Mit ‘Franz Welser-Möst’ getaggte Artikel

Dienstag, 3. Januar 2012, von Elmar Leimgruber

Neujahrskonzert 2012: So muss Musik erklingen

Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker aus dem Wiener Musikverein
Foto: ORF/ Ali Schafler

Vorausgeschickt: Nein, es tut mir nicht leid, dass ich im vergangenen Jahr so manchen die musikalische Harmoniebedürftigkeit am 1. Jänner mit meiner harschen Kritik an Franz Welser-Möst verdorben habe. Welchen Sinn haben denn Kulturkritiken, welche einfach nur schleimend lobhudeln, weil es eben so sein muss, dass immer alle über das Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker jubeln müssen, unabhängig davon, welche Qualität geboten wird?

Viel sinnvoller ist es doch wohl für alle -inklusive die Philharmoniker selbst- möglichst sachlich (wenn auch eine Kritik immer nur subjektiv sein kann) und durchdacht eine Kritik zu verfassen, die gegebenenfalls allen Beteiligten hilft, besser zu werden. Und dieses Anliegen verfolge ich hiermit auch mit meiner Kritik zum Neujahrskonzert 2012 unter Mariss Jansons. Doch zunächst ein paar Zahlen zum Event:

Die 54. ORF-Übertragung des “Konzerts der Konzerte” , des Neujahrskonzertes 2012 aus dem Goldenen Saal des Musikvereins, das zum zweiten Mal von Mariss Jansons geleitet wurde, “erreichte mit durchschnittlich 1,063 Millionen Zuseherinnen und Zusehern den besten Wert seit 2006 – auch damals stand Jansons, der seine Rolle als Publikumsmagnet somit heuer bestätigte, am Dirigentenpult”, berichtet der ORF. Mit dem Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker starteten am 1. Jänner 2012 demnach bis zu 1.214.000 Österreicherinnen und Österreicher in ORF 2 beschwingt in das neue Jahr. Via ORF 2 waren bei Teil zwei des Neujahrskonzerts durchschnittlich 1,147 Millionen Zuseherinnen und Zuseher dabei, der nationale Marktanteil betrug laut ORF 61 Prozent. Dieses Neujahrskonzert wird am 6. Jänner 2012 um 10.00 Uhr auf ORF 2 wiederholt.

Mariss Jansons
Foto: ORF/Ali Schafler

Und nun zu meiner Kritik: Ich gebe es gern zu: Ich war positiv überrascht vom heurigen Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker unter Mariss Jansons: Sie können ja tatsächlich auch musizieren, nicht nur dahindreschen. Aber wie bei vielen Traditionsorchestern ist es auch bei den Wiener Philharmonikern: Am Dirgentenpult ernstgenommen wird nur eine wirkliche Persönlichkeit, die intellektuell und spirituell inspiriert in der Lage ist, Musikerinnen und Musiker zu Präzision und zu Höchstleistungen zu animieren.

Dies alles geht üblicherweise selbstverständlich nicht aktiv vor sich, sondern passiv. So manchen -auch international hochgejubelten- Dirigenten fehlt genau diese Persönlichkeit, sodass deren bestbezahlte Jobs und deren Bekanntheitsgrad vielfach mehr mit für die Musik schädlichen Beziehungen als mit tatsächlichem Talent  zusammenhängen dürfte.


Der diesjährige Dirigent des Neujahrskonzertes der Wiener Philharmoniker, der Lette Mariss Jansons hingegen ist, wie dieses Konzertereignis eindrucksvoll bewies, eine starke Dirigentenpersönlichkeit, welche einfach “wirkt”. Die sicherlich intensive Probenarbeit hat sich bezahlt gemacht und siehe da: Plötzlich sind die Philharmoniker sogar beim Neujahrskonzert in der Lage, nicht nur beweisen zu wollen, dass sie laut spielen können, sondern dass sie sich auf Wunsch des Dirigenten und zum Wohle der Musik auch mal selbst zurücknehmen können: Dadurch kann die Musik der Strauss-Dynastie ihren Wiener Charme voll entfalten. So und nur so, wenn präzise mit Feingefühl musiziert wird, kann man sie auch in vollen Zügen genießen, was ja auch wieder zum Ruhm des Orchesters beiträgt.

Mariss Jansons
Foto: ORF/Ali Schafler

Unter Mariss Jansons spielt nicht nur jeder für sich sein Instrument, sondern  alle gemeinsam lassen sie die Musik erklingen, die das Herz erfreut und beseelt. Mit dem richtigen Dirigenten am Pult sind die Philharmoniker einfach das, wofür sie auch international bekannt sind: eines der besten Klangkörper der Welt.

Wenn hingegen jeder Musiker für sich bei einem Konzert sein eigenes Ding durchzieht, weil er die Musik ja kennt und vom Dirigenten weder Persönlichkeit noch ausreichendes Musikgespür hat, dann gibts sogar rhythmisch falsches musikalisches Chaos mit Instrumenten-Gedresche, was letztlich -mangels notwendiger musikalischer Herausforderung- letztlich auch dem Orchester selbst und seinem internationalen Ruf schadet.

Kirill Kourlaev und Maria Yakovleva (Wiener Staatsopernballet im Klimt-Outfit)
Foto: ORF/Günther Pichlkostner

Selten zuvor war auch die Zusammenstellung des Programms vielseitiger und abwechslungsreicher als bei diesem Neujahrskonzert. Und erstmals durfte heuer das Wiener Staasopernballett Ballett in den Ausstellungsräumen von Schloss Belvedere tanzen, wo Klimt und Schiele Jahr für Jahr für hohe Besucherzahlen sorgen.  Und es bewies auch heuer wieder sein großartiges Können. Der Italiener Davide Bombana war für die meisterhafte Choreographie verantwortlich, die exzellenten Kleider für das Ballett-Ensemble wurden von Christof Cremer kreiert.  Und großartig wie immer bei solchen Auftritten bewährten sich auch die Wiener Sängerknaben (was bei deren Tourneen leider nicht immer der Fall ist).

Das Neujahrskonzert 2013 der Wiener Philharmoniker wird wiederum der Wiener Generalmusikdirektor Franz Welser-Möst geleitet: Manche Menschen wachsen ja durch ihr Amt, das sie bekleiden. Bleibt zu hoffen, dass dies auch bei Welser-Möst der Fall sein wird: Ich werde dem von ihm dirgierten Neujahrskonzert 2013 genauso aufmerksam und kitisch lauschen, wie seinem letzten und dem diesjährigen Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker. Und ich wünsche mir, ihm, und uns allen ein ebenso erfrischendes und wohltuendes Neujahrskonzert wie heuer auch im kommenden Jahr.

Und hier können Sie kostenlos in jeden Titel des Neujahrskonzertes 2012 reinhören:

Zum Vergleich seien meine Kritiken zum Neujahrskonzert 2010 (mit Georges Pretre) und zum Neujahrskonzert 2011 (mit Franz Welser-Möst) der Wiener Philharmoniker erwähnt. Und hier als Bonus für alle besonders Interessierten noch weitere Neujahrskonzerte (zum Anhören und Ansehen) im Vergleich und im Laufe der Zeit.

Sonntag, 9. Januar 2011, von Elmar Leimgruber

Neujahrskonzert 2011: Fehlbesetzung am Dirigentenpult

Franz Welser-Möst dirigiert die Wiener Philharmoniker
Foto: ORF/Ali Schafler

Es ist das musikalische TV-Highlight des Jahres und die musikalische Botschaft aus Wien an die ganze Welt: Das Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker: In etwa 70 Länder wurde das Event -zu dem ist es ja in den vergangen Jahren tatsächlich leider verkommen ist- übertragen. Bis zu 1,233.000 Zuseherinnen und Zuseher verfolgten laut ORF am 1. Jänner 2011, die 53. Übertragung des Neujahrskonzerts aus dem Wiener Musikverein im ORF. Via ORF 2 waren demnach bei Teil zwei des Konzerts durchschnittlich 1,169.000 Zuschauerinnen und Zuschauer dabei, der nationale Marktanteil betrug 65 Prozent.

Und am Dirigentenpult war beim Neujahrskonzert 2011 einer, dessen internationaler Erfolg mir- auch und vor allem nach diesem Konzert- vollkommen unerkärlich ist: Franz Welser-Möst.

Schon auf CD, DVD, Blue Ray und Download erhältlich: Das Neujahrskonzert 2011 der Wiener Philharmoniker unter Welser-Möst
Foto: DECCA

Zugegeben: ich war neugierig auf “sein” Neujahrskonzert, vor allem, da seine bisherige musikalische Laufbahn ja durchaus beindruckend ist, ich aber niemals in seinen CD-Einspielungen auch nur annähernd was finden konnte, was diesen Hype rechtfertigen könnte. Aber Menschen verdienen immer neue Chancen, vor allem Künstler (Dirigenten, Komponisten, Regisseure, Schauspieler, Sänger, Maler, Autoren…) verdienen diese neuerlichen Gelegenheiten zu beweisen, dass sie wirklich Talent haben. Und ich hoffte innig, dass Welser-Möst, wenn er schon den -nach eigenen Angaben- musikalischen Nobelpreis erhalten würde durch die Möglichkeit, das Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker zu dirigieren, vielleicht wirklich durch und in dieser Verantwortung wachsen würde. Leider war dem nicht so.

Man konnte im Gegenteil den Eindruck gewinnen, dass die hochehrwürdigen “starken Persönlichkeiten” (Zitat Welser-Möst) der Wiener Philharmoniker so drauf los spielten, wie sie eben die Musik aus der Strauss-Zeit interpretieren, unabhängig davon, wer oder ob ob überhaupt da vorn jetzt einer am Dirigentenpult steht oder nicht. Kann man dies Welser-Möst vorwerfen? Oder liegt es an der Überheblichkeit der Musiker, wenn man als kritischer Zuschauer und Zuhörer diesen Eindruck gewinnen muss?

Tatsache ist allemal: Starke Persönlichkeiten brauchen eine stärkere Persönlichkeit, als sie selbst, sind am Dirigentenpult, sonst ist dieser Posten überflüssig. Und dies trifft bedauerlicherweise auf das Neujahrskonzert 2011 unter Franz Welser-Möst zu: Nur im TV hübsch anzukommen und als austauschbar oder gar als Statist oder Platzhalter am Dirigentenpult zu stehen, reicht nicht.

Welser-Möst selbste meinte ja in der vor dem Neujahrskonzert im ORF übertragenen Doku, dass es nur ganz wenige grosse Dirigenten gebe, keinen Mittelbau und dann eben die durchschnittlichen Dirigenten. Und da muss ich ihm zustimmen, ihm aber gleichzeitg -trotz seiner beindruckenden Karriere- absprechen, zu den grossen Dirigenten er Gegenwart zu gehören. Er dirigiert vollkommen austauschbar und teils sogar noch undifferenzierter als Dirigenten, die international niemand kennt. Diese Kritik trifft übrigens genauso auf vor weitere in Wien gehypte Dirigenten zu, die ich an dieser Stelle bewusst namentlich nicht nennen möchte. Und wirkliche Spezialisten, was die Strauss-Ära und die authentische Interpretation betrifft, die teilweise sogar aus Österreich sind, kommen -aus welchen Gründen auch immer- wohl niemals in diese erste Reihe.

Wie gerne erinnere ich mich hingegen an manche Neujahrskonzerte der vergangenen Jahre, beispielsweise mit Nikolaus Harnoncourt (der in früheren Jahren vielfach Musik “gedrescht” hat, aber mit zunehmendem Alter auch musikalisch weiser und besonnener wurde), Lorin Maazel und besonders Carlos Kleiber, die mit Gespür und Persönlichkeit die Neujahrskonzerte dirigierten.

Ich wünschte mir am Dirigentenpult des Neujahrskonzertes der Wiener Philharmoniker starke und gleichzeitig verständnisvolle Dirigentenpersönlichkeiten, die jene Musik, die sie hier dirigieren “müssen”, auch zumindest verstehen, wenn schon nicht lieben (an diesem Problem scheiterte wohl der ansonsten grossartige Daniel Barenboim vor zwei Jahren). Und auch wenn es wohl nicht im Sinne der Event-Kultur wäre, hier Experimente aufkommen zu lassen: ich bin trotzdem dafür:

Jedenfalls spannend wären sicher Neujahrskonzerte unter dem “verrückten Jazzer” Roger Norrington, dem mystischen Jazzer Andre Previn, dem Energiepaket Christian Thielemann, dem ehemaligen Wiener Musikdirektor Claudio Abbado (aber bitte NICHT den Showman Riccardo Muti) oder dem impulsiven Jungstar Gustavo Dudamel. Oder warum nicht die Wiener Philharmoniker beim Neujahrskonzert wen Musik der Strauss-Dynastie dirigieren lassen, der diese Kultur im Blut hat, beispielsweise der begnadete Pianist Rudolf Buchbinder, der Vorarlberger Christoph Eberle (den die Philhamoniker auch schon lange kennen) und ganz besonders (und ich muss das wie vor einem Jahr erneut vorschlagen:) der gebürtige Wiener Alfred Eschewe (den die Philharmoniker ebenfalls bereits als ihren Dirigenten in der Staatsoper bei zahlreichen Opern kennen), der “immer schon” Strauss dirigiert hat, und  zwar weitaus besser als so mancher -wie im Falle Welser-Möst- prominent und medial gehypte Dirigenten-Star.

Und hier können Sie in jeden Titel des Neujahrskonzertes der Wiener Philharmoniker unter Franz Welser-Möst kostenlos reinhören:

Zum Vergleich sei meine Kritik zum Neujahrskonzert 2010 der Wiener Philharmoniker erwähnt. Und hier als Bonus für alle besonders Interessierten noch Neujahrskonzerte (zum Anhören und Ansehen) im Vergleich und im Laufe der Zeit.

Mittwoch, 6. Januar 2010, von Elmar Leimgruber

Neujahrskonzert 2010: Zu viel Show und zu wenig Spirit

Georges Pretre
Foto: Hautzinger

Endlich konnte ich mir heute die Wiederholung des Neujahrskonzertes 2010 der Wiener Philharmoniker unter Georges Pretre gönnen. Und es fällt mir keinesfalls leicht, eine angemessene Kritik zu fällen:

Georges Pretre wirkt lebensfroh und charmant: er ist einfach ein sympathischer Mensch: und so erreicht er auch die Herzen der Zuschauer gemäss seinem Lebensmotto “Ich liebe dich”. Und menschlich betrachtet ist dies alles auch recht lobenswert.

Ich finde es auch gut, dass heuer wieder ein älterer Herr wie er die Wiener Philharmoniker dirigieren durfte.

Aber all diese Sympathiewerte, die er sich persönlich und auch aufgrund seiner jahrzehntelangen Verdienste um die Pflege der klassischen Musik erworben hat, dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, dass sein Neujahrskonzert heuer meines Erachtens zwar kein schlechtes, jedoch leider einfach nur ein durchschnittliches war. Und ich muss es leider so hart sagen: ich hatte den Eindruck, dass die Wiener Philharmoniker dieses Konzert genauso mit irgendeinem anderen oder auch ohne Dirigenten gespielt hätten, sosehr ignorierten sie den Herrn mit Taktstock und spielten ihr eigenes Ding: Es plätscherte schön harmlos dahin ohne Akzente und Höhepunkte, irgendwie einfach zu “billig” und anspruchslos für meinen Geschmack und leider genau richtig für eine oberflächliche “Hofgesellschaft”.

Pretre gilt auch als DER Experte, was geistliche Musik betrifft. Und davon hat er im Laufe seines Lebens auch sehr viel eingespielt. Und -ich muss es leider zugeben:- er hat mich damit nie erreicht: Ich finde seine Aufnahmen allesamt inhaltslos und keinesfalls geistlich interpretiert. Vielleicht habe ich einfach keinen Zugang zu seiner vielleicht zu einfachen Art zu denken und fühlen: mag sein.

Es ist zwar nicht gerade Rieu-Niveau, aber -bei allem Bedauern, das sagen zu müssen- nicht weit weg davon: leider. Sicher bringt das Quote für den ORF (weit über eine Million Zuschauer hatte die Erstausstrahlung am Neujahrstag), aber -hart ausgedrückt: so viele Klassik-Fans gibts gar nicht. Und bei einer Eurovisions-Sendung von Andre Rieu am Neujahrstag würde diese Quote sicher auch erreicht, wenn nicht gar überschritten. Aber vielleicht ist die Musik der Strauss-Dynastie ja auch genau für so ein oberflächliches Publikum geschrieben und gedacht. Die Geschmäcker sind aber bekanntlich verschieden.

Im vergangenen Jahr stand übrigens einer meiner hochgeschätztesten Dirigenten, Daniel Barenboim beim Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker am Dirigentenpult. Und er tat sich sichtlich schwer, solch -eigentlich hohle- leichtfüssige Musik zu dirigieren (und es war im Vergleich zu seinen sonstigen musikalischen Höchstleistungen für mich auch kein wirklich befriedigendes Neujahrskonzert), aber die Philharmoniker folgten ihm dennoch, und das macht einen wirklich guten Dirigenten aus.

Die Wiener Philharmoniker brauchen wieder mehr grosse Persönlichkeiten (und weniger hochgepuschte Selbstvermarkter und Schauspieler, wie man sie zu häufig im TV zu sehen bekommt) am Dirigentenpult, und da denke ich besonders eben an Daniel Barenboim, Christopher Hogwood, Roger Norrington, Claudio Abbado (der immerhin mal Wiener Generalmusikdirektor war), Christian Thielemann, an den jungen Vorarlberger Christoph Eberle, an DEN Wiener Strauss-Experten und Volksopern-Dirigenten Alfred Eschewe und bei der älteren Generation vor allem an Andre Previn: Bei Previn bin ich besonders neugierig, wie er Musik der Strauss-Dynastie dirigieren würde.

Das heurige Neujahrskonzert war bedauerlicherweise austauschbar; wünschenswert wäre was ganz Anderes…

Und hier als Bonus für alle besonders Interessierten noch Neujahrskonzerte (zum Anhören und Ansehen) im Vergleich und im Laufe der Zeit.