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Sonntag, 17. Februar 2013, von Elmar Leimgruber

Südtirol führt Matura an Berufsschulen ein

Ab dem Schuljahr 2014/2015 können auch Südtirols Berufsschüler ihre Ausbildung mit der Matura abschließen, die erste Maturaprüfung an der Berufsschule somit wird somit im Sommer 2015 abgehalten werden. Nach jahrelangem Bemühen Südtirols Rom gegenüber ist es so weit: Der Weg für die Matura an den Berufsschulen ist nach der Unterzeichnung des Einvernehmensprotokolls im Bildungsministeriumgeebnet. Nun können Südtirol (und neben ihm auch das Trentino) die staatliche Abschlussprüfung (Matura) innerhalb der Berufsbildung einführen.

Die Vereinbarung baut auf die Neuregelung der staatlichen  Lehranstalten auf, die vorsieht, dass in Südtirol und dem Trentino einjährige Lehrgänge für Schüler und Schülerinnen organisiert werden können, die im Besitze des Berufsbildungsdiploms (Abschluss einer vierjährigen Ausbildung) sind, um sie auf die Abschlussprüfung vorzubereiten.

Schwerpunkt der Berufsbildung ist und bleibt auch weiterhin die (drei- oder vierjährige) Grundausbildung: also die Vermittlung jener Kenntnisse und Fertigkeiten, die zum Erreichen einer beruflichen Qualifikation notwendig sind und die Grundlage für gute Arbeitsplatzchancen bilden. Im Sinne der Begabungsförderung stellt diese neue und zusätzliche Möglichkeit jedoch einen beträchtlichen Mehrwert für die Jugendlichen dar, und auch für die berufliche Bildung, für die sich immerhin über ein Drittel der Südtiroler Jugendlichen entscheidet.

Für den Zugang zum einjährigen Lehrgang ist ein Aufnahmeverfahren vorgesehen, über das die Beweggründe der Jugendlichen erhoben und die Voraussetzungen für den Bildungserfolg sichergestellt werden. In der Vereinbarung werden die allgemeinen Kriterien für die Gestaltung der Lehrgänge und der Prüfung festgelegt. So bauen die entsprechenden Lehrgänge stimmig auf die bisherigen Bildungswege auf. Sie gliedern sich in vier Schwerpunktbereiche (Industrie und Handwerk; Verwaltung, Handel, Tourismus und personenbezogene Dienstleistungen; Soziale Dienste; Landwirtschaft und Umwelt) und decken vorwiegend den allgemein bildenden Bereich ab. Dem besonderen Charakter der Berufsbildung wird durch den handlungs- und praxisorientierten Unterricht Rechnung getragen, der unter anderem die Durchführung eines Projekts aus dem beruflichen Kontext des Schülers vorsieht.

Die Prüfung, die an den Landesberufsschulen abgenommen wird, entspricht von der Struktur her jener der Oberschulen: Vorgesehen sind drei schriftliche Prüfungen und ein Kolloquium. Inhaltlich bestehen verschiedene Spielräume, um die Besonderheiten der Berufsbildung zu berücksichtigen: So werden die Themen der schriftlichen Arbeiten in Südtirol ausgearbeitet, und das Kolloquium umfasst die Präsentation einer Projektarbeit aus dem eigenen beruflichen Kontext.

Fachleute aus Südtirol, dem Trentino und dem Bildungsministerium haben in den vergangenen Monaten die nun verabschiedete Vereinbarung ausgearbeitet, mit deren Unterzeichnung ein lang angestrebtes Ziel erreicht wird: dass nämlich auch für geeignete und motivierte Absolventen einer beruflichen Ausbildung der Weg nach oben offen ist und ein Maturaabschluss und anschließendes Studium ermöglicht werden.

Die Ermächtigung zur Einführung der Matura an den Berufsschulen durch das Bildungsministerium wertet Südtirols Bildungslandesrätin Sabina Kasslatter Mur als wichtigen Schritt zu mehr Eigenständigkeit im Bildungswesen: “Immerhin ist es absolutes Novum, dass ein staatlicher Abschluss wie jener der Matura über die Berufsschulen erreicht werden kann, zumal diese Schulen bekanntlich autonom geregelt werden können.”

Kasslatter Mur spricht von einer wichtigen autonomiepolitischen Errungenschaft: “Die Berufsbildung ist nun keine Einbahnstraße mehr und eröffnet den Jugendlichen zusätzliche Chancen. Das Bildungssystem in Südtirol wurde um einen wesentlichen Baustein erweitert und qualitativ verbessert.”

Montag, 5. Dezember 2011, von Elmar Leimgruber

EU will Pflichtschule bis 18

Die EU plant, die Schulpflicht zu verlängern: Die Abgeordneten vertreten die Ansicht, dass eine Anhebung des Pflichtschulalters von 16 auf 18 Jahre innerhalb der Europäischen Union und die Einrichtung von Institutionen des zweiten Bildungsweges zu den wirksamsten Maßnahmen zählen, um die Rate vorzeitiger Schulabbrecher zu reduzieren und sie wieder ins Bildungssystem zu integrieren.

Das EU-Parlament hat anun eine Entschließung verabschiedet, in der es die Mitgliedstaaten dazu auffordert, Reformen unter spezieller Berücksichtigung der vom Schulabbruch bedrohten Schüler auf den Weg zu bringen. Das Parlament setzt sich für individuell angepasste Ansätze ein, die von Schulen, Behörden, Sozial- und Gesundheitsämtern gemeinsam entwickelt werden sollten. Die Entschließung wurde vom EU-Parlament mit 543 Ja-Stimmen gegen 83 Nein-Stimmen bei 4 Enthaltungen angenommen.

Die Resolution bezieht sich auf das in der EU-Strategie 2020 genannte Ziel, die Schulabbrecherrate unter 10 % zu senken und damit zu Wirtschaftswachstum und sozialer Stabilität beizutragen. Eine Verringerung der Schulabbrecherrate um 1 % würde bedeuten, dass der europäischen Wirtschaft jährlich 500 000 qualifizierte Arbeitskräfte zusätzlich zur Verfügung stehen. Jüngsten Schätzungen zufolge sind 52 % der Jugendlichen arbeitslos, die die Schule ohne Abschlusszeugnis verlassen haben. 

Die am meisten gefährdeten Gruppen sind laut Bericht der Abgeordneten Mary Honeyball (S&D, UK) Schüler aus armen und sozial benachteiligten Familien sowie Kinder aus Migrantenfamilien. Spezielle Anstrengungen sollten Roma-Kindern gelten, von denen 20 % überhaupt nicht zur Schule gehen und 30 % die Schule vorzeitig verlassen.

Der Bericht hebt hervor, dass Investitionen auf nationaler Ebene für die Weiterbildung von Lehrkräften benötigt werden. Laut Empfehlung der EU-Abgeordneten soll eine Bandbreite verschiedener Lehrmethoden genutzt werden. Zudem sprechen sich die Abgeordneten für regelmäßige – statt punktuellen – Leistungskontrollen aus. Auch auf informellem Weg erworbene Kenntnisse sollten anerkannt werden können, um die Rückkehr ins Schulsystem zu erleichtern. Sie fordern die Mitgliedstaaten dazu auf, einen vielfältigen Lehrplan festzulegen, der Allgemein- und Berufsausbildung verbindet und Praktika oder Unternehmensbesuche vorsieht. Sie unterstützen Partnerschaftsverträge zwischen Schulen und örtlichen Unternehmen nach spanischem Vorbild.

 

Donnerstag, 29. Juli 2010, von Elmar Leimgruber

Wirtschaftskammer: Lehrlingskandidaten sind unqualifiziert (Info + Kommentar)

68 Prozent der Wiener Unternehmen haben Schwierigkeiten, geeignete, qualifizierte Jugendliche als Lehrlinge zu finden, was aus einer aktuellen Studie des Instituts für Bildungsforschung der Wirtschaft (IBW) im Auftrag der Wirtschaftskammer Wien hervorgeht. Demnach geht das Niveau der Pflichtschulabsolventen seit Jahren zurück und verfügen immer mehr von ihnen über nur geringe Grundkompetenzen in Lesen, Schreiben, Rechnen.

Die Unternehmen legten Wert auf Basiskenntnisse, die sie voraussetzen, so die Wirstchaftskammer: “Es ist für die Betriebe nicht möglich und auch nicht zumutbar das nachzuholen, was die Jugendlichen in der Schule nicht gelernt haben.” Die internationale PISA-Studie habe gezeigt, dass unterschiedliche Bildungssysteme zu unterschiedlichen Ergebnissen führen. Die Wirtschaftskammer fordert daher die “Einführung verpflichtender Mindest-Bildungsstandards in den Pflichtschulen oder Bildungs- und Berufsorientierung in allen Schultypen”.

Die Ausbildung der Fachkräfte von morgen habe zwar einen hohen Stellenwert im Bewusstsein der Wiener Betriebe, aber mit den folgenden Fähigkeiten der Jugendlichen seien die Wiener Betriebe (300 aus allen Branchen) nicht oder gar nicht zufrieden:

  • 54% – Mathematik
  • 35% – sprachliches Ausdruckvermögen
  • 35% – logisches Denken
  • 33% – technisches Verständnis
  • 44% – gute Schulnoten im Allgemeinen

Dabei seien gerade die folgenden Qualifikationen besonders wichtig:

  • Jung98% – Logisches Denken
  • 95% – Sprachliches Ausdrucksvermögen
  • 84% – Mathematik
  • 65% – Technisches Verständnis
  • 79% – Gute Schulnoten im Allgemeinen

Es ist ja schon äusserst hilfreich, wenn man als Wirtschaftskammer -aus welchen Gründen auch immer- Fachkräfte aus dem Ausland rekuitieren will, und man dafür Rügen ausgerechnet von der Arbeiterkammer bekommt und gibts und schon gibts eine schöne Studie, die belegen will, dass Österreichs Jugendliche sozusagen als “ungebildete Deppen” die Pflichtschulen verlassen und demnach nicht als Fachkräfte geeignet sind.

Kein Zweifel: Auf der einen Seite mag tatsächlich das Bildungsniveau der Pflichtschüler stark verbesserungswürdig sein, und nur im Klammer bemerkt: Ich bin mir nicht sicher, ob die von Unterrichtsministerin Schmied so forcierte Gesamtschule wirklich die Lösung dieses Problems darstellt.

Andererseits aber: wir haben eine so hohe (vor allem Jugend-)Arbeitslosigkeit im eigenen Land.

Die meines Erachtens richtigen Antworten auf die aktuellen offenen Fragen können daher nur lauten:

  • Einheimische Fachkräfte haben grundsätzlich Vorrang.
  • Es muss Kindern und Jugendlichen noch mehr privat und öffentlich bewusst (gemacht) werden, wie wichtig eine solide Ausbildung (ob schulisch oder durch Lehre) für das gesamte Leben ist, ja dass diese eine Überlebensfrage für die Zukunft darstellt.
  • In der schulischen Grundausbildung muss stichhaltig überprüft werden, inwieweit das derzeitige Ausbildungssystem für ausreichend Wissen in den wichtigen Bereichen Logisches Denken, Sprachliches Ausdrucksvermögen, Mathematik, Technisches Verständnis führt.
  • Sollte dies nicht der Fall sein, muss dringend eine Pflichtschulreform her, die von ihren Ausbildungszielen her garantiert, dass Pfichtschulabsolventen für eine Lehre optimal vorbereitet sind und grundsätzlich ein gewisses Niveau an Allgemeinwissen vorweisen.
  • Und aktuell gilt es, auch rasch in jenen Bereichen Fachkräfte (um welche Bereiche geht es da überhaupt?) selbst auszubilden, in denen man sie braucht: Dies gilt für die Lehre genauso wie für den Schul- und den Universitätsbetrieb. Immerhin klagt man seit 10 Jahren über sogenannten Fachkräftemangel. Und warum hat den bislang niemand durch Ausbildung entsprechender Nachwuchskräfte behoben?