Mit ‘Gabrieli Consort’ getaggte Artikel

Samstag, 3. April 2010, von Elmar Leimgruber

Hintergrund-Kommentar zu “Resurrection” von magnam gloriam und Kritik verschiedener Messias-Interpretationen

Hier eine exklusive Hintergrund-Info zur aktuellen Maxi-CD “Resurrection” von magnam gloriam, produced by elmadonmusic.com: Die Urkomposition, die diesem Song zugrundeliegt, ist jahrhundertealt und stammt von keinem Geringeren als von Georg Friedrich Händel (1685-1759).

Dessen bekanntestes Oratorium ist “Der Messias“, verfasst im Original auf englisch (“Messiah“), da Händel damals sehr viel in London unterwegs war. Als Libretto verwendete Charles Jennens passende Bibelstellen des Alten und Neuen Testaments.

Mein Lieblingssong daraus ist seit Langem jene österliche Bass-Arie mit dem Titel “The Trumpet shall sound“, dessen Text aus dem 1. Brief des Apostels Paulus an die Korinther im Neuen Testament stammt:

- The trumpet shall sound, and the dead shall be raised incorruptible, and we shall be changed. For this corruptible must put on incorruption and this mortal must put on immortality.  (I Corinthians 15:52-53)

- Die Posaune wird erschallen, die Toten werden zur Unvergänglichkeit auferweckt, wir aber werden verwandelt werden. Denn dieses Vergängliche muss sich mit Unvergänglichkeit bekleiden und dieses Sterbliche mit Unsterblichkeit. (1 Kor 15,52-53)

Und eben diese Bass-Arie ist es, die Sie in verschiedenen neuen elmadonmusic-Arrangements (unter anderem eine klassische Streicher-Version und eine innovative A Cappella-Variante) auf der neuen Maxi-CD “Resurrection” von magnam gloriam hören:

Ich habe bereits vor einigen Jahren hier die Gesamtaufnahme von Händels “Messias” unter Richard Bonynge besprochen.
Inzwischen muss ich meine Meinung hierzu leider revidieren (jene Aufnahme liegt maximal im Mittelfeld, obwohl die Ambrosian Singers zu den besten Sängern der Welt gehören und dies auch hier unter Beweis stellen), da ich mittlerweile 23 Aufnahmen davon kenne:

Es gibt weit bessere Aufnahmen des “Messias”: Eindeutig und weit vor allen anderen an erster Stelle steht nun bei mir die Gesamtaufnahme der Academy of Ancient Music unter der Leitung ihres Gründers Christopher Hogwood aus dem Jahr 1980, basierend auf der Foundling Hospital Version des Komponisten dieses Oratoriums aus dem Jahr 1754. Hier passt einfach alles: Das historische Instrumente spielende Orchester, DER Händelspezialist Hogwood am Dirigentenpult und hervorragende Solisten (Judith Nelson, Emma Kirkby, Carolyn Wakinson, Paul Elliott und vor allem David Thomas).

An zweiter Stelle steht die Interpretation des “Messiah”; (ebenfalls die 1754er-Version) durch Paul McCreesh und seinem Gabrieli Consort & Players: Diese Volldigitalaufnahme zeichnet sich vor allem klanglich aus und das Gabrieli Consort ist einfach ein grossartiger Chor.

Gleichauf an zweiter Stelle kommt eine historische “Messiah”-Gesamt-Aufnahme aus dem fernen Jahr 1965 mit dem Philharmonia Orchestra unter Otto Klemperer: Sie ist zwar technisch keinesfalls auf dem heutigen Level, aber sie ist von einer solchen Inbrunst, dass sich bei mir immer wieder Gänsehaut beim Zuhören entwickelt. Das ist einmalig, gerade, weil die Aufnahme so “alt” ist.

An dritter Stelle steht eine weitere Aufnahme der Academy of Ancient Music, diesmal die Version aus dem Jahre 1751 und volldigital eingespielt im Jahr 2006 und unter der Leitung von Edward Higginbottom: Ein nach wie vor authentisches Orchester mit grossartigen Solisten interpretiert vorbildlich.

Dann kommen viele weitere Aufnahmen, die in meiner Bewertung irgendwo im Mittelfeld liegen, z.B. eine deutschsprachige Interpretation der Mozart-Bearbeitung des “Messias” unter Rilling, sowie die englischen Gesamtaufnahmen unter Neville Marriner, Andrew Parrott, Johannes Somary, Trevor Pinnock, Stephen Cleobury oder Karl Richter.

Besonders positiv erwähnt sei zudem die deutschsprachige Version des “Messias” aus dem fernen Jahr 1965 mit dem Münchener Bach-Chor und Bach-Orchester (mit Gundula Janowitz, Marga Hoeffgen, Erst Haefliger und Franz Crass als Solisten) unter Karl Richter.

Am unteren Ende der Charts kommen dann die Aufnahmen unter Yehudi Menuhin und unter Timothy Dean sowie die mit den Wiener Sängerknaben unter Peter Marschik, aber ganz am Ende, also meines Erachtens vollkommen unnötig, eines geistlichen Werkes unwürdig und einfach grottenschlecht in jeder Hinsicht ist die Gesamtaufnahme des “Messiah” mit dem London Symphony Orchestra unter Sir Colin Davis aus dem Jahr 1966.

Zur Veranschaulichung und zum Vergleich haben Sie hier die Möglichkeit, in 70 verschiedene Aufnahmen der Arie “The Trumpet Shall Sound” reinzuhören:

Freitag, 16. Juni 2006, von Elmar Leimgruber

Paul McCreesh, der junge Hogwood

Im fernen Jahr 1973 gründete der Musikwissenschaftler und -Pädagoge Christopher Hogwood die Academy of Ancient Music, eine Formation von hochtalentierten jungen Musikern, die sich nicht nur rhythmisch und geschwindigkeitsmäßig auf die authentische Interpretation alter Musik spezialisieren sollten, sondern auch durch die Verwendung historischer Instrumente aus jeder Zeit, in der die Werke komponiert wurden.
Seither versuchten sich viele Künstler in demselben Genre (u.a. Roger Norrington, Nikolaus Harnoncourt, John Eliot Gardiner, William Christie, Trevor Pinnock, Paul Goodwin), Hogwood, das Original, blieb hingegen unerreicht.
In der Zwischenzeit wuchs eine neue Generation von Musikern heran: einer von diesen, Andrew Manze, ist heute der Nachfolger von Trevor Pinnock als Chef des English Concert. Vorher war er im Orchester Hogwoods als Solist an der Violine und als Dirigent tätig und wurde innerhalb kürzester Zeit Co-Chef der Academy. Auch die Bekanntheit von Cecilia Bartoli ist übrigens maßgeblich Christopher Hogwood zu verdanken, der sie schon in seinen frühen Einspielungen musikalisch verewigte.
Neben Andrew Manze ist DER musikalische Newcomer einer neuen Generation Paul McCreesh. Genauso wie Hogwood seinerzeit geht McCreesh heute einen ganz neuen Interpretationsweg im Bereich der sogenannten Alten Musik. Er interpretiert noch frischer, noch lebendiger, noch aufmüpfiger als Hogwood und es ist ein musikalischer und künstlerischer Hochgenuß, beispielsweise seine Einspielung von Händels “Messias” zu hören.
McCreesh hat mit seinem Ensemble Gabrieli Consort in diesem Jahr sein Spektrum erweitert und in London ein von der großen Öffentlichkeit beinahe unbemerktes Mozart-Konzert* gegeben, dem ich am 14. Juni beiwohnen durfte.
McCreesh ist ein großartiger und feinfühlender Musiker und Orchesterleiter und er interpretiert lebendig und begeistert, so dass der Kulturliebhaber sich nur ebenfalls begeistert freuen kann. Paul McCreesh ist heute DER musikalische und künstlerische Innovator, der seit 1973 Christopher Hogwood war.
Und was ist mit Hogwood heute? Ist er ausgelaugt, müde?
Nein, keinesfalls, er ist das, was ein großer Musiker und Wissenschaftler immer ist, weiter innovativ und auf neuen, vollständig anderen Ufern unterwegs: Er, der bisher nur bekannte Experte für Alte Musik, veröffentlicht seit einigen Jahren u.a. zusammen mit dem Kammerorchester Basel zahlreiche CDs mit Uraufführungen von Musik aus dem 20. Jahrhundert. Zudem führte er mit seiner Academy Of Ancient Music (deren Leitung übergibt er ab Herbst einem der neuen Generation: an Richard Egarr) romantische Werke beispielsweise von Mendelssohn-Bartholdi auf und auch in dessen Interpretation ist Hogwood wieder mal seiner Zeit weit voraus. Kein Wunder, dass Hogwood neben kleinen Meisterensembles mittlerweile einige der besten großen Orchester weltweit wie beispielweise das Tonhalle Orchester Zürich, das RAI-Orchester Mailand oder das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks dirigiert.
Qualität und Innovationsdenken überstehen eben alle Zeiten.
*Von Hogwood gibts übrigens auch eine neue CD, und zwar mit -wie sollte es im Mozartjahr auch anders sein- unbekannten Werken Mozarts: “The secret Mozart”.