Mit ‘Wiener Volksoper’ getaggte Artikel

Mittwoch, 21. Oktober 2020, von Elmar Leimgruber

“Die Zauberflöte” oder “Lasset die Puppen tanzen”

Auch wenn sie im ehrwürdigen Theater an der Wien von Emmanuel Schikaneder (welcher auch das Libretto zur weltberühmten Oper schrieb) am 17. September 1791 uraufgeführt wurde, gehört sie inzwischen zum Standard-Repertoire beinahe jedes Opernhauses weltweit: „Die Zauberflöte“ von Wolfgang Amadeus Mozart. Gerade diese über unzählige Generationen hindurch reichende Bekanntheit scheint es zu verunmöglichen, sie tatsächlich auf der Bühne neu in Szene zu setzen.

Henry Mason, welcher grundsätzlich ein Meister seines Fachs ist, (es mag wohl an meiner persönlichen Wahrnehmung liegen oder vielleicht muss ich mir das Stück eben ein zweites Mal gönnen) verstehe ich in dieser Neuinszenierung der „Zauberflöte“ an der Wiener Volksoper nicht oder zumindest nicht nachvollziehbar. Umso überzeugender und im wahrsten Sinne beglückend und kaum zu übertreffen ist die aktuelle musikalische Darbietung:

Der Tiroler Tenor Martin Mitterrutzner (Debut an der Volksoper) interpretiert Tamino -trotz seines jungen Alters mit noch weiterem Potential nach oben- mit einer Gänsehaut-erzeugenden und charmanten Leichtigkeit, in der er gar vielleicht bekannte so genannte Weltstars (bei denen ich teils schon beim Zuhören quälende Halsschmerzen verspüre) herausfordern könnte: da kommt hoffentlich in Zukunft noch viel Schönes und Erhebendes auf uns zu: so einen herausragenden „Tamino“ habe ich persönlich tatsächlich weder live noch auf Tonträgern gehört.

Taminos grosse Liebe Pamina, ebenfalls eine Rolle, bei der ich aufgrund der Überforderung so vieler Sängerinnen regelmässig mitleide, singt hier an der Volksoper Rebecca Nelson, die keinerlei Probleme mit Atem, Höhen und Ausdauer hat: so wünsche ich mir das.

Absolut herausragend interpretiert Anna Siminska die Königin die Nacht: Jeder Ton sitzt -im Gegensatz zu vielen anderen ihrer Kolleginnen klar- präzise und taktgenau. Dies trifft genauso auf Stefan Cerny als Sarastro zu: Hier sind nicht nur die getragenen Melodien präsent, sondern auch die tiefsten Töne, die bei anderen im Nichts verschwinden. Allem in allem ist das gesamte Ensemble dieser Produktion hervorragend gecastet und eingesetzt.

Dafür empfinde ich aber dessen Inszenierung als eine sonderbare Mischung aus von Maschinengewehrträgern bewaffneten Revolutionsführer, österreichischem Kaiser mit Reiterstiefeln und Sektenguru als äußerst fragwürdig. Im „Zauberer von Oz“ in der Volksopern-Inszenierung von Mason war noch nachzuvollziehen, dass der Hund eine Puppe ist. In der „Zauberflöte“ gibts -vielleicht angelehnt an das Musical „König der Löwen“ unzählige -durchaus wunderbar gestaltete- Tiere (Rebekah Wild), und selbst die Drei Knaben (Wiener Sängerknaben) treten anfangs als Marionetten auf, während dies beispielsweise bei den Drei Damen nicht der Fall ist.

Dieses zweifelhafte „Puppenspiel“, das die Handlung mehr stört als sie unterstützt, findet absolut keinen Zugang zu mir.
Dennoch sollte diese meine Kritik keinesfalls abschreckend wirken: im Gegenteil: anschauen und selbst beurteilen.

Und vor allem: Musikalisch ist die „Zauberflöte“ in der Wiener Volksoper ein Top-Highlight vieler vergangener Jahre, was vermutlich auch auf das aussergewöhnliche Gespür der begnadeten Dirigentin Anja Bihlmaier zurückzuführen ist: Das Orchester der Volksoper musizierte noch selten (z.B. vor Jahren „Hänsel und Gretel“ unter Dietfried Bernet) so weit überdurchschnittlich wie jetzt:

Diese „Zauberflöte“ an der Wiener Volksoper ist daher -neben der vielleicht optischen Herausforderung- schon musikalisch ein „Muss“, selbst wenn man sie -wie ich- schon xfach live gesehen hat.

Freitag, 29. November 2019, von Elmar Leimgruber

Volksoper: Es regiert zwar “König Karotte”, doch die Menschen sind “verzaubert”…

Dass die Wiener Volksoper seit vielen Jahrzehnten herausragende Produktionen auf die Bühne stellt, ist ja nichts Neues. Dass aber immer wieder auch der aktuellen Politik (schon vor Jahren “Der Kongress”) auf liebenswürdige Weise gedacht wird, ist wohl der Klugheit und dem immerdar kritischen Geist der Intendanz des Nestroy- und Valentin-Verehrers Robert Meyer zu verdanken.

Die komische Zauberoper “König Karotte” von Jakob (Jacques) Offenbach (Musik) und Victorien Sardou/Jean Abel (Text), welche am 23. November in der Wiener Volksoper ihre Premiere hatte, könnte zeitgemäßer kaum sein: Zwar stammt das Werk aus dem 19. Jahrhundert, aber die Parallelen zur Gegenwart sind (wohl bewusst) kaum zu übersehen:

Ein mehr auf sich achtender, prassender und zweifelhafter Regent (Politiker), der zudem Unmengen an Schulden anhäuft und deswegen auch eine sehr reiche Prinzessin ehelichen will, soll zum Wohle aller abgesetzt werden: “Student” Robin, der nebenher ein “guter Geist” ist, zieht die Fäden in seiner Hand  und verbündet sich mit einer bösen Hexe, welche nicht nur die Bevölkerung durch “Magie” verzaubert, sondern auch einen König aus der Unterwelt, König Karotte und weiteres Gemüse an die Macht im Land bringt. Dieser neue König hat zwar weder Konzepte noch Pläne, jedoch scheint das Land ihm nun vollends zu unterliegen, während der ehemalige Prinz keine Macht mehr hat. Dieser trachtet natürlich danach, die Herrschaft wiederzuerlangen…

Unter der grossartigen Regie von Matthias Davids ist mit diesem Stück, das übrigens auch musikalisch herausragend ist, ist der Wiener Volksoper ein Meisterwerk gelungen. Die einzelnen Hauptrollen sind hervorragend besetzt, vor allem Elmira Elmadfa als Robin, Johanna Arrouas als Rosee-du Soir, Julia Koci als Prinzessin Kunigunde, Sung Keun Park als König Karotte und Mirko Roschkowski als Prinz Fridolin. Besondere Erwähnung verdienen zudem Christian Graf als Hexe, die aussergewöhnlichen Kostüme von Susanne Hubrich sowei das Orchester der Wiener Volksoper unter der Leitung von Guido Mancusi.

Wer klassische Musik zwischen Wiener Walzer, Romantik und leichter Muse liebt und sich zudem mit viel Witz und Charme gern prächtig unterhalten lassen will, dem sei “König Karotte” an der Wiener Volksoper sehr empfohlen. Bitte mehr davon, liebe Volksoper.

Donnerstag, 16. April 2015, von Elmar Leimgruber

Robert Meyer bleibt Chef der Wiener Volksoper

Eine wahrhaft gute Nachricht für die Wiener Kulturwelt: Robert Meyer bleibt Direktor der Wiener Volksoper. Am 15. April 2015 hat Kulturminister Josef Ostermayer im Rahmen einer Pressekonferenz die Verlängerung der Direktion Robert Meyer um weitere fünf Jahre bekannt gegeben: Meyer bleibt demnach bis 2022. Der 1953 in Bayern geborene Burgschauspieler gilt unter anderem als DER Experte für Stücke von Johann Nestroy.

Robert Meyer “Ich bin stolz darauf, dass es uns in den vergangenen acht Jahren gelungen ist, das Haus zu stabilisieren und das Profil der Volksoper als lebendiges und vielseitiges Musiktheater in Wien zu schärfen. Es liegen noch viele spannende Jahre vor uns und ich freue mich darauf, den eingeschlagenen Erfolgskurs gemeinsam mit meinem Team bis Juni 2022 fortzusetzen”, reagierte Robert Meyer auf seine Bestätigung. Seit dem Amtsantritt der Direktion Robert Meyer im September 2007 gab es an der Volksoper 76 Premieren und rund 2.300 Vorstellungen.

Der Spielplan der Saison 2015/16 umfasst acht Premieren, vier Wiederaufnahmen und 19 Repertoirestücke. Der Wolfgangsee (“Im weißen Rössl”), Wien zur Kongress-Zeit (“Der Kongress tanzt”), Krakau (“Der Bettelstudent”), ein mittelalterliches Bagdad (“Kismet”) und ein fernes mythisches Russland (“Fürst Igor”), zweimal Sevilla (“Don Giovanni” und “Der Mann von La Mancha”) und eine märchenhafte Winterwelt (“Die Schneekönigin”) – das sind die Orte, wohin die Neuproduktionen der kommenden Spielzeit entführen. Video-Präsentation: Volksoper Premieren-Vorschau: 2015-2016
Premieren und Wiederaufnahmen im Detail:

OPERETTE

Der Premierenreigen beginnt mit einer atemlosen Reise durch die emotionalen und geographischen Höhen und Tiefen eines postkarten-idyllischen Salzkammerguts. Mit “Im weißen Rössl” in Josef E. Köpplingers turbulenter Inszenierung kehrt die vielleicht erfolgreichste Operette der Zwischenkriegszeit an die Volksoper zurück. Am Pult steht Volksoperndebütant Michael Brandstätter. Sigrid Hauser spielt die resche Rösslwirtin Josepha Vogelhuber, die von Daniel Prohaska als liebevoll beharrlichem Oberkellner Leopold umworben wird. Sein Nebenbuhler Doktor Siedler ist Carsten Süss – der Tassilo der “Gräfin Mariza”-Premiere ist ab der Saison 15/16 festes Ensemblemitglied der Volksoper Wien. Verstärkt wird das Ensemble von Gästen aus dem Burgtheater: Markus Meyer als schöner Sigismund, Hans Dieter Knebel als Professor Hinzelmann und Bernd Birkhahn als Giesecke. Premiere am 6. September 2015

Die zweite Operettenpremiere “Der Kongress tanzt” ist eine Zeitreise in das Wien der Jahre 1814/15. Die Crème de la Crème der internationalen Politik berät über die Neuordnung Europas. Während Metternich (Robert Meyer – er führt auch Regie) die mächtigen Herren mit Festen bei Laune hält, verliebt sich Zar Alexander (Boris Eder), in die hübsche Handschuhmacherin Christel (Johanna Arrouas). Dank seines Doppelgängers Uralsky gelingt es dem Zaren, Frauen und Kongresssitzungen gleichzeitig zu besuchen. Werner Richard Heymann, dessen Geburtstag sich 2016 zum 120. Mal jährt, schrieb die Filmmusik zu Erik Charells “Der Kongress tanzt”. In der vorliegenden Bühnenfassung erklingen noch viele weitere Schlager Heymanns, von Christian Kolonovits für Salonorchester neu arrangiert und dirigiert.
Premiere am 20. Februar 2016

Ein dreister Kuss auf die Schulter ist der Auslöser der Operettenhandlung von Carl Millöckers “Der Bettelstudent”: Diesen gibt der sächsische Oberst Ollendorf (Martin Winkler) der verarmten polnischen Grafentochter Laura (Anja-Nina Bahrmann) und kassiert dafür einen Schlag ins Gesicht. Um sich zu rächen, stattet er den im Gefängnis sitzenden polnischen Studenten Symon (erstmals an der Volksoper: Lucian Krasznec) mit Geld und Fürstentitel aus, damit er das Herz der stolzen Laura gewinnt. Für die Neuinszenierung der Operette zeichnet Anatol Preissler verantwortlich, die musikalische Leitung liegt in Händen von Wolfram-Maria Märtig.
Premiere am 30. April 2016

Wie kaum eine andere Operette spiegelt “Die Csárdásfürstin” die Stimmung ihrer Entstehungszeit wider. 100 Jahre nach der Uraufführung gelangt das Werk in der Regie von Robert Herzl wieder in den Spielplan der Volksoper und wird auch beim Japangastspiel in Tokio gespielt. Unter der musikalischen Leitung des jungen österreichischen Dirigenten Johannes Pell bringt die Besetzung zahlreiche Neuerungen. So ist Ensembleneuzugang Szabolcz Brickner erstmals als Fürstensohn Edwin zu erleben, Astrid Kessler, die an der Volksoper als “Gräfin Mariza” bereits in einer Kálmán-Operette überzeugte, singt die Varietésängerin Sylva Varescu. Axel Herrig, der sich hier bisher dem Musical (“Guys and Dolls”, “The Sound of Music”) verschrieben hatte, spielt den Feri Bácsi. Als Fürstenpaar von und zu Lippert-Weylersheim stehen Peter Matić und Maria Happel auf der Bühne.
Wiederaufnahme am 16. Dezember 2015

OPER

Erstmals seit Rossinis “La Cenerentola” im Jahr 1997 kehrt der Theatermagier Achim Freyer an die Volksoper zurück – diesmal als Regisseur, Bühnen- und Kostümbildner von Mozarts Meisterwerk “Don Giovanni”. Der niederländische Dirigent Jac van Steen, der an der Volksoper bei “Wagners RING an einem Abend” erstmals zu erleben war, übernimmt die musikalische Leitung. In der Titelrolle führt Josef Wagner ein Mozart-Ensemble an, das mit Kristiane Kaiser (Donna Anna), Jörg Schneider (Don Ottavio), Caroline Melzer (Donna Elvira), Marko Špehar (Leporello), Ben Connor (Masetto) und Anita Götz (Zerlina) überwiegend aus festen Ensemblemitgliedern des Hauses besteht.
Premiere am 14. November 2015

Gewaltige Massenszenen, die mitreißenden Polowetzer Tänze sowie musikalisch und psychologisch fein gestaltete Charaktere – der Zauderer Igor (Sebastian Holecek), seine Frau Jaroslawna (Melba Ramos) der Gewaltmensch Galitzky (Martin Winkler), der schlaue Machtpolitiker Kontschak (Sorin Coliban – als einziger Gast in diesem Ensemblestück), die gewissenlosen Wendehälse Skula (Stefan Cerny) und Jeroschka (Christian Drescher) – machten “Fürst Igor” zur wichtigsten russischen Nationaloper nach “Boris Godunow”. Seit 1960 (damals an der Staatsoper) war die Oper nicht mehr in Wien zu sehen. Thomas Schulte-Michels (Regie und Bühnenbild) setzt sie nun erstmals an der Volksoper in Szene. Am Pult des Volksopernorchesters steht Alfred Eschwé.
Premiere am 19. März 2016

MUSICAL

70-mal, zuletzt am 10. März 2001, wurde “Der Mann von La Mancha” mit Karlheinz Hackl als Don Quixote, Robert Meyer als Sancho und Dagmar Koller als Aldonza gespielt. Nun feiert der Musical-Klassiker seinen 50. Geburtstag (die Broadway-Uraufführung fand im November 1965 statt), vor 400 Jahren hat Miguel de Cervantes den zweiten Teil seines “Don Quixote” veröffentlicht und die Volksoper bringt eine Neuproduktion von
“Der Mann von La Mancha” auf die Bühne. Robert Meyer schlüpft nun in die schäbigen Kleider des „Ritters von der traurigen Gestalt“, Boris Pfeifer ist sein treuer Diener Sancho und Patricia Nessy die Aldonza. Regisseur Olivier Tambosi kehrt nach “Der Vetter aus Dingsda” an die Volksoper zurück und Lorenz C. Aichner, Kapellmeister am Haus, dirigiert nach “Der Zauberer von Oz” erneut eine Musical-Premiere.
Premiere am 17. Oktober 2015

Im Jahre 1954 begab sich der Fall, dass ein längst verstorbener russischer Komponist den „Tony“ für das beste Musical erhielt: Robert Wright und George Forrest hatten Melodien von Alexander Borodin für das im mittelalterlichen Bagdad spielende “Kismet” adaptiert, darunter auch die berühmten „Polowetzer Tänze“ aus “Fürst Igor”. Wenige Wochen vor dessen Premiere spielt die Volksoper das hierzulande selten gezeigte Musical in einer konzertanten Fassung. Nach dem durchschlagenden Erfolg der Konzertfassung von Bernsteins Candide steht Joseph R. Olefirowicz erneut am Pult des Volksopernorchesters. In der Hauptrolle des findigen und phantasievollen Geschichtenerzähler Haji gastiert der amerikanischen Star-Bariton Rodney Gilfry an der Volksoper. Rebecca Nelsen ist als seine Tochter Marsinah erstmals in einem Musical zu sehen.
Premiere am 24. Jänner 2016

260 Mitglieder der Volksoper fliegen von 10. bis 30. Mai 2016 auf Gastspiel nach Japan, wo “Die Fledermaus”, “Die lustige Witwe” und “Die Csárdásfürstin” aufgeführt werden. Der Spielbetrieb in Wien wird währenddessen ungemindert fortgesetzt. Drei Wiederaufnahmen stehen im April und Mai 2016 auf dem Programm: die Musicals “The Sound of Music” und “Anatevka” sowie das Ballett “Marie Antoinette”.

“The Sound of Music”, die letzte Zusammenarbeit des kongenialen Duos Rodgers und Hammerstein wurde 1959 uraufgeführt. Die viel beachtete Erstaufführung an der Volksoper fand 2005 in der Inszenierung von Renaud Doucet und André Barbe statt und kehrt nun nach vierjähriger Pause mit Volksoperndebütantin Barbara Obermeier als Novizin Maria auf den Spielplan zurück.
Wiederaufnahme am 3. April 2016

Aus dem Jahr 2003 stammt Matthias Davids Inszenierung von Jerry Bocks “Anatevka” (Fiddler on the Roof), in der KS Kurt Rydl in einer seiner Traumrollen als Milchmann Tevje sein Musical-Debüt gibt. Dagmar Hellberg, die zuletzt im Musical-Thriller “Sweeney Todd” mit viel schwarzem Humor die Pastetenbäckerin Mrs Lovett spielte, ist seine Frau Golde. Drei der fünf Töchter wollen heiraten, anders als ihr Vater es möchte. Doch Tevje hält an der Tradition fest und lebt sein Leben weiter – bis der Zar die Umsiedlung der Juden verfügt und Tevje und Golde mit ihren beiden jüngsten Töchtern nach Amerika auswandern. Wiederaufnahme am 14. Mai 2016

BALLETT

Ein zauberhaftes Handlungsballett speziell für Kinder und Familien in opulenter Ausstattung (Marc Bailey) steht ab Dezember auf dem Spielplan. Der britische Choreograph Michael Corder erzählt frei nach dem Märchen von Hans Christian Andersen die Geschichte von Gerda und Kay, deren Freundschaft die “Schneekönigin” auf eine harte Probe stellt. Der Brite Martin Yates, der sich als Ballettdirigent u. a. am Royal Ballet, Covent Garden, in Schweden, Finnland, Norwegen und den Niederlanden einen Namen gemacht hat, übernimmt die musikalische Leitung der Premiere. Premiere am 8. Dezember 2015

Die Geschehnisse um die französische Königin “Marie Antoinette”, die in der Geschichte Frankreichs ebenso verwurzelt ist wie in der Österreichs, sind über die Jahrhunderte hinweg Teil des kollektiven Gedächtnisses geworden. In seiner 2010 an der Volksoper uraufgeführten Sicht geht es Patrick de Bana nicht um eine Chronik der historischen Ereignisse. Vielmehr werden – eingeleitet vom personifizierten Schicksal, das auch die Zeit symbolisiert, sowie dem Schatten der Protagonistin – in Momentaufnahmen die seelischen Zustände von Marie Antoinette gezeichnet. Schicksal und Schatten begleiten voraussagend und kommentierend die Ereignisse.
Wiederaufnahme am 6. Mai 2016

Donnerstag, 29. Januar 2015, von Elmar Leimgruber

Viva La Mamma, Viva l’Opera:-) Kulturkritik

Ein Theater über das Theater ist doch das reinste Teater. Oder nicht?
Wie muss es dann erst um eine Oper bestellt sein, die sich mit den Vorgängen an der Oper beschäftigt?
Das klingt irgendwie nach einem modernen Stück aus dem 20. Jahrhundert. Ist es aber nicht:

Kein Geringerer als der italienische Komponist Gaetano Donizetti schuf bereits im fernen Jahr 1830 (eine erste Version gabs schon 1827) die Parodie-Oper “Viva La Mamma” über “Le convenienze ed inconvenienze teatrali” (“Die Sitten und Unsitten des Theaters”), beruhend auf zwei Komödien-Einakter von Antonio Simone Sografi. Und weil Donizetti das Opernleben offenbar aus eigener Erfahrung zu gut kannte, schrieb er sogar das Libretto zu dieser Opern-Parodie selbst.

Das Publikum erlebt in dieser Opera Buffa mal nicht eine vollständige Oper im eigentlichen Sinn, sondern nimmt an den Proben für eine Opernaufführung teil. Dass das, was in der Vorstellung meist so glänzt, nämlich die Prima Donna und der erste Tenor, in der Realität oft weit komplizierter, intriganter und zickiger ist, darin bekommt das Publikum der Wiener Volksoper seit Kurzem “geheime” Einblicke und erfährt so, was hinter die Kulissen von Theater und Oper ablaufen kann:
Nur weil nicht alles nach Wunsch der Primadonna läuft, droht gleich alles aus dem Gleichgewicht zu fallen, zumal dann auch noch die Mutter einer weiteren Sopranistin, Mamma Agata die Proben aufsucht, um ihre Tochter Luisa zur Primadonna hochzupuschen. Und auch Komponist, Dirigent und Direktor verfolgen ihre je eigenen Interessen, die sie selbst für am Wichtigsten halten. Als im Chaos schließlich auch noch der erste Tenor und eine weitere Sängerin aussteigen, sieht die Mamma, die bereits von Donizetti mit einem Mann (Bariton) besetzt wurde, ihre Karrierechance in der Oper gekommmen…

Wenn man sich für Kunst und Kultur interessiert, weiss man in etwa, was hinter den Kulissen vor sich gehe kann. Früher mag es vor allem (wie in dieser Oper) um persönliche Rivailtäten zwischen den Darstellern gegangen sein, heute kommen noch diverse Intrigen, Machtspiele und Korruption in den (viel zu vielen) verschiedenen Ebenen eines Hauses dazu, die teilweise das Leben aller Beteiligten unnötig erschweren. Umso erfreulicher ist die Aufführung dieses Werks  in der Wiener Volksoper, und ich bedanke mich an dieser Stelle besonders beim Hausherrn Robert Meyer, dass er diese selbstkritische Oper (nach 1983 erneut) auf den Spielplan gesetzt hat.

Als Regisseur konnte Rolando Villazon gewonnen werden, der selbst die Opernhäuser der Welt kennt wie kein Zweiter, gehört er doch zu den bedeutendsten Operntenören der Gegenwart.

Gewiss: Manche Szenen in dieser Regiearbeit mögen überzeichnet sein. Aber geht es nicht genau darum in einer Parodie? Das Normale, das Übliche so zu überzeichnen, dass auch noch dem Letzten klar wird, was da gepielt wird. Und dieser Spiegel tut gut: nicht nur auf der Schauspielerebene, sondern auch in allen Abteilungen eines Theaters, Musical-oder Opernhauses. Gute Arbeit also Rolando Villazon!

Wobei uneingeschänkt gilt dieses Lob auch wieder nicht: Denn “Star Wars” macht diese Oper nicht zeitgemäßer, sondern das wirkt echt gekünstelt und unnötig aufgesetzt: das ist nicht nur störend und peinlich, sondern das lenkt auch noch vom eigentlichen Thema ab. Also manchmal sind weniger “Ideen” doch mehr.

Die Arien von Donizetti sind teils sehr “zügig” und daher aus verständlichen Gründen alles andere als einfach zu singen, vor allem von einem gesamten Ensemble, noch dazu, wenn neben dem echten Dirigenten (Kristiina Poska) auch noch der “falsche”, der Bühnen-Dirigent (Günter Haumer) seinen Taktstock schwingt. Vor allem im ersten Akt sind daher einige Arien weder synchron, noch wirklich sauber gesungen. Hier herrscht Verbesserungsbedarf.

Besonderes Lob verdient jedoch Anja-Nina Bahrmann als herrlich zickige Primadonna Corilla: Sie dürfte aktuell eine der besten Koloratursporanistinnen überhaupt sein und kann durchaus mit einer großen gesanglichen Zukunft rechnen. Ebenfalls großartig ist JunHo You: ein Tenor mit einer angenehm warmen und gleichzeitig klaren kräftigen Stimme, gepaart mit einem überdurchschnittlichen schauspielerischen Talent, wie man schon lange Zeit keinen mehr gehört und erlebt hat: You wird vermutlich schon bald einer der bedeutendsten Operntenöre unserer Zeit sein.

Die eigentliche Hauptrolle jedoch spielt und singt Martin Winkler als Mamma Agata, der ohne Zweifel ein sehr begnadeter Schauspieler, vorallem für eine solche Rolle mit Charm und Witz und Dominanz ist. Während er also schauspielerisch brilliert, liegen ihm Donizettis schwierige Arien leider weniger.

Wer in die Oper geht, um Hochgeistiges zu erleben, wird zweifelsohne enttäuscht, wenn er “Viva La Mamma” in der Volksoper sieht. Wer hingegen einen humorvollen Blick hinter die Kulissen der Opern- und Theaterwelt werfen will, also Spass und Unterhaltung verbunden mit ein paar wunderbaren Stimmen haben will, den wird dieses Stück wohl erfreuen. Andere Neuproduktionen der Wiener Volksoper sind jedoch weit herausragender als diese.

Meine Kultur-Kritik bezieht sich auf die Aufführung am 20. Jänner 2015.

Donnerstag, 11. Dezember 2014, von Elmar Leimgruber

Musical mit Zauber und Knalleffekt: “Der Zauberer von Oz” an der Wiener Volksoper

Zu keiner Zeit sind wir sensibler und offener für Schönes und Wundersames wie in der Vorweihnachtszeit: Das Kind (zumindest in den meisten) in uns kehrt zuweilen wenigstens für kurze Momente zu uns zurück und lässt uns staunen und strahlen wie damals, als wir noch dem Weihnachtsgeschehen zauberhaft erlagen. Natürlich wurden wir als Kinder auch zu oft missverstanden und vielleicht auch vollkommen falsch eingeschätzt und behandelt. Aber vielleicht und hoffentlich haben wir uns trotz allem einen Hauch von Grundvertrauen, dass alles wieder gut wird, bewahrt.

Auch Dorothy Gale wird missverstanden und fühlt sich gar von ihren Angehörigen verlassen, weil sie ihr nicht dabei helfen wollen, ihren Hund Toto vor der boshaften Almira Gulch zu schützen. Ein plötzlicher Wirbelsturm entführt sie in dieser Trostlosigkeit in eine vollkommen andere Welt, nach Oz, wo sie von den Bewohnern und der guten Hexe Glinda als Heldin gefeiert wird, weil ihr auf sie herabstürzendes Haus die böse Hexe des Ostens getötet hat. Doch da erscheint auch schon ihre Schwester, die böse Hexe des Westens und will deren magische rote Schuhe an sich nehmen, aber plötzlich sind diese an den Füßen von Dorothy, die eigentlich nur nach Hause möchte. Also macht sie sich auf Rat von Glinda mit ihrem Hund Toto auf den Weg zum mächtigen Zauberer von Oz, der ihr diesen Weg weisen würde. Dabei trifft sie eine Vogelscheuche, die sich ein Gehirn wünscht, einen Blechmann, der ein Herz begehrt und einen Löwen, der gern mutig wäre. Daher begleiten sie Dorothy auf ihrem Weg zum Zauberer und bestehen gemeinsam allerlei Abenteuer, die ihnen die böse Hexe des Westens beschert. Endlich in der Smaragdstadt des Zauberers angekommen, werden die auf Hilfe Hoffenden erst allmählich zum Geist des Zauberers vorgelassen, der ihnen zu helfen verspricht, wenn sie ihm den Besen der bösen Hexe bringen. Also geht das Abenteuer der Freunde in die nächste Runde…

Wer die wunderbare Verfilmung des Buchs “Der Zauberer von Oz” von Lyman Frank Baum mit Judy Garland in der Hauptrolle aus dem Jahr 1939 noch nicht gesehen hat, darf sich nun in der Wiener Volksoper überraschen lassen, wie die Story weitergeht und endet. Das gleichnamige Musical von Harold Arlen und E.Y.Harburg (Deutsche Fassung: Klaus Eidam) lädt unter der Regie von Henry Mason (Exzellente Arbeit!) zum vorweihnachtlichen Abtauchen in diese wunderbare Oz-Zauberwelt mit Tiefgang ein.

Ich gebe es zu, ich kann mit Knallereien jeglicher Art absolut nichts anfangen. Aber ich gebe auch zu, eine böse Hexe muss wohl mit Knalleffekt erscheinen. Aber mal abgesehen davon hat mich die gesamte Produktion (gesehen bereits in der Vorpremiere am 4. Dezember) überaus erfreut und mitgerissen: Das Volksopernballet (Choreographie: Francesc Abos) begeistert, der Kinder- und Jugendchor der Volksoper genauso und die gesamte Show ist einfach stimmig und es kommt keinen Moment Langweile auf, was auch auf das wunderbare Bühnenbild (einzig der Wirbelsturm ist irgendwie mickrig klein geraten) und die Kostüme, entworfen von Jan Meier zurückzuführen ist. Und das Orchester der Wiener Volksoper unter der Leitung von Lorenz C. Aichner beweist an diesem Abend wieder mal, welche entscheidende Rolle es (auch für den Erfolg eines Stückes) bei der originalgetreuen Interpretation von Musicals innehat: Ich genieße dieses wunderbare Orchester seit Jahrzehnten in vollen Zügen.

Franziska Kemna spielt nicht Dorothy Gale, nein, sie ist es: sie interprstiert die Hauptrolle kindlich, neugierig und lernbereit im positivsten Sinn und ich hoffe, ich werde sie noch sehr oft live auf der Bühne sehen und singen hören: sie hat eine Wahnsinnsstimme sowieKlarheit und Präzision im Gesang (auch in “Somewhere Over The Rainbow”), wie es ältere Kolleginnen auf der Bühne selten schaffen. Ebenso großartig sind auch ihre Begleiter Martin Bermoser als Löwe, Oliver Liebl als Blechmann, Daniel Leroma als Toto (und nein, mehr dazu verrate ich nicht), aber vor allem Peter Lesiak als Vogelscheuche. Christian Graf als die böse Hexe ist sooo fies dass es für diese Rolle vermutlich keinen besseren geben könnte. So bleiben noch Gernot Kranner als Wächter sowie Boris Eder als Zauberer erwähnenswert, welche beide jederzeit in allen ihren zugedachten Rollen beste Ergebnisse bieten.

Wer sich und seinen Lieben im Vorweihnachtstrubel eine sinnvoll-erfreuliche Auszeit gönnen möchte, wird durch den “Zauberer von Oz” in der Wiener Volksoper bestens unterhalten und verlääst diue Vorstellung glücklich. Und wer es trotz allem jetzt nicht mehr schafft: Im kommenden Jahr stehen weitere Vorstellungen dieses Musicals am Spielplan der Volksoper: Also hingehn und begeistert sein.

Sonntag, 6. Oktober 2013, von Elmar Leimgruber

Er kam, sah und mordete – Musical-Kritik: Sweeney Todd

Was macht einen Menschen zum Amokläufer, zum Massenmörder? Enttäuschung, Verzweiflung, Rache für Erlittenes, Perspektivenlosigkeit? (Siehe dazu auch meine Gedanken zum “Monster Mensch” von vor einigen Jahren) “Treiben” ihn andere regelrecht zu diesen Taten? Oder trägt jeder Mensch doch letztlich persönlich und ganz allein die Verantwortung für das, was er in seinem Leben vollbringt oder auch nicht?

Bedingt vor allem durch zahlreiche manipulative herzerreißende (vor allem US-)TV-Serien, die uns alltäglich einen Schein der Wirklichkeit zu vermitteln trachten, fühlen wir zuweilen Solidarität mit Mördern: Wenn ihnen so viel Böses durch andere widerfahren ist, können wir teils nachvollziehen, warum sie sich wehren und rächen, auch wenn sie dadurch zu Verbrechern werden. Und die Gefahr besteht, sich vielmehr mit den Tätern zu solidarisieren als mit den Opfern.

Wie könnte ein Mensch es je verkraften, wenn ein selbstsüchtiger Richter ihn erurtailt und verbannt, nur um dessen Frau zusammen zu sein. Und wie unerträglicher wäre es noch,wenn derselbe Richter dann auch noch deren Tochter ehelichen will, weil er sich in Verlangen nach ihr verzehrt? Würde man sich mit jenem Mann nicht solidarisieren, der Rache schwor an jenem Richter, der ihm zuerst die Frau, dann seine Tochter nahm?

Die Story ist zwar nicht neu, diese konkret stammt aus der Mitte des 19. Jahrhunderts und spielt in London:
Einem Barbier wird wie erläutert die Frau durch einen skupellosen Richter entrissen, er selbst unschuldig verurteilt und verbannt. Jahre später flieht er und kehrt incognito nach London zurück und sinnt auf Rache. In einer zweifelhaften Pastetenbäckerin, welche ihn immer schon liebte und nun wiedererkennt, findet er eine treue Rachebegleiterin. Sie erzählt ihm, dass seine Frau sich selbst getötet hat. Und von einem Matrosen, der mit ihm nach London gekommen war, erfährt der Barbier, dass der verruchte Richter nun auch seine Tochter ehelichen will. Der Matrose indes will sie aus den Fängen des Böses retten und plant sie zu entführen, weil er sie liebt. Der Richter, dem seine Ziehtochter (und des Barbiers Tochters) die Liebe verweigert, lässt sie zur Strafe ins Irrenhaus bringen. Der Barbier beschließt, nur den Richter mit seinem Rasiermasser zu töten.

Doch als ein früherer Mitarbeiter des Barbier seinen Meister wiedererkennt und ihn zu erpressen versucht, begeht der Barbier seinen ersten Mord. Aus Schmerz und Rache an der ungerechten Welt folgen viele weitere Morde, während die Pastetenbäckerin die Leichen zerstückelt und als Fleisch-Pasteten verarbeitet und äußerst erfolgreich verkauft. Während der erste Versuch, den Richter am Barbierstuhl zu töten misslingt, gelingt der spätere Mord und die Rache ist vollbracht. Eine Bettlerin in der Nähe ahnt Böses und glaubt, den Barbier ebenfalls wiederzuerkenen. Auch sie tötet der Barbier und bermerkt erst später, dass dies seine totgeglaubte Frau ist. Und damit war für den Barbier im Grunde alles, ja gar alles umsonst…

Stephen Sondheim adaptierte diese Story für sein Musical (Buch: Hugh Wheeler) “Sweeney Todd” (das übrigens vor einigen Jahren durch Tim Burton mit Johnny Depp und Helena Bonham Carter erfolgreich verfilmt wurde). Und die Wiener Volksoper, die nicht nur als Operettenbühne einen hervorragenden Ruf hat, sondern sich in den vergangenen Jahren auch in zweigenössischen Werken erfolgreich bewiesen hat (unter anderem durch das Musical “Die spinnen, die Römer”, ebenfalls aus der Feder von Sondheim), hat das blutrünstige Stück in dieser Saison neu am Programm.

Ich bin nicht davon überzeugt, dass das großteils doch eher traditionelle Publikum seine helle Freude an einem solch skandalösen Stück mit Rachegelüsten hat. Und doch: warum sollte man nicht ausgerechnet ein klassisch verwöhntes Publikum mit solchen Stücken schockieren oder besser wachrütteln, aufrütteln zum Hinterfragen? Es muss nicht sein, wie’s immer war. Im Gegenteil.

Die Volksopern-Inszenierung von Matthias Davids ist aufwendig und stimmig: es passt einfach einfach alles. Und diese Produktion könnte man problemlos 1:1 beispielsweise am Londoner West End genauso zeigen wie hier in Wien. Und es ist mutig und gleichzeitig lobenswert, dass “Sweeney Todd” an der Wiener Volksoper zur Gänze in deutscher Sprache (deutsche recht witzige Fassung: Wilfried Steiner) aufgeführt wird.

Und auch die Besetzung könnte besser nicht sein: Robert Meyer, der Volkopern-Intendant höchstpersönlich spielt und interpretiert “nur über meine Leiche” (Meyers erste Reaktion auf den Vorschlag, dieses Stück in den Volksopern-Spielplan aufzunehmen) den für seine bösen Taten zu ermordenen korrupten Richter Turpin authentisch. Morten Frank Larsen ist sowohl stimmlich als auch schauspielerisch die Idealbesetzung für den frustrierten und am Leben verzweifelnden Sweeney Todd wie auch Tom Schimon als Tobias Ragg, Anita Götz als Joanna und Vincent Schirrmacher als Pirelli ideal besetzt sind. Sensationell in jeder Hinsicht und damit unübertroffen hingegen interpretiert Dagmar Hellberg (erstaunlich wie wenige CDs und DVDs es mit diesem Ausnahmetalent gibt)  Mrs Lovett. Ein großes Kompliment gebührt an dieser Stelle übrigens auch dem an diesem Abend hervorragenden Orchester der Volksoper unter der Leitung von Joseph R. Olefirowicz.

Zugegeben: “Sweeney Todd” ist skuril und blutrünstig (6 Liter Kunstblut werden pro Vorstellung vergossen), aber künstlerisch ist diese Aufführung in der Wiener Volksoper hervorragend und der Besuch sehr zu empfehlen: Und auch wenn dies nicht jedem passt: Kunst und Kultur müssen provozieren: politisch wie gesellschaftlich. Aber was wir tatsächlich inhaltlich aus der Vorstellung lernen -falls wir das sollen- bleibt uns selbst überlassen.

Sonntag, 4. März 2012, von Elmar Leimgruber

Carmina Burana an der Wiener Volksoper: So macht Ballett Spaß

“Fortuna” (Florian Hurler) mit Ballett und Chor der Wiener Volksoper in “Carmina Burana”
Foto: © Volksoper

Ich bin nicht wirklich ein Ballett-Fan: Das gebe ich gerne zu. Aber das, was die Wiener Volksoper nun als Premiere geboten hat, übertrifft meine Erwartung und Neugier bei Weitem. Dass die “Carmina Burana” von Carl Orff natürlich durch ihre Popularität aufgrund ihrer Beinahe-Volkstümlichkeit schon ein Publikumsmagnet sein würden, war mir klar. Aber dennoch konnte ich mir schwer vorstellen, wie diese Musik, die musikalisch und inhaltlich und selbst rhythmisch keinesfalls primitiv oder einfach ist, getanzt werden kann.

Und meine Neugier wurde nicht nur befriedigt, sondern weit übertroffen. Da passt einfach alles: Die Choreographie von Vesna Orlic ist großartig,das Wiener Staatsballett in Hochform: Die mittelalterlichen von Orff arrangierten Benediktbeurer Gedichte und Lieder leben durch diese Inszenierung im wahrsten Sinne des Wortes und entführen in eine längst vergangene Zeit, die aber dennoch höchst aktuell sind. Und vor allem “in Taberna” gehts kräftig zur Sache: das ist unterhaltsam und ernst und höchst provokativ gleichermaßen. Mehr verrate ich dazu bewußt nicht.

“Faun” Mihail Sosnovschi mit “Liebestraum” Taina Ferreira Luiz
Foto: © Volksoper

Ebenfalls in Hochform sind auch Chor und Orchester der Volksoper Wien unter der vorbildlich-meisterhaften Stabführung von Guido Mancusi. Und auch die Gesangssolisten leisten Hervorragendes: Beate Ritter brilliert als Sopran, Klaus Kuttler als Bariton und vor allem herzergreifend bewegend und mit einer ganz außergewöhnlichen  fast countertenorartigen Stimme ausgezeichnet ist Jörg Schneider als “gebratener Schwan”.

Bei allem Lob für die “Carmina Burana” sei jedoch ergänzt, dass an diesem Abend von Ballett und Orchester noch zwei weitere klassische Meisterstücke darbieten: “Bolero” von Maurice Ravel und “Nachmittag eines Fauns” von Claude Debussy:

 

Beim Schlussapplaus: Chor und Orchester der Wiener Volksoper, Wiener Staatsballett mit Solisten

Der “Bolero” ist bereits so abgedroschen”, dass ich ihn kaum mehr hören kann. Aber sowohl die musikalische Dramaturgie, die hier vom Orchester unter Guido Mancusi geboten wird als auch die Choreographie von Andras Lukacs und die Darbietung durchs Wiener Staatsballett sind positiv überraschend und bewegend. Wirklich meditativ und aus dem Alltag entführend und dennoch erhebend aber ist das erste Stück des Abends: “Der Nachmittag eines Fauns” von Debussy: leise und zur Ruhe führende Musik, welche nur funktioniert, wenn das Orchester auch in der Lage ist, zärtlich zu musizieren.

Dirigent Guido Mancusi und Choreographin Vesna Orlic

Und das Orchester der Wiener Volksoper unter Mancusi musiziert an diesem Abend himmlisch schön. Und es harmoniert perfekt mit den beiden Ballettsolisten auf der Bühne: Taina Ferreira Luiz und Mihail Sosnovschi. Die beiden sind ein Traumpaar und tanzen die weit überdurchschnittliche Choreographie von Boris Nebyla so natürlich und fantastisch, dass man als Zuschauer beinahe mit offenem Mund dasitzt und aus dem bewundernden Staunen nicht mehr herauskommt.

Auch wenn ich also kein wirklicher Ballet-Fan bin: Aber wenn schon Ballett, dann so wie es in der Volksoper Wien dargeboten wird. Dieser Abend lohnt sich unbedingt und zwar selbst für Menschen, die sich ansonsten lieber Opern, Operetten, Musicals und klassische Konzerte ansehen wie ich. Schauen Sie sich das an: Weitere Aufführungen der “Carmina Burana” und der anderen beiden Stücke sind am 5., 11., 21. und 27. März, sowie am 17. und 23. April und am 3. Mai an der Wiener Volksoper vorgesehen. Nähere Informationen dazu und Tickets gibts hier online.

Montag, 23. Januar 2012, von Elmar Leimgruber

Candide “in der besten aller möglichen Welten”

Die Welt ist so böse und gemein und niederträchtig, aber das hindert uns doch nicht daran, glücklich und vor allem optimistisch zu sein. Realistisch betrachtet klappt dies zwar nicht, aber darum gehts ja auch nicht: auf die Einstellung kommt es an. So ist denn auch das Liebesglück des unschuldigen und naiv optimistischen Jünglings Candide voller Krieg, Mord, Totschlag und Intrigen, aber er steht selbst über dem Tod, genauso wie die anderen Hauptfiguren dieser Gesellschaftssatire von Voltaire (Candide oder der Optimismus), dessen bitterbösen und doch heiteren Stoff sich Leonard Bernstein für sein Musical (Comic Operetta) “Candide” adaptierte.

Dass zudem die deutsche Textfassung vom sprachlichen Genie Loriot (Vicco von Bülow) Garant auch für einen Publikumserfolg in Wien ist, muss nicht eigens betont werden. Die Wiener Volksoper hat dieses Meisterstück über ein bewegtes buntes Leben in “der besten aller möglichen Welten” neu und konzertant (Songs in englisch mit deutschen Untertiteln, gesprochene Texte in deutsch) im Programm, und es ist ein Vergnügen für alle Sinne:

Die Besetzung könnte idealer nicht sein, allen voran Jennifer O’Loughlin (Must Hear und Must See!) als keinesfalls unschuldige, vielmehr durchtriebene und geldsüchtige Cunegonde und die amerikanische Musical-Legende Kim Criswell als genauso männerbenützende “Old Lady”. Stephen Chaundy gibt einen sympatisch-naiven Candide, Morten Frank Larsen den idealistischen Philosophen Pangloss und Volksopern-Hausherr, der Burgschauspieler Robert Mayer (danke für dieses großartige Werk an der Volksoper) ist das Optimum eines spitzzüngigen Erzählers einer verzwickten Liebes-Abenteuerreise, die sich wohl niemals wirklich so zutragen könnte, welche aber dennoch so viel Wahres, wenn auch weniger Schönes bringt. Weniger in Hochform: der Chor der Volksoper, dafür aber umso erfrischender das Orchester der Volksoper Wien unter der Leitung von Joseph R. Olefirowicz.

Kurzum: Die Darsteller sind nicht nur gesangsmäßig grandios, sondern auch schauspielerisch, das Stück selbst ist wunderbar. Und der Volksoper ist mit Candide ein wahres Meisterstück gelungen. Und das Wichtigste: Alle Künstler hatten auffällig viel Spass auf der Bühne: Genau so muss es sein. Schade nur, dass bislang nur sehr wenige Aufführungen geplant sind.

Und hier können Sie in die Musik von “Candide” von Leonard Bernstein reinhören (Hörproben):

Montag, 19. September 2011, von Elmar Leimgruber

Dolly ist wieder da: Hello:-)

Das Musical-Traumpaar Sigrid Hauser und Robert Meyer
Foto: Dimo Dimov/Volksoper

Musical kann zeitlos sein, wenn es gut geschrieben wurde, passend inszeniert ist und zumindest die Hauptdarsteller ideal besetzt sind. Dies beweist die Wiederaufnahme von Jerry Hermans musikalischer Komödie “Hello Dolly” am 17. September 2011 an der Wiener Volksoper:

Die Regiearbeit von Josef Ernst Köpplinger ist teilweise so übertrieben kitschig, dass sie einfach zu hundert Prozent zum Stück passt. Sigrid Hauser gibt eine Mrs Dolly Levi, wie sie idealer nicht besetzt könnte: Hauser ist Levi: sie glänzt sowohl schauspielerisch als auch gesanglich als auch optisch. Und Hausherr Volksoperndirektor Robert Meyer (vgl. weitere Kritiken hier auf kulturia.com), welcher vor allem mit seiner Mimik und seinem vorbildlichen komödiantischen Talent dem geizigen Sonderling Horace Vandergelder ein unverwechselbares Profil verpasst, mag zwar nicht mit der schönsten aller Gesangsstimmen ausgezeichnet sein, singt aber weitaus treffsicherer und präziser als viele seiner Kolleginnen und Kollegen im Opern- und Operettenbereich.

Das “Hello Dolly” Ensemble der Wiener Volksoper beim Schlussapplaus

Obwohl die weitere Besetzung (allen voran Katja Reichert als Irene Molloy, Jeffrey Treganza als Cornelius Hackl, Sulie Girardi als Ernestina Money und Gerhard Ernst als Richter) ebenfalls lobende Erwähung verdienen, lebt die gesamte Produktion vor allem von den erwähnten beiden charaktervollen Hauptdarstellern Hauser und Meyer. Großes musikalisches Lob aber verdienen an dieser Stelle auch das Wiener Staatsballett unter der Choreographie von Ricarda Regina Ludigkeit und das Orchester der Wiener Volksoper unter der Leitung von John Owen Edwards.

Wer großes Musical liebt, kommt in der Wiener Volksoper also wieder mal voll auf seine Kosten und verlässt das Theater mit Begeisterung in der Brust. “Hello Dolly” gelangt noch bis 4. Dezember 2010 in der Wiener Volksoper zur Aufführung.