Mit ‘Kultur’ getaggte Artikel

Samstag, 14. Juni 2003, von Elmar Leimgruber

Stelldichein in Meran: Charly Chaplin, Lorin Maazel, Mischa Maisky und Emma Kirkby

Das Philharmonia Orchestra London unter der Leitung von Lorin Maazel, das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks unter Paavo Järvi und das Israel Philharmonic Orchestra unter Zubin Metha sind nur einige wenige Höhepunkte der diesjährigen Meraner Musikwochen, die vom 26. August bis zum 26. September im Südtiroler Edel-Kurort Meran stattfinden. Ebenfalls unter anderem live in Meran zu erleben: The Academy of St.Martin in the Fields, die Tschechische Philharmonie, die Prager Symphoniker, das Russian National Orchestra und I Virtuosi Italiani unter der Leitung des Weltklasse-Cellisten Mischa Maisky.
Auch Freunde von authentischer Barockmusik kommen voll auf ihre Kosten. Die britische Sopranistin Emma Kirkby, die sich vor allem in Aufnahmen mit der Academy of Ancient Music von Christopher Hogwood einen internationalen Namen gemacht hat, tritt in Meran mit geistlichen Werken Händels und Vivaldis auf. Es begleitet sie London Baroque.
Charly Chaplin ist gemeinhin bestens bekannt als politischer Komiker und Schauspieler. Die wenigsten hingegen wissen, dass dieser Regisseur, der sich lange Zeit hindurch dem Tonfilm verweigerte, auch den Großteil der Melodien zu seinen Stummfilmen selbst komponierte. Der Original Score (Filmmusik) zu seinem zeitlosen Streifen “Modern Times” wird vom Filmorchester Babelsberg in Meran live gespielt als Begleitung zum gleichnamigen Chaplin-Film. Hier handelt es sich zweifellos um einen der Höhepunkte der diesjährigen Meraner Festwochen.
Andreas Cappello, dem Intendanten der Meraner Festwochen ist es demnach auch in diesem Jahr gelungen, ein qualitativ hochwertiges und abwechslungsreiches Programm zusammenzustellen. Nähere Infos und Tickets gibt’s auf der Homepage der: Meraner Musikwochen

Mittwoch, 28. Mai 2003, von Elmar Leimgruber

Hogwood mit der Academy of Ancient Music: Excellent, very excellent!

Ein Konzert der absoluten Superlative war am 27. Mai in St. John’s Smith Square in London zu erleben: Die Academy Of Ancient Music spielte auf historischen Instrumenten unter der Leitung ihres Gründers Christopher Hogwood Werke von Mozart und Haydn.
Mozarts Symphonie Nr. 25 wirkte ungewohnt hart, “aggressiv” und feierlich, während Haydns “Surprise”-Symphonie edler, spannender und eleganter niemals klingen könnte.
Der Solist des Abends, Christophe Coin, bewies, dass er nicht nur in Studioeinspielungen hervorragend treffsicher und seinem Instrument, dem Cello herrliche Klänge zu entlocken vermag, sondern dies -vielleicht noch besser- live vor Publikum.
Kurz zusammengefasst: ein herrlicher Konzertabend, von dem ich wohl noch länger zehren werde.
P.S.: Ein Hinweis für alle, die jetzt Christopher Hogwood auch mal live hören möchten: Im dem Konzert anschliessenden Gespräch verriet mir der Maestro, dass er im kommenden Jahr nach Wien kommen und da das Wiener Kammerorchester dirigieren wird. Sein eigenes Orchester hingegen wird bereits am 10. August im Theater an der Wien gastieren. Unter der Leitung von Paul Goodwin werden Werke von Beethoven zur Aufführung gebracht.
In das Haydn-Cellokonzert mit Christophe Coin und unter der Leitung von Christopher Hogwood kann HIER reingehört werden.

Sonntag, 25. Mai 2003, von Elmar Leimgruber

Prom Praise in London: Mal was ganz anderes!

Die Royal Albert Hall, jenes rundliche Gebäude, in dem schon aussergewöhnlichste Musikereignisse stattfanden, beispielsweise Liveauftritte von Deep Purple gemeinsam mit dem Royal Philharmonic Orchestra (und erst vor ein paar Jahren mit dem London Symphony Orchestra), oder wo Robbie Williams kürzlich die Fachwelt davon überzeugte, dass ihm durchaus aus Swing im Blut liegt, in dieser historischen Halle stand am 24. Mai geistliche Musik auf dem Programm.
Unter dem Motto “Prom Praise” gastierte das Londoner All Souls Orchestra unter der Leitung von Noel Tredinnick. Special Guest war die amerikanische Saengerin Crystal Lewis.
Crystal Lewis hat eine beeindruckende Stimme, die der Withney Houston sehr ähnelt, wenn auch Chrystal noch um einiges klarer singt und durch ihre unverwechelbare Art innerlich aufzurütteln und zu bewegen vermag.
Zur Aufführung gelangen einige wenige Instrumentalaufnahmen -darunter das bekannte “Exodus”-Thema aus der Feder von Ernest Gold- aber vor allem klassische geistliche Lieder. Dabei legte der Veranstalter, Langham Arts Trust, St. Pauls Church, Wert darauf, dass es sich bei diesem Abend um einen Gottesdienst, um einen Lobpreis Gottes handelte. So betete “Missionar” Richard Bewes auch am Ende des Abends nicht nur um Frieden unter den Völkern, sondern auch fuer alle Kirchen und deren Leiter.
Alles in allem ein sehr bewegender und schöner Konzertabend.

Freitag, 18. April 2003, von Elmar Leimgruber

Beethoven unter Hogwood: Bewegend und präzise (CD-Besprechung)

Herrlich dynamisch, präzise und bewegend ist diese Gesamtaufnahme der Symphonien von Beethoven unter der Leitung von Christopher Hogwood. Das Orchester The Academy Of Ancient Music spielt auf historischen Instrumenten, und dies einmalig schön. Ich habe etwa 10 verschiedene Aufnahmen der Beethoven-Symphonien, diese hier ist für mich eindeutig die bewegendste, die von Barenboim mit der Staatskapelle Berlin die spirituellste, die mit Klemperer und dem Philharmonia Orchestra die tiefste.

Freitag, 14. März 2003, von Elmar Leimgruber

Ein nicht wirklich musikalisches Feuerwerk

Ein nicht wirklich musikalisches Feuerwerk könnte man die derzeit am Wiener Burgtheater zur Aufführung gelangende musikalische Komödie “Das Feuerwerk” von Erik Charell, Paul Burkhard und Jürg Amstein nennen. Dieses wird nämlich tatsächlich bereits im ersten Akt im wahrsten Sinne des Wortes ertränkt durch das mangelnde gesangliche Talent der Schauspieler. Einzige lobenswerte Ausnahmen: Robert Meyer, der in jeder Rolle -gesanglich wie schauspielerisch- brilliert, sowie Peter Matic, dem die Rolle des nur teilweise dauererkälteten Onkel Gustav auf den Leib geschrieben ist.
Zum Inhalt: Der Vater (Florentin Groll) feiert seinen 60. Geburtstag und lädt dazu seine Geschwister samt Gatten ein – mit einer Ausnahme: “das schwarze Schaf” der Familie, Alexander Obolski (Robert Meyer). Dieser ist entgegen der strengen Tradition der “gehobenen” Familie Zirkusdirektor, der sein Leben in vollen Zügen genießt. Welch ein Familienkrach ist da nicht vorprogrammiert, wenn dieser zur Feier auftaucht und ausgerechnet die “brave” Tochter des Hauses (Mareike Sedl) Feuer und Flamme für den Zirkus und seine “Freiheit” wird und gar noch beschließt, mit dem “schwarzen” Onkel von dannen zu ziehn…
Was hier vielverprechend beginnt, findet im Theaterstück keine wirkliche Fortsetzung und erst recht keine Lösung. Am Ende bleibt Ernüchterung. Vor allem sollten in einer musikalischen Komödie auch wirklich musikalische Schauspieler vertreten sein. Nur Robert Meyers schauspielerische und gesangliche Höchstleistung vermag es, der Aufführung doch noch was Positives abzugewinnen…

Mittwoch, 12. März 2003, von Elmar Leimgruber

Ein sinnvoller Genuss: Die West Side Story an der Volksoper Wien

Martina Dorak und Stephan Daundry: das neue Traumpaar des Musicals? Erlebt man sie gemeinsam als Maria und Tony im Musical “West Side Story” von Leonard Bernstein an der Wiener Volksoper schmelzen die Liebesherzen und erheben sich die humanistischen Herzen: Ein musikalisch wie schauspielerisch einmaliges Erlebnis!

Angesichts drohender Kriege in weltpolitischer Hinsicht wirken die endringlichen Worte der – natürlich ungehörten- Warnung vor Gewalt Rudolf Wasserlofs als “Doc” umso ernsthafter und inniger. Wer das Schwert ergreift, wird durch das Schwert umkommen, heisst es schon in der Bibel. Und so ergeht es auch den verfeindeten Banden an der West Side: Eingeborene gegen Puertoricaner und umgekehrt. Man erinenrt sich an Romeo und Julia von Shakespeare, aber auch an oscarnominierten Streifen “Gangs Of New York” (ebenfalls Hass und Gewalt zwischen Eingeborenen und Einwanderern) von Martin Scorzese, der gerade in unseren Kinos läuft. Wie zeitlos doch manche Themen sind…

Ganz großes Lob an das Team der Volksoper für diese mustergültige Interpretation der West Side Story, allen voran an Birgit Meyer (Dramaturgie) und an Anne Marie Gros (Choreographie).

Dieses Werk (Dialoge in deutsch, übersetzt vom wunderbaren kürzlich verstorbenen Marcel Prawy, Musik in englisch) ist genau so, wie es an der Volksoper aufgeführt wird, nicht zu übertreffen und ein absolutes Muss für jeden Musical-, ja überhaupt für jeden Freund guter Musik, herrlicher Balletteinlagen, wie man sie eben von der Volkoper kennt…

Montag, 24. Februar 2003, von Elmar Leimgruber

Gounods “Cäcilienmesse” unter Markevitch: Ein Meisterwerk an spiritueller Tiefe (CD-Besprechung)


Diese Einspielung aus den 60er Jahren ist zwar technisch keinesfalls einwandfrei. Zudem hat Irmgard Seefried zuweilen etwas Probleme, nach “oben” zu springen. Dennoch gibt es meines Erachtens keine bessere Aufnahme der Cäcilienmesse von Charles Gounod wie diese mit der Tschechischen Philharmonie unter Igor Markevitch:

Es gibt wenige Dirigenten, die besonders bei geistlicher Musik das entsprechende Einfühlungsvermögen und auch selbst die nötige Spiritualität besitzen, geistliche Musik “authentisch” zu interpretieren. Bei Brahms ist dies Daniel Barenboim (Markevitchs Schüler in jungen Jahren), bei Verdi und Mozart ist dies Carlo Maria Giulini, und bei Gounod ist dies eben Igor Markevitch: Die Seele öffnet sich und macht sich bereit für das Übernatürliche, für Gott, vor allem beim Hören des Benedictus.

Hier können Sie in diese Jahrhundertaufnahme hineinhören, sich selbst Ihre Meinung darüber bilden und bei Gefallen sich die CD auch gleich downloaden bzw. bestellen:

Mittwoch, 5. Februar 2003, von Elmar Leimgruber

Brahms-Requiem: Barenboim, die Himmelsleiter (CD-Besprechung)

Obwohl ich bereits drei Aufnahmen dieses Werkes von Brahms hatte, wollte ich beim günstigen Preis doch nochmal “zuschlagen”, ohne allzugrosse Erwartungen zu haben.
Aber Barenboim hat in mir wieder mal Gänsehaut erzeugt und ich glaubte, das “Deutsche Requiem” von Brahms (mit dem London Philharmonic Orchestra, Daniel Barenboim, Edith Mathis und Dietrich Fischer-Dieskau) das allererste Mal zu hören, als ich den CD-Player mit der neuerworbenen CD bestückte. Die Aufnahme aus dem Jahr 1972 ist trotz einiger musikalischer Unfeinheiten (die ich hier gern und bewusst übersehe) eine mustergültige und vorbildliche Interpretation dieses Werks:
Barenboim holt alles aus Orchester, Chor und Solisten heraus, was nur irgendwie möglich ist. Besonders Edith Mathis beweist hier wieder mal, wie authentisch sie gerade in der Interpretation geistlicher Musik sein kann. Ingesamt betrachtet empfehle ich diese CD allen, die Wert auf geistliche und tiefgehende Interpretation legen und die -wie Barenboim- ein Gespür dafür haben, dass es Musik gibt, die das rein Menschliche übersteigt und die eine Art Himmelleiter ist, sofern sie autehntisch interpretiert wird. Genau dies ist bei dieser Aufnahme mit Barenboim der Fall.
Nicht gefallen dürfte diese Aufnahme hingegen jenen, die sich einmal jährlich sich zur Feier des Festes und aus Tradition ein “geistliches” Konzert gönnen und sich erwarten, dass eh alles an der Oberfläche bleibt und nicht innerlich berührt.
Hier können Sie in diese meisterhafte Interpretation reinhören.

Samstag, 1. Februar 2003, von Elmar Leimgruber

Barenboim oder wie das Leben so spielt

Manchmal heiter, manchmal bewölkt, manchmal stürmisch bewegt, manchmal leicht schwebend, manchmal zu Boden gedrückt, manchmal hart und manchmal weich: ganz so wie das Leben mit uns spielt und wir es “spielen”, ganz so klingt Schumanns 4. Symphonie, wenn sie Daniel Barenboim dirigiert. Und auch dieses Werk wirkte einerseits widersprüchlich im guten Sinn, andererseits voll harmonisch und dann wieder zutiefst innerlich bewegend und erregend.
Bereits den vieren Tag hintereinander traten Barenboim und die Staatskapelle Berlin am 31. Januar im Wiener Musikverein auf. Und siehe da: Keine Spur von Müdigkeit, eher noch Steigerung an musikalischer Intensität und Schärfe gabs zu höeren, ja zu erleben.
Fast wagnerianisch klang so auch die 4. Symphonie von Brahms, die im zweiten Teil des Konzerts erklang. Ein grossartiges Musikerlebnis.
In diese Symphonie mit dem CSO unter der Leitung von Barenboim kann hier reingehört werden.

Freitag, 31. Januar 2003, von Elmar Leimgruber

Barenboim am Dirigentenpult oder wie Musik zum Gottesdienst wird

Schumanns ist ansonsten nicht ganz meine Musik. Doch wenn dessen 3. Symphonie so interpretiert wird, wie am 30. Januar 2003 von der Staatskapelle Berlin unter Daniel Barenboim im Wiener Musikverein, dann bin ich dazu verleitet, gar noch ein Freund Schumanns zu werden:
Herrlich bewegt und erhebend war der Kulturgenuss an diesem Abend und wie schon am 28.1. schmolz auch an diesem Abend jegliches winterliches Eis zugunsten eines frischen starken Frühlings. Da überhört man gern die eine oder andere technische Unebenheit und Ungenauigkeit gegen Ende des Finalsatzes der Schumann-Symphonie.
Brahms 3. Symphonie im zweiten Teil des Konzerts war wiederum ein geistlicher Hochgenuss, ja mehr noch: je länger ich nach den passenden Worten ringe, um das zu beschreiben, was Barenboim in mir aus- und auflöst, desto sicherer werde ich mir: ihm zu lauschen und sich auf ihn einzulassen kommt einem Gottesdienst nahe. Oder wie mir der unvergessene italienische Dirigent Carlo Maria Giulini vor einigen Jahren in einem Interview sagte: Musik und Gott, Musik und Glauben sind eins. In Barenboim scheint diese Wahrheit Fleisch geworden zu sein…
In die Brahms Symphonie Nr.3 mit dem Chicago Symphony Orchestra unter Barenboim kann hier reingehört werden.