Mit ‘Selbstmord’ getaggte Artikel

Montag, 19. Juli 2010, von Elmar Leimgruber

Ärzte gegen aktive Sterbehilfe

Jörg-Dietrich Hoppe, Präsident der deutschen Bundesärztekammer
Foto: ÄkNo/Altengarten

“Wir Ärztinnen und Ärzte wollen nicht, dass Sterbehilfe – auch nicht als Beihilfe zur Selbsttötung – erst zur Norm und dann zur Normalität wird”. So kommentierte Prof. Jörg-Dietrich Hoppe, Präsident der deutschen Bundesärztekammer (BÄK), eine von der BÄK in Auftrag gegebene Befragung, bei der sich rund 80 Prozent aller Ärztinnen und Ärzte gegen eine Legalisierung der Euthanasie ausgesprochen haben.

Die Studienergebnisse zeigten “Empathie mit Patienten bedeutet nicht Akzeptanz für eine Legalisierung des ärztlich assistierten Suizids sowie der aktiven Sterbehilfe”, stellte Hoppe klar. Für zwei Drittel aller Ärzte verstößt es aber gegen den hippokratischen Eid, wenn Ärzte Patienten beim Suizid unterstützen.

Tatsächlich befürchtet aber laut Studie die große Mehrheit der Ärzte (89 Prozent), eine Legalisierung des ärztlich assistierten Suizids könne leicht dazu führen, dass sich Menschen um Hilfe beim Sterben bemühen, weil sie sich als Belastung für die Familie oder die Gesellschaft empfinden.

“Wir wollen nicht, dass Kranke, entgegen ihrem eigentlichen Willen, unter gesellschaftlichen Druck geraten, Sterbehilfe meinen einfordern zu müssen”. Vielmehr müsse der Zugang zu einer modernen palliativmedizinischen Behandlung gefördert werden, die todkranken Menschen ein möglichst schmerz- und beschwerdefreies Leben ermöglicht. Ärztliche Aufgabe ist und bleibt es, Sterbenden beizustehen,” erläuterte Hoppe den klaren Standpunkt der deutschen Ärzte.

Nach der Befragung des Allensbach-Instituts ist die große Mehrheit der Ärzte (79 Prozent) davon überzeugt, dass ein Ausbau der Palliativmedizin die Wünsche nach Sterbehilfe verringern würde. Fast ebenso viele (73 Prozent) beklagen aber, die Kapazitäten für die palliativmedizinische Versorgung seien ungenügend. “Dies ist sicher einer der Gründe, warum mittlerweile jeder dritte Arzt im Laufe seines Berufslebens um Hilfe beim Suizid gebeten wird”, sagte Hoppe. Hinzu komme ein schleichender Paradigmenwechsel in der Gesellschaft. Sterben und Tod würden zunehmend tabuisiert. “Macht und Materialismus werden glorifiziert. Wer diesem Zeitgeist nicht mehr folgen kann, empfindet sich oft als Belastung. Wir Ärzte sind es dann, die den Todeswunsch der Patienten erfüllen sollen.”

“Die Studie belegt, dass wir mit unserer ablehnenden Haltung in der Diskussion um eine mögliche Legalisierung der Sterbehilfe die große Mehrheit der Ärztinnen und Ärzte hinter uns haben. Die Ergebnisse lassen aber auch vermuten, dass der schleichende Paradigmenwechsel in unserer Gesellschaft unter Ärzten für Verunsicherung sorgt”, so Hoppe.

Daher müssten Ärzte in Aus-, Fort- und Weiterbildung auf den Umgang mit sterbewilligen Patienten vorbereitet werden. Die Ergebnisse ließen zudem auch darauf schließen, dass noch nicht alle Ärzte ausreichend über die Möglichkeiten der Schmerz- und Symptombehandlung informiert seien. “Wir müssen schwerstkranken und sterbenden Patienten qualifizierte Schmerztherapie und bestmögliche Pflege bieten. Dazu brauchen wir bundesweit palliativmedizinische Versorgungsstrukturen. Erst wenn dies erreicht ist und die Menschen über diese Angebote informiert sind, dann wird auch der Ruf nach aktiver Sterbehilfe verhallen”, erklärte Hoppe abschliessend.

Die Ergebnisse der Befragung können auf der Internetseite der Bundesärztekammer abgerufen werden.

Sonntag, 14. Februar 2010, von Elmar Leimgruber

Glaube kann Ihre Gesundheit fördern

Psychiater Raphael Bonelli
Foto: rpp2009.org

Es gibt ihn tatsächlich: jenen Glauben, der schwerwiegend belastet und schadet, der unglücklich und krank macht. Sigmund Freud, der Vater der Psychoanalyse, sah sogar Religion insgesamt als eine Art universelle Zwangsneurose: Für ihn war Glaube eine kindliche Form der Wirklichkeitsbewältigung.

So simpel ist es aber nicht: Glaube und Psyche sind zuinnerst miteinander verbunden: ein wahrlich komplexes Thema:

Wo Glaube Schaden anrichtet, handelt es sich um eine missverstandene, um eine “ungesunde” Religiosität, weil sie ängstlich oder fanatisch macht. Dies erklärt der Psychiater und Neurologe Raphael Bonelli in der aktuellen Ausgabe der Wiener Kirchenzeitung “Der Sonntag”.

Ein gelebter Glaube mit den entsprechenden verinnerlichten Werten aber durchwirke den Lebensstil positiv. Der gläubige Mensch lebe oft gesünder, “weil er vielleicht weniger exzessiv Alkohol und sonstige Suchtmittel konsumiert, sich möglicherweise beim Essen mehr zurückhält, die Sexualität geordneter lebt, weniger der Arbeitssucht verfällt, die Familie hochhält, die Beziehungen pflegt, gegen seinen Egoismus ankämpft und Rücksichten nimmt, also das Risikoverhalten reduziert”, erklärt Bonelli.

Viele neuere wissenschaftliche Studien würden einen “wohltuenden, ja psychohygienischen Einfluss der Religiosität” belegen: Menschen, die im Glauben verankert sind, sind demnach auch besser geschützt vor Sucht, Depression und Selbstmord , sagt Bonelli, der auch Vizepräsident der Austrian Association of Biological Psychiatry ist.

Die erwiesenen positiven Auswirkungen des Glaubens bedeuteten aber natürlich nicht, “dass ein Kranker nur genug glauben muss, um auch gesund zu werden”. Glaube dürfe nie als Medizin verkauft werden, betont Bonelli: “Glaube ist kein Mittel zum Zweck, und schon gar nicht zum Zweck der Gesundheit.”

Sonntag, 10. Januar 2010, von Elmar Leimgruber

Asylfall Arigona Zogaj: Sachlichkeit ist gefragt

Ich habe mir lange überlegt, ob ich zu solch einem emotional so hochgeladenen Thema überhaupt Stellung beziehen soll. Da es aber dermassen die Gemüter auf beiden Seiten (“Gutmenschen” und Hardliner) erhitzt, halte ich es für angebracht, auch meinen Senf dazu abzugeben: Ich schicke voraus, dass ich grundsätzlich ein Befürworter des “humanitären Bleiberechts” bin: aber so wie in diesem konkreten Fall gehts absolut nicht:

Weil viele, die jetzt darüber diskutieren, offenbar nicht darüber informiert sind: zur Geschichte der Zogajs in Kürze (in Ausklammerung jener Menschen, die sich aus emotionalen Gründen für oder gegen deren Bleiberecht aussprechen): Arigona Zogajs Vater kam (nachdem er laut “News” unrechtmässig den LKW seines Arbeitgebers im Kosovo verkauft hatte) 2001, also zu einem Zeitpunkt, wo der Krieg im Kosovo schon längst zu Ende war, illegal (!) nach Österreich und suchte anschliessend um Asyl an. Obwohl sein Asylantrag bereits im Mai 2002 abgelehnt wurde, kamen im Herbst desselben Jahres auch seine Frau und seine fünf Kinder (ebenfalls illegal durch Schlepper) nach Österreich. Sowohl der Rekurs im Asylverfahren als auch der Antrag auf Erstniederlassung gingen für die Zogajs negativ aus und so wurde 2007 deren Ausweisung beschlossen. Und dem stimmte auch die Übergangsverwaltung der Vereinten Nationen (UNO), die für den Kosovo, der inzwischen übrigens sogar von der EU als selbständiger Staat anerkannt wird, zuständig war, zu.

Als die Polizei die Familie abholen wollte, liess Arigona ihre Familie im Stichund floh. Ihre Geschwister und ihr Vater wurden ausgewiesen und ihre Mutter durfte vorerst in Österreich verbleiben, um ihre Tochter zu suchen. Anstatt sich jedoch später wieder ihrer Familie anzuschliessen, wandte sie sich unter anderem in Form einer Videobotschaft mit Selbstmorddrohungen an die Öffentlichkeit und wollte so die Rückkehr ihrer Angehörigen nach Österreich erpressen, was zu mehreren Aufschüben ihrer Ausweisung führte.

Durch den öffentlichen massiven Druck bedingt durfte Arigona anschliessend bis zur Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs in ihrer Causa zusammen mit ihrer Mutter in Österreich bleiben. Ende 2007 bestätigte das Höchstgericht die bisherigen Urteile und entschied gegen ein Bleiberecht der Familie und so sollten auch Arigona und ihre Mutter (nicht sofort, sondern) nach Ende der Pflichtschule im Sommer 2008 ausgewiesen und wieder mit ihren Angehörigen im Kosovo zusammengeführt werden.

Mutter Zogaj unternahm dann 2008 einen Selbstmordversuch, was zu psychiatrischer Behandlung führte und Vater Zogaj verliess seine bisher mit ihm lebenden Kinder im Kosovo. Diese liessen sich durch Schlepper nach Ungarn bringen, stellten dort -nachdem sie von der Polizei aufgegriffen worden waren- einen Asylantrag und drei davon reisten daraufhin im Dezember 2008 wiederum illegal in Österreich ein. Innenministerin Fekter prüfte indes, ob aufgrund des Dublin-Abkommens eine Zusammenführung in Ungarn möglich wäre. Die zwei älteren Brüder Arigonas kündigten an, freiwillig in den Kosovo zurückzukehren und bei einem wurde bei der Ausreise ein Schlagring vorgefunden, der in Österreich unter das Waffengesetz fällt und wofür er bis zu einem Jahr Haft erhalten könnte. Und schon kurz darauf wurden die beiden erneut ein Österreich aufgegriffen und stellten wiederum einen Asylantrag; sie kamen daufhin in Schubhaft und reisten anschliessend freiwillig zurück in den Kosovo.

Im November 2009 kam dann der endgültige negative Asylbescheid für Arigona und der damit verbundene endgültige Abschiebebefehl. Und wieder gab es Selbstmorddrohungen von Seiten Arigonas.

Und nun zu meinem Standpunkt in dieser Causa: Ich bin im Grunde Befürworter eines “humanitären Bleiberechts”, aber nicht im Fall von Arigona Zogaj. Und voll allem ist sie keinesfalls -wie vom Magazin “profil” betitelt – “Mensch des Jahres 2008″: Was hat sie 2008 oder auch die Jahre vorher an Positivem für die Allgemeinheit, speziell für Österreich geleistet, um diese Auszeichnung zu verdienen?

In ihrem Fall bzw. bei ihrer Familie gab es im Gegenteil Jahr für Jahr neue Erpressungsversuche und ständig neue öffentlichkeitswirksame Aktionen, um anders behandelt zu werden als andere Asylwerber. Ohne diese vollkommen unnötigen Aktionen würde Arigona vermutlich schon lange ein humanitäres Bleiberecht in Österreich geniessen. Und dies, obwohl auch das diskriminierend gegenüber all jenen Asylwerbern wäre, die ein Bleiberecht vielleicht mehr verdienen, weil sie beispielsweise aus einem aktuellen Kriegsgebiet oder einem Land kommen, in dem nachweislich politisch verfolgt wird. Diese sind übrigens auch die einzigen Gründe, die nach aktuellem österreichischen Asylgesetz auch tatsächlich zu einem positiven Asylbescheid führen.

Die Schlussfolgerung muss also lauten: Die Republik Österreich darf sich auf keinem Fall, auch nicht in Asylfragen erpressen lassen. Und wenn man zudem bedenkt, dass Österreich aktuell europaweit laut eurostat nicht rigoros entscheidet, sondern im Gegenteil bei der Flüchtlingsanerkennungsrate (mit 62 Prozent Ja bereits in erster Instanz) im Spitzenfeld steht und die Zogajs daher wohl aus guten Gründen in allen Distanzen das Verfahren verloren haben, muss die Abschiebung der Zogajs nun auch umgesetzt werden, will man Justiz und Rechtsstaat nicht der Lächerlichkeit preis geben.

Es wäre zudem höchst an der Zeit, alles daranzusetzen, dass Asylverfahren nicht mehr jahrelang dauern und alle Beteiligten quälen, sondern rasch und zügig abgeschlossen werden. So wird jenen Asylwerbern, gegen deren Aufnahme entschieden werden muss, nicht unnötig lange Hoffnung gemacht, dass es klappen könnte. Und jene Einwanderer, die einen positiven Bescheid erhalten, könnten sich sofort in die österreichische Gesellschaft integrieren. Dazu ist es aber nötig, dass sie neben ihrer Aufenthaltsbewilligung auch sofort eine Arbeitserlaubnis erhalten.

Zum Thema Asyl in Österreich habe ich übrigens schon kürzlich hier schon geschrieben.