Mit ‘Kultur’ getaggte Artikel

Freitag, 23. Mai 2025, von Elmar Leimgruber

Lieber Johannes: Lass uns reden (Offener Brief an JJ)

Sehr geehrter Herr Pietsch
Lieber Johannes (oder lieber JJ?)

Wir kennen uns nicht persönlich: Daher auf diesem Wege:

Ich liebe Ihren Song und bewundere Ihr herausragendes Gesangstalent.

Und ich hoffte insgeheim, dass Sie den ESC gewinnen würden.

Aufgrund der Ähnlichkeit Ihres Songs zum Vorjahres-Sieger-Hit von Nemo zweifelte ich jedoch sehr, dass zwei Jahre in Folge ein doch ähnlicher Song gewinnen könnte. Da mich jedoch Ihre Performance und vor allem ihre aussergewöhnliche Stimme bereits beim ersten Anhören zutiefst berührt hatten, freute ich mich umsomehr, dass Sie dennoch gewonnen haben. Und ich gratuliere Ihnen herzlichst dafür.

Ich war auch begeistert davon, wie klug und intelligent Sie bei der anschliessenden Pressekonferenz auf Journalistenfragen antworteten, sinngemäss zusammengefasst:
Liebe ist nie verschwendet: Wir sollten nur Liebe versprühen, niemals Hass.

Doch -leider- schon wenige Tage später versprühten ausgerechnet Sie Hass gegenüber Israel.

Sie bezeichnen sich doch selbst als queer:
Mal abgesehen davon, dass Israel das einzige demokratische Land im Nahen Osten ist, indem alle queer fühlenden Menschen offen und verfolgungsfrei leben können, während Sie in den benachbarten Ländern (mit denen Sie sich wohl leider ohne nötige Sachkenntnis solidarisieren) wohl froh ein müssten, aufgrund Ihres nicht Heteros-Seins (dort offiziell als Mann einen Mann zum Partner zu haben,  ist in der gesamten islamischen Welt strikt verboten und wird gesetzlich bestraft) und daher “gottlosen Verhaltens” verhaftet,  wenn nicht gar gesteinigt zu werden: Wenn Sie dies nicht glauben, performen Sie doch mal mit Nemo (Ihr problematischer Influenzer?) im Gazastreifen!

Wenn man zudem bedenkt, dass mit Ihnen eine Frau aus Israel beim ESC aufgetreten ist, die nur durch viel Glück jenes grausame Massaker überlebt hat, das Palästinenser (es gibt keinen Staat Palästina, und gäbe es diesen, hiesse er -biblisch betrachtet- “Gelobtes Land” oder “Israel”) an weit über 1000 unschuldigen feiernden Menschen (vor allem Jugendlichen wie Sie) aus Israel verübt haben:

Dass Sie dann, anstatt sich mit einer Gequälten und Gedemütigten und Unterdrückten zu solidarisieren, mit Menschen dort sympathisieren, die nach so langer Zeit immer noch unschuldige Israelis als Geiseln halten, ist -sachlich und objektiv betrachtet- in keinster Weise rechtfertigbar:
Aber abgesehen davon: Der ESC steht für Völkerverständigung, Vielfalt und Toleranz sowie klar gegen Ausgrenzung und Hass.

Auch wenn Ihnen dies nicht bewusst ist: Durch Ihr antiisraelisches  Statement solidarisieren Sie sich indirekt nicht nur mit Terroristen, sondern verhöhnen Sie zudem die über 1200 israelischen Opfer des grausamen islamistischen Massakers und deren Hinterbliebene sowie die noch immer gefangen gehaltenen Geiseln im Gazastreifen.

Selbstverständlich darf man das konkrete Vorgehen der Israelischen Regierung im Gazastreifen sachlich kritisieren (Sie haben aber den Ausschluss Israels vom ESC, von diesem internationalen Musikwettbewerb der Verwöhnung und Liebe gefordert: wurden Sie denn von der österreichischen Regeriung zum ESC gesandt?), aber umsomehr hat Israel umsomehr das Recht, sich gegen den Terror aus dem Gazastreifen mit allen, auch militärischen Mitteln zu wehren, um einerseits die Rückgabe der unschuldigen Geiseln (sie waren musikbegeisterte Festival-Teilnehmer!) zu erzwingen und andererseits die eigene israelische Bevölkerung vor weiteren Angriffen (nach wie vor fliegen Raketen von dort gegen die israelische Zivilbevölkerung und dies wird erst enden, wenn der Terror besiegt ist) zu schützen: Israel führt hier einen Verteidigungskrieg.

Und wenn -neben Ihrer vielleicht problematischen “WIR”-Bubble (befreien Sie sich doch von diesem selbstzerstörerischen Druck, so sein zu müssen, wie man es Ihnen vorgibt, dass Sie politisch als ESC-Sieger sein müssten: die Welt ist weit grösser, vielschichtiger und schöner als Ihre ideologische Wohlfühl-Bubble), selbst FPÖ-Kreise Sie für Ihr antisemitisches Statement loben, sollte Ihnen dies ernsthaft zu denken geben.

Bei allem hochachtungsvollen Respekt vor ihrem musikalischen Talent und Ihrer beeindruckenden jungen vielschichtigen Persönlichkeit:

Ich fürchte, Sie wurden -ohne es zu bemerken- politisch missbraucht.

Daher: Ich halte Sie nach wie vor für einen talentierten, intelligenten und klugen aussergewöhnlichen Künstler.

Aber ich ersuche Sie hiermit -auch in Ihrem eigenen Interesse- sich nicht weiter politisch missbrauchen zu lassen (von wem auch immer), sondern seien Sie eine starke Persönlichkeit (die ich in Ihnen sehe!) und: Gehen Sie selbstbewusst Ihren eigenen Weg, ganz getreu Ihrem Motto: Unendlich Liebe verstreuen, anstatt Hass.

Ich wünsche Ihnen hierfür sehr viel Mut und Kraft:
Denn das, was me ich Ihnen zutraue, schaffen nicht viele. Aber diese Wenigen sind aussergewöhnlich.
Und Ihnen wünsche ich, dass Sie es schaffen.

Alles Liebe und Gute. wünscht Ihnen:

Ihr (sehr wohlmwollender) Elmar Leimgruber

Montag, 25. März 2024, von Elmar Leimgruber

Bühne Baden versenkt die Titanic (Kulturkritik)

Der wahre Stolz der Kreuzfahrt-Flotte, der auf seiner Jungfernfahrt einen Eisberg rammt und  in den Tiefen des Meeres versinkt:
Wie bringt man diesen Inhalt auf die Bühne?

Entweder mit technischer “Magie”, oder aber, indem der Inhalt so glaubwürdig dargeboten wird, dass das Publikum die Tragik wahrnimmt, obwohl sie diese nicht sieht.

Für die zweitere -zugegebenermassen herausforderndere- Variante hat sich die Bühne Baden bei Wien entschieden:

Das Musical “Titanic” von Maury Yeston (Musik und Liedtexte) und Peter Stone (Story und Buch) in der Badener Inszenierung und Choreographie von Leonard Prinsloo (Bühne: Carlos Santos) ist optisch spartanisch gehalten. Dennoch aber kommt der Inhalt durch das gesamte Ensemble so gut authentisch beim Publikum an, dass man sich dem tragischen Geschehen an Bord der Titanic nicht entziehen kann.

Die Musik von Yeston ist grossartig und eigentlich noch viel zu unbekannt auf den grossen Bühnen dieser Welt. Und Victor Petrov treibt die musikalischen Leistungen des Orchesters der Bühne Baden an die Spitze der Emotionen.

Ein grosses Kompliment geht an die gesamte Belegschaft in Baden. Besonderes schauspielerisches Lob gilt jedoch Martin Berger als Konstrukteur Thomas Andrews, Reinwald Kranner als egomanischer Schiffseigner Bruce Ismay, Robert David Marx als Heizer sowie an Sebastian Brummer als Funker.

Bleibt zu hoffen, dass die “Titanic” bald wieder nach Baden zurückkehrt oder zumindest in einer Tonaufnahme (besser noch als Videoproduktion) erscheinen wird.

Nähere Informationen zum Musical gibts hier: https://www.buehnebaden.at/de/produktionen/titanic/969

Sonntag, 3. Dezember 2023, von Elmar Leimgruber

Kaiserlicher Advent mit Stadtführung und Fest-Dinner in Wien

Im fernen Jahr 1870 -noch mitten in der Monarchie- wurde an der Wiener Ringstrasse das erste 5 Sterne Hotel Wiens und das Grand Hotel der Welt errichtet. Als eines der wenigen damals gebauten Paläste besteht dieses Hotel noch heute und wird laut seinem Generaldirektor Oliver Geyer ab dem kommenden Jahr -bei laufendem Betrieb- vollständig umgebaut.

Eines der fünf hauseigenen Restaurants ist das im obersten Stockwerk gelegene und mit Terrasse ausgestattete 1870:
In diesem mit zwei Hauben ausgezeichneten Restaurant soll ab dem 21. Dezember regelmässig ein wahrhaft monarchisches Mahl angeboten werden.

Die Idee für ein imperiales Abendessen im 1870 stammt aus hochadeligem Haus:
Herta Margarete Habsburg-Lothringen hat ein kaiserliches Kochbuch als Grundlage für den besonderen Abend geschrieben: „So kocht Habsburg“.

An diesem kaiserlichen Advent im Edelrestaurant soll dann auch nicht nur 3-gängig habsburgisch aufgekocht werden, sondern die Veranstaltung wird zudem auch mit Live-Musik und einer entsprechenden Lesung umrahmt.
Und eine geführte Tour durchs kaiserliche Wien wird ebenfalls angeboten.

Anmeldungen für dieses imperiale Event am 21.12. nimmt John Herzog (john.herzog@gmx.at), welcher auch die Veranstaltung moderieren wird, entgegen.

Donnerstag, 4. August 2022, von Elmar Leimgruber

Kulturkritik : Reichtum bewirkt Realitätsverlust (“Sunset Boulevard” in Baden)

Wenn man zu rasch wirtschaftlich zu hoch steigt, kann dies schon zu einer verzerrten Wahrnehmung der Realität und in Folge zum Grössenwahn führen.
Norma Desmond ist genau dieser Typ Mensch:
Sie lebt in ihrer steinreichen Scheinwelt, wo alle andere ihr selbstverständlich zu Füßen liegen müssen: denn sie ist ja DIE Desmond.

Was der bereits seit Jahrzehnten kommerziell erfolgreichste Musical-Komponisten Andrew Lloyd Webber und sein Librettist Don Black (deutsch Michael Kunze) mit „Sunset Boulevard“ an künstlerischem Anspruch geschaffen hat, ist schwer zu toppen:

Umso schwieriger ist es, eine Musical-Sängerin zu finden, die alle Höhen und Tiefen des Show-Biz kennt und daher weiss, dass der Weg vom umjubelten Superstar über einen Absturz hin zu einem -auch nur vielleicht- Comeback oft kaum mehr realistisch möglich ist.

Sie war (mit Unterbrechungen) DIE Kaiserin Musical „Elisabeth“ von Sylvester Levay und Michael Kunze und hat als diese Weltruhm erlangt.
und auch ihr diesjähriger Auftritt in dieser Rolle vor dem historischen Schloss Schönbrunn in Wien hat ihre Beständigkeit unter Beweis gestellt:
Maya Hakvoort.

Jedoch auch auch sie war eine Zeitlang abgehoben und fern und der Realität wie die Hauptrolle der Norma Desmond in „Sunset Boulevard“, die sie heuer an der Bühne Baden interpretieren sollte.

Umso mehr war ich gespannt, ob die grossteils echt erfolgs-verwöhnte gebürtige Niederländerin dieser höchst anspruchsvollen Rolle in Baden gerecht werden würde.

Und ja: Hakvoort hat mich gerade in dieser Rolle positiv überrascht:

Sie hat inzwischen eine emotionale und daher auch musikalische Tiefe erreicht, die ihr vermutlich wenige zugetraut haben:
Maya ist hier in all ihrer tragisch verträumt neurotischen, aggressiven und realitätsverweigendern Rolle Norma: Gänsehaut pur!

Lukas Hermann (im Stück ihr Liebhaber Joe, der sie masslos ausnützt) kennt man ebenfalls von den VBW-Produktionen und man erhält, was man erwartet: eine übliche ausgebildete hohe Musicalstimme.

Beppo Binder (hier: Max von Mayerling) kennt man vor allem in Baden schon sehr lange aus diversen Rollen: Dieser hat zu Beginn leichte Probleme mit den Höhen der Arien, wird aber zunehmend nicht nur in den Tönen, sondern auch emotional intensiver.

Ja, ich gebe es zu: „Sunset Boulevard“ ist keine Komödie, sondern eine Tragödie über Reichtum und damit einhergehenden Realitätsverlust. Die Melodien von Andrew Lloyd Webber sind zwar nicht so eingängig wie viele seiner anderen Musicals, aber nichtsdestotrotz:

Wir brauchen selbst in Zeiten, wo wir uns mehr denn je seichtes Entertainment wünschen, um der harten Realität zu entfliehen, Musicals mit Tiefgang wie dieses, mit “Swimmingpool” inklusive.

Daher für Kultur-Interessierte: „Sunset Boulevard“ in Baden (grossartige Inszenierung von Andreas Gergen) lohnt sich: inhaltlich, musikalisch (wo gibts noch ein echtes Top-Orchester bei einem Musical?) und ja: auch aufgrund von Maya Hakvoort in der Hauptrolle.

Sonntag, 1. November 2020, von Elmar Leimgruber

Corona: So schaffen wir’s!

Vorab schon mal: Ja, natürlich muss es jetzt (besser früher als später) corona-bedingt einen defakto-Lockdown in Österreich (wie in anderen Ländern Europas auch) geben. Leider.
Und warum? Weil es keine Alternative dazu gibt:

Die Infizierten-Zahlen steigen praktisch in ganz Europa und darüber hinaus rasant. Dies liegt einerseits am Wetter, aber andererseits auch am verantwortungslosen Handeln diverser Gruppierungen, selbst Parteien: Eigenverantwortung setzen diese zunehmend damit gleich, sich einfach an nichts Vernünftiges halten zu wollen: Ja selbst ein kleines Stück Stoff über Mund und Nase (Mund-Nasen-Schutz-Maske) zu stülpen, empfinden sie als „Entmündigung“, obwohl dieses erwiesenermaßen das Leben anderer Menschen retten kann.

Und dies bedeutet zum einen eine nicht zu verantwortende Überlastung der Spitäler dar. Und zum anderen: Österreich, vor allem die westlichen Bundesländer leben vom Tourismus. Gerade Tirol hätte übrigens daher selbstverständlich während der ersten Corona-Welle übrigens viel früher einen Schlussstrich ziehen müssen! Die nach wie vor nicht ausgesprochene Entschuldigung für eigenes unverantwortliches Fehlverhalten wird der Tiroler Tourismus daher wohl noch Jahre zu spüren bekommen.

Dazu kommt, dass obwohl die Grenzen aus heutiger Sicht, zumindest innerhalb der EU, zwar geöffnet bleiben, jedoch Reisewarnungen gelten, was schwerwiegende rechtliche Konsequenzen für Arbeitnehmer haben kann, welche dennoch ihren Urlaub im entsprechenden EU-Ausland verbringen.
Wollen wir also die Reisewarnungen wegbekommen, welche für den Weihnachts- und Winter-Tourismus in Österreich essentiell sind, müssen die Infizierten-Zahlen nicht etwas sinken, sondern zumindest ein Maß nach dem ersten Lockdown im Frühjahr 2020.

Und nein, niemand in der Regierung hatte einen zweiten Lockdown geplant, man konnte nur hoffen, dass er nicht nötig sein würde. Und Ja: Obwohl praktisch alle Behörden spätestens ab Herbst mit steigenden Infizierten rechnen mussten, hat man sich in Stadt und Land offenbar kaum wo wirklich darauf vorbereitet, auch nicht die ach so vorbildliche Stadt Wien nicht:

Nach über einem halben Jahr Corona-Erfahrung (wir wissen inzwischen sehr viel über das Virus!) ist die Corona-Notfallnummer 1450 samt Teamschickung und Testauswertung nach wie vor nicht so weit, dass rasch Anrufe entgegengenommen werden, Test-Teams geschickt werden und erst recht nicht, dass die Ergebnisse rasch da sind: Das hat übrigens nichts mit Bashing des seit vielen Jahrzehnten SPÖ-regierten Wien zu tun (der Wahlkampf ist auch vorbei und ist für die regierende Partei auch corona-bedingt- erstaunlich positiv verlaufen), sondern entspricht tatsächlich der Realität.

Dass nun seit einiger Zeit dank Regierungsbeschluss selbst Hausärzte Corona-Tests durchführen können, mag zwar gut gemeint sein. Aber wenn man seit dem Frühjahr weiss, dass sich das Corona-Virus in Italien vor allem deshalb so rasant ausbreiten konnte, weil Covid19-Erkrankte in Arzt-Praxen und Spitäler gestürmt sind und damit viele andere Patienten, Ärzte und Pfleger infiziert haben; das nun zu erlauben, kann doch nicht euer Ernst sein, liebe Regierung! Selbstverständlich braucht es daher weiterhin zentrale „Anlaufstellen“ für Patienten mit Corona-Symptomen.

Aber zurück zum „Lockdown“: Welcher ist nun aber nötig, welcher schädigt nur und welcher wird vermutlich kaum nichts bringen?

Faktenbasiert ist Folgendes festzuhalten:
Das Virus ist glücklicherweise relativ „träge“: es braucht demnach eine große Anzahl dessen, um zu einer Ansteckung zu führen: Hierfür ist meist ein naher Kontakt auf engem Raum über längere Zeit (über eine Viertelstunde) nötig. Und zudem erfolgt die Übertragung grundsätzlich über Aerosole (seltener, aber doch dank niederer Temperaturen) über Oberflächen), also über die Ausatmung (mit Nase und Mund) in die Luft. Und: das Virus ist äusserlich durch die Zerstörung dessen Aussenschicht durch Desinfektionsmittel auf hoher Alkoholbasis (Händereinigung damit) leicht abtötbar.

Wenn wir wissen, dass alle bisherigen Massnahmen und Einschränkungen offenbar nicht dazu geführt haben, dass trotz des ernsthaften Bemühens des Großteils der Bevölkerung die Infizierten-Zahlen gesunken sind, sondern sie im Gegenteil seit Wochen drastisch steigen, dann hat dies seine Ursachen, auf die endlich ernsthaft eingegangen werden muss:

Natürlich bewirken auch die abnehmenden Temperaturen eine allgemeine Schwächung des Immunsystems. Aber viel ausschlaggebender sind unter anderem Reisende aus echten Risikogebieten und für Grossevents mit hunderten Leuten auf engstem Raum aus Kulturen, in welchen die Gefahr des Virus grundsätzlich heruntergespielt wird: Seit Wochen nennt man dies verharmlosend „Privatfeiern“.

Ebenfalls nicht zu unterschätzen sind hier Betreuungseinrichtungen für Kinder und praktisch fast alle Schulen: Vor allem zweitere sind nicht für „Abstand“ konzipiert; dafür fehlt einfach der Platz in den Klassen und in den Schulbussen, aber auch in den Pausen:

Wenn man also weiss, dass sich das Virus vor allem dort verbreitetet, wo Menschen auf engem Raum über lange Zeit hindurch verbringen und sich dann in alle Windrichtungen hin verteilen, ist klar, dass vor allem die Schulen ein Superspreader für das Virus sind:

Mal abgesehen davon, dass auch die Schulbusse und die Nachmittagsbetreuungen meist zudem an Überfüllung leiden (null Abstand möglich): Nirgendwo sonst verbringen so viele Menschen so viel Zeit gemeinsam auf engem Raum und fahren dann in jeweils vollkommen unterschiedliche Haushalte.

Auch wenn erwiesen ist, dass kleinere Kinder nur sehr selten selbst an Corona erkranken: sie sind nunmal unfreiwillige Überträger des Virus nach Hause in ihre Familien. Ein halbherziger Lockdown ohne Schliessung von Schulen umzusetzen kann daher (bei allem Verständnis für überforderte Eltern) logischerweise nicht zu einer notwendigen Senkung der Infiziertenzahlen führen!

Dass es zum Thema Corona und Schule kaum vernünftigen Studien gibt, liegt übrigens vor allem daran, dass aufgrund der tagelangen oder dauernden Symptomlosigkeit der meisten Schülerinnen und Schüler leider nicht einwandfrei nachgewiesen werden kann, wer wann und wo den Virus in sich aufnahm und in Folge auch übertrug. Dasselbe gilt übrigens auch für Ölfis, in denen die meisten Fahrgäste für eine gewisse Zeit verharren und dann oft umsteigen: Auch hier ist der Nachweis der Herkunft und der Weitergabe des Virus beinahe unmöglich. Anstatt für weniger Menschen in den Öffis zu sorgen (diese steigen dann meist auf umweltschädliche Autos um), wäre es viel sinnvoller, die Intervalle der Öffis zu verkleinern und mehr Schulbusse zur Verfügung zu stellen.

Um die Wirtschaft zu stützen, müssen trotz eines defakto-Lockdowns jedoch sowohl Handel als auch Gewerbe und Industrie weiter agieren, produzieren und verkaufen können, wobei gerade im Dienstleistungssektor gerade jetzt das so genannte Home Office endlich zum Wohle aller (Nur Mut Unternehmer!) nach Möglichkeit umgesetzt werden sollte.

Die Gastronomie triffts aber wieder mal besonders hart: Da erwiesen ist, dass aufgrund der corona-angepassten Vorgaben (Gästeregistrierung, Abstand, Maximal-Plätze am Tisch, kein Barbetrieb…) in den letzten Monaten sich kaum wer dort infizierte, ist eine Schliessung dieser während des Tages nicht wirklich nachvollziehbar. Wenn man die Abend-Touren durch diese verhindern möchte, reicht eine vorübergehende frühere Sperrstunde (verknüpft an Ausgangsbeschränkungen zur selben Zeit) als Massnahme: Die Gastronomie ganztags zu schliessen, entbehrt daher jeglicher Logik, schädigt nur und bringt vermutlich für die Eindämmung der Pandemie gar nichts. Der von der Regierung beschlossene Spesenersatz in Höhe von 80 Prozent der deklarierten Einnahmen vom November 1019 für dieses Jahr ist dennoch vernünftig.

Einer frühen Gastro-Sperrstunde am Abend kann ich zwar aufgrund der aktuellen drastischen Infiziertenzunahme durchaus was abgewinnen, jedoch nicht, wenn man als Regierung verabsäumt, Gesetze zu verabschieden, die es der Polizei erlauben würde, die Verlagerung von grösseren Feiern (beispielsweise ab 20 Personen) aus der Gastronomie hin in den so genannten „privaten Bereich“ auch entsprechend ahnden zu können.

Zweifelhafter erscheint hingegen die Vorgabe, dass sich nur Menschen aus zwei verschiedenen Haushalten treffen dürfen und dies offenbar auch nur zwischen 6.00 Uhr und 20.00 Uhr: hier sollte man -trotz Pandemie- die Privatsphäre der Menschen respektieren und als Regierung -falls es keine grossen (weit über 10 Personen) Privatfeste sind- keinesfalls eingreifen.

Zudem steht diesbezüglich auch noch nicht fest, ob man für gegenseitige Besuche Öffis verwenden darf, was selbstverständlich sinnvoll wäre: Dasselbe gilt -da alle Geschäfte zu Recht geöffnet bleiben- auch für den Weg zum Geschäft: Nicht jeder hat selbst ein privates Verkehrsmittel, um von A nach B zu kommen.

Noch härter treffen die neuen Corona-Massnahmen die Kultur: Viele Künstlerinnen und Künstler leiden aktuell sehr an allem: die meisten sind freiberuflich unterwegs und verdienen demnach nur durch ihre Auftritte: Seit Corona wurden unzählige Termine gestrichen, was manche massivst an den Rand ihrer künstlerischen Existenz bringt:
Wenn es auch vielleicht nötig sein muss, dass alle kulturellen Events bis auf Weiteres behördlich verboten sind, so steht die öffentliche Hand -wie in vielen anderen Bereichen auch- zumindest in der Pflicht, gerechte Entschädigungszahlungen an die Künstlerinnen und Künstler zu leisten: auch hier sind die zugesagten 80% Entschädigung sinnvoll, richtig und notwendig.

Und nun zu uns: Ja, wir schaffen das!
Wir werden zwar sehr wahrscheinlich (da die vor dem Lockdown Angesteckten leider später erst „sichtbar werden) in den kommenden 2 Wochen noch weitere Zunahmen an Infektionen erleben. Aber dann sollten -sofern die Lockdown-Maßnahmen wirken-  die Infiziertenzahlen drastisch nach unten sinken. Hoffentlich.

Viele Unternehmen, Arbeitgeber und selbst viele Arbeitnehmer rechnen zu Recht seit Monaten mit einem zweiten Lockdown. Und ich hoffe und vertraue darauf: die meisten haben sich auch finanziell darauf eingestellt:

Mit Rücksicht, Verständnis, Abstand, Mundnasenschutz (MNS), Desinfektion und dadurch, dass wir jetzt mal zumindest für einen Monat nicht gross feiern, sondern uns in Bescheidenheit und Geduld üben:
Dann sollte auch Weihnachten und dem Winterurlaub nichts mehr im Wege stehen.
Und anschliessend werden uns dann hoffentlich wirksame Medikamente und eine Impfung für alle nachhaltig vor weiteren Corona-Schäden bewahren.

So überstehen wir Corona: Gemeinsam schaffen wir das!
Das hoffe ich zumindest.

Mittwoch, 21. Oktober 2020, von Elmar Leimgruber

“Die Zauberflöte” oder “Lasset die Puppen tanzen”

Auch wenn sie im ehrwürdigen Theater an der Wien von Emmanuel Schikaneder (welcher auch das Libretto zur weltberühmten Oper schrieb) am 17. September 1791 uraufgeführt wurde, gehört sie inzwischen zum Standard-Repertoire beinahe jedes Opernhauses weltweit: „Die Zauberflöte“ von Wolfgang Amadeus Mozart. Gerade diese über unzählige Generationen hindurch reichende Bekanntheit scheint es zu verunmöglichen, sie tatsächlich auf der Bühne neu in Szene zu setzen.

Henry Mason, welcher grundsätzlich ein Meister seines Fachs ist, (es mag wohl an meiner persönlichen Wahrnehmung liegen oder vielleicht muss ich mir das Stück eben ein zweites Mal gönnen) verstehe ich in dieser Neuinszenierung der „Zauberflöte“ an der Wiener Volksoper nicht oder zumindest nicht nachvollziehbar. Umso überzeugender und im wahrsten Sinne beglückend und kaum zu übertreffen ist die aktuelle musikalische Darbietung:

Der Tiroler Tenor Martin Mitterrutzner (Debut an der Volksoper) interpretiert Tamino -trotz seines jungen Alters mit noch weiterem Potential nach oben- mit einer Gänsehaut-erzeugenden und charmanten Leichtigkeit, in der er gar vielleicht bekannte so genannte Weltstars (bei denen ich teils schon beim Zuhören quälende Halsschmerzen verspüre) herausfordern könnte: da kommt hoffentlich in Zukunft noch viel Schönes und Erhebendes auf uns zu: so einen herausragenden „Tamino“ habe ich persönlich tatsächlich weder live noch auf Tonträgern gehört.

Taminos grosse Liebe Pamina, ebenfalls eine Rolle, bei der ich aufgrund der Überforderung so vieler Sängerinnen regelmässig mitleide, singt hier an der Volksoper Rebecca Nelson, die keinerlei Probleme mit Atem, Höhen und Ausdauer hat: so wünsche ich mir das.

Absolut herausragend interpretiert Anna Siminska die Königin die Nacht: Jeder Ton sitzt -im Gegensatz zu vielen anderen ihrer Kolleginnen klar- präzise und taktgenau. Dies trifft genauso auf Stefan Cerny als Sarastro zu: Hier sind nicht nur die getragenen Melodien präsent, sondern auch die tiefsten Töne, die bei anderen im Nichts verschwinden. Allem in allem ist das gesamte Ensemble dieser Produktion hervorragend gecastet und eingesetzt.

Dafür empfinde ich aber dessen Inszenierung als eine sonderbare Mischung aus von Maschinengewehrträgern bewaffneten Revolutionsführer, österreichischem Kaiser mit Reiterstiefeln und Sektenguru als äußerst fragwürdig. Im „Zauberer von Oz“ in der Volksopern-Inszenierung von Mason war noch nachzuvollziehen, dass der Hund eine Puppe ist. In der „Zauberflöte“ gibts -vielleicht angelehnt an das Musical „König der Löwen“ unzählige -durchaus wunderbar gestaltete- Tiere (Rebekah Wild), und selbst die Drei Knaben (Wiener Sängerknaben) treten anfangs als Marionetten auf, während dies beispielsweise bei den Drei Damen nicht der Fall ist.

Dieses zweifelhafte „Puppenspiel“, das die Handlung mehr stört als sie unterstützt, findet absolut keinen Zugang zu mir.
Dennoch sollte diese meine Kritik keinesfalls abschreckend wirken: im Gegenteil: anschauen und selbst beurteilen.

Und vor allem: Musikalisch ist die „Zauberflöte“ in der Wiener Volksoper ein Top-Highlight vieler vergangener Jahre, was vermutlich auch auf das aussergewöhnliche Gespür der begnadeten Dirigentin Anja Bihlmaier zurückzuführen ist: Das Orchester der Volksoper musizierte noch selten (z.B. vor Jahren „Hänsel und Gretel“ unter Dietfried Bernet) so weit überdurchschnittlich wie jetzt:

Diese „Zauberflöte“ an der Wiener Volksoper ist daher -neben der vielleicht optischen Herausforderung- schon musikalisch ein „Muss“, selbst wenn man sie -wie ich- schon xfach live gesehen hat.

Freitag, 29. November 2019, von Elmar Leimgruber

Volksoper: Es regiert zwar “König Karotte”, doch die Menschen sind “verzaubert”…

Dass die Wiener Volksoper seit vielen Jahrzehnten herausragende Produktionen auf die Bühne stellt, ist ja nichts Neues. Dass aber immer wieder auch der aktuellen Politik (schon vor Jahren “Der Kongress”) auf liebenswürdige Weise gedacht wird, ist wohl der Klugheit und dem immerdar kritischen Geist der Intendanz des Nestroy- und Valentin-Verehrers Robert Meyer zu verdanken.

Die komische Zauberoper “König Karotte” von Jakob (Jacques) Offenbach (Musik) und Victorien Sardou/Jean Abel (Text), welche am 23. November in der Wiener Volksoper ihre Premiere hatte, könnte zeitgemäßer kaum sein: Zwar stammt das Werk aus dem 19. Jahrhundert, aber die Parallelen zur Gegenwart sind (wohl bewusst) kaum zu übersehen:

Ein mehr auf sich achtender, prassender und zweifelhafter Regent (Politiker), der zudem Unmengen an Schulden anhäuft und deswegen auch eine sehr reiche Prinzessin ehelichen will, soll zum Wohle aller abgesetzt werden: “Student” Robin, der nebenher ein “guter Geist” ist, zieht die Fäden in seiner Hand  und verbündet sich mit einer bösen Hexe, welche nicht nur die Bevölkerung durch “Magie” verzaubert, sondern auch einen König aus der Unterwelt, König Karotte und weiteres Gemüse an die Macht im Land bringt. Dieser neue König hat zwar weder Konzepte noch Pläne, jedoch scheint das Land ihm nun vollends zu unterliegen, während der ehemalige Prinz keine Macht mehr hat. Dieser trachtet natürlich danach, die Herrschaft wiederzuerlangen…

Unter der grossartigen Regie von Matthias Davids ist mit diesem Stück, das übrigens auch musikalisch herausragend ist, ist der Wiener Volksoper ein Meisterwerk gelungen. Die einzelnen Hauptrollen sind hervorragend besetzt, vor allem Elmira Elmadfa als Robin, Johanna Arrouas als Rosee-du Soir, Julia Koci als Prinzessin Kunigunde, Sung Keun Park als König Karotte und Mirko Roschkowski als Prinz Fridolin. Besondere Erwähnung verdienen zudem Christian Graf als Hexe, die aussergewöhnlichen Kostüme von Susanne Hubrich sowei das Orchester der Wiener Volksoper unter der Leitung von Guido Mancusi.

Wer klassische Musik zwischen Wiener Walzer, Romantik und leichter Muse liebt und sich zudem mit viel Witz und Charme gern prächtig unterhalten lassen will, dem sei “König Karotte” an der Wiener Volksoper sehr empfohlen. Bitte mehr davon, liebe Volksoper.

Montag, 23. April 2018, von Elmar Leimgruber

27.+28. April: Staatsoper Stara Zagora zu Gast in Wien: Premiere:”Marilyn Monroe – Der Prozess”

Sie gehört zu den bleibendsten und bewegendsten Persönlichkeiten der Filmgeschichte und so mancher Künstler hat sie bereits auf seine Weise verewigt: Marilyn Monroe.

Der österreichische Erfolgskomponist Roland Baumgartner, der unter anderem für die Opernhäuser in Hof, Bamberg und Bratislava und die Musik zur 200-Jahrfeier der US-Verfassung komponiert und hatte, setzte bereits vor einigen Jahren ein musikalisches Denkmal zu Ehren der vielseitigen Diva der Filmgeschichte:

Die Geschichte von Marilyn Monroe ist ein Mythos und fasziniert bis heute die Menschen.

„Marilyn Monroe – Der Prozess“ von Roland Baumgartner erzählt eine ergreifende Geschichte über die Filmlegende und der durch sie ausgelösten
widersprüchlichen Reaktionen der Gesellschaft, die aktueller sind denn je.

Es ist eine hervorragende, interaktive Oper, bei der das Publikum bei der Urteilsfindung als Jury mitwirkt.

Die Kammeroper “Der Marilyn Monroe-Prozess” von Roland Baumgartner (Musik) und Geirun Tino (Libretto) wurde 2013 erstmals in Wien aufgeführt. Darüber gibts hier eine ausführliche Kritik.

Inzwischen wurde das vielbeachtete Werk in diversen Städten aufgeführt und kehrt nun unter der EU-Präsidentschaft Bulgariens in einer erweiterten Fassung als Gastspiel der Staatsoper Stara Zagora wieder nach Wien zurück: Die Kammeroper “Marilyn Monroe – Der Prozess” wird nun an nur zwei Tagen live in Wien zu erleben sein und zwar erstmals mit Orchester, Ballett und den Solisten der Staatsoper Stara Zagora aus Bulgarien:

Kammeroper: “Marilyn Monroe – Der Prozess”

Musik: Roland Baumgartner

Libretto: Geirun Tino

Kammerorchester, Ballett und Solisten der Staatsoper Stara Zagora, Bulgarien

Dirigent: Andria Pavlic

Regie: Ognyan Draganov

Zeit: (nur!) 27. und 28. April 2018, 19.00 Uhr

Ort: Theater des bulgarischen Kulturinstitutes (BKI) 1030 Wien, Parkgasse 18 „Haus Wittgenstein

Tickets zu diesen einmaligen Aufführungen sind online (kultur-schnaeppchen.at, es-promotion.at, office@haus-wittgenstein.at) und telefonisch erhältlich: Tel. 00436765072505 (es-promotion) oder 004317133164 (BKI).

 

Dienstag, 19. April 2016, von Elmar Leimgruber

Jan Böhmermann und die Grenzen der Satire (Kommentar)

Karikaturen eines Satiremagazins verhöhnen einen Religionsgründer, was zunächst zu Unruhen führt, schließlich zu Terror. Und jetzt kürzlich ein Schmähgedicht über einen totalitären Staatsführer, der im eigenen Land keine andere Meinung duldet und all seine lautstarken Kritiker jahrelang hinter Gitter bringt oder sie verschwinden gar von der Bildfläche. Und dieser “Staatsmann” fordert dann auch noch von der Bundesrepublik Deutschland, dass eben dieser Satiriker wegen Beleidigung eines benachbarten Staatsoberhauptes strafrechtlich verfolgt wird.

Daher die Frage: Was muss Kunst? Was darf Satire? Was darf sie nicht? Die Grenzen der Kunst: Gibt es welche?

Und meine klare Antwort dazu lautet eindeutig: Kunst und Satire dürfen alles mit einer einzigen Einschränkung: Ernsthafte Aufrufe zu Gewalt oder anderen schwerwiegenden Straftaten müssen eine Ausnahme darstellen. Alles andere jedoch darf und muss sogar erlaubt sein. Wenn ein so genannter Staatsmann sich “beleidigen lässt” (also Zensur ausüben möchte), dann spricht dies nicht für seine Macht und Stärke, sondern von Schwäsche und mangelendem Selbstbewusstsein und entspricht wieder genau jener Praxis in seinem Land, wo Kritiker einfach auf die eine oder andere Weise zum Schweigen gebracht werden.

Natürlich müssen wir auch darüber diskutieren, ob Kunst sich selbst zensurieren darf (also nicht von außen her verpflichet). Und auch hier sage ich in aller Klarheit: JA:

Jeder der öffentlichkeitswirksam tätig ist, der publiziert, trägt Verantwortung, auch wenn man zuweilen den Eindruck hat, dass man sich vor allem im Bereich der Satire um nichts dergleichen schert und einfach wild drauf losballert ohne Rücksicht darauf, ob wer in seiner Würde verletzt wird oder nicht. Das muss sich also natürlich ändern.

In einer zivilsierten Gesellschaft über massive Kritik und Satire den Bann zu erheben, widerspricht  jedenfalls klar unseren europäischen Grundsätzen wie der Meinungs- und Pressefreiheit. Wir können inhaltlich selbst schwerwiegende Probleme mit irgendwelchen Satiren oder Karikaturen haben; dies rechtfertigt aber niemals einen Bann. Hier muss man klar und entschieden auch nur die leiseste Zensur bekämpfen.

Wenn unsere Gesellschaft damit beginnt, Zensur zu begrüßen, sind jeglichem Missbrauch damit Tor und Tür geöffnet. Dies darf somit in einer europäischen freiheitlichen Gesellschaftsordnung niemals akzeptiert werden, selbst dann wenn im konkreten Fall gerichtliches Eingreifen vernünftig erscheinen sollen. Also bitte sich hier niemals zum problematischen Einreissen unserer Freiheit verführen lassen. Europa darf hier keinesfalls undemokratie und Meinungsfreiheit-verachtende Denkweisen von wo auch immer importieren.

Und dann noch die letzthin vielfach diskutierte Frage: Warum lassen wir nicht die Gerichte entscheiden? Normalerweise würde ich sagen: Ja selbstverständlich. In diesem Fall aber nein. So lange es längst überholte Unrechtsparagraphen aus dem 19. Jahrhundert gibt, welche tatsächlich Verhöhnung von ausländischen Staatsoberhäuptern unter Strafe stellen, also: nein Danke. Sind diese Gesetze hingegen endlich Geschichte und es würde damit juristisch sehr schwer möglich sein, dass wer für eine Satire oder ein Kunstwerk bestraft wird, würde dem nichts entgegenstehen. Dem ist aber nicht so. Und daher zum aktuellen Zeitpunkt: Nein Danke zur Verurteilung von Vertretern der Meinungs- und Pressefreiheit!

Ich schätze die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel sehr, zumindest im Prinzip. Aber dass sie hier -wohl unter massiven internationalem Druck- einer strafrechtlichen Verfolgung des Satirikers Jan Böhmermann wegen Beleidigung von Recep Tayyip Erdoğan, zustimmt, zeugt von Charakterschwäche und Duckmäusertum, das vor allem an der Spritze Deutschland und Europas untragbar und zutiefst demütigend ist. Öffentliche Buße zumindest im Sinne einer öffentlichen Entschuldigung bei der Bevölkerung wäre höchst angebracht.

Und bitte kämpfen wir für unsere europäischen Werte, allen voran Meinungsfreiheit und Pressefreiheit! Sonst werden unsere freien Tage schon bald gezählt sein.

Donnerstag, 24. September 2015, von Elmar Leimgruber

Es muss was Wunderbares sein… Kritik: “Im weißen Rössl” (Volksoper)

Am 8. November 1930 durfte man in Berlin erstmals das Singspiel “Im Weißen Rössl” von Ralph Benatzky live erleben. Und auch heute, 85 Jahre und zahllose Aufführungen und mehrere Verfilmungen (u.a. mit Peter Alexander und Waltraud Haas) später, hat die oft auch als “erstes deutsches Musical” betitelte Operette nichts von ihrer Popularität eingebüßt.

Anlässlich dieses Jubliäums präsentierte die Wiener Volksoper (über zwei Jahrzehnte nach der Inszenierung des von mir hochgeschätzten und leider inzwischen verstorbenen Robert Herzl) kürzlich eine “Revue”-Neuinszenierung des witzigen Stücks von Josef E. Köpplinger nach der Rekonstruktion der Originalfassung von Matthias Grimminger und Henning Hagedorn.

Ich hatte seinerzeit bereits die Herzl-Inszenierung sowohl in der Volksoper (u.a. mit Martina Dorak als Klärchen und dem heutigen Volksopern-Intendanten Robert Meyer als schöner Siegismund) als auch dann viele Jahre später in “seinem” Stadttheater Baden sehr genossen. Umso mehr war ich gespannt auf die sich ans Original beziehende Inszenierung von Köpplinger (übrigens eine Kooperation mit dem Münchener Theater am Gärtnerplatz, dessen Intendant er auch ist).

Noch selten zuvor saß ich in einem Opernhaus fast durchgehend mit einem Grinser da, so bunt, grell, pseudo-Volkstümlich und übertrieben kitschig und daher äußerst unterhaltsam und unboshaft hintergründig wurde hierfür gearbeitet, auch wenn ich beispielsweise die menschlichen Kühe und die Liebesengel sehr witzig, den Holz-Jägerhund aber eher einfallslos finde. Ob die zahlreichen “Berg-Szenen” nicht mehr vom Stück ablenken als es zu bereichern, darf ebenfalls gefragt werden: lustig sind sie allemal.

Sigrid Hauser interpretiert die Rössl-Wirtin bei weitem nicht so aggressiv und hart wie manche andere vor ihr, sondern gibvt einerseits die verliebte Geblendete, eienrseits die mit dem liebenden Leopold Mitleidende und andererseits die verantwortungsbewusste Chefin, von der man Durchsetzungsvermögen erwartet. Und: diese Überraschung ist gelungen, für mich war sie äußerst positiv.

Dass Boris Eder eine wunderschöne Stimme hat und keinerlei Probleme mit den Höhen hat, dürfte nun hoffentlich für jedermann hörbar sein: Er gibt einen wunderbaren Oberkellner Leopold, der wohl schwer durch wen anderen getoppt werden könnte. Und auch das restliche Ensemble entspricht durchaus meinen hohen Erwartungen. Besonders lobend hervorzuheben sind hier Helga Papauschek (sie war früher selbst ion der Volksoper Rösslwirtin) als Reiseleiterin, Simon Jung als Piccolo, Martin Dablander als Todesjodler, Juliette Khalil als Klärchen, Markus Meyer als Sigismund sowie Wolfgang Hübsch als Kaiser.

Das Orchester der Volksoper Wien inklusive Jazzkombo und Zithertrio unter der Leitung von Michael Brandstätter spielt gewohnt beinahe perfekt, wenn auch an manchen Stellen Orchester und Sänger leider nicht synchron sind, so vor allem (ich sah ich Vorstellung am 8. September) der Song von Professor Hinzelmann (Hans Dieter Knebel, der dafür aber schauspielerisch in dieser Rolle großartig ist).

Alles in Allem ist das neue Rössl an der Wiener Volksoper eine wunderbare Produktion, die man sich nicht entgehen lassen sollte. Allerdings sollte man hierfür auch eine gehörige Portion Humor und gute Laune mitbringen. Und: Rechnen Sie mit Blasmusik bereits vor der Vorstellung.

Und es bleibt zu hoffen, dass es in Zukunft an der Wiener Volksoper auch noch weitere Stücke von Ralph Benatzky zu sehen geben wird, beipielsweise “Die drei Musketiere”, welche 2012 in Baden bereits erfolgreich zur Aufführung gelangten.