Mit ‘VBW’ getaggte Artikel

Donnerstag, 15. Dezember 2022, von Elmar Leimgruber

“Wer ist das Monstrum und wer ist der Mann?” Musical-Kritik “Der Glöckner von Notre Dame” in Wien

Sie gehören zu den Klassikern der Weltliteratur: Victor Hugo’s „Les Miserables“ und „Der Glöckner von Notre Dame“ (Notre Dame de Paris). Und von beiden gibts erfolgreiche Musicals:

„Les Miserables“ von Claude Michael Schoenberg (Musik) und von Herbert Kretzmer (Lyrics) gehört zu den bekanntesten Musicals aller Zeiten. Die Musik (Alan Menken; Lyrics: Stephen Schwartz; deutsche Texte: Michael Kunze) vom „Der Glöckner von Notre Dame“ hingegen erlangte seine Bekanntheit vor allem durch den gleichnamigen äusserst erfolgreichen Disney-Film. Erst Jahre später wurden Musical-Versionen (zunächst in Berlin, dann auch in den USA) veröffentlicht.

In Wien ist die aktuellste Adaption derzeit im Ronacher live zu erleben. Nun könnte man das Live-Musical an den Vorlagen Trickfilm und vor allem am Original-Roman von Victor Hugo messen. Doch wäre es dann nicht genauso subjektive Interpretation wie einfach das Musical an sich in seiner Gesamtheit zu betrachten? Zweiteres ist vermutlich sinnvoller, auch wenn hier angemerkt sei, dass es auch inhaltliche Abweichungen zwischen dem Disney-Film und dem Disney-Musical gibt, welche herauszufinden hier bewusst dem Publikum vorbehalten bleiben sollen.

Die Musik des Walt Disney „Haus- und Hofkomponisten“ Alan Menken ist im „Glöckner“ -im Gegensatz zu einem anderen bekannten Musical von ihm- abwechslungsreich, treffsicher , emotional erhebend und bewegend: Ohne seine unverwechselbare grossartige Musik scheint das Musical vollkommen undenkbar.

Hinzu kommt in Wien das wuchtige Bühnenbild samt Riesen-Glocken, das Orchester der Vereinigten Bühnen Wien (VBW), das (wie von vielen Musical-Fans sehnsüchtigst erwartet) endlich wieder größer und klassischer wirkt, zudem der grandiose Auswahlchor vom Chorverband Österreich, der die Bühne ebenfalls bereichert.

Die Hauptrolle des Glöckners Quasimodo interpretiert David Jakobs sowohl schauspielerisch als auch stimmlich so authentisch, wie es vermutlich wenige andere schaffen würden. Sein „Meister“ Claude Frollo, (am 8. November und 6. Dezember 2022), glaubhaft dargestellt von Musical-Urgestein Martin Berger, erinnert vielleicht sehr an so manche reale problematische Macht-Figuren in Gesellschaft und Kirchen. Schauspielerisch deckt Berger diese Rolle in jeder Hinsicht vollends und beeindruckend glaubwürdig ab, was stimmlich in dieser Perfektion nicht immer so gelingen mag.

Abla Alaoui ist im Wiener „Glöckner“ die Zigeunerin Esmeralda, welche durch ihre wilden Tänze die meisten Männer um den Verstand bringt: Sie tanzt und vor allem singt sie hervorragend, allerdings fragt man sich im Zuschauerraum an manchen Stellen, ob sie tatsächlich Esmeralda spielt oder sich bereits auf die Spiegel-Szene im VBW-Megaseller „Elisabeth“ vorbereitetet.

Dominik Hees ist der ideale Hauptmann Phoebus. Und -obwohl er nur der „Erzähler“ ist und nicht DIE Hauptrolle im Stück hat- beeindruckt Mathias Schlung sowohl mit seiner Präsenz, als auch mit seinem komödiantischen Talent als auch mit seinem Gesang, er nimmt die gesamte Bühne als „Showmaster“ ein: ein großartiger Allroundkünstler, der immer wieder wohlwollende Erinnerungen an die aussergewöhnliche Musical-Legende „Prof. Abronsius“ Gernot Kranner nährt, und den man sich daher wieder öfter auf den grossen Bühnen wünscht.

Gesamt betrachtet: „Der Glöckner von Notre Dame“ ist ein großes Musical, das auch inhaltlich zum Nachdenken einlädt: „Wer ist das Monstrum und wer ist der Mann?“. Und auf diese philosophische Frage sollte man sich bewusst einlassen. Diese Wiener Produktion ist ein Meisterwerk. Danke hierfür.

Dienstag, 4. Oktober 2011, von Elmar Leimgruber

Unterhaltsames, aber nichts Himmlisches im Wiener Ronacher

Nur wenige Musicals habe ich in Wien mit mehr Spannung und Neugier erwartet als Sister Act und am 3. Oktober 2011 war es soweit. Im Gegensatz zu manchen anderen Besuchern habe ich mir aber gar nicht die Musik von Marc Shaiman aus dem gleichnamigen Film erwartet und war daher auch nicht überrascht, sie nicht zu hören. Die Musik des Musicals vom Disney Haus- & Hofkomponisten Alan Menken erinnert jedoch an manchen Passagen ganz klar an den damaligen Original Score, jedoch finde ich, dass er schon schönere Musik komponiert hat (“Arielle”, “Glöckner”, Schöne und das Biest”, “Hercules”…). Auch die Story wurde an manchen Stellen etwas abgeändert (beispielsweise findet die Verfolgungsjagd nun nicht mehr in einem Casino statt, sondern direkt im Kloster). Da aber nicht nur das Musical denselben Titel wie der Film trägt und der Grundstrang der Story im Grunde derselbe ist und zudem auch noch die damalige Film-Hauptdarstellerin, nämlich Whoopi Goldberg , auch Co-Produzentin des Musicals ist, sind Vergleiche angebracht:

Und da fällt Eines schon ganz deutlich auf: Das filmische Haupt-Thema: Oberflächliche Disco-Queen landet durch Verfolgung im Kloster und findet dort ihre Läuterung und einen neuen Sinn im Leben, kommt im Musical nur sehr am Rande vor, im ersten Teil überhaupt nicht, was ich sehr bedauerlich finde, was jedoch an Glenn Slater (Liedtexte) sowie an Cheri & Bill Steinkellner (Buch) liegen dürfte. Außer der Mutter Oberin werden alle Klosterschwestern so dargestellt, wie wenn sie ihr Ordens-Leben nicht wirklich lieben würden. Und auch Monsignore O’Hara wirkt im Musical eher lächerlich und oberflächlich und ausschließlich an Geld und eigenem Prestige interessiert, jedenfalls nicht wie ein Mann Gottes. So verliert eine (durch im Film sinnvolle und tiefgehende und auch noch höchst erfolgreiche) Story im Musical leider an Gehalt und Tiefgang und verkommt zu einer zugegebenermaßen lustigen Unterhaltungs-Show von Tänzerinnen in kitschig glitzernden Nonnenkostümen. Aber mit dem Film “Sister Act” hat das Musical leider nur den oberflächlichen Erzählstrang gemeinsam.

Nichts desto Trotz: die Darstellerinnen und Darsteller der Wiener Produktion sind ausgezeichnet gecastet: allen voran Ana Milva Gomes als Deloris van Cartier und Suzanne Carey als Mutter Oberin: Gomes ist ein außergewöhnliches Talent im Singen, im Tanzen und im Schauspiel und sie ist die Idealbesetzung für diese Rolle und dasselbe trifft auch auf Carey zu: Die Frau hat eine unglaublich schöne Stimme und sie ist nicht die Mutter Oberin: sie ist sie: Dieser hat Alan Menken übrigens die meines Erachtens schönsten Melodien geschrieben, die teilweise sehr an seinen “Glöckner von Notre Dame” und “Die Schöne und das Biest” erinnern, aber einfach traumhaft sind.

Michael Schönborn, der Bruder des Wiener Erzbischofs Kardinal Christoph Schönborn, ist zwar sicher ein ausgezeichneter Schauspieler und beweist hier vor allem auch komödiantisches Talent als Monsignore O’Hara, doch aber bei aller Sympathie: ich würde diese Rolle nicht spielen wollen. Besonders positiv erwähnenswert seien noch Barbara Obermeier als faszinierend schön singende Novizin Sr. Mary Robert, komödiantisch hervorragend Sonja Atlas als Sr. Mary Patrick, Thada Suanduanchai als tollpatschiger Polizei Eddie (ein großartiges schauspielerisches Talent mit Vorzügen auch im gesanglichen Bereich) die drei “Unterweltganoven” Bernhard Viktorin, Peter Kratochvil und Arcangelo Vigneri und vor allem Kathy Tanner als Sr. Mary Lazarus, die für mich nach diesem Abend bereits eine Schauspiel-Legende ist. Das Orchster der Vereinigten Bühnen Wien unter der Leitung von Michael Römer musizieren -wie meistens- großartig, die Regiearbeit von Carline Brouwer ist gut durchdacht (wenn es mir teilweise auch zusehr glitzert) und das Bühnenbild von Klara Ziglerova passt ebenfalls.

Zusammengefasst: Wer sich also bei “Sister Act” ein religiöses oder gar tiefgehendes Musical erwartet, dürfte ziemlich sicher enttäuscht werden: Den Autoren sei an dieser Stelle empfohlen, ihre Texte (vor allem “Nonnen haben’s gut”) zu überarbeiten. Wer hingegen einfach nur einen lustigen Musicalabend, fernab von religiösen oder tiefgehenden Gedanken verbringen, will, wird damit in “Sister Act” bestens bedient. Und dasselbe trifft auch für jene Freunde von Musicals zu, die schöne Stimmen und fabelhafte Interpretationen auch im schaupielerischen Bereich zu schätzen wissen.

Und hier sind Eindrücke in Bilder vom Musical “Sister Act”, unter anderem von der Premiere am 15. September im Wiener Ronacher.
Fotos, auf denen nicht kulturia.com als Urheber aufscheint,  sind ©  Vereinigte Bühnen Wien (VBW)/ Ralf Brinkhoff/Birgit Mögenburg:

Donnerstag, 18. März 2010, von Elmar Leimgruber

Udo Jürgens-Musical “Ich war noch niemals in New York” dockt in Wien an

Gestern abend fand die Premiere des Udo Jürgens-Musicals (Buch: Gabriel Barylli) “Ich war noch niemals in New York” im Wiener Raimund-Theater statt.

Meine Besprechung des Musicals (in der neuen Fassung der Vereinigten Bühnen Wien (VBW), das vorher am Operettenhaus Hamburg lief, folgt hier auf “kulturia.com”, sobald ich das Musical selbst auch gesehen habe.

Hier bildliche Eindrücke (ACHTUNG: ALLE BILDER SIND URHEBERRECHTLICH GESCHÜTZT © Elmar Leimgruber) vom roten Teppich und von der anschliessenden Gala im Ronacher: