Mit ‘Wirtschaftskrise’ getaggte Artikel

Dienstag, 5. Oktober 2010, von Elmar Leimgruber

5. Oktober ist Internationaler Weltlehrertag

Millionen Lehrer und Erzieher begehen zusammen mit Kindern, Jugendlichen und Eltern aus aller Welt am 5. Oktober den Weltlehrertag. Darauf weist Education International (EI) hin. Der Weltlehrertag steht heuer unter dem Motto “Wiederaufschwung beginnt mit Lehrerinnen und Lehrern”. Dem Lieblingslehrer kann eine E-Grusskarte oder eine Twitter-Nachricht über den Tag #wtd2010 zugesandt werden.

Die Rolle der Lehrer war bei der globalen Wirtschaftskrise, die im letzten Jahr zahlreiche Entwicklungsländer an den Rand des Ruins brachte, bei humanitären Katastrophen wie dem Erdbeben in Haiti und den Überschwemmungen in Pakistan ein entscheidender Faktor für die soziale, wirtschaftliche und intellektuelle Wiederherstellung von Gesellschaftssystemen, in denen wir schliesslich alle leben.

Die EI, eine weltweite Vereinigung von 30 Millionen Mitarbeitern im Erziehungswesen, hat zusammen mit der ILO, UNDP, UNESCO und UNICEF eine offizielle Erklärung unterzeichnet und wird am 5. Oktober an einem offiziellen Ereignis in Paris teilnehmen, zu dem sich Lehrer aus Haiti, Lesotho, Mali, Laos, Frankreich und Israel treffen, um auf die Rolle der Lehrer beim Wiederaufbau ihrer Gesellschaft hinzuweisen. Das Jahresposter steht auf der Website http://www.5oct.org zum Download bereit.

Der General Secretary der EI, Fred von Leeuwen, meint: “Als Lehrer gehört man einer sehr schätzenswerten Berufsgruppe an. Wo Gesellschaften unter Druck geraten, stehen die Lehrer sofort an vorderster Front, um bei der Krisenbewältigung zu helfen. Leider werden Lehrer in vielen Ländern unzureichend bezahlt, unfair behandelt und schikaniert, manchmal befinden sie sich sogar in Lebensgefahr.”

“Trotz dieser Probleme leisten Lehrer unermüdlich ihren Beitrag für die Gesellschaft und verbessern die Lebenschancen von Millionen Lernender.” Die UNESCO betont: ‘Ohne die Tätigkeit der Lehrer, die Bildungsreformen erst ihre Gestalt verleiht, ist es unwahrscheinlich, dass Prozesse der Krisenbewältigung ihre Ziele erreichen.’

“Der Weltlehrer-Tag, der in eine Zeit fällt, in der sich die Welt einer nie da gewesenen Knappheit von Lehrern ausgesetzt sieht und mehr als 10 Millionen Lehrer angestellt und ausgebildet werden müssen, damit international vereinbarte Ziele über die Qualität der Ausbildung jedes Kindes erreicht werden können, ist nur eine kleine Geste des Respekts gegenüber Millionen wahrhafter Helden in unserer globalen Gesellschaft.”

Seit der Einführung des Weltlehrer-Tages im Jahre 1994 haben Mitglieder der EI Aktivitäten von Lehrern organisiert. Die Regierung Ugandas hat den 5. Oktober zum gesetzlichen Feiertag erklärt.

Sonntag, 19. September 2010, von Elmar Leimgruber

UNO-Weltarmutskonferenz: Armutsbekämpfung, Friedenserhaltung und Umweltschutz

Foto: unesco-kinder.de

Vom 20. – 22. September 2010 findet das UNO-Weltarmutstreffen 2010 statt. Staats- und Regierungschefs der Vereinten Nationen treffen sich auf dem Gipfeltreffen in New York, um über neue Pläne zur Verwirklichung der Millenniumsziele zu beratschlagen. Die deutsche Stiftung UNESCO appelliert an die Verantwortlichen, intensiv an der Umsetzung zu arbeiten und die vertraglichen Zusagen umzusetzen. “Globale Stärkung der wirtschaftlichen, politischen und sozialen Situation kann nur durch gemeinsame Anstrengungen vollbracht werden. Wir müssen uns bewusst machen, dass die Not in den Entwicklungsländern ein globales Problem ist und sich die Auswirkungen auf die Industrieländer ausdehnen”, so Thomas Goesmann, Geschäftsführer der deutschen Stiftung UNESCO.

Die Verwirklichung der festgeschriebenen Ziele in der Millenniumserklärung wird angesichts der aktuellen Lage immer unwahrscheinlicher. UN-Generalsekretär Ban-Ki Moon hält erneut alle Staaten dazu an, Entwicklungen zu fördern und dabei Nachhaltigkeit zu etablieren. Auf dem Gipfeltreffen werden neue Maßnahmenbündel und Konzepte diskutiert und reflektierend auf die bisherigen Entwicklungen geschaut. Im September 2000 wurde die Millenniumserklärung verabschiedet. 189 Mitgliedsstaaten haben die Erklärung unterschrieben und sich dazu verpflichtet, bis 2015 Armutsbekämpfung, Friedenserhaltung und Umweltschutz zu den wichtigsten Zielsetzungen ihres Landes zu machen. Fünf Jahre vor Ablauf der Frist stellt sich die Frage: Sind die Ziele überhaupt noch erreichbar?

Eines ist längst klar: ohne finanzielle Unterstützung der Industrieländer werden die vorgegebenen Ziele in den Entwicklungsländern bis 2015 nicht vollbracht werden können. Bis heute haben nur wenige entwickelte Länder ihre Zusagen eingehalten und Versprechungen geltend gemacht. Für die Bekämpfung der Armut ist vor allem dies unabdingbar, betont die UNESCO. Der aktuelle Bericht der Millenniumsziele zeigt jedoch die globale Situation in einem zwiespältigen Licht. Die weltweite Wirtschaft- und Finanzkrise und die Erhöhung der Lebensmittelpreise haben in vielen Regionen zu einem Rückschritt der Zielsetzungen geführt. “Afrika südlich der Sahara und Südasien hängen auch 10 Jahre nach Verabschiedung der Millenniumserklärung in ihren Entwicklungen hinterher und es ist fraglich, ob eine Zielumsetzung in der verbleibenden Zeit möglich ist”, äußert sich Thomas Goesmann bedenklich.

Zum 19. Mal findet in diesem Jahr übrigens die internationale UNESCO Charity-Gala für Kinder in Not statt: Am Samstag, dem 30. Oktober 2010, werden sich in Düsseldorf 1.400 Gäste aus Wirtschaft, Kultur, Politik, Sport, Film und Medien für eine gerechtere Welt einsetzen. Die Stiftung UNESCO – Bildung für Kinder in Not hat nach eigenen Angaben bereits 379 Projekte in 97 Ländern durchgeführt und dabei Kindern und Jugendlichen weltweit Wege für eine bessere Zukunft geebnet.

Sonntag, 12. September 2010, von Elmar Leimgruber

Bischof Schwarz: Führen heisst als Vorbild vorangehen

Bischof Alois Schwarz
Foto: kath-kirche-kaernten.at

Führungskräfte sollen Liebhaber des Lebens und Freunde der Menschen sein, sagte der Kärntner Diözesanbischof Alois Schwarz vor den Geschäftsführern der Raiffeisenbanken Österreichs bei einem Vortrag zum Thema: “Die soziale Verantwortung heute, Moral & Ethik in der Mitarbeiterführung”: “Man hat sich als verantwortlicher Leiter einer Gruppe oder auch als Bischof, ständig bewusst zu sein, dass man an der Spitze vorangehen, die Herde am Gehen halten und das Überzeugen und nicht den Zwang in den Mittelpunkt stellen muss”. Es sei entscheidend, dass man mit den Herzen führt und selbst als Vorbild mit Ehrlichkeit und Vertrauen vorangeht, betonte der Bischof.

“Die Führung von Menschen ist im Kern eine spirituelle Aufgabe, der wir umso besser gerecht werden, je mehr wir selbst unser eigenes Leben als spirituelle Herausforderung sehen und annehmen”. Für die Führung sei wichtig, zuhören zu können. Zuhören setzte aber ein gewisses Maß an Disziplin voraus, die Disziplin, sich zu konzentrieren. Wer als Geschäftsführer Sicherheit vermittle, der werde eine starke Gemeinschaft stiften und gleichsam, im Bild des “Hirten” gesprochen, eine starke “Herde” haben, versprach Schwarz.

“Führung heißt, das Verhalten der Menschen beeinflussen und zielorientiert mit ihnen arbeiten”, sagte der Kärntner Bischof. Bei den Zielen gehe es nicht bloß um ein betriebliches Ergebnis, sondern auch um die Menschen. Es sei wichtig, den Zustand der Leute genauso aufmerksam zu verfolgen, wie den Zustand der Arbeit. Entscheidend sei, dass Führungskräfte

Im Rahmen der Wirtschaftsgespräche beim Forum Alpbach unlängst hatte der Kärntner Bischof die Notwendigkeit einer neuen Wirtschafts- und Sozialordnung angesichts der Wirtschaftskrise betont. Eine solche Ordnung müsse auf Wechselseitigkeit, Kooperation und Anerkennung basieren statt auf einem bloßen ökonomischen und letztlich “dehumanisierenden” und “depersonalisierenden” Konkurrenzprinzip. Ein entgrenzter und nicht mehr auf “wertschätzender und solidarischer Wechselseitigkeit” basierender Markt hingegen neige dazu, sich alles zu unterwerfen und schließlich in “Zerstörung und Tod” zu führen, mahnte Bischof Schwarz. Solange Unternehmen “primär auf Gewinnmaximierung ausgerichtet” seien und nicht die Frage des Gemeinwohls in den Blick nehmen, werde sich indes am derzeitigen Wirtschaftssystem nichts ändern”. Anstelle eines Konkurrenzdenkens müsse daher “Mitmenschlichkeit und Kooperation treten”, so Bischof Schwarz.

Ein vollständiger Vortrag des Kärntner Diözesanbischofs Alois Schwarz zum Thema “Zukunftsinvestitionen brauchen Regulative” über die Bereiche Wirtschaft, Ethik, Verantwortung und Zukunft ist hier kostenlos downloadbar.

Samstag, 11. September 2010, von Elmar Leimgruber

Deutsche Kanzlerin plädiert für Selbstbewusstsein, Toleranz, Religions-, Meinungs- und Pressefreiheit

Die deutsche Bundeskanzlerin Merkel zeichnet den dänischen Karikaturisten Kurt Westergaard aus
Foto: REGIERUNGonline/Hanschke

Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel hat anlässlich der Verleihung des Medienpreises “M 100 Sanssouci Colloquium”an den dänischen Karikaturisten Kurt Westergaard die Bedeutung von Presse- und Meinungsfreiheit hervorgehoben. Dieser muss für seine Mohammed-Karikaturen seit 2005 um sein Leben bangen. “Europa ist ein Ort, in dem ein Zeichner so etwas zeichnen darf. Das ist im Übrigen kein Widerspruch dazu, dass Europa auch ein Ort ist, in dem die Freiheit des Glaubens und der Religion sowie der Respekt vor Glaube und Religion ein hohes Gut sind”, sagte Merkel. “Das Geheimnis der Freiheit ist der Mut.” Dieser Satz von Perikles sei heute noch genauso aktuell wie im 5. Jahrhundert vor Christus. “Freiheit zu leben, erfordert Mut, und zwar jeden Tag aufs Neue, im Kleinen wie im Großen,” betonte die deutsche Kanzlerin.

Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) hat sich indes gegen die laut gewordene Kritik von Moslem-Organisationen an der Ehrung des dänischen Karikaturisten Kurt Westergaard gewandt. “Satire und Karikatur sind ironische Stilmittel der Pressefreiheit“, stellte der DJV-Vorsitzende Michael Konken klar: “Sie zu akzeptieren, selbst wenn man sich angegriffen fühlt, ist demokratisches Prinzip.“

redakteur.cc dokumentiert in Ausschnitten die beeindruckende und bedenkenswerte Jahrhundertrede von Angela Merkel zur Verleihung des Medienpreises am 8. September 2010 in Potsdam:

Die Wirkung der präzisen Frage zum richtigen Zeitpunkt, die Freiheit, sie stellen zu können, und vor allem die Freiheit, über die Antwort zu berichten, und zwar ungekürzt, unverändert, unverzüglich – welch hohes Gut. Niemals dürfen wir dieses hohe Gut als selbstverständlich ansehen – auch bei Themen nicht, die nicht sofort die Welt verändern, sondern Fragen des Alltags berühren…

Reden wir also Klartext… Aussagen, zum Beispiel von mir, münden in eine Debatte, eine breite Debatte um Artikel 5 unseres Grundgesetzes. Er lautet: “Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt. Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre. Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.” – So weit Artikel 5. Er ist es wert, gerade bei einer solchen Tagung zum Thema “Freiheit und Pressefreiheit” in Gänze vorgetragen zu werden. Er ist das auch wert, weil er neben Artikel 1 zur Unantastbarkeit der Würde des Menschen, Artikel 2 zur freien Entfaltung der Persönlichkeit, Artikel 3 zur Gleichheit aller Menschen vor dem Gesetz und Artikel 4 zur Freiheit des Glaubens für mich zu den größten Schätzen unserer Gesellschaft gehört…

Das Thema Sarrazin ist aber gerade kein Thema der Gefährdung der Meinungsfreiheit, sondern es geht darum, ob und gegebenenfalls welche Folgen zum Beispiel ein Buch für einen Autor in einer besonders wichtigen öffentlich-rechtlichen Institution haben kann oder nicht…

Der heutige Tag kann uns für unser Thema “Pressefreiheit in Europa” – da bin ich mir sicher – Orientierung geben. Bei dem Mann, den Sie heute auszeichnen, dem dänischen Zeichner und Karikaturisten Kurt Westergaard, geht es um die Meinungs- und Pressefreiheit. Bei ihm geht es darum, ob er in einer westlichen Gesellschaft mit ihren Werten seine Mohammed-Karikaturen in einer Zeitung veröffentlichen darf, ja oder nein; egal, ob wir seine Karikaturen geschmackvoll finden oder nicht, ob wir sie für nötig und hilfreich halten oder eben nicht. Darf er das? Ja, er darf. Er ist ein Zeichner, wie es in Europa viele gibt. Europa ist ein Ort, in dem ein Zeichner so etwas zeichnen darf. Das ist im Übrigen kein Widerspruch dazu, dass Europa auch ein Ort ist, in dem die Freiheit des Glaubens und der Religion sowie der Respekt vor Glaube und Religion ein hohes Gut sind. Wenn ein fundamentalistischer evangelikaler Pastor in Amerika am 11. September den Koran verbrennen will, so finde ich das deshalb – kurz gesagt – schlicht respektlos, sogar abstoßend und einfach falsch.

In der Diskussion um die Veröffentlichung der so genannten Mohammed-Karikaturen geht es also genau darum, ob wir in Europa mit unseren Werten – Sie haben die von mir genannten ersten fünf Artikel unseres Grundgesetzes sicher noch im Ohr – aus Angst vor Gewalt und Massendemonstrationen davon absehen, die Zeichnungen dieses Karikaturisten zu veröffentlichen oder nicht, ob sie auch in anderen Zeitungen nachgedruckt werden oder nicht und, wenn nein, warum nicht.

Denen, die das seinerzeit aus welchen Gründen auch immer nicht gemacht haben, werfe ich nichts vor. Jeden Tag stehen Sie bei Ihrer Berichterstattung vor Abwägungsfragen; sie gehören zur Verantwortung der Medien in Ausübung ihrer Pressefreiheit ganz selbstverständlich dazu. Ich kenne solche Abwägungsfragen auch selbst: Soll die deutsche Bundeskanzlerin die Hauptrede anlässlich dieser Veranstaltung halten? Soll sie den Dalai Lama empfangen? Soll sie Briefe, die sie zum Beispiel von “Reporter ohne Grenzen” bekommt, ernst nehmen und den neuen ukrainischen Präsidenten bei seinem ersten Besuch in Berlin auf die Einschränkungen der Pressefreiheit in seinem Land ansprechen oder damit besser bis zur zweiten Begegnung warten?

Wie also verhält es sich mit den Werten und den Interessen, den politischen wie wirtschaftlichen, die für unser Land wichtig sind – für Sie wie für mich? Ich habe für mich die genannten drei Fragen drei Mal mit Ja beantwortet, und zwar aus einem einzigen Grund, der mich seit Beginn meiner politischen Arbeit leitet: Deutsche Politik vertritt ihre Interessen wertegebunden – nach innen wie nach außen. Werte und Interessen gehören zusammen. Wer einen Gegensatz aufmacht, hat sich bereits aufs Glatteis führen lassen…

Ja, geben wir den Menschen eine Stimme – in politischen Parteien genauso wie in den Medien. Aber überzeugen wir sie gleichzeitig, dass es in unserem Land am wenigsten darum geht, was gesagt werden darf. Richtige Entscheidungen, Taten statt Worte – das hingegen führt zum Kern dessen, was notwendig ist, zum Beispiel damit Integration gelingt und nicht scheitert, damit Parallelgesellschaften verhindert und nicht auch noch gefördert werden, damit jugendliche Gewalt eingedämmt und nicht hingenommen wird, damit der Sozialstaat denen hilft, die ihn brauchen, und nicht denen, die ihn missbrauchen, und vieles mehr…

Erstens: Freiheit ist nicht bindungslos. Das gilt für unser persönliches Leben, das gilt in der Politik, das gilt für die Verantwortung der Medien, das gilt für uns alle. Freiheit ist stets und für alle mit Verantwortung verbunden. Freiheit steht nie nur für sich. Sie ist eine Medaille mit zwei Seiten: Auf der einen Seite steht die Freiheit von etwas, auf der anderen Seite die Freiheit zu etwas. Wenn wir also von Freiheit sprechen, dann sprechen wir tatsächlich immer auch von der Freiheit des anderen. Was uns in Deutschland wie Europa auszeichnet, das ist der Umgang mit unserer Vielfalt, unserer Freiheit und der Freiheit der anderen. Wir Deutsche und Europäer haben in unserer Geschichte gelernt, aus der Vielfalt das Meiste zu machen. Die Eigenschaft, die uns dazu befähigt, ist die Toleranz.

Zweitens: Die Toleranz ist eine anspruchsvolle Tugend. Sie braucht das Herz und den Verstand. Aber sie ist nicht mit Standpunktlosigkeit und Beliebigkeit zu verwechseln. Sie hat niemals das geringste Verständnis für Intoleranz, für Gewalt von Links- und Rechtsextremismus oder für Gewalt im Namen einer Religion. Die Toleranz ist ihr eigener Totengräber, wenn sie sich nicht vor Intoleranz schützt. Religionsfreiheit meint eben nicht, dass im Zweifelsfall die Scharia über dem Grundgesetz steht. Toleranz meint nicht Wegsehen oder das Messen mit zweierlei Maß. Und Respekt bedeutet nicht Unterwerfung.

Drittens: Freiheit in Verantwortung – das gilt auch für die Wirtschaft. Eine auf Freiheit beruhende Soziale Marktwirtschaft bietet die Spielräume, damit Menschen verantwortlich handeln können. Die Lektion, die uns die Finanz- und Wirtschaftskrise schmerzhaft erteilt hat, muss überall ankommen. Seit Ludwig Erhard gilt, dass der Staat der Hüter der Ordnung unserer Sozialen Marktwirtschaft ist.

Viertens: “Das Geheimnis der Freiheit ist der Mut.” Dieser Satz von Perikles ist heute noch genauso aktuell wie im 5. Jahrhundert vor Christus. Freiheit zu leben, erfordert Mut, und zwar jeden Tag aufs Neue, im Kleinen wie im Großen – wenn ein Jugendlicher nicht mehr mitmacht beim Mobbing eines Klassenkameraden und den Ausschluss aus der Gruppe riskiert, wenn ein Manager nicht mehr mitmacht bei unlauteren Unternehmenspraktiken und dafür seine Karriere riskiert, wenn man in einer Diktatur versucht, jeden Tag in den Spiegel schauen zu können… Ja, so ist es: Mut fängt mit der Überwindung der eigenen Verzagtheit an…


Fünftens: Die Freiheit wird durch die schier unbegrenzten Möglichkeiten der digitalen Revolution geradezu herausgefordert. Auch ich bin fasziniert von den Möglichkeiten des World Wide Web. Trotzdem werden Sie keine Fotos von meiner letzten Geburtstagsfeier im Internet finden – zumindest keine, die ich selbst eingestellt hätte. Im Ernst: Es macht mir Sorgen, wie leichtfertig Menschen ihre Privatsphäre, den Hort individueller Freiheit, aufgeben und im Internet sensible persönliche Daten preisgeben. Gänzlich unverständlich ist mir das, wenn man bedenkt, wie erbittert wir in Deutschland über die Videoüberwachung öffentlicher Plätze oder eine Volkszählung streiten können. Politik und Medien müssen hier weiter Aufklärungs- und – ja, ich sage – Bildungsarbeit leisten, um in diesem Bereich zu einem verantwortungsvollen Umgang mit Freiheit zu kommen.

Sechstens: Auch unsere Außenpolitik ist wertegebunden. Ich sehe mit Sorge, dass Diktaturen und autokratische Staaten den Freiheits- und Toleranzbegriff missbrauchen. Denken wir zum Beispiel an die dritte Konferenz der Vereinten Nationen gegen Rassismus im Jahre 2001. Diese Anti-Rassismus-Konferenz und ihre Nachfolgetreffen wurden leider von Abgesandten aus Diktaturen und autoritär regierten Ländern bestimmt, die den Gedanken dieser Konferenzen in ihr Gegenteil verkehrt haben.

In Zusammenhängen wie diesen wird oft gefragt: Ist es nicht eine kulturelle, westliche, europäische, christliche Anmaßung, dass wir unsere Werte und Freiheitsrechte für universal gültig halten? Meine Antwort ist eindeutig: Nein, es ist keine Anmaßung. Fast alle Staaten sind Mitglieder der Vereinten Nationen und haben die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte anerkannt. Die großartigen 30 Artikel der Menschenrechtserklärung machen deutlich: Wer diese Rechte bestreitet, hat nicht das Wohl der Menschen im Blick. Kein kultureller Unterschied kann die Missachtung dieser Rechte rechtfertigen.

Ich bin im Übrigen überzeugt: Wenn wir selbstbewusst zu unseren Werten stehen, verschafft uns das weltweit mehr Respekt und Anerkennung, als wenn wir es nur verschämt tun.

Meine Damen und Herren, Freiheit – ich habe es schon oft gesagt – ist für mich persönlich die glücklichste Erfahrung meines Lebens. Auch bald 21 Jahre nach dem überwältigenden Geschenk der Freiheit mit dem Fall der Mauer und 20 Jahre nach der Vollendung der Einheit Deutschlands gibt es noch immer nichts, das mich mehr begeistert, nichts, das mich mehr anspornt, nichts, das mich stärker mit positiven Gefühlen erfüllt als die Kraft der Freiheit.

Sonntag, 8. August 2010, von Elmar Leimgruber

Indien, die Konjunktur-Lokomotive

Grafik: Booz & Company, nasscom.in

Indien hat sich mit einem Wirtschaftswachstum von aktuell fast 10% zu einer der wichtigsten Konjunkturlokomotiven der Weltwirtschaft entwickelt. Forciert wird dieser Trend von einer soliden Basis gut ausgebildeter Ingenieure, die für internationale Konzerne große Teilbereiche von Forschungs- und Entwicklungsprojekten (F&E) übernehmen. Dies geht aus einer aktuellen Studie der internationalen Strategieberatung Booz & Company hervor, die zusammen mit der National Association of Software and Services Companies (NASSCOM) erstellt und veröffentlicht wurde.
Diese untersuchte die Strategien multinationaler Unternehmen im F&E-Bereich, entsprechende Wachstumstrends in Indien und die Positionierungsoptionen für F&E-Dienstleister in den Wachstumsmärkten der Schwellenländer.Erst kürzlich ging -wie berichtet- aus einer Studie von PricewaterhouseCoopers (PwC) hervor, dass China im Medien- und Unterhaltungssektor zur Nummer drei weltweit wird.

Laut der aktuellen Booz & Company-Studie “Global ER&D: Accelerating Innovation with Indian Engineering” verzeichnete das aufstrebende Schwellenland alleine in den letzten drei Jahren bei F&E-Dienstleistungen im Engineering-Bereich über 40% Umsatzwachstum und baut seine international bedeutende Rolle weiter aus. Bis 2020 wird der südasiatische Innovationsstandort sein jährliches Umsatzvolumen in diesem Segment von heute 8,3 Mrd. US$ auf dann 40 bis 45 Mrd. US$ steigern. Auch der weltweite Markt für Engineering-Dienstleistungen in F&E-Projekten befindet sich deutlich im Aufwind. So beträgt das jährliche Wachstum aktuell 12% – von 980 Mrd. US$ in 2008 auf 1,1 Bio. US$ in 2009. In zehn Jahren sollen diese F&E-Ausgaben ein Volumen von 1,4 Bio. US$ erreichen. Führend bei diesen Investitionen bleiben die Automobil-, Unterhaltungselektronik- und Telekommunikationsindustrie. Daneben verzeichnen jedoch Branchen wie IT, Medizintechnik und Energie einen deutlichen Aufwärtstrend.

Ein etwas überraschendes Ergebnis der Studie: Im Gegensatz zu den traditionellen F&E-Standorten konnte Indien von den Auswirkungen der globalen Wirtschaftskrise sogar profitieren. “Erstaunlich viele Unternehmen haben im wirtschaftlichen Abschwung seit 2007 strategische Weitsicht bewiesen und die F&E-Budgets im Engineering-Bereich nicht nur konstant gehalten, sondern zum Teil antizyklisch erhöht. Das zahlt sich im Aufschwung aus: Sie können mit innovativen Produkten sehr schnell auf Wachstum umschalten”, betont Stefan Eikelmann, Innovations-Experte und Sprecher der Booz & Company-Geschäftsführung im deutschsprachigen Raum. Dies erklärt das rasante Umsatzwachstum in 2009 um 12% gegenüber dem Vorjahr und die im direkten Vergleich eher gemäßigte Prognose von 27% für die bevorstehende Dekade.

“Indien hat sich von diesem Kuchen ein großes Stück abgeschnitten und agiert über die reine Bereitstellung von standardisierten Ingenieurleistungen hinaus immer stärker mit einem Fokus auf strategische Innovation”, führt Eikelmann weiter aus. Aktuell ist Indien bereits in entscheidende Innovationsprozesse beispielsweise in den Branchen Automobil, Luftfahrt, Telekommunikation und Medizintechnik involviert. Darüber hinaus ist das große Potential hochqualifizierter Ingenieure ein entscheidender Standortvorteil gegenüber anderen aufstrebenden F&E-Märkten, wie China, Mittel- und Osteuropa oder den Ländern der ASEAN. Laut Booz & Company-Studie arbeiten 150.000 von über 1 Million indischen Ingenieuren im F&E-Bereich. Innerhalb der nächsten Dekade werden sie 40% des weltweiten Umsatzes der elf Schlüsselbranchen im Bereich F&E-Offshoring erwirtschaften. “Die Erhöhung der Innovationsbudgets in global agierenden Konzernen verwandelt Indien in ein internationales Zentrum für Ingenieurdienstleistungen und schafft so bis zu fünf Millionen neue, hochqualifizierte Arbeitsplätze”, sagt Som Mittal, President von NASSCOM.

Für etablierte Märkte wie die USA, die aktuell einen Anteil von 40% an den weltweiten F&E-Ausgaben aufweisen, führt im Engineering-Segment am Standort Indien kein Weg mehr vorbei. Eine große Basis an Dienstleistern, hohe Kommunikationsfähigkeit und strukturelle Kostenvorteile stärken die strategische Position des Landes. Darüber hinaus begünstigen das Wachstum des Binnenmarktes, eine unternehmerfreundliche Wirtschaftspolitik sowie hohe Investitionen in die Infrastruktur den Aufstieg Indiens zur führenden Nation auf diesem Gebiet.

Neben der sich verändernden Rolle Indiens identifiziert die Studie drei weitere Trends im weltweiten Anstieg der F&E-Ausgaben. So halten internationale Unternehmen erhebliche F&E-Investitionen vor allem dann für unerlässlich, wenn es darum geht, neue Märkte zu erschließen. Dazu nehmen technologische Herausforderungen, wie der zunehmende Automatisierungsgrad in der Produktion, die Suche nach alternativen Antriebsformen oder die voranschreitende Technologiekonvergenz, starken Einfluss auf F&E-Entscheidungen. Zuletzt haben F&E-Dienstleistungen insgesamt an Ansehen gewonnen: “Unternehmen lagern Engineering-Projekte nicht mehr nur aus Kostengründen aus, sondern profitieren auch von den flexiblen Ressourcenkapazitäten, verkürzten Vorlaufzeiten und auf die Bedürfnisse von Schwellenländern angepassten Produkten”, ergänzt Eikelmann.

Das 1914 gegründete internationale Strategie-Beratungsunternehmen Booz & Company ist mit mehr als 3300 Mitarbeitern in 60 Büros auf allen Kontinenten eine der weltweit führenden Strategieberatungen. Zu den Klienten gehören neben erfolgreichen Unternehmen auch Regierungen und Organisationen. Die aktuelle Studie von Booz ist hier downloadbar.

Freitag, 16. Juli 2010, von Elmar Leimgruber

Weitere EU-Länder in Wirtschafts-Troubles

Es betrifft derzeit nicht nur Griechenland oder etwa Spanien, Irland und Italien. Insgesamt zwölf  Länder haben nach Angaben der EU-Kommission Maßnahmen zur Sanierung ihres Haushalts ergriffen:

Dänemark, Finnland und Zypern gehören nun demnach auch zu den Mitgliedstaaten, deren hohe Haushaltsdefizite die gesamte europäische Wirtschaft bedrohen. Deshalb empfiehlt die Kommission, sie auf die Liste der Länder zu setzen, deren öffentliche Finanzen einer tiefer gehenden Überprüfung unterzogen werden sollen.

Mit diesen drei Ländern würden alle EU-Länder außer einem auf dieser Liste stehen: Nur das Haushaltsdefizit von Luxemburg bleibt unter dem Grenzwert von 3 % – 2009 schloss das Land mit einem Defizit von ungefähr 2 % ab.

Bis jetzt haben nach Auffassung der Kommission lediglich zwölf Länder ausreichende Anstrengungen unternommen, um die Rückstände zu beheben. Dazu gehören Einschnitte bei den Haushaltsausgaben und Maßnahmen zur Steigerung der Staatseinkünfte. Zu nennen sind Irland, Italien, Portugal und Spanien – vier Länder, deren hohe Staatsverschuldung wie ein Damoklesschwert über der Eurozone hängt, so die EU-Kommission.

Deutschland hingegen will vornehmlich höhere Ausgaben der Privathaushalte fördern, um Befürchtungen entgegenzuwirken, dass der hohe Außenhandelsüberschuss die Wirtschaft anderer EU-Länder beeinträchtigen könnte. Doch auch Deutschland hat für 2011 und später Maßnahmen zur Senkung des Haushaltsdefizits formuliert.

Im neuesten Bericht der Kommission wurden außerdem die Länder Belgien, Frankreich, Niederlande, Österreich, Slowakei, Slowenien und Tschechische Republik überprüft.

Wie alle anderen unter Beobachtung stehenden Ländern hat die Kommission Dänemark, Finnland und Zypern Fristen eingeräumt, um ihre Defizite zu beheben. Finnland hat bis 2011 Zeit, Zypern bis 2012 und Dänemark bis 2013.

Zypern verzeichnete im letzten Jahr ein Defizit in Höhe von 6,1 % des Bruttoinlandsprodukts. In Dänemark wird für dieses Jahr von einem Haushaltsdefizit von 5,4 % und in Finnland von 4,1 % ausgegangen.

Bis vor kurzem schienen diese Länder wirtschaftlich gut dazustehen. EU-Währungskommissar Olli Rehn sieht in dieser plötzlichen Kehrtwende, wie katastrophal sich die Wirtschaftskrise auf die öffentlichen Ausgaben ausgewirkt hat.

Die Obergrenze von 3 % Haushaltsneuverschuldung – Teil des Stabilitäts- und Wachstumspakts – soll Ungleichgewichte vermeiden helfen, die das Vertrauen in die Eurozone erschüttern könnten, wie es im letzten Monat durch die Griechenlandkrise der Fall war.

Donnerstag, 24. Juni 2010, von Elmar Leimgruber

Reiche wollen höhere Steuern zahlen (Info und Kommentar)

Viele Deutsche mit hohem Einkommen würden angesichts der Finanzkrise des Staates höhere Steuern in Kauf nehmen. In einer Umfrage für das Hamburger Magazin stern sagten 42 Prozent der Deutschen, die über ein Haushaltsnettoeinkommen von 4000 Euro und mehr verfügen, sie seien zur Bewältigung der Krise grundsätzlich bereit, mehr Steuern zu entrichten. Ähnlich hoch (43 Prozent) ist der Prozentsatz in der Einkommensklasse zwischen 3000 und 4000 Euro netto im Monat. Sogar knapp jeder Dritte, der weniger als 3000 Euro netto im Monat verdient, würde angesichts der Haushaltskrise mehr zahlen. Datenbasis für die Forsa-Umfrage waren 1001 repräsentativ ausgesuchte Bundesbürger vom 16. und 17. Juni 2010.

Ihre Bereitschaft zu höheren Steuern erklären im neuen stern auch mehr als 50 Unternehmer, Prominente oder weniger bekannte, gut verdienende deutsche Bundesbürger. Ernst Prost, Chef des Motorenöl-Herstellers Liqui Moly, sagt: “Mir ist das ein Rätsel, warum die Politik Leute vor einer höheren Belastung verschonen will, die gar nicht verschont werden wollen.” Modeunternehmer Jürgen Hoch empfindet es als “blanken Hohn, wenn Hartz-IV-Empfängern das Elterngeld gestrichen wird, und Leute wie ich müssen keinen Cent mehr bezahlen”. Auch Porsche-Konzernbetriebsratschef Uwe Hück hält es für “ungerecht und einen Skandal, wenn die Folgen der Krise nur von den Geringverdienern getragen werden”. Hück zum stern: “Ich erwarte von einer Regierung, dass sie Typen wie mich, die gutes Geld verdienen, stärker zur Kasse bittet”.

Die soziale Schieflage des Sparpakets prangert auch Tim Renner an, der Geschäftsführer der Motor Entertainment Group in Berlin. “Es ist obszön, dass der von den Finanzmärkten verursachte volkswirtschaftliche Schaden ausgerechnet von Arbeitslosen und Hartz-IV-Empfängern beglichen werden soll”, so Renner zum stern. Um den Größenwahn zu stoppen, der die Finanzkrise auslöste, schlägt Trigema-Chef Wolfgang Grupp vor, den Spitzensteuersatz “auf 60 oder 70 Prozent zu erhöhen und denen, die persönlich haften, einen Rabatt von 50 Prozent einzuräumen.”

“Eindeutig ja” zu mehr Steuern sagt im neuen stern auch Schauspieler Joachim Fuchsberger. “Wir hatten ja schon höhere Einkommenssteuersätze und sind auch nicht verhungert. Ich bin bereit, meinen Beitrag zu leisten beim Auslöffeln der Suppe, die wir uns alle eingebrockt haben”, so der 83-Jährige. Für einen “neuen Lastenausgleich” ist Autor und Ex-Tagesthemen-Moderator Ulrich Wickert: “Jeder, der mehr als 5000 Euro im Monat verdient, zahlt ein Monatsgehalt an den Staat, um damit die Schulden abzutragen”

Über das Thema Ungleichgewicht habe ich schon mehrmals geschrieben, so habe ich beispielsweise mal Jahreseinkommen von über 500.000 Euro als unmoralisch verurteilt, wo ich nach wie vor dahinterstehe.

Ich halte es zwar für problematisch, wenn im Rahmen von geplanten Steuererhöhungen wieder mal vor allem jene zur Kasse gebeten werden, die eh immer alles sanieren müssen und immer am meisten absahnen müssen (die bis zu einem Gehalt von 5.000 Euro monatlich). Aber: Solidarität ist das Gebot der Stunde: Wenn selbst schon Grossverdiener es offenbar mittlerweile einsehen, dass das Gleichgewicht nicht stimmt, wenn den Armen immer noch mehr weggenommen oder (vor allem berechtigte Sozialleistungen) verwehrt wird, dann wird es Zeit, dass nicht nur die Politiker umdenken. Es ist höchste Zeit, dass vor allem jene wirklich ganz ganz oben an den Geld-, Macht- und Einflusstöpfen, die die eigentlichen Regierenden sind, auch ein Einsehen finden und bereit sind, jene an ihrem Überfluss teilhaben zu lassen, die jedes Monat ums finanzielle Überleben kämpfen müssen.

Mittwoch, 16. Juni 2010, von Elmar Leimgruber

Studie: China wird drittgrösster Medien- und Unterhaltungsmarkt – Zweistelliges Wachstum für Onlinewerbung erwartet

Auch hochwertige Technologieprodukte werden zunehmend in China hergestellt
Foto: © Leimgruber

Das anhaltend starke Wirtschaftswachstum in den Schwellenländern verschiebt die Gewichte in der globalen Medien- und Unterhaltungsindustrie, wie die Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers (PwC) im “Global Entertainment and Media Outlook: 2010 – 2014″ prognostiziert..China wird demnach bereits 2011 mit einem Branchenumsatz von voraussichtlich fast 95 Milliarden US-Dollar zum drittgrößten Medienmarkt hinter den USA (446 Milliarden US-Dollar) und Japan (171 Milliarden US-Dollar) aufsteigen und Deutschland (92 Milliarden US-Dollar) auf den vierten Rang verweisen.

Laut PwC steigt der weltweite Branchenumsatz 2010 nur leicht, wobei Mobiles Internet neue Wachstumsperspektiven eröffnet. Dem Onlinebereich prognostiziert das Beratungsunternehmen eine rosige Zukunft: Online-Werbeeinnahmen erreichen demnach 2014 über 100 Milliarden US-Dollar. Bis 2014 dürften laut Studie die Branchenerlöse in China um durchschnittlich 12 Prozent auf annähernd 134 Milliarden US-Dollar zulegen und damit weitaus stärker wachsen als in jedem anderen der führenden Medienmärkte.

Für die USA erwarten die PwC-Experten ein Wachstum von durchschnittlich 3,8 Prozent auf fast 517 Milliarden US-Dollar, während der Medienumsatz in Deutschland um schätzungsweise 3,3 Prozent pro Jahr auf gut 104 Milliarden US-Dollar und in Japan um lediglich 2,8 Prozent jährlich auf knapp 189 Milliarden US-Dollar zulegen wird.

“Chinas Medienmarkt bietet trotz staatlicher Zensur und weiterhin bestehender Probleme beim Schutz geistigen Eigentums ein enormes Potenzial. Westliche Konzerne sollten daher Geschäftsmodelle entwickeln, die den besonderen Marktbedingungen Rechnung tragen. Ein Rückzug aus China ist keine sinnvolle Option”, kommentiert Werner Ballhaus, Leiter des Bereichs Technologie, Medien und Telekommunikation bei PwC.

Im laufenden Jahr dürften die weltweiten Branchenerlöse auf Grund der nur moderaten Konjunkturerholung in den Industriestaaten lediglich verhalten steigen. Gegenüber dem Krisenjahr 2009 prognostiziert PwC ein Plus von 2,6 Prozent auf knapp 1,36 Billionen US-Dollar (Deutschland: plus 1,6 Prozent auf 89,9 Milliarden US-Dollar). Damit bliebe der Umsatz aus Werbeeinnahmen und direkten Verbraucherausgaben unter dem Wert von 2008. Im vergangenen Jahr waren die Erlöse der Medienbranche um 3,0 Prozent auf gut 1,32 Billionen US-Dollar gesunken (Deutschland: minus 0,6 Prozent auf 88,5 Milliarden US-Dollar).

Der “Global Entertainment and Media Outlook” von PwC untersucht weltweite Schlüsseltrends der Unterhaltungs- und Medienbranche und leitet Umsatzprognosen zu 13 Teilbranchen des Medienmarktes in 48 Ländern für die kommenden fünf Jahre ab. Zu den analysierten Segmenten zählen Internet (Werbeeinnahmen und Zugangsentgelte), Fernsehen (Werbung, Gebühren und andere Entgelte, beispielsweise für Pay-TV), Musik (u.a. Tonträgerverkauf und Downloads), Film (Kino, DVD-Verkauf und -Verleih sowie Downloads), Videospiele und Radio. Hinzu kommen die Verkaufs- und Werbeerlöse der klassischen, überwiegend nicht-elektronischen Medien (Zeitungen, Fach- und Publikumszeitschriften sowie Bücher) und Außenwerbung.

Während die Unterhaltungs- und Medienbranche in den Schwellenländern in erster Linie vom starken Wirtschaftswachstum und damit der wachsenden Kaufkraft profitiert, ist in den reifen Medienmärkten die fortschreitende Digitalisierung der wichtigste Wachstumstreiber.

Im vergangenen Jahr beliefen sich die digitalen Medienumsätze, die sich unter anderem aus Entgelten für den Internet-Zugang, Musik- und Filmdownloads sowie, Online-Werbeeinnahmen, aber auch Ausgaben für Video-on-Demand und E-Books zusammensetzen, auf rund 24 Prozent der weltweiten Branchenerlöse. Bereits 2014 dürften auf digitale Medien gut 33 Prozent des Gesamtumsatzes entfallen. Die Wirtschaftskrise hat die Digitalisierung in allen Märkten weiter beschleunigt. So sind die weltweiten Ausgaben für digitale Medien trotz Rezession im Jahr 2009 um 10,2 Prozent gestiegen, während die für traditionelle Medien weltweit um 6,4 Prozent gefallen sind.

Der Siegeszug des mobilen Internet dürfte den Trend zur Digitalisierung weiter beschleunigen. Gingen vor fünf Jahren schätzungsweise erst 100 Millionen Menschen auch unterwegs ins Internet, surften 2009 immerhin schon 500 Millionen mit Laptop, iPhone und Co. Für 2014 erwarten die PwC-Experten weltweit 1,4 Milliarden Nutzer mit mobilem Internet-Zugang.

“In naher Zukunft wird der Medienkonsum jederzeit und überall möglich und für viele selbstverständlich sein. Schon jetzt gibt es Angebote, die gegen eine monatliche Abogebühr das Streaming von Musiktiteln auf das Smartphone erlauben. Der Aufbau von Mobilfunknetzen der ’4. Generation’, der in Deutschland jüngst mit der Versteigerung der Frequenzen für mobiles Breitbandinternet begonnen hat, rückt auch die Echtzeit-Übertragung von TV-Sendungen, Videos und aufwändigen Online-Spielen in Reichweite”, erläutert Ballhaus.

Die Digitalisierung der Medien- und Unterhaltungsbranche schlägt sich laut PwC auch in der Verteilung der Werbeeinnahmen nieder. Während die Werbeerlöse 2009 insgesamt um annähernd zwölf Prozent auf knapp 405,6 Milliarden US-Dollar sanken, legte die Online-Werbung um 4,3 Prozent auf knapp 60,6 Milliarden US-Dollar zu. Bis 2014 erwarten die PwC-Experten ein durchschnittliches Wachstum der Werbeeinnahmen im Internet um 11,4 Prozent pro Jahr, während der Gesamtmarkt nur um geschätzt 4,2 Prozent pro Jahr zulegen dürfte. Mit Erlösen von 103,8 Milliarden US-Dollar wäre das Internet damit das weltweit zweitwichtigste Werbemedium hinter dem Fernsehen (195,7 Milliarden US-Dollar). Der Anteil an den Werbeeinnahmen läge bei 20 Prozent (2009: 15 Prozent, 2005: 6 Prozent).

Allerdings ist die Entwicklung der Werbemärkte von landestypischen Besonderheiten geprägt. In den USA beispielsweise steigen die Erlöse mit Online-Werbung bis 2014 zwar auf voraussichtlich 33,4 Milliarden US-Dollar (plus 7,7 Prozent pro Jahr), das Fernsehen allerdings bleibt mit Erlösen von rund 80,3 Milliarden US-Dollar (plus 5,3 Prozent pro Jahr) mit Abstand wichtigstes Werbemedium. Demgegenüber löst in Deutschland das Internet mit Werbeerlösen von gut 7,5 Milliarden US-Dollar das Fernsehen (5,9 Milliarden US-Dollar) bis 2014 ab, bleibt aber weiterhin hinter dem Zeitungsmarkt als wichtigstes Werbemedium in Deutschland zurück.

Donnerstag, 20. Mai 2010, von Elmar Leimgruber

13 Mio. Euro gegen die Krise und für Innovationen

Mit 13,1 Millionen Euro aus dem Europäischen Sozialfonds (ESF) – 100.000 Euro mehr als noch im Vorjahr – stemmt man sich in Südtirol gegen die Krise und fördert die Innovationsfähigkeit heimischer Unternehmen. Die entsprechende Wettbewerbs-Ausschreibung ist letzthin in Bozen vorgestellt worden.

Dabei wurde auch betont, dass die Entbürokratisierung vorangetrieben werden soll. Bis dato hat das Land im Planungszeitraum 2007 bis 2013 rund die Hälfte der über den ESF zur Verfügung gestellten 160 Millionen Euro investiert.

Die Gesamtsumme von 13,1 Millionen Euro fließt in vier ESF-Achsen: Anpassungsfähigkeit, Beschäftigung, Eingliederung und Humankapital. “Wir greifen mit dieser Ausschreibung auf die im Vorjahr mit dem Staat getroffene Vereinbarung zurück, die zwei primäre Verwendungszwecke für die Gelder vorsieht”, erklärte Laura Favaro, Koordinatorin der ESF-Dienststelle des Landes. Diese seien die Förderung der Aus- und Weiterbildung, mit der Krisenopfer wieder in den Arbeitsmarkt eingebunden werden sollten, sowie die Förderung der Innovationskraft heimischer Betriebe.

Diese Ziele unterstrich auch Landeshauptmann Luis Durnwalder: “Die EU stellt uns über ihre Programme Mittel für die verschiedensten Zwecke zur Verfügung, den ESF nutzen wir vor allem zur Steigerung der Chancen Einzelner auf dem Arbeitsmarkt”, so Durnwalder. Dabei reiche die Palette von der Eingliederung über die Umschulung bis hin zur Wieder-Eingliederung von Frauen, Menschen mit Behinderung und Älteren. “Bei uns herrscht praktisch Vollbeschäftigung und es ist unsere Aufgabe, dies auch in Zukunft beizubehalten bzw. die Situation dort noch zu verbessern, wo dies sinnvoll und möglich ist,” so der Landeshauptmann.

Dienstag, 16. März 2010, von Elmar Leimgruber

Es gibt keine Wahl zwischen Arbeit und Mindestsicherung (Info+Kommentar)

Die österreichische Bundesregierung hat bei der heutigen Sitzung des Ministerrates für Menschen in Notlagen die Einführung der bedarfsorientierten Mindestsicherung von 744 Euro für Singles und 1116 für Paare (zuzüglich 134 Euro pro Kind) monatlich beschlossen. Zudem sollen künftig alle Bezieher von (das sind derzeit etwa 270.000 Menschen) Sozialhilfe, Notstandshilfe und anderen Sozialleistungen für die Ärmsten eine Krankenversicherung erhalten. Aber: “Es gibt keine Wahlmöglichkeit zwischen Arbeit und Mindestsicherung”, sagte Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) beim anschließenden Pressefoyer:

Das Ziel einer Mindestsicherung könne niemals sein, dass jemand ohne Arbeit lebe, denn “Arbeit ist für Selbstwertgefühl und Menschenwürde unerlässlich.” Die Mindestsicherung sei eine konkrete Maßnahme zur Armutsbekämpfung, aber auch zur Wiedereingliederung von Menschen in den Prozess der Erwerbsarbeit, erklärte der Kanzler.

Im Falle einer Nichtbereitschaft zum Arbeiten können künftig alle Bezüge gestrichen werden. Zudem dürfen Bewerber nur ein “Vermögen” bis zu einer Höhe von 3720 Euro besitzen und “unangemessene” Wohnungen und Autos (sofern sie nicht arbeitsbedingt oder aufgrund einer Behinderung benötigt werden) müssen veräussert werden, bevor man eine solche Grundsicherung beziehen kann.

“Der Termin 1. September kann sicher eingehalten werden, wenn das nötige Wollen dahinter steht”, betonte indes Caritas-Präsident Franz Küberl und appellierte an die Länder, die Sorgen und Nöte der ärmsten Menschen in Österreich ernst zu nehmen und keine weitere Verzögerungen bei der Einführung der Mindestsicherung zuzulassen. Alles andere als Einführung mit 1. September wäre “Bankrotterklärung für den Föderalismus”, sagte Küberl.

Einen Grossteil der Kosten (etwa 160 Mio. Euro ) der bedarfsbedingten Mindestsicherung wird der Bund übernehmen, der Beitrag der Länder ist mit maximal 50 Mio. Euro begrenzt. Nach der Zustimmung zur Mindestsicherung durch die Bundesregierung sind nun noch die entsprechenden Beschlüsse der Länder ausständig, damit das Gesetz mit 1. September in Kraft treten kann.

Wer kann schon eindeutig nachweisen, ob zwei in einem Haushalt Lebende tatsächlich ein Paar sind oder sich nur aus Kostengründen eine gemeinsame Wohnung mieten? Aber eines ist klar: Wer wirklich und erwiesenermassen arm ist, darf auch in harten Zeiten nicht an unserem Sozialsystem scheitern. Und die Krankenversicherung für alle ist jedenfalls sehr lobenswert und vorbildlich.

Vorausgesetzt, dass garantiert ist, dass die neubeschlossene bedarfsorientierte Mindestsicherung dem Sozialmissbrauch nicht noch mehr Tür und Tor öffnet, begrüsse ich diese ausdrücklich.