Mit ‘Meinungsvielfalt’ getaggte Artikel

Freitag, 23. Mai 2025, von Elmar Leimgruber

Lieber Johannes: Lass uns reden (Offener Brief an JJ)

Sehr geehrter Herr Pietsch
Lieber Johannes (oder lieber JJ?)

Wir kennen uns nicht persönlich: Daher auf diesem Wege:

Ich liebe Ihren Song und bewundere Ihr herausragendes Gesangstalent.

Und ich hoffte insgeheim, dass Sie den ESC gewinnen würden.

Aufgrund der Ähnlichkeit Ihres Songs zum Vorjahres-Sieger-Hit von Nemo zweifelte ich jedoch sehr, dass zwei Jahre in Folge ein doch ähnlicher Song gewinnen könnte. Da mich jedoch Ihre Performance und vor allem ihre aussergewöhnliche Stimme bereits beim ersten Anhören zutiefst berührt hatten, freute ich mich umsomehr, dass Sie dennoch gewonnen haben. Und ich gratuliere Ihnen herzlichst dafür.

Ich war auch begeistert davon, wie klug und intelligent Sie bei der anschliessenden Pressekonferenz auf Journalistenfragen antworteten, sinngemäss zusammengefasst:
Liebe ist nie verschwendet: Wir sollten nur Liebe versprühen, niemals Hass.

Doch -leider- schon wenige Tage später versprühten ausgerechnet Sie Hass gegenüber Israel.

Sie bezeichnen sich doch selbst als queer:
Mal abgesehen davon, dass Israel das einzige demokratische Land im Nahen Osten ist, indem alle queer fühlenden Menschen offen und verfolgungsfrei leben können, während Sie in den benachbarten Ländern (mit denen Sie sich wohl leider ohne nötige Sachkenntnis solidarisieren) wohl froh ein müssten, aufgrund Ihres nicht Heteros-Seins (dort offiziell als Mann einen Mann zum Partner zu haben,  ist in der gesamten islamischen Welt strikt verboten und wird gesetzlich bestraft) und daher “gottlosen Verhaltens” verhaftet,  wenn nicht gar gesteinigt zu werden: Wenn Sie dies nicht glauben, performen Sie doch mal mit Nemo (Ihr problematischer Influenzer?) im Gazastreifen!

Wenn man zudem bedenkt, dass mit Ihnen eine Frau aus Israel beim ESC aufgetreten ist, die nur durch viel Glück jenes grausame Massaker überlebt hat, das Palästinenser (es gibt keinen Staat Palästina, und gäbe es diesen, hiesse er -biblisch betrachtet- “Gelobtes Land” oder “Israel”) an weit über 1000 unschuldigen feiernden Menschen (vor allem Jugendlichen wie Sie) aus Israel verübt haben:

Dass Sie dann, anstatt sich mit einer Gequälten und Gedemütigten und Unterdrückten zu solidarisieren, mit Menschen dort sympathisieren, die nach so langer Zeit immer noch unschuldige Israelis als Geiseln halten, ist -sachlich und objektiv betrachtet- in keinster Weise rechtfertigbar:
Aber abgesehen davon: Der ESC steht für Völkerverständigung, Vielfalt und Toleranz sowie klar gegen Ausgrenzung und Hass.

Auch wenn Ihnen dies nicht bewusst ist: Durch Ihr antiisraelisches  Statement solidarisieren Sie sich indirekt nicht nur mit Terroristen, sondern verhöhnen Sie zudem die über 1200 israelischen Opfer des grausamen islamistischen Massakers und deren Hinterbliebene sowie die noch immer gefangen gehaltenen Geiseln im Gazastreifen.

Selbstverständlich darf man das konkrete Vorgehen der Israelischen Regierung im Gazastreifen sachlich kritisieren (Sie haben aber den Ausschluss Israels vom ESC, von diesem internationalen Musikwettbewerb der Verwöhnung und Liebe gefordert: wurden Sie denn von der österreichischen Regeriung zum ESC gesandt?), aber umsomehr hat Israel umsomehr das Recht, sich gegen den Terror aus dem Gazastreifen mit allen, auch militärischen Mitteln zu wehren, um einerseits die Rückgabe der unschuldigen Geiseln (sie waren musikbegeisterte Festival-Teilnehmer!) zu erzwingen und andererseits die eigene israelische Bevölkerung vor weiteren Angriffen (nach wie vor fliegen Raketen von dort gegen die israelische Zivilbevölkerung und dies wird erst enden, wenn der Terror besiegt ist) zu schützen: Israel führt hier einen Verteidigungskrieg.

Und wenn -neben Ihrer vielleicht problematischen “WIR”-Bubble (befreien Sie sich doch von diesem selbstzerstörerischen Druck, so sein zu müssen, wie man es Ihnen vorgibt, dass Sie politisch als ESC-Sieger sein müssten: die Welt ist weit grösser, vielschichtiger und schöner als Ihre ideologische Wohlfühl-Bubble), selbst FPÖ-Kreise Sie für Ihr antisemitisches Statement loben, sollte Ihnen dies ernsthaft zu denken geben.

Bei allem hochachtungsvollen Respekt vor ihrem musikalischen Talent und Ihrer beeindruckenden jungen vielschichtigen Persönlichkeit:

Ich fürchte, Sie wurden -ohne es zu bemerken- politisch missbraucht.

Daher: Ich halte Sie nach wie vor für einen talentierten, intelligenten und klugen aussergewöhnlichen Künstler.

Aber ich ersuche Sie hiermit -auch in Ihrem eigenen Interesse- sich nicht weiter politisch missbrauchen zu lassen (von wem auch immer), sondern seien Sie eine starke Persönlichkeit (die ich in Ihnen sehe!) und: Gehen Sie selbstbewusst Ihren eigenen Weg, ganz getreu Ihrem Motto: Unendlich Liebe verstreuen, anstatt Hass.

Ich wünsche Ihnen hierfür sehr viel Mut und Kraft:
Denn das, was me ich Ihnen zutraue, schaffen nicht viele. Aber diese Wenigen sind aussergewöhnlich.
Und Ihnen wünsche ich, dass Sie es schaffen.

Alles Liebe und Gute. wünscht Ihnen:

Ihr (sehr wohlmwollender) Elmar Leimgruber

Montag, 23. September 2013, von Elmar Leimgruber

Angela Superstar – Analyse zur Bundestagswahl 2013

Sie hat es also erneut geschafft. Und dies allen Unkenrufen zum Trotz: Angela Merkel ist und bleibt der deutsche Polit-Superstar. Sie wurde mit über 42 Prozent der Stimmen wiedergewählt und wird damit wohl weiter deutsche Bundeskanzlerin bleiben.

Dabei war Merkel noch vor zwei Jahren “totgesagt”: Den Linken war sie zu unsozial, den Bürgerlichen zu wenig wirtschaftsorientiert. Dennoch vertraut ihr inzwischen beinahe die Hälfte der Stimmberechtigten in Deutschland. Warum? Der klugen und ausgewogenen und intelligenten Politik Angela Merkels ist es zu verdanken, dass Deutschland trotz ungeplanten massiven Hilfszahlungen an EU-Pleitestaaten wirtschaftlich nach wie vor relativ gut dasteht und dass sich im europäischen Vergleich auch die Arbeitslosenzahlen sehen lassen können.

Merkels Weg, in schwierigen Zeiten wie der Wirtschaftskrise keine voreilig kurzfristigen und dummen Entscheidungen zu treffen, sondern bedacht und verantwortungsvoll vorzugehen, wird offenbar auch von den Wählern  honoriert, was sehr lobenswert ist. Und Angela Merkel kann man an dieser Stelle nur herzlichst gratulieren zu ihrer intelligenten und letztlich äußerst erfolgreichen Gratwanderung zwischen Willen und Pflicht.

Dass Merkels kleiner Koalitionspartner, die FDP, nun offenbar nicht mehr dem deutschen Bundestag abgehört, ist zwar einerseits tragisch, weil unterschiedliche Parteien nun mal die vielfältigen Standpunkte der Bevölkerung wiedergeben und politischer Pluralismus jedenfalls wünschens- und fördernswert ist. Andererseits aber hat die Führungsspitze der FDP, allen voran Parteichef Philipp Rösler und Spitzenkandidat Rainer Brüderle sich in den letzten Jahren zunehmend der Lächerlichkeit preisgegeben, während der ehemalige Parteichef Guido Westerwelle, dem man zumindest noch Fachkomptenz zutraute, sich -obwohl nach wie vor Außenminister- immer mehr aus der Öffentlichkeit zurückzog. Das panische Ersuchen der Parteispitze in der vergangenen Woche, man möge doch die Zweitstimme der FDP schenken, war dann nur noch ein verletzter verzweifelter Aufschrei.

Doch wie gehts es nun weiter? Auch wenn es sich ausginge, dass aufgrund der Aufsplitterung im Kleinparteiensektor Merkel mit ihrer CDU/CSU-Moalition allein regieren könnte: klug wäre es wohl nicht: Gerade, was die enormen Zahlungen aus Deutschland an so genannte Pleitestaaten betrifft, hat Merkel genügend Andersdenkende auch in der eigenen Partei: Diese Rettungsschirme und sind nun mal nicht längerfristig für jedermann verantwortbar. Dass daher die Alternative für Deutschland (AFD) auf Anhieb deutschlandweit knapp 5 Prozent der Stimmen erhielt, ist also auch nicht verwunderlich. Genau das aber wäre das Problem für Merkel: Sie kann den Menschen in Deutschland nur dann Stabilität und Sicherheit bieten, wenn sie sich auf ihre eigene Regierung verlassen kann: Die Arbeit ihrer Regierung wäre dauerhaft ernsthaft gefährdet, wenn sie sich nicht auf alle ihre Stimmen verlassen kann.

SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück, dessen Leben als hochbezahlter Vortragender künftig um einiges entspannter verlaufen wird, hat vor der Wahl eine Koalitionsregierung mit Merkel ausgeschlossen und tat es auch nach der Wahl, ja empfahl sogar seiner Partei, im Falle einer absoluten Mehrheit für CDU/CSU (bezüglich PKW-Maut kommen da harte Verhandlungen mit der CSU auf Merkel zu), in die Opposition zu gehen. Zumindest unter ihm wird es daher also keine schwarz-rote Koalition in Deutschland geben.

Merkel kann also mit einem anderem noch zu bestimmenden SPD-Vizekanzler eine Regierung bilden, dessen Scheitern (wie vor einigen Jahren auch) schon vorprogrammiert wäre. Oder aber mit den Grünen eine Koalitionsregierung zu bilden. Grünen-Chefin Claudia Roth hat bereits ihr Interesse hierfür bekundet. Und Claudia Roth wäre vermutlich eine gute Vizekanzlerin und Umweltministerin, zumal sich CDU und Grüne auch über den Ausstieg aus der Atomenergie einig sind. Schwarzgrün auf Bundesebene ist jedenfalls überlegenswert. Und Merkel könnte sich auf eine breite Mehrheit im Bundestag verlassen.

Eines ist aber in jedem Fall sicher: Ob Alleinregierung oder Koalition: Mit Angela Merkel ist Deutschland und auch die Europäische Union in stabilen und verlässlichen Händen.

Sonntag, 26. September 2010, von Elmar Leimgruber

Pressefreiheit bedeutet nicht journalistische Willkür

Elmar Leimgruber
Foto: © Leimgruber

Vorausgeschickt: Ja, die Pressefreiheit ist in Gefahr, und zwar nicht nur in irgendwelchen Entwicklungsländern, sondern auch in Europa und hier wie in Italien und in anderen Ländern auch in Deutschland und Österreich. Dies hat in erster Linie wirtschaftliche Gründe, denn rein durch Abonnement-Einnahmen können sich viele Medien nicht finanzieren, wodurch ein problematisches Spannungsfeld zwischen journalistischer Unabhängigkeit und wirtschaftlichen Zwängen entsteht.

Und dann gibt es in jedem Land auch noch so genannte staatsnahe Medien, die von der jeweiligen Regierung kontrolliert werden. So kam in Österreich unter der schwarz-blauen Regierung ein “schwarzer” Chefredakteur an die Spitze der “Wiener Zeitung” und wurde prompt von einem “roten” abgelöst, als der rote Faymann Bundeskanzler wurde. Und beim ORF ging es seit der letzten rot-schwarzen Regierung noch weit unverfrorener her:

In der schwarz-blauen-orangen Regierungszeit wurde nur versucht, ein gewisses politisches “Gleichgewicht” der einzelnen Parlaments-Parteien im ORF herzustellen, was jene Leute im ORF, die es gewohnt waren, politisch immer nur unter ihresgleichen zu sein, verstörte und die SOS ORF gegen die vermeintliche politische Vereinnahmung des ORF ins Leben rufen liess.

Was hingegen seit der Regierung des roten Kanzlers Faymann im ORF vor sich geht, hat mit Meinungsvielfalt und Demokratie nichts mehr gemeinsam: Nicht nur, dass er -wie berichtet- alle ihm -leider- per Gesetz zustehenden Publikumsräte ausschliesslich aus den Reihen seiner Partei der SPÖ rekruitierte, und damit das Sehervotum nicht nur ignorierte, sondern im Nachhinein zu seinem Vorteil manipulierte (und ich höre nach wie vor niemanden im ORF und kaum wen ausserhalb, der gegen eine solch haarsträubende politische Einflussnahme und Umfärbung auftritt), sondern alle wichtigen Umbesetzungen der Spitzenfunktionen der letzten Monate waren SPÖ-Sympatisanten. Gegen solche Vorgänge und Einmischungen müssten Journalisten und ihre Standesvertretungen protestieren, das passiert aber leider nicht. Es scheint fast, es herrscht chronische Blindheit auf dem einen Auge. Bezüglich ORF und Politik stehe ich übrigens nach wie vor (wenn ein politisch unabhängiger ORF schon nicht möglich und offenbar auch nicht erwünscht ist) für einen ORF, in dem alle Parlamentsparteien je nach ihrer Stärke vertreten sind.

Und dann gibts in Österreich noch die “Kronenzeitung”, die sich offenbar nicht zu schade dafür ist, nach den Treueschwüren der SPÖ-Spitze vor einiger Zeit dem Medium gegenüber, derlei aktiv Parteipropaganda für die SPÖ zu betreiben, dass deren Funktionäre schon gebeten wurden, der “Krone” passende Promotion-Artikel zukommen zu lassen.

Also nein: Es herrscht nicht wirklich Pressefreiheit, wenn reichweitenstärkste Medien eines Landes (ORF, “Krone”, “Österreich” und in letzter Zeit vermehrt auch “heute”) wohlwollende Hofberichterstattung für die SPÖ liefern (müssen). Und dies ist der eigentliche Skandal: dass das Medien- und Machtimperium in Österreich vor allem von einer einzigen Partei kontrolliert wird: der SPÖ.

Aber derzeit gegen die Wogen hoch im Zusammenhang mit zwei konkreten Rechts-Fällen, wo manche Journalisten ihre Befürchtung bestätigt sehen, dass die Pressefreiheit in Gefahr ist. Dabei handelt es sich hier um zwei grundunterschiedliche Ereignisse:

Im ersten Fall hatte vor einigen Tagen die Oberstaatsanwaltschaft Wien Journalisten der Nachrichtenmagazine “profil” und “News” im Rahmen einer Beschuldigteneinvernahme vernommen, weil diese aus dem Gerichtsdossier in der Causa “Hypo Alpe-Adria” berichtet hatten, was jedoch in Österreich nicht strafbar ist. Weil es hierbei aber um einen “Tatbestand” in Deutschland handelt, hatte die Staatsanwaltschaft München aber die Einvernahme der österreichischen Journalisten in Wien verlangt.

Bei allem Verständnis dafür, dass die Justiz -zu Recht- ein berechtigtes Problem mit eigenen “Maulwürfen” hat: Erstens ist das Zitieren aus Gerichtsakten in Österreich nicht strafbar und zweitens gilt das Redaktionsgeheimnis verbunden mit dem Schutz der jeweiligen Informanten. Es ist ist Aufgabe der Justiz, ihre “2undichten Stellen” selbst ausfindig zu machen und nicht Journalisten damit zu quälen. Geschieht es dennoch, handelt es sich auch für mich eindeutig um eine Gefährdung der Pressefreiheit.

Im zweiten Fall hatte bereits vor Monaten die “Am Schauplatz”-Redaktion des ORF eine Dokumentation über Skinheads vorbereitet und diese offenbar zu einer Veranstaltung von FPÖ-Chef Strache gebracht. Und hier stehen nun Aussage gegen Aussage: Strache behauptete, dass Redakteure die Skinheads zur Naziparolen anstifteten und erstattete Anzeige wegen “Wiederbetätigung”. Der ORF stellte sich schützend hinter seine Redakteure, die ihre Unschuld beteuerten. Die Staatsanwaltschaft forderte daraufhin sofort die Herausgabe des gefilmtes Materials. Erst viele Stunden später und erst am nächsten Tag übergab der ORF einen Teil des Filmmaterials. Der ORF verklagte daraufhin Strache.

Jetzt Monate später wurde mitgeteilt, dass laut einem Gutachter auf dem abgegebenen Filmmaterial keine Manipulationen erkennbar sind. Und wenige Tage später hob das Parlament die Immunität des FPÖ-Chefs auf, um ein Gerichtsverfahren gegen ihn eröfffnen zu können. Und in Folge wurde vom ORF durch Beschluss des OLG Wien auch die Herausgabe des restlichen Filmmaterials gefordert.

Der Aufstand des ORF und weiterer Medien war gross und man ortete einen schwerwiegenden Angriff gegen die Pressefreiheit und das Redaktionsgeheimnis.

Aber hier kann ich beim besten Willen nicht mit: Es überrascht und mich und erfüllt mich mit Sorge, dass ausgerechnet auch jene journalistischen Kollegen, die bei politischen Gegnern dauernd der Justiz Untätigkeit vorwerfen, wenn sie vermutliche “Skandale” über diese aufgedeckt haben, jetzt “Skandal” und “Rettet die Pressefreiheit” schreiben. Wäre ihr Gerechtigkeitssinn so ausgeprägt, wie sie ihn für sich selbst gern beanspruchen und einfordern, müssten sie auch in diesem konkreten Fall entschieden für die volle Aufklärung eintreten, schon ihrer eigenen Glaubwürdigkeit wegen:

Wenn mir als Journalist ein Politiker unverfroren vorwirft, ich manipuliere, dann lege ich mein Material sofort und vollständig und freiwillig vor Zeugen offen und überführe ihn der Verleumdung. Und das ist meines Erachtens in diesem Fall der einzig richtige Weg, wenn man “unschuldig” ist. Die “Am Schauplatz”-Redaktion und mit ihr der ORF haben sich hingegen für einen Weg entschieden, der Vertuschung vermuten lässt. Sich hier auf das Redaktionsgeheimnis und die Pressefreiheit zu berufen, klingt zumindest nach einer billigen Ausrede, weil man (zu Recht?) nicht zu dem stehen kann, was man als Journalist tut.

Und dass in diesem Fall auch noch durch Anzeige des ORF die Immunität eines Abgeordneten aufgehoben wurde, um ein gerichtliches Verfahren zu ermöglichen, kommt erschwerend dazu. Wie soll man ein Verfahren gegen wen führen können, wenn die Beweismittel nicht verwendet werden dürfen?

In diesem Fall bezüglich dieser so genannten “Skinhead-Affäre” halte ich den Schrei nach dem Schutz der Pressefreiheit nicht nur für eine Überreaktion, sondern für vollkommen unangebracht und unberechtigt. Hier sollen die Redakteure zu dem stehen, was sie produziert haben; das hätten sie sofort und ohne gerichtliches Urteil machen sollen, schon um ihre -sofern es diese gibt- Unschuld zu beweisen.

Ich bin hier für eine lückenlose und vollständige Aufklärung der Causa, und zwar ohne irgendwelche politischen oder sonstigen Rücksichten, weder auf Strache, noch auf die betreffende Redaktion.

Und obwohl ich in diesem Fall keinerlei Verletzung weder des Redaktionsgeheimnisses noch der Pressefreiheit feststellen kann, aber im zuerst genanntenFall sehr wohl und weil die Pressefreiheit ein unersetzbarer Wert für die demokratische Gesellschaft darstellt, nehme ich auch am einmaligen Krisen-Journalistentreff am Montag Abend teil, um mit besorgten Kolleginnen und Kollegen Massnahmen gegen die Aushöhlung der Pressefreiheit zu diskutieren.

Übrigens: es sollte zwar selbstverständlich sein, aber ich erinnere dennoch daran: Als Journalist tragen wir eine grosse Verantwortung: nicht nur nur dem Chefredakteur oder dem Verleger gegenüber, sondern vor allem uns selbst und den Menschen gegenüber, für die wir berichten, und natürlich auch jenen gegenüber, über die wir recherchieren. Dessen sollten wir uns immer bewusst sein.

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- Deutsche Bundeskanzlerin Merkel plädiert für Pressefreiheit (Info)

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Donnerstag, 7. Januar 2010, von Elmar Leimgruber

Weissrussland startet Grossoffensive gegen das Internet

Die weissrussische Regierung plant offenbar, das Internet stärker zu überwachen. Dies berichtet Reporter ohne Grenzen (ROG). Demnach bestätigte Präsident Alexander Lukaschenko am 30. Dezember, dass seine Regierung letzte Details eines entsprechenden Gesetzentwurfs ausarbeitet.

In einem Land, in dem freie Meinungsäußerung jetzt schon eingeschränkt werde, gefährdeten die Regierungspläne die freie Rede im Internet und das Recht, Meinungen anonym und ohne Angst vor Repressionen kundzutun, kritisiert ROG. Nachdem das Regime fast sämtliche traditionellen Medien unter seine Kontrolle gebracht habe, starte es nun eine Offensive gegen die Neuen Medien.

Das Gesetz sieht laut ROG vor, sämtliche Online-Publikationen meldepflichtig und jeden Internet-Nutzer identifizierbar zu machen – sowohl in Internet-Cafés als auch in Privathaushalten. Kunden von Internet-Cafés müssten ihre Ausweise vorzeigen, um online gehen zu können. Internetdienstanbieter wären verpflichtet, persönliche Daten aus den Ausweispapieren der Polizei und den Gerichten zugänglich zu machen sowie speziellen Dienststellen, die in Weißrussland alle veröffentlichten Nachrichten beobachten. Beinhaltet eine Seite Material, das von der Regierung als „extremistisch“ eingestuft wird, könnten Provider auch ohne Gerichtsbeschluss gezwungen werden, die Seite zu blockieren. Zudem müsse jede Website in einem speziellen Verfahren registriert werden, das noch vom Kabinett und von einer direkt dem Büro des Präsidenten unterstellten Zentrale für Operationen und Analysen”, zu bestimmen ist. Die Behörde würde zudem für die Überwachung der Seiteninhalte zuständig, erläutert ROG die Pläne der weissrussischen Regierung.

“Das Gesetzesvorhaben sollte aufgegeben werden, sonst wird Weißrussland bald zusammen mit Ländern wie Nordkorea, China und Iran auf der ROG-Liste der ‚Feinde des Internets’ stehen”, kündigt Reporter ohne Grenzen an. Weißrussland falle bereits jetzt in die Gruppe jener Länder, die bei ROG “unter Beobachtung” stehen, da es dort nur einen Internetdienstanbieter gebe („Beltelekom“) und Websites von Oppositionsgruppen schon derzeit bei großen politischen Anlässen blockiert würden. Besitzer von Internetcafés seien zudem bereits nach einer Verordnung vom Februar 2007 dazu verpflichtet, die Polizei über Kunden zu informieren, die “sensible” Seiten besuchen. Sie müssten außerdem Aufzeichnungen über sämtliche, in den vergangenen zwölf Monaten von einzelnen Computern aufgerufene Websites aufbewahren und auf Nachfrage der Polizei zugänglich machen, erklärt ROG.

Als freier Journalist beunruhigen mich solche Entwicklungen zutiefst, wobei im Zusammenhang mit möglichem Terror seit Jahren auch im sogenannten freien Westen immer mehr unternommen wird, um freie Meinungsäusserung im Internet einzuschränken.

Presse- und Meinungsfreiheit und echte Meinungsvielfalt sind hohe Güter, die um jeden Preis geschützt werden müssen.