Mit ‘Unabhängiger Journalismus’ getaggte Artikel

Dienstag, 27. April 2010, von Elmar Leimgruber

Journalistische Unabhängigkeit und wirtschaftliche Zwänge

Thomas Leif vom SWR
Foto: © Leimgruber

Ja, wenn man bloss nicht so abhängig wäre von diesen und jenen Einnahmequellen! Ja, dann könnte man unabhängigern und kritischen Journalismus pflegen. Und dann könnte man mehr und bessere Redakteure engagieren anstatt nur “Praktikanten” oder maximal Content-Füller. Ja, wenn es den Zeitungen bloss wirtschaftlich gut ginge, ja dann könnte man..

Da kommen dann schon äusserst interessante Ideen: Er habe “keine Ahnung, wohin der Zug fährt”, sagte da beispielsweise Charles E. Ritterband, NZZ-Kor­respondent in Wien beim heutigen 11. Europäischen Zeitungskongress im Wiener Rathaus : seine Zeitung habe schwerwiegende finanzielle Probleme; vielleicht könnte man ja subventionieren… Dazu: Tho­mas Leif, SWR-Chef­re­porter und Vorsitzender von Netzwerk Recherche: Ja, kritischer Journalismus müsste eigentlich subventiert werden.Aha, wie wer? Ob er sich das so vorstellt, wie das in Österreich traditionell gehandhabt wird, frage ich ihn. Ob er das für wünschenwert hält, dass der jeweilige Bundeskanzler je nach seiner politischen Farbe den Chefredakteur des Republik-Blattes “Wiener Zeitung” ersetzt oder dass er genauso auch durch die Bestellung seiner politischen Lieblinge Wahlergebnisse im ORF-Publikumsrat umkrempeln kann? Nein, das meine er nicht, antwortete Leif: Es müsste eine wirklich unabhängige Stiftung gegründet werden, hinter der Verleger, die Wirtschaft… stehen. Ziel müsse jedenfalls die Subventionierung von kritischem Journalismus sein.

Ich bin dafür, ja natürlich. Aber dann müssten wirklich alle wichtigen Medienhäuser miteinander darin vertreten sein, aber nicht deren Geschäftsführer, sondern vor allem Redakteure. Und natürlich gehören auch Journalistenvertretungen in das Entscheidungsgremium einer solchen Stiftung und in Österreich zudem auch noch Vertreter der Sozialpartner. Es müsste jedenfalls sichergestellt werden, dass wirkliche Unabhängigkeit in dieser Stiftung herrscht und dass die freie Meinungsäusserung, die Pressefreiheit und die kritische Berichterstattung ohne wirtschaftliche oder p0litische Zensur ermöglicht, gefördert und auch finanziell unterstützt werden.

Aber zu glauben, dass dies so kommen könnte, ist leider illusorisch. Denn letztlich zählen unterm Strich die harten Zahlen und Fakten und wer finanziert, will Einfluss nehmen. Dabei -und hier bin ich auch vollkommen einer Meinung mit Leif- : Echter Fortschritt einer Gesellschaft ist nur möglich, wenn die Mächtigen in Politik und Wirtschaft einer medialen “Kontrolle” unterstehen und wenn man als Medium aktiven kritischen Journalismus praktiziert, selbst dann, wenn Societynews viel mehr “Einschaltquoten” bringen.

Ich appelliere an alle Verantwortlichen in den Medien, sich durch niemanden unterdrücken oder erpressen zu lassen, weder durch jene, die Inserate schalten noch durch Politiker oder durch sonstwem. Journalismus muss wirklich frei und unabhängig sein. Wenn sich alle daran halten, wird sich was ändern. Ohne einen freien und kritischen Journalismus hingegen gibt es kein Wachstum und keinen Fortschritt. Es muss im Sinne aller Verantwortlichen sein, eine echte freie und unabhängige Berichterstattung zu ermöglichen, ja sogar zu fördern.

Die allgemein übliche Volksverdummung durch Massenmedien fortzusetzen ist unverantwortlich, denn “Journalismus ist nicht Konsumgut, sondern Kulturgut” (Ritterband). Es kann nicht so sein, wie es der deutsche Buch­­­autor Tom Schimmeck provokant formulierte: Journalisten sind oft in der Redaktion ohne Aussenkontakt “gefangen” und sind daher oft die Letzten, die wirklich mitbekommen, was “draussen” passiert. Und es braucht daher eine neue “Verantwortung im Journalismus” (Hilde Schwabeneder, Italien- und Vatikankorrespondentin des ORF), was natürlich auch eine Frage der Finanzierbarkeit ist (Moderator Michael Fleischhacker “Die Presse”: “Die Hauptbedrohung ist ökonomischer Natur”). Und schon stehen wir wieder am Anfang der Frage…

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- Über den Südtiroler Journalisten Hans Karl Peterlini und die Südtiroler Heldenpsyche



Montag, 29. März 2010, von Elmar Leimgruber

Hans Karl Peterlini und die Südtiroler Helden-Psyche

Seine sprachlichen Fähigkeiten sind überdurchschnittlich, seine Beobachtungsgabe und seine geistige Aufnahmefähigkeit sind exzellent, und er schafft es immer wieder gekonnt, jene entscheidenden Dinge, die es -natürlich aus seiner Sicht- zu sagen gilt, auf den Punkt zu bringen: Hans Karl Peterlini.

Auch wenn er seit Jahren immer weniger journalistisch aktiv ist, dafür mehr pädagogisch und psychologisch und als Buchautor: Er ist ohne Zweifel einer der fähigsten und besten Südtiroler Journalisten, der sich zudem ständig weiterentwickelt (was bei manchem seiner Berufskollegen nicht festzustellen ist: bedauerlicherweise): Vertrautes aufgeben zu “müssen”, führt zum Fortschritt und zum Leben: dies entspricht ja auch seiner persönlichen Überzeugung.

Hans Karl ist zudem sehr streitbar. Und auch das ist gut so: Wenn Chefredakteurs-Positionen auch zuweilen mehr aus politischer und/oder wirtschaftlicher Nähe zu Parteien und Einflussnehmern oder aufgrund einer leichten Manipulierbarkeit wegen vergeben werden mögen: Ein wirklich guter Journalist ist und bleibt -mag er auch sprachlich und fachlich noch so kompetent sein- letztlich unbezahlbar und auch nicht käuflich, vor allem in dem, was er sieht, hört und denkt. Sich bewusst manipulieren und von niedrigen Machtgelüsten missbrauchen und verführen zu lassen, von wem auch immer dieses Angebot kommen mag, entspricht sicher keinem wahrlich grossen Journalisten.

Hans Karl Peterlini
Foto: © Leimgruber

Hans Karl ist auch diesbezüglich immer seinen Weg gegangen. Und natürlich hat er sich damit auch Feinde gemacht. Aber wie profil-los und unbedeutend -weil austauschbar- wäre er, wenn ihm jeder nur wohlgesonnen wäre? Ein Journalist muss für Pressefreiheit stehen, provozieren und anecken: nicht immer, aber immer wieder und dies vor allem den Mächtigen gegenüber.

Und ein Journalist muss auch nicht genauso gut über alle Einzelheiten eines Fachgebietes Bescheid wissen wie Fachleute auf diesem. Und dennoch darf er darüber schreiben und muss es zuweilen sogar aus Verantwortungsbewusstsein seinen Lesern gegenüber.

Bei der Präsentation von Hans Karl Peterlinis neuestem Buch “Freiheitskämpfer auf der Couch” letzthin in Bozen war auch der Historiker Leopold Steurer als Diskussionsteilnehmer geladen. Dieser nützte aber seine Chance, konstruktive Kritik aus historischer Sicht zu üben nicht, sondern startete vielmehr einen für die Anwesenden unerwarteten und aggressiven Frontal-Vernichtungsschlag gegen Peterlini, indem er dessen bisherige Publikationen pauschal verwarf und Peterlini einerseits “mangelnde Distanz” und andererseits -was das aktuelle Buch betrifft- psychoanalytische Fehldeutungen vorwarf. Trotz blendender Rhetorik konnte Steurer seine Angriffe aber nicht stichhaltig begründen.

Peterlinis Psychoanalyse der Südtiroler Heldengeschichte ist eine Erweiterung und Fortführung seiner Innsbrucker Diplomarbeit “Die Sprengung von Macht und Ohnmacht” von 2004, wo er sich vor allem die psychoanalytischen Motive hinter den Südtirol-Anschlägen von 1961 bis 1988 untersucht. Im aktuellen Buch geht es um die Psychoanalyse der Tiroler Verteidigungskultur von 1809 bis zum Südtirol-Konflikt bzw. noch weiter bis zu den zeitgenössischen Landeshauptleuten von Südtirol: den “reparativen Moses” Magnago und den “Libido-Narzisten” Durnwalder.

Ich bin zusehr Journalist und maximal Hobbypsycholge, als dass ich mir erlauben könnte, hier ein fachlich kompetentes (aus der Sicht eines Psychoanalysten) Urteil über das aktuelle Buch von Hans Karl Peterlini zu fällen. Aber die “Freiheitskämpfer auf der Couch” sind äusserst interessant zu lesen und die hinter diesem Werk stehende Absicht, “Mythen nicht zu zerstören, sondern verstehen zu lernen” ist allemal lobenswert: Bevor man nicht verstehen gelernt hat, dass man nicht allein im Augenblick steht, sondern Geschichte hat, von der Geschichte seines Landes geprägt ist und dass man -ob man will oder nicht- Teil der Leidensgeschichte auch seiner Vorfahren ist, bleibt man ein ständig ängstlich Verdrängender und Abwehrender alles Neuen und Fremden.

Man kann die schwierigsten Probleme des Lebens, vor allem Verletzungen und Schmerzen -auch der Vorfahren- nur dann verarbeiten und lösen, wenn man einerseits bereit ist, Ja zu dem zu sagen, was war, es so zu akzeptieren, wie es nun mal war, auch wenn es sehr weh tut und auch Trauer zuzulassen (auch in bezug auf die Südtiroler Geschichte des 20. Jahrhunderts). Und andererseits brauchen wir Menschen grundsätzlich Verständnis und Vergebung: Also zunächst erkennen, zulassen, verstehen lernen und schliesslich das Trauma lösen und bewältigen: und dies gelingt meist nur in der Vergebung aus tiefstem Herzen: seinen Vorfahren und auch sich selbst gegenüber. Sonst werden (teils auch nur vermutete) Schuld und Trauma ungelöst von eine Generation auf die nächste weitergegeben, wie Peterlini in seinem Buch schreibt.

“Freiheitskämpfer auf der Couch” von Hans Karl Peterlini kann aber vermutlich die eigentlichen Probleme auch der Südtiroler Geschichte und der Bevölkerung auch nicht wirklich lösen. Aber dieses Buch ist ein höchst interessanter Versuch einer psychologischen Annäherung an das Südtiroler Heldentum und es versucht vor allem zu erklären, warum sich Südtiroler in gewissen Situationen -psychologisch betrachtet- so und nicht anders -vielleicht sogar- verhalten mussten. Insofern ist es sicherlich kein seichtes Werk, das kalt lässt. Sondern es berührt und lädt zum Nachdenken über das Leben seiner Angehörigen und Vorfahren ein, aber auch über die eigene Geschichte und das eigene Leben, die man keineswegs verleugnen darf.

Dann kann und wird vermutlich immer wieder was -vielleicht Schmerzhaftes- aufbrechen im eigenen Leben: und es tritt Veränderung ein. Man muss sich ja nicht dagegen wehren. Sondern wir dürfen uns auf Veränderung einlassen: immer wieder.