Mit ‘Versuchung’ getaggte Artikel

Sonntag, 27. Juni 2010, von Elmar Leimgruber

Macht, Liebe und Versuchung: Kardinal Schönborn zelebrierte Requiem für Hans Dichand

Kardinal Schönborn zelebrierte das Requiem für Hans Dichand
Foto: © Leimgruber

Wer Macht hat, ist mehr als alle anderen versucht, das Wesentliche aus den Augen zu verlieren. Daher gelte es nach dem Tod Hans Dichands die Frage zu stellen: “Wie gehen wir mit der uns anvertrauten Macht um?” fragte Wiens Erzbischof Kardinal Christoph Schönborn beim Requiem im Wiener Stephansdom für den einflussreichsten Medienmacher Österreichs seit Jahrzehnten.

Der am 17. Juni verstorbene Herausgeber der Kronenzeitung habe viel Macht gehabt in einer Zeit, da die vierte Macht im Staat – die Medien – oft zur ersten werde, erklärte Schönborn. Am “Zahltag” beim Tritt vor Gottes Richterthron aber zählten weder vorangegangene Wahltage noch die öffentliche bzw. veröffentlichte Meinung, sondern die nach Paulus entscheidende Frage für ein geglücktes, gottgefälliges Leben: “Hast du geliebt?”

Die Familie Dichand wurde von der Öffentlichkeit abgeschirmt in einer abgedunkelten Limousine vom Stephansplatz weggefahren
Foto: © Leimgruber

Hans Dichand habe seine Frau, seine Kinder, seinen Beruf und seine Zeitung ohne Zweifel sehr geliebt. Und er habe auch das Land Österreich leidenschaftlich geliebt “und oft auch aufgeregt”. Die Seelenmesse sei Ausdruck der christlichen Überzeugung, dass der Tod “nicht Ende, sondern Durchgang” sei, und zugleich Aufforderung, für die Seele dieses “großen, aber gewiss auch umstrittenen Österreichers” zu beten, sagte der Kardinal.

Dichand habe zudem ein gutes Gespür dafür gehabt, dass Religion und Glaube kostbare Sinnressourcen in einer Zeit seien, die diese dringend braucht. Schönborn wies darauf hin, dass der “Krone”-Chef offen für Anliegen der Caritas und Diakonie gewesen sei, und nannte es “nicht selbstverständlich”, dass Dichand dem Evangelium in seiner Zeitung allsonntäglich Platz gab: “Hat es die restlichen Seiten der Zeitung durchsäuert?”, fragte der Erzbischof in Anlehnung an das Bibelwort von Sauerteig und Brot.

Wer sich im Stephansdom ins Kondolenzbuch eintrug, erhielt Sterbebildchen des Verstorbenen

In einer ersten Stellungnahme nach dem Tod des Krone-Chefs hatte der Kardinal Dichand als einen “großen Publizisten und Zeitungsmacher” und als einen, “dem die Menschen mit ihren Sorgen und Freuden ein Anliegen waren,” gewürdigt: “Man musste nicht alle seine Entscheidungen und Vorlieben teilen”, so der Kardinal. “Aber eines stand außer Streit: seine Überzeugung, dass Religion zum Menschen gehört, dass die Geschichte Österreichs ohne die katholische Kirche nicht verständlich ist und dass die Botschaft des Evangeliums eine Antwort auf die Fragen des heutigen Menschen nach dem Woher, Wohin und Wozu des Lebens sein kann,” so der Wiener Erzbischof.

Am Trauergottesdienst für den erfolgreichen Publizisten, der ohne Leichnam stattfand (der Verstorbene war bereits vorher im privaten Kreis beigesetzt worden) und an dem Kameras nicht zugelassen waren, nahmen neben seiner Familie auch zahlreiche Persönlichkeiten aus dem öffentlichen Leben teil, darunter Bundeskanzler Werner Faymann, Aussenminister Michael Spindelegger, Unterrichtsministerin Claudia Schmied, Umweltminister Nikolaus Berlakovich, Gesundheitsminister Alois Stöger, Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl, ORF-Generalintendant Alexander Wrabetz, die Landeshauptleute von Wien (Michael Häupl), Niederösterreich (Erwin Pröll) und Burgenland (Hans Niessl), Hannes Androsch, Ursula Stenzel, Dagmar Koller und Barbara Rosenkranz.

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Samstag, 16. Januar 2010, von Elmar Leimgruber

Über das Monster Mensch

Thomas Müller:
“Bestie Mensch”

In jedem Menschen steckt auch ein Monster: “Derjenige, der noch nie daran gedacht hat, einen anderen umzubringen, der ist mir suspekt”. Damit schockte der prominente Kriminalpsychologe Thomas Müller bereits 2004 in einem Interview mit dem “Falter” anlässlich der Präsentation seines ersten Bestsellers “Bestie Mensch”.

In jedem Mensch steckt ein Sadist, ein Diktator, ein blinder Mitläufer. Dies behauptet nun auch das Wissenschaftsmagazin P.M. in seiner aktuellen Ausgabe. Den Beweis lieferten sogenannte “Monsterstudien”, in denen Psychologen in ausgeklügelten Versuchen die verborgenen Abgründe der menschlichen Natur aufdeckten.

Ihren Höhepunkt fanden laut P.M. die Psychoversuche mit dem Stanford-Prison-Experiment im Jahr 1971 (das übrigens 30 Jahre später verfilmt wurde). Kalifornische Psychologen wollten das Denken und Fühlen von Inhaftierten und ihren Aufsehern ergründen. Es wurden 24 männliche Studenten als Versuchspersonen aus mehr als 70 Bewerbern ausgewählt. Mit heimlichem Münzwurf wurde entschieden, wer Gefangener wurde, wer Wärter. Wen das schlechtere Los traf, wurde ohne Ankündigung verhaftet und in ein extra aufgebautes Gefängnis im Keller des Psychologischen Instituts der Stanford University gesperrt. Statt ihres Namens trugen sie nur noch eine Nummer. Jeden Morgen mussten sie zum Appell aus ihren kleinen Zellen treten.

Jedes Detail stimmte, sogar die Uniformen der Wärter und die Häftlingskleidung. Was dann geschah, schockierte alle. Aus dem Experiment wurde Wirklichkeit. Die Aufseher begannen laut P.M. die zunehmend verängstigten Gefangenen zu quälen, schlugen sie, erniedrigten sie sexuell, ließen sie auf dem nackten Betonboden schlafen. Aus braven Studenten wurden brutale Menschenquäler, weswegen dieses psychologische Experiment auch vorzeitig abgebrochen werden musste.

Ähnlich schaurige Ergebnisse wie die von Stanford Prison brachten auch die Untersuchungen von Stanley Milgram (aus dem Jahr 1974): Als er Freiwillige darum ersuchte, hatten diese keine Bedenken, -und dies ohne äusseren Zwang- andere Menschen auch mit (vermeintlichen) Stromschlägen zu töten. Wie das Journal “American Psychologist” berichtete, hat ein US-Psychologe diesen Milgram-Test übrigens im Jahr 2008 mit Freiwilligen wiederholt und es wurde ihnen vorher mitgeteilt, dass sie jederzeit aussteigen könnten. Auch hier ignorierten zwei Drittel der Testpersonen die Schreie und das Flehen der “Gequälten” und verabreichten ihren Opfern vermeintlich tödliche Stromschläge .

Im Zusammenhang mit dem Skandal um die Folterung und Demütigung irakischer Häftlinge im US-Gefängnis Abu Ghureib war zunächst auch nur von wenigen schwarzen Schaden die Rede. Laut dem Fachmagazin “Science” kommen Sozialpsychologen der Princeton University nach Auswertung von insgesamt 25.000 psychologischen Studien, die acht Millionen Fälle dokumentieren, zum eindeutigen Schluss: Eine strenge Hierarchie und die Duldung durch Vorgesetzte schalte wichtige Kontrollmechanismen in der Psyche aus und dadurch könnten auch sonst “normale” Menschen rasch zu Sadisten und Menschenquälern werden.

Nun, das sind beunruhigend und beängstigende Ergebnisse: Und meine Meinung dazu?

Im Grunde ist der Mensch an sich auf das Gute ausgerichtet und strebt von Natur aus auf das Gute hin. Dennoch gibt es jedem Menschen auch böse Seiten. Und es liegt in der Freiheit des Menschen, sich -auch in Extremsituationen- aktiv und bewusst gegen die Versuchung des Bösen und für das Gute zu entscheiden. Natürlich weiss niemand, wie er sich in gewissen Situationen mit Sicherheit verhalten würde. Aber ich hoffe darauf, dass ich stark genug wäre.

Und was denken Sie darüber? Schreiben Sie mir Ihre Meinung.