Mit ‘Freiheit’ getaggte Artikel

Donnerstag, 7. Oktober 2010, von Elmar Leimgruber

Romero: The North Face beutet Menschen aus

Heute ist der Welttag für menschenwürdige Arbeit. Darauf weist die Christliche Inititaive Romero (CIR) hin, die deutsche Trägerorganisation der internationalen Kampagne für Saubere Kleidung (Clean Clothes Campaign/CCC) ist. Demnach konnte kaum eine andere Industriesparte in den vergangenen Jahren derart starke Zuwachsraten erzielen wie die Hersteller von Outdoor-Bekleidung.

Marken wie The North Face oder Patagonia sind längst nicht mehr nur bei Bergsteigern und Wanderfreunden beliebt, sondern zunehmend auch im Alltag angesagt. Und die meisten Käufer setzen darauf, dass Outdoor-Kleidung sozial- und umweltverträglich produziert wird. Doch auch namhafte internationale Markenfirmen der Outdoor-Bekleidungsbranche sind mitverantwortlich für Arbeits- und Menschenrechtsverletzungen sowie für ausbeuterische Arbeitsverhältnisse in ihren weltweiten Zulieferbetrieben, schreibt CIR.

Aktuelle Recherchen der entwicklungspolitischen Organisation haben demnach ergeben, dass in einer Fabrik in El Salvador, in welcher Bekleidung für den Weltmarktführer The North Face und für die populären Outdoor-Marken Patagonia, Marmot und Columbia produziert wird, Hungerlöhne gezahlt werden, gewerkschaftliche Organisierung unterdrückt wird und Arbeiterinnen zu Überstunden gezwungen werden. Outdoor-Unternehmen stehen für das Erleben der Natur, für die Sehnsucht nach fremden Ländern, für Freiheit und Abenteuer. Es sei daher ein Skandal, wie hier Arbeiter ausgebeutet würden, so CIR.

Die Kampagne für saubere Kleidung hatte kürzlich in einer viel beachteten Studie Selbstbild und Realität der Outdoor-Branche untersucht. In Fortsetzung der Studie haben verschiedene Träger der Kampagne weitergehende Recherchen zu konkreten Arbeits- und Menschenrechtsverletzungen in Fertigungsstätten unternommen. Und prompt drohten auch mehrere deutsche Bekleidungs-Importeure mit rechtlichen Schritten gegen CIR. P.S.: Es gilt natürlich die Unschuldsvermutung.

Samstag, 11. September 2010, von Elmar Leimgruber

Deutsche Kanzlerin plädiert für Selbstbewusstsein, Toleranz, Religions-, Meinungs- und Pressefreiheit

Die deutsche Bundeskanzlerin Merkel zeichnet den dänischen Karikaturisten Kurt Westergaard aus
Foto: REGIERUNGonline/Hanschke

Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel hat anlässlich der Verleihung des Medienpreises “M 100 Sanssouci Colloquium”an den dänischen Karikaturisten Kurt Westergaard die Bedeutung von Presse- und Meinungsfreiheit hervorgehoben. Dieser muss für seine Mohammed-Karikaturen seit 2005 um sein Leben bangen. “Europa ist ein Ort, in dem ein Zeichner so etwas zeichnen darf. Das ist im Übrigen kein Widerspruch dazu, dass Europa auch ein Ort ist, in dem die Freiheit des Glaubens und der Religion sowie der Respekt vor Glaube und Religion ein hohes Gut sind”, sagte Merkel. “Das Geheimnis der Freiheit ist der Mut.” Dieser Satz von Perikles sei heute noch genauso aktuell wie im 5. Jahrhundert vor Christus. “Freiheit zu leben, erfordert Mut, und zwar jeden Tag aufs Neue, im Kleinen wie im Großen,” betonte die deutsche Kanzlerin.

Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) hat sich indes gegen die laut gewordene Kritik von Moslem-Organisationen an der Ehrung des dänischen Karikaturisten Kurt Westergaard gewandt. “Satire und Karikatur sind ironische Stilmittel der Pressefreiheit“, stellte der DJV-Vorsitzende Michael Konken klar: “Sie zu akzeptieren, selbst wenn man sich angegriffen fühlt, ist demokratisches Prinzip.“

redakteur.cc dokumentiert in Ausschnitten die beeindruckende und bedenkenswerte Jahrhundertrede von Angela Merkel zur Verleihung des Medienpreises am 8. September 2010 in Potsdam:

Die Wirkung der präzisen Frage zum richtigen Zeitpunkt, die Freiheit, sie stellen zu können, und vor allem die Freiheit, über die Antwort zu berichten, und zwar ungekürzt, unverändert, unverzüglich – welch hohes Gut. Niemals dürfen wir dieses hohe Gut als selbstverständlich ansehen – auch bei Themen nicht, die nicht sofort die Welt verändern, sondern Fragen des Alltags berühren…

Reden wir also Klartext… Aussagen, zum Beispiel von mir, münden in eine Debatte, eine breite Debatte um Artikel 5 unseres Grundgesetzes. Er lautet: “Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt. Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre. Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.” – So weit Artikel 5. Er ist es wert, gerade bei einer solchen Tagung zum Thema “Freiheit und Pressefreiheit” in Gänze vorgetragen zu werden. Er ist das auch wert, weil er neben Artikel 1 zur Unantastbarkeit der Würde des Menschen, Artikel 2 zur freien Entfaltung der Persönlichkeit, Artikel 3 zur Gleichheit aller Menschen vor dem Gesetz und Artikel 4 zur Freiheit des Glaubens für mich zu den größten Schätzen unserer Gesellschaft gehört…

Das Thema Sarrazin ist aber gerade kein Thema der Gefährdung der Meinungsfreiheit, sondern es geht darum, ob und gegebenenfalls welche Folgen zum Beispiel ein Buch für einen Autor in einer besonders wichtigen öffentlich-rechtlichen Institution haben kann oder nicht…

Der heutige Tag kann uns für unser Thema “Pressefreiheit in Europa” – da bin ich mir sicher – Orientierung geben. Bei dem Mann, den Sie heute auszeichnen, dem dänischen Zeichner und Karikaturisten Kurt Westergaard, geht es um die Meinungs- und Pressefreiheit. Bei ihm geht es darum, ob er in einer westlichen Gesellschaft mit ihren Werten seine Mohammed-Karikaturen in einer Zeitung veröffentlichen darf, ja oder nein; egal, ob wir seine Karikaturen geschmackvoll finden oder nicht, ob wir sie für nötig und hilfreich halten oder eben nicht. Darf er das? Ja, er darf. Er ist ein Zeichner, wie es in Europa viele gibt. Europa ist ein Ort, in dem ein Zeichner so etwas zeichnen darf. Das ist im Übrigen kein Widerspruch dazu, dass Europa auch ein Ort ist, in dem die Freiheit des Glaubens und der Religion sowie der Respekt vor Glaube und Religion ein hohes Gut sind. Wenn ein fundamentalistischer evangelikaler Pastor in Amerika am 11. September den Koran verbrennen will, so finde ich das deshalb – kurz gesagt – schlicht respektlos, sogar abstoßend und einfach falsch.

In der Diskussion um die Veröffentlichung der so genannten Mohammed-Karikaturen geht es also genau darum, ob wir in Europa mit unseren Werten – Sie haben die von mir genannten ersten fünf Artikel unseres Grundgesetzes sicher noch im Ohr – aus Angst vor Gewalt und Massendemonstrationen davon absehen, die Zeichnungen dieses Karikaturisten zu veröffentlichen oder nicht, ob sie auch in anderen Zeitungen nachgedruckt werden oder nicht und, wenn nein, warum nicht.

Denen, die das seinerzeit aus welchen Gründen auch immer nicht gemacht haben, werfe ich nichts vor. Jeden Tag stehen Sie bei Ihrer Berichterstattung vor Abwägungsfragen; sie gehören zur Verantwortung der Medien in Ausübung ihrer Pressefreiheit ganz selbstverständlich dazu. Ich kenne solche Abwägungsfragen auch selbst: Soll die deutsche Bundeskanzlerin die Hauptrede anlässlich dieser Veranstaltung halten? Soll sie den Dalai Lama empfangen? Soll sie Briefe, die sie zum Beispiel von “Reporter ohne Grenzen” bekommt, ernst nehmen und den neuen ukrainischen Präsidenten bei seinem ersten Besuch in Berlin auf die Einschränkungen der Pressefreiheit in seinem Land ansprechen oder damit besser bis zur zweiten Begegnung warten?

Wie also verhält es sich mit den Werten und den Interessen, den politischen wie wirtschaftlichen, die für unser Land wichtig sind – für Sie wie für mich? Ich habe für mich die genannten drei Fragen drei Mal mit Ja beantwortet, und zwar aus einem einzigen Grund, der mich seit Beginn meiner politischen Arbeit leitet: Deutsche Politik vertritt ihre Interessen wertegebunden – nach innen wie nach außen. Werte und Interessen gehören zusammen. Wer einen Gegensatz aufmacht, hat sich bereits aufs Glatteis führen lassen…

Ja, geben wir den Menschen eine Stimme – in politischen Parteien genauso wie in den Medien. Aber überzeugen wir sie gleichzeitig, dass es in unserem Land am wenigsten darum geht, was gesagt werden darf. Richtige Entscheidungen, Taten statt Worte – das hingegen führt zum Kern dessen, was notwendig ist, zum Beispiel damit Integration gelingt und nicht scheitert, damit Parallelgesellschaften verhindert und nicht auch noch gefördert werden, damit jugendliche Gewalt eingedämmt und nicht hingenommen wird, damit der Sozialstaat denen hilft, die ihn brauchen, und nicht denen, die ihn missbrauchen, und vieles mehr…

Erstens: Freiheit ist nicht bindungslos. Das gilt für unser persönliches Leben, das gilt in der Politik, das gilt für die Verantwortung der Medien, das gilt für uns alle. Freiheit ist stets und für alle mit Verantwortung verbunden. Freiheit steht nie nur für sich. Sie ist eine Medaille mit zwei Seiten: Auf der einen Seite steht die Freiheit von etwas, auf der anderen Seite die Freiheit zu etwas. Wenn wir also von Freiheit sprechen, dann sprechen wir tatsächlich immer auch von der Freiheit des anderen. Was uns in Deutschland wie Europa auszeichnet, das ist der Umgang mit unserer Vielfalt, unserer Freiheit und der Freiheit der anderen. Wir Deutsche und Europäer haben in unserer Geschichte gelernt, aus der Vielfalt das Meiste zu machen. Die Eigenschaft, die uns dazu befähigt, ist die Toleranz.

Zweitens: Die Toleranz ist eine anspruchsvolle Tugend. Sie braucht das Herz und den Verstand. Aber sie ist nicht mit Standpunktlosigkeit und Beliebigkeit zu verwechseln. Sie hat niemals das geringste Verständnis für Intoleranz, für Gewalt von Links- und Rechtsextremismus oder für Gewalt im Namen einer Religion. Die Toleranz ist ihr eigener Totengräber, wenn sie sich nicht vor Intoleranz schützt. Religionsfreiheit meint eben nicht, dass im Zweifelsfall die Scharia über dem Grundgesetz steht. Toleranz meint nicht Wegsehen oder das Messen mit zweierlei Maß. Und Respekt bedeutet nicht Unterwerfung.

Drittens: Freiheit in Verantwortung – das gilt auch für die Wirtschaft. Eine auf Freiheit beruhende Soziale Marktwirtschaft bietet die Spielräume, damit Menschen verantwortlich handeln können. Die Lektion, die uns die Finanz- und Wirtschaftskrise schmerzhaft erteilt hat, muss überall ankommen. Seit Ludwig Erhard gilt, dass der Staat der Hüter der Ordnung unserer Sozialen Marktwirtschaft ist.

Viertens: “Das Geheimnis der Freiheit ist der Mut.” Dieser Satz von Perikles ist heute noch genauso aktuell wie im 5. Jahrhundert vor Christus. Freiheit zu leben, erfordert Mut, und zwar jeden Tag aufs Neue, im Kleinen wie im Großen – wenn ein Jugendlicher nicht mehr mitmacht beim Mobbing eines Klassenkameraden und den Ausschluss aus der Gruppe riskiert, wenn ein Manager nicht mehr mitmacht bei unlauteren Unternehmenspraktiken und dafür seine Karriere riskiert, wenn man in einer Diktatur versucht, jeden Tag in den Spiegel schauen zu können… Ja, so ist es: Mut fängt mit der Überwindung der eigenen Verzagtheit an…


Fünftens: Die Freiheit wird durch die schier unbegrenzten Möglichkeiten der digitalen Revolution geradezu herausgefordert. Auch ich bin fasziniert von den Möglichkeiten des World Wide Web. Trotzdem werden Sie keine Fotos von meiner letzten Geburtstagsfeier im Internet finden – zumindest keine, die ich selbst eingestellt hätte. Im Ernst: Es macht mir Sorgen, wie leichtfertig Menschen ihre Privatsphäre, den Hort individueller Freiheit, aufgeben und im Internet sensible persönliche Daten preisgeben. Gänzlich unverständlich ist mir das, wenn man bedenkt, wie erbittert wir in Deutschland über die Videoüberwachung öffentlicher Plätze oder eine Volkszählung streiten können. Politik und Medien müssen hier weiter Aufklärungs- und – ja, ich sage – Bildungsarbeit leisten, um in diesem Bereich zu einem verantwortungsvollen Umgang mit Freiheit zu kommen.

Sechstens: Auch unsere Außenpolitik ist wertegebunden. Ich sehe mit Sorge, dass Diktaturen und autokratische Staaten den Freiheits- und Toleranzbegriff missbrauchen. Denken wir zum Beispiel an die dritte Konferenz der Vereinten Nationen gegen Rassismus im Jahre 2001. Diese Anti-Rassismus-Konferenz und ihre Nachfolgetreffen wurden leider von Abgesandten aus Diktaturen und autoritär regierten Ländern bestimmt, die den Gedanken dieser Konferenzen in ihr Gegenteil verkehrt haben.

In Zusammenhängen wie diesen wird oft gefragt: Ist es nicht eine kulturelle, westliche, europäische, christliche Anmaßung, dass wir unsere Werte und Freiheitsrechte für universal gültig halten? Meine Antwort ist eindeutig: Nein, es ist keine Anmaßung. Fast alle Staaten sind Mitglieder der Vereinten Nationen und haben die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte anerkannt. Die großartigen 30 Artikel der Menschenrechtserklärung machen deutlich: Wer diese Rechte bestreitet, hat nicht das Wohl der Menschen im Blick. Kein kultureller Unterschied kann die Missachtung dieser Rechte rechtfertigen.

Ich bin im Übrigen überzeugt: Wenn wir selbstbewusst zu unseren Werten stehen, verschafft uns das weltweit mehr Respekt und Anerkennung, als wenn wir es nur verschämt tun.

Meine Damen und Herren, Freiheit – ich habe es schon oft gesagt – ist für mich persönlich die glücklichste Erfahrung meines Lebens. Auch bald 21 Jahre nach dem überwältigenden Geschenk der Freiheit mit dem Fall der Mauer und 20 Jahre nach der Vollendung der Einheit Deutschlands gibt es noch immer nichts, das mich mehr begeistert, nichts, das mich mehr anspornt, nichts, das mich stärker mit positiven Gefühlen erfüllt als die Kraft der Freiheit.

Donnerstag, 9. September 2010, von Elmar Leimgruber

Minderheitenfestival mit Ladinern, Katalanen und Bretonen

Allianz für die Minderheiten: Aureli Argemi, Lauret Viérin, LR Florian Mussner und Pierre Le Berre
FOTO: LPA/Deorsola

Volks-Minderheiten sehen “im globalen Föderalismus -beruhend auf einem Initialpakt unter Ähnlichen- das beste Instrument für die Schaffung von echten föderalistischen Staaten, die Garanten für die Freiheit ihrer Mitglieder darstellen”. Dies geht aus einer gemeinsamen Erklärung der Teilnehmer am “Festival Des Peuples Minoritaires” im Aostatal hervor, an dem die Bretonen, die Katalanen und die Ladiner im Mittelpunkt standen. Zudem sind alle Minderheiten dazu eingeladen, “ihre Sprache und Kultur ausdrücken zu wollen” und sich mit ihren Brüdern europaweit und weltweit zu vereinen. Zudem ergeht der Appell an die Staaten, allen Minderheiten die gleichen Möglichkeiten und Instrumente für den Erhalt ihrer Besonderheiten zuzusichern.

“Wir wollen eine Allianz der Minderheiten erreichen, um Synergien zu nutzen sowie die Kontakte und die Zusammenarbeit auszubauen”, betont der Südtiroler Ladinerlandesrat Florian Mussner, der die Dolomitenladiner beim Festival vertrat. Mussner hat gemeinsam mit dem Kulturassessor von Aosta Laurent Viérin sowie mit Aureli Argemi, dem Präsidenten des Minderheitenzentrums CIEMEM in Katalonien und Pierre Le Berre, dem Vizepräsidenten der Organisation “Quimper Comunita” aus der Bretagne eine Deklaration für eine Allianz der Minderheiten unterzeichnet.

“Europa wird unsere Zukunft sein, deshalb gilt es sich innerhalb dieses Rahmens zu positionieren und zwischen den vielen Minderheiten ein Netzwerk zu schaffen, um die verschiedenen Identitäten, Sprachen und Kulturen zu schützen und gleichzeitig ein Klima der Toleranz und des Respekts zu schaffen”, unterstrich Landesrat Mussner. “Minderheitenkultur muss gelebt und den neuen Gegebenheiten angepasst werden und nicht im Museum eingeschlossen werden”, sagte Assessor Viérin.

Die gemeinsame Deklaration der Minderheitenvertreter bildete den Abschluss des dreitägigen Minderheitenfestivals mit Einblicken in die Kulturen sowie in Probleme der teilnehmenden Minderheiten. Zu den wichtigsten Passagen des Dokuments gehören die Anerkennung sprachlicher und kultureller Unterschiede als universelles Erbe und die Pflicht aller Staaten, Minderheiten zu akzeptieren. Die Vertreter der Valdostaner, Ladiner, Bretonen, Katalanen, Walser, Provenzalen und Okzitanen hoben auch die wichtige Rolle der Schule als Ort der Verbreitung von Minderheitensprachen und Ort der Erziehung zur Toleranz hervor. “Bildung wird die Säule des Friedens in Europa sein, deshalb lohnt es sich, in Bildung zu investieren”, unterstrich Landesrat Mussner. Zugleich seien Schule und Bildung auch für Minderheiten wichtig, um die eigene Kultur und Sprache zu erhalten und zu leben, so Mussner.

Die Deklaration ist hier (im italienischen original) abrufbar.

Dienstag, 29. Juni 2010, von Elmar Leimgruber

Juristen und Journalisten warnen: Meinungsfreiheit in Gefahr

Die beiden Politiker Andreas Khol und Harald Ofner diskutieren über Meinungsfreiheit
Foto: © Leimgruber

Die geplante Änderung des § 283 des Österreichischen Strafgesetzbuches (StGb) kann zu Missbrauch und zu schwerwiegenden Einschränkungen der Meinungs- und Pressefreiheit führen. Darin waren sich die Teilnehmer einer vom Hayek Institut eingeladenen hochkarätigen Podiumsdiskussion zum Thema “Meinungsfreiheit in Gefahr” im Wiener Palais Daun-Kinsky einig. Die Neufassung belegt die sogenannte “Verhetzung” mit einer Gefängnisstrafe von zwei Jahren, wobei jedermann diesbezüglich angeklagt werden kann, unabhängig davon, ob die Aussagen, die zur Anklage führen, der Wahrheit entsprechen oder nicht.

Selbst ex-Nationalratspräsident Andreas Khol meinte zwar, dass die geplanten Änderungen “nicht zu weit gingen”, ergänzte aber, dass er “kein Freund dieser Bestimmungen” sei. Aber wenn Journalisten schon für Meinungsfreiheit plädierten, dann sollten sie auch die Persönlichkeitsrechte anderer wahren.

(v.l.n.r.) Barbara Kolm, Rosemarie Schwaiger, Gottfried Korn, Harald Ofner, Andreas Khol, Johann Rzeszut, Andreas Unterberger
Foto: © Leimgruber

Der “immer engere Spielraum für Meinungsfreiheit” bereite ihm Angst, äusserte sich Andreas Unterberger, ex-Chefredakteur der “Presse” und der “Wiener Zeitung” und nun erfolgreicher Web-Blogger: Die Rechte würden willkürlich genommen, und schon etwas öffentlich zu sagen, was irgendwem nicht gefalle, reichte aus, um wegen Verhetzung angeklagt zu werden. Früher wurde die Pressefreiheit als ein hohes Gut erkannt, “heute ist uns das Bewusstsein dafür verlorengegangen,” kritisierte Unterberger. Jeder habe heute eine Lobby, nur die Freiheit nicht, für die unsere Vorfahren 1848 auf die Barrikaden gestiegen sind”. Der sinngemässe Grundsatz von Voltaire aber gelte nach wie vor: “Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst,“ so Unterberger, der die ersatzlose Streichung der zweiten geplanten Ziffer fordert.

Ex-Gerichtshof-Präsident Johann Rzeszut und der prominente Web-Blogger Andreas Unterberger
Foto: © Leimgruber

“Die Wahrheit ist den Menschen zumutbar,” zitierte ex-Justizminister und Rechtsanwalt Harald Ofner Ingeborg Bachmann und betonte, dass er seit 50 Jahren eine ständig zunehmende Aushöhlung der Meinungsfreiheit feststelle. Die geplanten Gesetzesänderungen seien zudem eine “Kriminalisierung”, weil jegliche Gefängnisstrafe über einem Jahr nicht nur zum Verlust jeglicher öffentlicher Ämter führe, sondern auch zum Ausbleiben der öffentlich-rechtlichen Person. “Ich warne vor der Rechtsvernichtung,” sagte Ofner. Er wolle sich nicht dafür einsperren lassen, weil er seine Meinung sage. Jetzt sei es Zeit Widerstand zu leisten, forderte Ofner.

Man müsse Bedenken offen äussern können und er fordere Gerechtigkeit, sagte Johann Rzeszut, ex-Präsident des Obersten Gerichtshofes. Die Freiheit, so auch die Meinungsfreiheit, habe ihre Wurzeln in der Menschenwürde, . Diese gelte es zu schützen. Und es brauche auch nicht immer wieder neue Gestze, erklärte Rzeszut.

Bei einer Veranstaltung vor ein paar Wochen hatte -wie berichtet- bereits der Österreichische Journalisten Club (ÖJC) vor den neuen Gesetzesparagraphen gewarnt.

Moderatorin Barbara Kolm (Hayek Institut), “Presse”-Redakteurin Rosemarie Schwaiger, Medienanwalt Gottfried Korn
Foto: © Leimgruber

Dokumentation:

Gesetzestext § 283 bisher:

1- Wer öffentlich auf eine Weise, die geeignet ist, die öffentliche Ordnung zu gefährden, zu einer feindseligen Handlung gegen eine im Inland bestehende Kirche oder Religionsgesellschaft oder gegen eine durch ihre Zugehörigkeit zu einer solchen Kirche oder Religionsgesellschaft, zu einer Rasse, zu einem Volk, einem Volksstamm oder einem Staat bestimmte Gruppe auffordert oder aufreizt, ist mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren zu bestrafen.
2- Ebenso ist zu bestrafen, wer öffentlich gegen eine der im Abs. 1 bezeichneten Gruppen hetzt oder sie in einer die Menschenwürde verletzenden Weise beschimpft oder verächtlich zu machen sucht.

Gesetzestext § 283 neu:

1- Wer öffentlich zu Gewalt oder Hass oder auf eine Weise, die geeignet ist, die öffentliche Ordnung zu gefährden, zu einer sonstigen feindseligen Handlung gegen eine nach den Kriterien der Rasse, der Hautfarbe, der Sprache, der Religion oder der Weltanschauung, der Staatsangehörigkeit, der Abstammung oder
nationalen oder ethnischen Herkunft, des Geschlechts, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung definierte Gruppe von Personen oder gegen ein Mitglied einer solchen Gruppe wegen dessen Zugehörigkeit zu dieser Gruppe auffordert oder aufreizt, ist mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren zu bestrafen.
2- Ebenso ist zu bestrafen, wer öffentlich eine der in Abs. 1 bezeichneten Gruppen in einer die Menschenwürde verletzenden Weise beschimpft oder verächtlich zu machen sucht.

Weitere Beiträge zum Thema Presse- und Meinungsfreiheit:

- Kommentar: Was macht einen Terroristen aus?

- Journalistenclub: Pressefreiheit braucht keine Fesseln

- Kommentar: Journalistische Unabhängigkeit und wirtschaftliche Zwänge

- Kommentar: Für Verantwortung im Journalismus UND Pressefreiheit

- Kommentar: Verbrechen und journalistische Verantwortung

- Deutscher Journalistenverband ortet Bedrohung des Journalistenberufs

- Journalisten sind Lügner, inkompetent und manipuliert

- Claus Gatterer Journalistenpreis geht an Edith Meinhart

- Internationaler Tag der Pressefreiheit 2010

- Reporter ohne Grenzen hilft Journalisten in Not

- dpa-Chef plädiert für Mut und Qualität im Journalismus

- Press Freedom Award für mutigen Journalismus in Russland ausgeschrieben

Montag, 25. Januar 2010, von Elmar Leimgruber

Österreich, Land der rauchenden Kinder – Öffentliches Bewusstein muss sich ändern

Ländervergleich: Rauchen und Trinken; Tabelle der OECD

Österreich ist offenbar ein Schlaraffenland für Raucher, speziell für rauchende Kinder: In keinem anderen OECD-Land ist der Anteil der 15 jährigen Raucher so hoch wie in Österreich, kritisiert die NÖ Gebietskrankenkasse in einer Aussendung. Besonders deutlich ist der Abstand zu anderenLändern bei den Mädchen. Auch die Zeitschrift Profil berichtet, dass im Guinness-Buch der Rekorde Österreich punkto Raucherdichte “Weltmeister” ist – und zwar vor Griechenland und Ungarn. Das “Einstiegsalter” liegt bereits bei elf Jahren!

Daher setzt das österreichische Rauchertelefon (0810 810 013) einen Beratungs- und Vorsorgeschwerpunkt für Jugendliche, um diese Problematik zu thematisieren und individuell Hilfe beim Rauchstopp zu bieten. Denn gerade das Rauchertelefon hat für Jugendliche das ideale Setting: Unkompliziert, ohne Terminvereinbarung und Schwellenangst erfolgt die telefonische, persönliche Beratung durch ausgebildete Psychologinnen der NÖ Gebietskrankenkasse. Und sein Handy hat schließlich jeder Jugendliche stets mit dabei.

Speziell für Jugendliche gibt es einen eigenen Folder, der unter www.rauchertelefon.at bestellt werden kann bzw. zum Download zurVerfügung steht. Darüber hinaus haben die Psychologinnen einen eigenen Leitfaden für die Beratung von Jugendlichen entwickelt, um auf die besonderen Bedürfnisse von jungen Menschen eingehen zu können.

Im Jahr 2009 ist der Anteil der jugendlichen Anrufer (bis 18 Jahre) auf über 30 % angestiegen. Zum Teil handelte es sich um “Testanrufe”, bei denen es vorrangig um Klärung des Angebots und
erste Informationsvermittlung geht (z. B. Hinweis auf die Homepage…). Viele Jugendliche fragen jedoch nach konkreten Tipps und Unterstützung, um das Rauchen zu beenden. Als Motivation dienen Vorteile wie Geldersparnis und körperliche Fitness.

Erreichbar ist das Rauchertelefon, das durch Sozialversicherungsträger, Länder und dem Bundesministerium für Gesundheit getragen wird, von Montag bis Freitag zwischen 13:00 und 18:00 Uhr.

Wen wundert es, dass bereits 11-Jährige zum Glimmstengel greifen, wenn in Österreich Rauchen noch immer als cool und erwachsen gilt. Wenn man in Österreich Rauchverbote als Intoleranz bezeichnet, ist rebellisches Trotzverhalten von Heranwachsenden durchaus verständlich. In kaum einem anderen westeuropäischen Land wird der Tabakkonsum so hofiert, ist man von politischer Seite so “rücksichtsvoll” der Raucherlobby gegenüber und so rücksichtslos Nichtrauchern und Kindern gegenüber und man wagt es nach wie vor nicht, die Zeichen der Zeit zu erkennen, ein generelles Rauchverbot einzuführen.

Schockiert und entrüstet zu sein über rauchende Kinder ist heuchlerisch, und Kindern das Rauchen verbieten zu wollen, hält sie nicht davon ab, es bringt sie nur dazu, es noch heimlicher zu tun: Das öffentliche Bewusstein muss sich ändern: So lange das Rauchen für viele Erwachsene als leider positives Zeichen von Genuss und Freiheit gesehen und bezeichnet wird anstatt für Krebs und Sucht (für die es eigentlich steht), werden auch Kinder an dieser “Genusswelt” teilhaben wollen. Es muss sich daher im öffentlichen Bewusstsein was ändern, Erwachsene müssen wieder mehr positive Vorbilder sein und es muss einfach endlich ein umfassender gesetzlicher Nichtraucherschutz her, auch um jene, die aufhören wollen zu rauchen, darin zu unterstützen.

Sie dazu auch meine früheren Beiträge hier, z.B.: Alles Tabak und Schall und Rauch.

Der OECD-Ländervergleich ist übrigens hier downloadbar.

Samstag, 16. Januar 2010, von Elmar Leimgruber

Über das Monster Mensch

Thomas Müller:
“Bestie Mensch”

In jedem Menschen steckt auch ein Monster: “Derjenige, der noch nie daran gedacht hat, einen anderen umzubringen, der ist mir suspekt”. Damit schockte der prominente Kriminalpsychologe Thomas Müller bereits 2004 in einem Interview mit dem “Falter” anlässlich der Präsentation seines ersten Bestsellers “Bestie Mensch”.

In jedem Mensch steckt ein Sadist, ein Diktator, ein blinder Mitläufer. Dies behauptet nun auch das Wissenschaftsmagazin P.M. in seiner aktuellen Ausgabe. Den Beweis lieferten sogenannte “Monsterstudien”, in denen Psychologen in ausgeklügelten Versuchen die verborgenen Abgründe der menschlichen Natur aufdeckten.

Ihren Höhepunkt fanden laut P.M. die Psychoversuche mit dem Stanford-Prison-Experiment im Jahr 1971 (das übrigens 30 Jahre später verfilmt wurde). Kalifornische Psychologen wollten das Denken und Fühlen von Inhaftierten und ihren Aufsehern ergründen. Es wurden 24 männliche Studenten als Versuchspersonen aus mehr als 70 Bewerbern ausgewählt. Mit heimlichem Münzwurf wurde entschieden, wer Gefangener wurde, wer Wärter. Wen das schlechtere Los traf, wurde ohne Ankündigung verhaftet und in ein extra aufgebautes Gefängnis im Keller des Psychologischen Instituts der Stanford University gesperrt. Statt ihres Namens trugen sie nur noch eine Nummer. Jeden Morgen mussten sie zum Appell aus ihren kleinen Zellen treten.

Jedes Detail stimmte, sogar die Uniformen der Wärter und die Häftlingskleidung. Was dann geschah, schockierte alle. Aus dem Experiment wurde Wirklichkeit. Die Aufseher begannen laut P.M. die zunehmend verängstigten Gefangenen zu quälen, schlugen sie, erniedrigten sie sexuell, ließen sie auf dem nackten Betonboden schlafen. Aus braven Studenten wurden brutale Menschenquäler, weswegen dieses psychologische Experiment auch vorzeitig abgebrochen werden musste.

Ähnlich schaurige Ergebnisse wie die von Stanford Prison brachten auch die Untersuchungen von Stanley Milgram (aus dem Jahr 1974): Als er Freiwillige darum ersuchte, hatten diese keine Bedenken, -und dies ohne äusseren Zwang- andere Menschen auch mit (vermeintlichen) Stromschlägen zu töten. Wie das Journal “American Psychologist” berichtete, hat ein US-Psychologe diesen Milgram-Test übrigens im Jahr 2008 mit Freiwilligen wiederholt und es wurde ihnen vorher mitgeteilt, dass sie jederzeit aussteigen könnten. Auch hier ignorierten zwei Drittel der Testpersonen die Schreie und das Flehen der “Gequälten” und verabreichten ihren Opfern vermeintlich tödliche Stromschläge .

Im Zusammenhang mit dem Skandal um die Folterung und Demütigung irakischer Häftlinge im US-Gefängnis Abu Ghureib war zunächst auch nur von wenigen schwarzen Schaden die Rede. Laut dem Fachmagazin “Science” kommen Sozialpsychologen der Princeton University nach Auswertung von insgesamt 25.000 psychologischen Studien, die acht Millionen Fälle dokumentieren, zum eindeutigen Schluss: Eine strenge Hierarchie und die Duldung durch Vorgesetzte schalte wichtige Kontrollmechanismen in der Psyche aus und dadurch könnten auch sonst “normale” Menschen rasch zu Sadisten und Menschenquälern werden.

Nun, das sind beunruhigend und beängstigende Ergebnisse: Und meine Meinung dazu?

Im Grunde ist der Mensch an sich auf das Gute ausgerichtet und strebt von Natur aus auf das Gute hin. Dennoch gibt es jedem Menschen auch böse Seiten. Und es liegt in der Freiheit des Menschen, sich -auch in Extremsituationen- aktiv und bewusst gegen die Versuchung des Bösen und für das Gute zu entscheiden. Natürlich weiss niemand, wie er sich in gewissen Situationen mit Sicherheit verhalten würde. Aber ich hoffe darauf, dass ich stark genug wäre.

Und was denken Sie darüber? Schreiben Sie mir Ihre Meinung.