Mit ‘Reporter ohne Grenzen’ getaggte Artikel

Donnerstag, 29. August 2013, von Elmar Leimgruber

Medienpreis für “Standing Man” in Istanbul

Seine Bilder gingen um die Welt: Weil der islamistische türkische Diktator Recep Tayyip Erdoğan angekündigt hatte, die Demonstrationen in Istanbul niederzuschlagen, startete Erdem Gündüz einen stehenden schweigenden Protest und ging daher als “Standing Man” (türkisch: “Duran Adam”) in die Geschichte der türkischen Demokratiebewegung ein. Der Tänzer und Choreograph Erdem Gündüz erhält hierfür den diesjährigen M100 Media Award.
Gündüz wurde als “stehender Mann” bekannt, als er im Juni aus Protest gegen Polizeigewalt in der Türkei und das Schweigen der türkischen Medien über die Gezi-Protestbewegung etwa 8 Stunden lang regungslos auf dem Istanbuler Taksim-Platz verharrte und das Porträt des Staatsgründers der modernen Republik Türkei, Mustafa Kemal Atatürk anstarrte. Nachdem die Polizei die großen Demonstrationen auf dem Platz gewaltsam beendet hatte, inspirierte er mit seinem friedlichen Protest zahlreiche Nachahmer.

Das Potsdamer Medienforum M100, dessen Kooperationspartner Reporter ohne Grenzen ist, zeichnet Gündüz deshalb für sein Engagement für freie Meinungsäußerung und Menschenrechte aus. „Die Berichterstattung über die Gezi-Proteste in Istanbul hat gezeigt, wie groß der Druck auf Journalisten in der Türkei ist, Kritik an der Regierung aus Rücksicht auf die unternehmerischen Aktivitäten der Medieneigentümer unter den Teppich zu kehren“, sagte Michael Rediske, Vorstandssprecher von Reporter ohne Grenzen. „Mit seiner spektakulären Aktion auf dem Taksim-Platz hat Erdem Gündüz demonstriert, dass selbst ein einzelner Mensch ein Zeichen für die Meinungsfreiheit setzen kann.”

Der M100 Media Award wird jedes Jahr an eine Persönlichkeit vergeben, die sich um den Schutz der freien Meinungsäußerung und die Vertiefung der Demokratie verdient gemacht hat. Der undotierte Preis wird Erdem Gündüz am 5. September in Potsdam verliehen.

Donnerstag, 31. Dezember 2009, von Elmar Leimgruber

Alarmsignal: 76 ermordete Journalisten 2009

Journalisten leben mancherorts sehr gefährlich: Gewalt und Repressionen gegen Journalisten haben im Jahr 2009 schwer zugenommen. Dies geht aus der der Jahresbilanz 2009 von Reporter ohne Grenzen (ROG) hervor, die am 30. Dezember veröffentlicht wurde.

Demnach sind mindestens 76 Journalisten in den vergangenen zwölf Monaten während ihrer Arbeit oder wegen ihres Berufs getötet worden. Das sind 16 mehr als im Jahr 2008. Eine größere Zahl von Journalisten wurde in diesem Jahr auch körperlich angegriffen oder bedroht. 1456 Medienmitarbeiter wurden in diesem Jahr Opfer dieser Form von Gewalt, im Vorjahr waren es noch 929. Ebenfalls deutlich erhöht hat sich die Zahl der zensierten Medien (2008: 353, 2009: 570). 33 Medienmitarbeiter wurden in diesem Jahr entführt (2008: 29).

Die um fast 27 Prozent erhöhte Todesrate unter Journalisten ist vor allem eine Folge des Mordes an 30 Journalisten auf der philippinischen Insel Mindanao im November 2009. Es ist das größte von ROG jemals dokumentierte Massaker an Medienmitarbeitern an einem Tag. Besonders gefährliche Länder für Journalisten waren außerdem Somalia (9 Todesfälle), Pakistan (5) und Russland (5).

In Kriegen und im Umfeld von Wahlen waren Journalisten im Jahr 2009 besonderen Bedrohungen ausgesetzt. „Über einen bewaffneten Konflikt zu schreiben erweist sich als immer gefährlicher für Journalisten: Sie geraten in die Schusslinie, werden gezielt ermordet oder entführt. Aber auch die Berichterstattung während Wahlperioden ist in einigen Ländern eine riskante Arbeit, die im Gefängnis oder im Krankenhaus enden kann“, sagt ROG-Generalsekretär Jean-François Julliard anlässlich der Veröffentlichung der Jahresbilanz 2009.

Die 30 Journalisten auf der philippinischen Insel Mindanao wurden im November ermordet, weil sie über die Wahlkampagne eines Kandidaten für das Gouverneursamt berichten wollten. In Tunesien wurde der Journalist Taouflik Ben Brik einige Tage nach der Wiederwahl von Präsident Ben Ali verhaftet. Im Iran werden viele Journalisten bis heute für ihre kritischen Berichte vor und nach der umstrittenen Präsidentschaftswahl im Juni mit Verhören, Gefängnisstrafen, Schikanen und schweren Misshandlungen bestraft.

Die weltweite Zahl der Festnahmen von Journalisten ist um etwa ein Siebtel zurückgegangen. Dafür hat sich die Zahl der Festnahmen von Bloggern und Internetnutzern fast verdreifacht. Viele autoritäre Regierungen wie die chinesische, die iranische oder aserbaidschanische befürworten harte Strafen für Internetnutzer, weil sich das World Wide Web zu einem Motor demokratischer Proteste entwickelt hat.

Zum ersten Mal veröffentlicht ROG in seiner Jahresbilanz die Zahl von Journalisten, die in den vergangenen zwölf Monaten gezwungen waren, ihre Heimat zu verlassen: 2009 sind 157 Medienmitarbeiter ins Exil gegangen, weil ihr Leben oder ihre Freiheit bedroht wurde.

„Unsere größte Sorge ist in diesem Jahr der massive Exodus von Journalisten aus repressiven Staaten wie dem Iran oder Sri Lanka. Die Behörden in diesen Ländern fördern häufig bewusst eine Flucht von Journalisten und Bloggern, um damit den Pluralismus der Meinungen und Kritik zu unterdrücken“, sagt Jean-François Julliard.

Hoffen wir, dass das Jahr 2010 bessere Arbeitsbedingungen für Journalisten weltweit bringen möge.

Der komplette Jahresbericht 2009 von Reporter ohne Grenzen kann hier eingesehen werden.