der Türkei. ROG plädiert für eine Überarbeitung des Gesetzes. Journalisten, die nur ihre Arbeit machen würden, dürften nicht mehr auf Grundlage dieser Bestimmungen zu Gefängnis- oder Geldstrafen verurteilt werden. So würden Journalisten beispielsweise wegen „Propaganda für eine terroristische Organisation“ angeklagt und vor Sondergerichten für organisierte Kriminalität gestellt. Solche Artikel müssten aus Sicht von ROG dringend aufgehoben werden.

ROG fordert die türkischen Behörden außerdem auf, Journalisten, die nur aufgrund ihrer beruflichen Aktivität verhaftet wurden, sofort freizulassen. Türkische Pressevertreter und Autoren bräuchten angesichts zahlreicher Tabu-Themen viel Mut, um ihren Beruf auszuüben.

Die Veranstaltung bildete den Abschluss einer mehrtägigen Recherchereise von ROG-Vertretern in die Türkei mit dem Ziel, die Welle der jüngsten Verhaftungen von Journalisten zu untersuchen und eine Bestandaufnahme der Situation der Pressefreiheit vorzunehmen. Während des Besuchs in Istanbul vom 13. bis 19. April trafen die zwei ROG-Vertreter mit Journalisten, Medienanwälten, Vertretern von Berufsverbänden, mit Familienangehörigen verfolgter Medienschaffender und mit Vertretern der Zivilgesellschaft zusammen. An der gestrigen Pressekonferenz nahmen neben dem ROG-Generalsekretär auch TGC-Generalsekretärin Sibel Günes sowie ein Vertreter der Freunde der inhaftierten Journalisten Ahmet Sik und Nedim Sener teil.

Montag, 4. April 2011, von Elmar Leimgruber

ROG: China verstärkt Internetzensur

Reporter ohne Grenzen (ROG) kritisiert die zunehmende Internetzensur und verstärkten Repressionen gegen Blogger in China. Insbesondere seit den Erhebungen in arabischen Ländern hat die staatliche Online-Überwachung deutlich zugenommen. Internetnutzer, die Aufrufe zu Demonstrationen nach dem Vorbild der „Jasmin-Revolution“ verbreitet haben, wurden festgenommen. Gleichzeitig beobachtet ROG ein wachsendes Ausmaß von Störungen und Sperrungen von Websites in China.

Das deutsche Netzwerk Xing meldete laut ROG die Blockade und Störungen der Internet-Plattform in China. Xing schließt mittlerweile technische Gründe für die Sperrung und eingeschränkte Erreichbarkeit aus. ROG fordert die sofortige Freischaltung des Dienstes. „Die Störungen passen in das Bild einer seit einigen Monaten währenden dramatischen systematischen Filterpolitik in der Volksrepublik. Die Regierung versucht derzeit mit allen Mitteln, kritische Debatten im Netz zu unterdrücken“, so ROG-Geschäftsführer Christian Rickerts. Mehr denn je verdiene die chinesische Regierung heute den Titel „Feind des Internets“.

Nach Angaben eines Vertreters von Xing bestehen die Blockade und Störungen des Netzwerkes in China seit ungefähr zehn Tagen. Während das Portal in Hong Kong derzeit noch erreichbar sei, funktioniere der Dienst in Shanghai nur sehr eingeschränkt und in Peking sowie in übrigen Teilen des Landes gar nicht mehr, so das Unternehmen. Das Netzwerk, das in China nach eigenen Angaben rund 500.000 Mitglieder hat, geht nach umfassenden technischen Prüfungen davon aus, dass staatliche Filtermaßnahmen die Ursache für die Störung sind.

Erst am 21. März hatte das Internetunternehmen Google die chinesischen Behörden beschuldigt, für Probleme mit dem E-Mail-Dienst Gmail verantwortlich zu sein. Chinesische Nutzer dieses Dienstes berichteten, seit Ende Februar Schwierigkeiten beim Zugriff auf die Gmail-Website und beim Versand von Nachrichten zu haben. Google vermeldete zudem Störungen seines „Instant Messaging Service“.

Diese zensorischen Eingriffe kommen in einer Zeit, in der die chinesischen Behörden versuchen, Demonstrationsaufrufe zu unterbinden. Seit den Erhebungen in Tunesien und Ägypten haben Internetnutzer zahlreiche Appelle zu Protesten über das Internet verbreitet. Die Behörden reagierten mit Filterungen nach Schlüsselwörtern wie „Jasmin“, „Ägypten“ und „Tunesien“. Seit einigen Wochen werden zudem vermehrt Internet-Aktivisten festgenommen. „Die Behörden sind entschlossen, jeden ins Gefängnis zu bringen, der die Revolutionen in der arabischen Welt unterstützt oder Aufrufe für ähnliche Erhebungen in China veröffentlicht“, so ROG.

ROG kritisiert darüber hinaus die andauernde Verfolgung von Unterstützern des inhaftierten Friedensnobelpreisträgers Liu Xiaobo und Unterzeichnern des Reformmanifests „Charta 08“. Das Dokument ist eine von chinesischen Intellektuellen und Menschenrechtsaktivisten initiierte und im Internet veröffentlichte Petition für demokratische Reformen in China. Scharf verurteilte ROG im März den Richterspruch gegen Liu Xianbin, der sich in Online-Artikeln für demokratische Reformen in seinem Land einsetzte: Ein Gericht verurteilte den Bürgerrechtler wegen „Anstiftung zum Umsturz der Staatsgewalt“ zu zehn Jahren Haft. ROG fordert die Freilassung von Liu und eine Revision des unfairen Gerichtsverfahrens.

Mittwoch, 2. März 2011, von Elmar Leimgruber

ROG: Organisiertes Verbrechen bedroht Journalismus

Foto: Reporter ohne Grenzen

Foto: Reporter ohne Grenzen

Das Organisierte Verbrechen ist auf dem Vormarsch und zwar auch Journalisten und Medien gegenüber. Wie Reporter ohne Grenzen (ROG) berichtet, sind weltweit zwischen den Jahren 2000 und 2010 insgesamt 141 Journalisten ermordet worden, die sich in ihrer Arbeit mit dem Einfluss und den Machenschaften krimineller Gruppen beschäftigt haben. Durch die Gewalt krimineller Gruppen kommen demnach mehr Journalisten ums Leben als durch die Gewalt diktatorischer Regimes, heißt es in dem zehnseitigen Bericht. Diese Entwicklung zeichne sich seit Ende des Kalten Krieges ab.

Die höchste Zahl an Todesopfern unter Journalisten durch kriminelle Gewalt zählt ROG in Mexiko und auf den Philippinen. 69 Journalisten, die seit dem Jahr 2000 in Mexiko ermordet wurden, gehen auf das Konto der Drogenkartelle. Elf Reporter werden in dem mittelamerikanischen Land seit 2003 vermisst. Dieser Trend zeichnet sich auf den Philippinen schon seit den 80er Jahren ab: In dem südostasiatischen Land ist die Organisierte Kriminalität für die Mehrheit der 142 ermordeten Journalisten seit 1986 – das Jahr des Falls des Diktators Ferdinand Marcos – direkt oder indirekt verantwortlich.

Mafia, Kartelle sowie Warlords, Paramilitärs und separatistische Gruppen, die illegalen Handel und Geschäfte betreiben, um sich selbst zu finanzieren, „ haben die verbliebenen diktatorischen Regimes als größte Quelle physischer Gefahren abgelöst“, schreibt ROG in dem Bericht.

Organisierte Kriminalität ist nicht nur die größte körperliche Bedrohung für Medienvertreter. Zugleich stellen die häufig undurchsichtigen kriminellen Strukturen auch höchste Anforderungen an Berichterstatter. Globalisierte Kriminalität stellt mittlerweile eine komplexe ökonomische und geopolitische Realität dar, die sich unter anderem aus globalen ökonomischen Netzwerken, Geldwäsche und Steuerparadiesen zusammensetzt. „Es ist eine mächtige Parallelwirtschaft mit enormen Einfluss über die legale Wirtschaft – eine, über die es für Medien höchst schwierig ist, zu berichten“, so ROG in seiner jüngsten Publikation.

Aufgrund des hohen Rechercheaufwands und der mit der Berichterstattung verbundenen Gefahren beschäftigen sich viele Journalisten nur oberflächlich mit dem Phänomen der Organisierten Kriminalität. Tiefer gehende Berichte erscheinen in einigen Ländern erst, wenn ein krimineller Skandal auffliegt und die Polizei tätig geworden ist oder Chefs krimineller Banden gefasst worden sind.

Unter ständiger Bedrohung und mit unzureichenden Ressourcen ausgestattet, beschränken sich viele Medien darauf, gegenseitige Vorwürfe krimineller Organisationen zu veröffentlichen oder offizielle Quellen zu zitieren. Bei zahlreichen kriminelle Gruppen gehört es zum strategischen Ziel, Medien für ihre Zwecke zu instrumentalisieren und zu unterwandern.

In den von struktureller krimineller Gewalt betroffenen Ländern hat kaum eine der Regierungen ausreichende Maßnahmen für den Schutz von Journalisten vor krimineller Gewalt ergriffen. In den Schlussempfehlungen des Berichts plädiert ROG deswegen unter anderem für verstärkte Selbsthilfemaßnahmen von Medien und Journalisten: Medienmitarbeiter, die in einer Konfliktzone arbeiten, sollten sich zusammentun und einen gemeinsamen Pool für Informationen und Quellen gründen. Redaktionen, Journalistenschulen und Universitäten sollten spezifische Kurse zur Recherche und Berichterstattung über Organisierte Kriminalität anbieten.

Der vollständige 10-seitige Bericht zur Organisierten Kriminalität und Pressefreiheit ist hier downloadbar.

Donnerstag, 3. Februar 2011, von Elmar Leimgruber

Gebt den Ägyptern die Demokratie! (Info + Kommentar)

Ist Friedensnobelpreisträger Mohammed El Baradei Hoffungsträger für die Demokratie in Ägypten?
Foto: CC World Economic Forum

“Die Situation im Mittelmeerraum verändert sich, während wir hier sprechen”,sagte EU-Parlamentspräsident Jerzy Buzek während der Eröffnung der zweitägigen Brüsseler Plenarsitzung. Das EU-Parlament freue “sich über die Bewegung für demokratischen Wandel, die durch unsere Nachbarn” in Tunesien “eingeleitet wurde”. In Ägypten hingegen sei die Situation eine andere, und “die Bewegung könnte an Dynamik verlieren”, fuhr er fort. Zudem betonte er, dass politische Reformen eine Voraussetzung für wirtschaftliche und soziale Reformen sind. Wahlen müssen abgehalten werden, um dem Wunsch nach Demokratie zu entsprechen. “Die EU erachtet Demokratie” im Mittelmeerraum “für ebenso wichtig wie Stabilität”, äußerte sich der Präsident dazu.

Die Gefahr, dass nach einem Fall des Mubarak-Regimes radikal-islamische Kräfte an die Macht kommen, sieht indes der ägyptische Friedensnobelpreisträger und Oppositonspolitiker Mohammed El-Baradei nicht. Die große Oppositionspartei der Moslem-Bruderschaft sei “eine konservativ-religiöse Gruppierung, die seit 50 Jahren jede Gewalt ablehnt und sich einen säkulären Staat wünscht,” sagte El-Baradei dem Nachrichtenmagazin “profil”. Bei freien Wahlen würde die Moslembruderschaft “20 bis 25 Prozent” erreichen, schätzt El-Baradei im “profil”-Interview. Extremistische Gruppen hätten in der Bevölkerung aber de facto keine Unterstützung. Für die gesamte arabische Welt sieht El-Baradei nur einen Weg: “Die Demokratisierung ist die einzige Chance, dem Radikalismus ein Ende zu bereiten. Gegen ihn gilt es das Volk zu ermächtigen,” so El-Baradei.

Sowohl der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) als auch Reporter ohne Grenzen (ROG) haben in den vergangenen Tagen die ägyptischen Sicherheitskräfte aufgefordert, die Schikanen gegen Journalistinnen und Journalisten unverzüglich einzustellen und die Korrespondenten ungehindert arbeiten zu lassen. “Es ist die Aufgabe der Berichterstatter aus aller Welt, über die revolutionären Ereignisse in Ägypten zu berichten”, sagte DJV-Bundesvorsitzender Michael Konken. “Niemand hat das Recht, die Journalisten in ihrer Arbeit zu behindern.”

Nach Einschätzung von ROG wurden in den vergangenen Tagen mehr als ein Dutzend Journalisten festgenommen, die über die aktuellen Proteste gegen die Regierung unter Präsident Hosni Mubarak berichten wollten. Reporter ohne Grenzen (ROG) verurteilt die andauernde Gewalt gegen Journalisten und Internetzensur in Ägypten.

Ja, es stimmt: Demokratie ist gefährlich, vor allem, wenn Populisten an die Macht wollen. Aber wenn Menschen die Diktatur ablehnen, wieso sollten sie dann in einer Demokratie ausgerechnet wieder jemanden zur Macht verhelfen, der eben diese Bürgerrechte aushebelt?

Und ja: Ägypten ist das Tor zur arabischen Welt und vor allem für Israel strategisch wichtig. Aber: wenn die im Zusammenhang mit einem Machtwechsel stehenden Befürchtungen auch teilweise nachvollziehbar sind: Eine Diktatur darf niemals eine Option sein. Daher klar Ja zu Demokratie und Reformen. Und nein zu totalitären Systemen und Diktaturen.

Es wäre sinnvoll und höchst an der Zeit, wenn die westliche Welt durch klare und eindeutige Solidarität das friedlich demonstrierende Volk in Ägypten gegen seinen Diktator unterstützt. Zudem muss aber genau beobachtet werden und dass nicht radikalische Gruppierungen die Macht im Staat erlangen. Die moralische Unterstützung vor allem der laizistisch gesinnten Demokraten und der Reformkräfte eines Landes ist also durchaus angebracht. Denn Demokratie und Wohlstand bewirken maßgeblich die Abkehr von fundamentalistischem (islamistische) Gedankengut.


Über wichtige Vorgänge in Ägypten (und über anderes Wichtiges) informiere ich (meist sehr rasch) auf der Facebook-Seite von redakteur-cc: Jetzt “Fan werden”!

Und hier können Sie Ihre Solidarität mit der ägyptischen Bevölkerung bekunden.

Samstag, 8. Januar 2011, von Elmar Leimgruber

57 ermordete Journalisten 2010

Grafik: ROG

Mindestens 57 Journalisten und ein Medienassistent in insgesamt 25 Staaten sind im Jahr 2010 während ihrer Arbeit oder wegen ihres Berufs getötet worden. Dies berichtet Reporter ohne Grenzen (ROG) in seiner Jahresbilanz über die Pressefreiheit. Die Zahl der Länder, in denen Medienmitarbeiter ermordet wurden, ist demnach im Vergleich zu 2009 von 20 auf 25 gestiegen. Vermehrt hat ROG in diesem Jahr außerdem Fälle von Entführungen beobachtet (2010: 51, 2009: 33). Die gefährlichsten Länder für Journalisten sind in diesem Jahr Pakistan (11 Todesfälle), Mexiko (7), Irak (7) und die Philippinen (4):

In Pakistan werden Reporter vor allem von islamistischen Gruppen ins Visier genommen. In Mexiko geht die Gefahr für kritische Journalisten überwiegend von Drogenkartellen aus. Im Irak wurden Journalisten Opfer von Bombenattentaten. Auf den Philippinen stehen hinter den meisten Ermordungen private Milizen von Clanchefs und lokalen Politikern. Die Täter fürchten die unabhängige oder kritische Berichterstattung über kriminelle Machenschaften oder Korruption. Im Vorjahr lag die Todesrate wegen eines Massakers an Medienmitarbeitern im November 2009 auf den Philippinen um rund 25 Prozent höher. Damals wurden 32 Journalisten an einem Tag ermordet.

Grafik: ROG

Die Zahlen der körperlichen Angriffe auf Journalisten, der Festnahmen von Medienschaffenden sowie der zensierten Medien zeigen im Vergleich zum Vorjahr keine größeren Bewegungen. 535 Journalisten wurden im Laufe des Jahres festgenommen (2009: 573), 1.374 erlitten Gewalt oder wurden bedroht (2009: 1.456), 504 Medien wurden zensiert (2009: 570) und 62 Staaten waren von Internetzensur betroffen (2009: 60).

Zu weiteren Brennpunkten der Pressefreiheit entwickelten sich in diesem Jahr Honduras und Thailand. In dem südostasiatischen Land starben bei Gefechten zwischen Regierungstruppen und den oppositionellen „Rothemden“ zwei ausländische Korrespondenten. In Honduras hat ROG in mindestens drei Mordfällen einen direkten Zusammenhang mit der journalistischen Tätigkeit der Opfer festgestellt. Weitere sieben Morde an Reportern sind noch nicht aufgeklärt. Vermehrte Fälle von Entführungen von Medienmitarbeitern dokumentiert ROG derzeit in Afghanistan, Nigeria oder Mexiko.

Die Zahl der körperlichen Übergriffe und Drohungen gegen Journalisten in Europa und der GUS-Region hat sich im Unterschied zu anderen Weltregionen deutlich erhöht. Einen Anstieg der Gewalt gegen Medienmitarbeiter verzeichnete ROG unter anderem in Ländern mit landesweiten Wahlen wie Aserbaidschan, der Ukraine und Belarus.

In Belarus sind zudem weiterhin zehn Journalisten inhaftiert. Sie wurden nach der Präsidentschaftswahl am 19. Dezember in Minsk festgenommen. Die meisten Journalisten sind derzeit im Iran hinter Gittern (37), gefolgt von China (30) und Eritrea (29). Die Arbeitsbedingungen für Journalisten im Iran haben sich in diesem Jahr weiter verschlechtert. Das Regime hat die Überwachung von Medienmitarbeitern ausgedehnt und die Einreisebestimmungen für Korrespondenten verschärft. Journalisten, die ihr Menschenrecht auf freie Berichterstattung wahrnehmen wollen, müssen erhebliche Risiken in Kauf nehmen.

Die zwei inhaftierten Mitarbeiter der „Bild am Sonntag“ haben das auf tragische Weise zu spüren bekommen. Seit mehr als 80 Tagen sind die Beiden in Haft, weil sie aus einem Land berichten wollten, das sich hermetisch abschottet und keine unabhängigen Beobachter zulässt. Sie dürfen nicht in politischen Verhandlungen als Faustpfand missbraucht werden und müssen sofort freigelassen werden.

Die vollständige ROG-Jahresbilanz ist hier abrufbar.

Samstag, 18. Dezember 2010, von Elmar Leimgruber

WikiLeaks-Enthüllungen: Journalistenvereinigungen verurteilen Zensur

Wikileaks-Logo: www.wikileaks.org bzw. www.wikileaks.ch

Nach den WikiLeaks-Enthüllungen von US-Botschaftsdepeschen haben mehrere Regierungen Webseiten und Medien zensiert. Reporter ohne Grenzen (ROG) kritisiert die staatlichen Maßnahmen, den Zugang zu WikiLeaks-Seiten zu sperren und Ausgaben von Printmedien mit Berichten über die Dokumente zu verbieten. Die Zensurmaßnahmen sind ROG zufolge “unverhältnismäßig” und “verletzen das Recht auf Informationsfreiheit”. Mit WikiLeaks solidarisieren sich mittlerweile auch weitere Journalistenorganisationen wie beispielsweise der Deutsche Journalisten Verband (DJV) und der österreichische Journalisten Club (ÖJC) (Zum Thema siehe auch den Kommentar auf meinsenf.net bzw. auf redakteur.cc).

“Es ist mit den Grundsätzen der Meinungsfreiheit nicht vereinbar, wenn Politik und Wirtschaft versuchen, Zensur auszuüben”, mahnt DJV-Bundesvorsitzender Michael Konken. “Dies wird im Fall Wikileaks in massiver Weise praktiziert.” Es sei deshalb gut und notwendig, dass sich einige Zeitungen jetzt klar zu den gegen Wikileaks gerichteten Zensurversuchen positionierten. Das WikiLeaks-Material entbinde Journalisten nicht von ihrer Pflicht zur Recherche. “Die Leser und Zuschauer müssen sich darauf verlassen können, dass das Material authentisch ist.” Deshalb ersetze WikiLeaks keineswegs den Journalismus, sondern bereichere ihn. “Wer die Quelle unterdrückt, schadet dem Journalismus”, so DJV-Vorsitzender Konken.

WikiLeaks sei zwar kein journalistisches Produkt, aber ein wichtiger Informant für Journalisten und “der Informantenschutz ist einer der Grundpfeiler der journalistischen Arbeit und damit Bestandteil der Pressefreiheit,” schreibt der ÖJC. “Die Einschränkung der Verbreitung von Information widerspricht der freien Meinungsäußerung und ist daher ein Anschlag auf die Pressefreiheit und die Grundrechte”, begründet ÖJC-Präsident Fred Turnheim die Solidarität des ÖJC mit WikiLeaks.

Mit Online-Sperrungen will die US-amerikanische Luftwaffe laut ROG Soldaten und Angestellte der Armee daran hindern, die veröffentlichten Dokumente des Außenministeriums einzusehen. Nach Informationen des “Wall Street Journal” ließ die Air Force den Zugang zu mindestens 25 Internetseiten von Medien und Blogs blockieren. Damit sind unter anderem die Online-Ausgaben von Zeitungen und Zeitschriften wie “The Guardian”, “Le Monde”, “Der Spiegel” und “El País” ohne Sondergenehmigung nicht mehr von Computern des Militärs aus zugänglich.

Zuvor hatte am 3. Dezember das Weiße Haus die Bundesbehörden angewiesen, Beschäftigten nicht ohne Genehmigung den Zugriff auf die Dokumente von Arbeitscomputern aus zu erlauben. Wenige Stunden später ließ die Kongressbibliothek (Library of Congress) den Zugang zu WikiLeaks von ihren Computern aus sperren.” Die Zensurmaßnahmen sind eine unverhältnismäßige und gefährliche Antwort und verletzen das Recht auf Informationsfreiheit”, so ROG. Mit ihren Zensurmaßnahmen gerieten die USA in die Nähe von autoritären Staaten wie China, wo Seitensperrungen Alltag sind.

In Ländern mit starker Online-Überwachung wie China oder Thailand sind die Internetseiten von WikiLeaks seit Veröffentlichung der Geheimdokumente laut ROG nicht mehr erreichbar. Pakistan hat Seiten der Internet-Plattform blockieren lassen, die Dokumente zu dem südasiatischen Land enthalten. Und in Marokko wurden laut ROG mehrere Zeitungsausgaben verboten, die über die WikiLeaks-Veröffentlichungen berichtet hatten.

Mittwoch, 10. November 2010, von Elmar Leimgruber

DJV: Verlage demontieren Journalismus

DJV-Chef Michael Konken
Foto: djv.de Michael Ebner

“Die Verlagsmanager sind dabei, einen ganzen Berufsstand zu demontieren und gefährden ihre eigene Zukunft,” warnte DJV-Bundesvorsitzender Michael Konken bei der Eröffnung des DJV-Tages  2010 in Essen. Schließlich hingen auch Abonnements und Verkäufe von der Qualität ab, die in den Redaktionen produziert werden. “Wir haben in den vergangenen Jahren mit viel Verständnis den Verlagen über schwierige Zeiten geholfen und Einbußen hingenommen”, sagte Konken. Aber: “Das geht so nicht weiter!”

Der Erhalt redaktioneller Arbeitsplätze und des Auftragsvolumens für Freie gehört demnach zu den wichtigsten Aufgaben der Tarifpolitik. Der Deutsche Journalisten-Verband erwartet daher von den Medienarbeitgebern, dass für die Arbeitsplätze der Journalistinnen und Journalisten die Flächentarifverträge in vollem Umfang gelten. Und das Urheberrecht dürfe nicht angetastet werden. Auch müssten Journalistinnen und Journalisten ihre Beiträge weiterhin mehrfach verwerten können. An den Erlösen der Verlage aus einem Leistungsschutzrecht müssten die Journalisten angemessen beteiligt werden, forderte Konken.

Gegen den Missbrauch von Leiharbeit übte erneut der DJV-Vorsitzende Kritik: Wichtig sei die zeitliche Begrenzung der Leiharbeit auf maximal zwei Jahre und eine konsequent gleiche Bezahlung. “Die Umgehung von Tarifverträgen ist kein Kavaliersdelikt, sondern ein Anschlag auf die Sozialpartnerschaft in den Verlagen.” Mit großer Mehrheit nahmen die Delegierten des DJV-Tags auch die Forderung nach einem Tarifvertrag zur Qualifizierung von Journalisten an.

Der DJV-Verbandstag legte zudem ein klares Bekenntnis zum Informantenschutz ab und forderte ein Ende der Online-Durchsuchungen ebenso wie den Stopp von Plänen des Gesetzgebers, die Vorratsdatenspeicherung wieder einzuführen. Eine deutliche Absage wurde auch der nachrichtendienstlichen Überwachung von Journalisten und der Regelanfrage beim Verfassungsschutz im Rahmen der Akkreditierung zu Großveranstaltungen erteilt. Die DJV-Delegierten sprachen sich darüber hinaus für die Gleichbehandlung aller Berufsgeheimnisträger und gegen Ermittlungsverfahren wegen Beihilfe zum Geheimnisverrat aus, die sich gegen Journalisten richten.

Am Rande seiner Tagung hat sich der Deutsche Journalisten-Verband solidarisch mit dem schwer verletzten russischen Journalisten Oleg Kaschin erklärt: Er fordert in einer öffentlichen Stellungname den russischen Präsidenten Dmitrij Medwedew auf, den Überfall auf Kaschin lückenlos aufzuklären und die Täter zur Rechenschaft zu ziehen. Kaschin war Ende letzter Woche überfallen und mit gebrochenen Beinen, Fingern und einem gebrochenen Kiefer sowie einer Gehirnerschütterung ins Krankenhaus eingeliefert und in künstliches Koma versetzt worden. Ähnlich zu diesem Fall äusserten sich auch der Österreichische Journalisten Club (ÖJC) und Reporter ohne Grenzen (ROG), die vor allem kritisieren, dass in den vergangenen zehn Jahren sei kein einziges Verbrechen gegen Journalisten in Russland aufgeklärt worden sei.

Donnerstag, 21. Oktober 2010, von Elmar Leimgruber

ROG: Pressefreiheit-Rankings 2010 – Europa im Abwärtstrend

Die Lage der Medienfreiheit in Europa hat sich weiter verschlechtert. Dies ist ein Ergebnis der am 20.10.2010 veröffentlichten Rangliste zur Lage der Pressefreiheit 2010 (World Press Freedom Index 2010) von Reporter ohne Grenzen (ROG). Der bereits bei der vorherigen Erhebung von 2009 festgestellte Abwärtstrend einiger süd- und südosteuropäischer Staaten setzt sich demnach im aktuellen ROG-Ranking fort. Auch bei den EU-Gründungsstaaten Frankreich und Italien hat sich diese Entwicklung bisher nicht umgekehrt.

Gleichzeitig beobachtet ROG bei der Lage der Pressefreiheit wachsende Unterschiede zwischen den EU-Mitgliedsländern: Zwischen den drei am besten platzierten EU-Ländern an der Spitze des Rankings – Finnland, die Niederlande und Schweden – und den am schlechtesten platzierten – Bulgarien, Griechenland – liegen rund 70 Positionen.

Rund die Hälfte der 27 EU-Mitgliedsstaaten sind unter den 20 führenden Ländern der aktuellen Rangliste. Die Schere innerhalb der Staatengemeinschaft geht jedoch stark auseinander. So liegen zwölf EU-Länder, also fast die Häflte, zwischen dem 30. und 70. Rang. Am stärksten gefallen ist Griechenland (2009: Platz 35, 2010: Platz 70). Damit bildet das südeuropäische Land gemeinsam mit Bulgarien (2009: Platz 68, 2010: Platz 70) das Schlusslicht unter den EU-Staaten. In Griechenland waren körperliche Angriffe bei Demonstrationen und Drohungen gegen Journalisten ein Grund für die Abwärtsbewegung.

Auch bei den EU-Gründungsstaaten Frankreich (2009: Platz 43, 2010: Platz 44) und Italien (2009 und 2010: Platz 49) gibt es keine Indizien für eine Verbesserung der Situation: Grundlegende Probleme wie die Verletzung des Quellenschutzes, die zunehmende Konzentration von Medieneigentum sowie gerichtliche Vorladungen von Journalisten dauern an.

“Es ist beunruhigend festzustellen, wie einige EU-Mitgliedstaaten weiter Plätze in der Rangliste verlieren”, äusserte sich dazu ROG-Generalsekretär Jean-François Julliard: “Wenn die EU-Staaten keine Anstrengungen unternehmen, setzt sie ihre weltweit führende Position bei der Einhaltung von Menschenrechten aufs Spiel. Die europäischen Staaten müssen dringend ihre Vorbildfunktion wiedererlangen”, appelliert Julliard.

Die Pressefreiheit – Rangliste 2010
Grafik: rog.at

Auch in diesem Jahr dominieren wieder nordeuropäische Staaten die ersten Ränge. Finnland, Island, die Niederlande, Norwegen und Schweden teilen sich zusammen mit der Schweiz den ersten Rang. Seit Veröffentlichung der ersten ROG-Rangliste im Jahr 2002 hatten alle sechs Staaten schon einmal diese Position inne. Die gesetzlichen Schutzgarantien für Medienschaffende und das hohe Maß an Respekt für die wichtige Arbeit von Journalisten in demokratischen Systemen sind in diesen Ländern vorbildlich.

Österreich nimmt in diesem Jahr Platz 7 ein. Die Verbesserung im Vergleich zum Vorjahr (Platz 13) ist in Relation zu den anderen genannten Ländern zu sehen. Österreich hat 2010 im Ranking deshalb besser abgeschnitten, weil sich die Situation der Pressefreiheit in den anderen Ländern teilweise verschlechtert hat. Grossbritannien liegt übrigens am 19. und die USA am 20. Platz.

Deutschland steht in diesem Jahr – fast unverändert – auf Platz 17 (2009: Platz 18): Wie auch in anderen EU-Staaten wurden Redaktionszusammenlegungen und Stellenstreichungen negativ bewertet. Der Zugang zu Behördeninformationen bleibt ebenfalls unzureichend. Zu weiteren Kritikpunkten gehörten unter anderem das Strafverfahren gegen zwei Leipziger Journalisten in der so genannten Sachsensumpf-Affäre.

Anlass zur Sorge bietet darüber hinaus die Entwicklung der Türkei. Nachdem sich der EU-Anwärter schon im Index 2009 um 20 Plätze verschlechtert hatte, folgt in diesem Jahr ein weiterer Rückfall um 16 Ränge. Damit steht das südeuropäische Land auf Position 138 (2009: 122). Ins Gewicht fielen bei der schlechten Platzierung die steigende Zahl von Klagen gegen Journalisten und Medien sowie Festnahmen von Medienmitarbeitern. Die Türkei gerät somit in unmittelbare Nachbarschaft zu Russland (2009: 153, 2010: 140).

Zensur, Gewalt und Repressionen gehören nach wie vor zum Alltag vieler kritischer Journalisten auch in der Russischen Föderation. Die Mordserie im Erhebungszeitrum der vorherigen Rangliste hat sich jedoch nicht wiederholt. Eine äußerst schwierige Situation der Pressefreiheit dokumentiert ROG zudem seit vielen Jahren auf dem Balkan. Besonders kritisch ist die Lage in Serbien (85), im Kosovo (92) und in Montenegro (104). Drohungen gegen Journalisten und der steigende Einfluss krimineller Gruppen auf Medienunternehmen erschweren die Arbeit von Medienschaffenden in Südosteuropa erheblich.

Die Situation auf den untersten Positionen der Rangliste weltweit ist fast unverändert: Birma, Iran, Turkmenistan, Nordkorea und Eritrea sind erneut die Schlusslichter. Neu hinzugekommen zu der Gruppe der zehn repressivsten Staaten der Welt sind in diesem Jahr der Sudan und Ruanda. Mit der diesjährigen Rangliste wird zum neunten Mal die Situation der Pressefreiheit in 178 Staaten und Regionen weltweit verglichen. In die Bewertung wurden Verstöße gegen dieses Menschenrecht im Zeitraum von September 2009 bis August 2010 einbezogen:

Seit 2005 stehen Eritrea (178), Nordkorea (177) und Turkmenistan (176) ganz unten auf der Liste. Eine systematische Verfolgung von unabhängigen Medienschaffenden und ein vollständiges Fehlen von Nachrichten und Informationen kennzeichnet die Lage in den Ländern seit mehreren Jahren. “Wir sehen leider keine Verbesserung in den autoritären Staaten”, so Julliard. „Wir sind besorgt über den harschen politischen Kurs einiger Regierungen von Ländern am unteren Ende des Rankings.”

Die Situation hat sich auch in Ruanda (2009: 157, 2010: 169) und im Sudan (2009: 148, 2010: 172) verschärft. Die beiden Länder im Osten und Nordosten Afrikas sind deswegen auf die zehn hintersten Ränge abgerutscht. In Ruanda fielen zusätzliche Zensurmaßnahmen und Schließungen von Medien vor der Präsidentschaftswahl im August 2010 ins Gewicht. Überdies wurde ein Journalist ermordet. Im Sudan hat die Regierung ihre Überwachung der Printmedien deutlich verstärkt, mehrere Journalisten wurden verhaftet und eine oppositionelle Tageszeitung wurde geschlossen.

Auch Birma rangiert wieder unter den letzten zehn Staaten. Auf Versuche von Journalisten, Nachrichten jenseits von Propaganda zu veröffentlichen, reagieren die Behörden mit Gefängnis und Zwangsarbeit. Es gibt erste Anzeichen dafür, dass sich die Lage angesichts der im kommenden Monat bevorstehenden Parlamentswahl noch verschärfen wird.

Kaum verändert haben sich darüber hinaus die Positionen der Volksrepublik China (2009: 168, 2010: 171), des Irans (2009: 172, 2010: 175) und Syriens (2009: 165, 2010: 173). Die starke Wirtschaftsmacht China nimmt immer noch nicht ihre Verantwortung bei der Wahrung der Menschenrechte wahr. Anlässlich der Bekanntgabe der Verleihung des diesjährigen Friedensnobelpreises an Liu Xiaobo hat die Regierung wieder ihre starre Haltung manifestiert: Medienberichte über die Preisvergabe wurden zensiert, Unterstützer Lius festgenommen.

Im Iran haben die Menschenrechtsverletzungen gegen Journalisten und Blogger und die staatliche Zensur in diesem Jahr ein noch größeres Ausmaß erreicht. Mehr als 200 Medienschaffende sind seit Sommer 2009 aus der islamischen Republik geflüchtet. In Syrien lassen weit greifende Mechanismen zur Kontrolle von staatlichen und privaten Medien, repressive Pressegesetze und die Unterdrückung von oppositionellen oder kritischen Journalisten so gut wie keine Freiräume mehr für unabhängige Meinungsäußerung.

Die Philippinen, Ukraine und Kirgistan sind neben Griechenland am stärksten in diesem Jahr abgestiegen: Auf den Philippinen (2009: 122, 2010: 156) ereignete sich im vergangenen November eines der schwersten Massaker an Journalisten: Rund 30 Medienmitarbeiter kamen damals ums Leben. In der Ukraine (2009: 89, 2010: 131) verzeichnet ROG eine stetige Verschlechterung der Situation der Pressefreiheit seit Viktor Janukowitschs Wahl zum Präsidenten: Die staatliche Kontrolle über die Medien und Repressionen gegen Journalisten haben zugenommen, die Medienvielfalt nimmt ab. In Kirgistan (2009: 125, 2010: 159) gingen die politischen Unruhen mit der Verfolgung von Journalisten einher, die ethnischen Minderheiten angehören.

Die vollständigen Pressefreiheit-Rankings 2010 weltweit sind hier abrufbar.

Mittwoch, 8. September 2010, von Elmar Leimgruber

Irak-Krieg: 230 Medienmitarbeiter getötet

Reporter ohne Grenzen: Bildband Pressefotos
Foto: rog.de

Seit dem Einmarsch der US-geführten Truppen im Irak im März 2003 sind in dem vorderasiatischen Land 230 Medienmitarbeiter getötet worden. Diese Bilanz zieht Reporter ohne Grenzen (ROG) in einem am 7. September veröffentlichten Bericht zur Entwicklung der Pressefreiheit im Irak. In der Studie wird der Zeitraum von Beginn der Invasion der US-Koalition am 20. März 2003 bis zum Rückzug der letzten Kampfeinheit der US-Armee aus dem Land am 19. August 2010 untersucht.

Der Sturz des ehemaligen Machthabers Saddam Hussein nach Beginn der “Operation Iraqi Freedom” bedeutete zwar größere Freiräume für Journalisten und Medien im Irak. Aber die folgenden politischen und ethnischen Auseinandersetzungen verursachten auch ein extremes Ausmaß an Gewalt, die sich auch gegen Medienvertreter richtete. “Bis heute liegt die Zahl der ermordeten Journalisten und Medienmitarbeiter bei 230″, heißt es in dem Bericht. “Das übersteigt die Zahl der getöteten Reporter während des Vietnamkrieges.” Während des Vietnam-Kriegs von 1955 bis 1975 kamen 63 Journalisten ums Leben.

Rund 70 Prozent der Journalisten starben bei gezielten Anschlägen und Attacken – eine weitaus höhere Rate als bei vorangegangenen Kriegen. In mehr als 80 Prozent der Fälle kamen die Täter aus den Reihen bewaffneter Gruppen, die im Widerstand zur US-Koalition und der irakischen Regierung stehen. Für rund zehn Prozent der Todesfälle waren die internationalen Besatzungstruppen verantwortlich.

Die meisten Todesopfer, fast 90 Prozent, waren irakische Medienvertreter. Vermutlich spielten in vielen Fällen die politische Ausrichtung oder Nähe zu ethnischen Gruppen der Medien, für die sie arbeiteten, eine Rolle. Vor allem staatliche Medien wurden zur Zielscheibe von Gewalt: Sie werden von militanten oppositionellen Gruppen häufig verdächtigt, im Dienst der US-amerikanischen Streitkräfte zu stehen und deswegen als Verräter oder Feinde betrachtet.

ROG verzeichnete in den vergangenen Jahren einen weiteren Negativrekord im Irak. Mindestens 93 Medienmitarbeiter wurden im Untersuchungszeitraum des Berichts entführt. 47 von ihnen wurden wieder frei gelassen, 32 ermordet, das Schicksal weiterer 14 entführter Medienschaffender bleibt ungewiss.

Schließlich dokumentiert ROG in dem Bericht zahlreiche Festnahmen von Journalisten. US-amerikanische Soldaten verhafteten rund 30 Journalisten, die irakischen Behörden nahmen mehrere Dutzend Reporter fest. Die meisten Journalisten wurden unter dem Verdacht verhaftet, sie kollaborierten mit aufständischen Gruppen. Aus Sicht von ROG handelte es sich häufig um willkürliche Festnahmen, deren Rechtmäßigkeit nicht ausreichend überprüft wurde.

Das jüngste Opfer der Gewalt im Irak war in dieser Woche der 35-jährige Fernsehmoderator Riad el Sarai, der für den staatlichen Fernsehsender “El Irakija” gearbeitet hatte. Er wurde von unbekannten bewaffneten Männern am 7. September erschossen, als er am Morgen sein Haus in Bagdad verließ. ROG verlangt die umgehende Einleitung von Ermittlungen.

Der 13-seitige ROG-Bericht zur Entwicklung der Pressefreiheit im Irak ist hier abrufbar.

Samstag, 14. August 2010, von Elmar Leimgruber

Reporter ohne Grenzen und DJV kritisieren “Sachsen-Sumpf”-Urteil gegen Journalisten

Die verurteilten Reporter Arndt Ginzel und Thomas Datt
Foto: ROG © Jan Zappner

Am Freitag, 13. August, hat das Dresdner Amtsgericht die beiden Reporter Thomas Datt und Arndt Ginzel zu 50 Tagessätzen à 50 Euro verurteilt, weil sie sich im Zusammenhang mit der sogenannten “Sachsen-Sumpf”-Affäre nach Ansicht des Gerichts der üblen Nachrede schuldig gemacht haben. Reporter ohne Grenzen (ROG) kritisiert dieses Urteil als “Skandal”:

In vielen Ländern der Welt seien Journalisten willkürlichen Strafverfahren wegen Verleumdung ausgesetzt. Fast immer sei dies ein Vorwand, um Pressefreiheit zu unterdrücken. “Der Dresdner Prozess zeigt das gleiche Muster: Justizbehörden benutzen das Strafrecht gegen unliebsame Journalisten”, reagiert ROG-Vorstandssprecher Michael Rediske.

Auch der Deutsche Journalisten Verband (DJV) kritisiert das Urteil: In Zukunft könnte nun auch anderswo versucht werden, “kritisch und investigativ recherchierende Journalisten einzuschüchtern,” befürchtet DJV-Chef Michael Konken. “In Anklage und Prozess wurden völlig normale journalistische Arbeitsabläufe und Handlungen kriminalisiert. Das können wir nicht hinnehmen“, erklärte die sächsische DJV-Landesvorsitzende Sabine Bachert. Man werde die Urteilsbegründung abwarten und behalte sich weitere Schritte vor, so der DJV-Landesverband Sachsen, der die beiden freien Journalisten juristisch berät.

Gegenstand der Anklage sind Artikel im Nachrichtenmagazin “Der Spiegel” und bei “Zeit Online” aus dem Jahr 2008 zum “Sachsen-Sumpf” – eine mögliche Korruptionsaffäre, in dem es auch um eventuelle Verstrickungen ranghoher sächsischer Justizvertreter geht. Ginzel und Datt waren Autoren des “Zeit Online”-Berichts und an dem “Spiegel”-Artikel als Co-Autoren beteiligt. Ihnen werden ehrverletzende Tatsachenbehauptung, üble Nachrede und Verleumdung vorgeworfen. Der Hintergrund der Anklage ist hier online abrufbar. Der entsprechende Beitrag bei “Zeit Online” kann hier gelesen werden.

ROG und DJV hatten bereits im Vorfeld der Gerichtsverhandlung Freispruch für die beiden Journalisten gefordert:

“Eine Verurteilung der beiden Journalisten würde den Rechtsstaat beschädigen und die Pressefreiheit verletzen”, betonte die stellvertretende Bundesvorsitzende des DJV, Ulrike Kaiser: “Das Verfahren war und ist in unseren Augen der Versuch der Einschüchterung von investigativ recherchierenden Journalisten.” Im Prozess wurde laut DJV durch Zeugenaussagen und Akten, die durch die Angeklagten eingeführt wurden, erwiesen, dass es die im Bericht aufgezeigten Unstimmigkeiten tatsächlich gab”. Und zudem sollte in diesem Fall “auch die mögliche Einflussnahme von Landesbehörden auf das Strafverfahren gegen die beiden freien Journalisten aufgeklärt werden”. “Eine Verurteilung wäre nicht nachvollziehbar”, so Kaiser.

“Journalistische Handlungen werden in dem Prozess zu Unrecht kriminalisiert. Eine der wichtigsten Funktionen der Medien ist es, Missstände aufzudecken. Eine Verurteilung würde künftige Berichterstattung zu Korruptionsaffären behindern und damit die Pressefreiheit beeinträchtigen,” warnte Rediske: “Schon die Einleitung des Strafverfahrens gegen die freien Journalisten Arndt Ginzel und Thomas Datt, die im so genannten “Sachsen-Sumpf” recherchiert hatten, sei mehr als fragwürdig gewesen. Schließlich hätten sich die Nebenkläger nicht einmal getraut, presserechtlich gegen die angeblich diffamierenden Äußerungen vorzugehen”. Zudem habe viel in dem Prozess darauf hingedeutet, “dass Behörden Druck auf investigativ recherchierende Journalisten ausüben wollen”, kritisiert Rediske.