Mit ‘Ralf Hütter’ getaggte Artikel

Dienstag, 18. Oktober 2011, von Georg Jajus

Techno Pop im Kunstbau: Kraftwerk Videoinstallation

Kraftwerk wieder am Netz“ – so wird bisweilen gerne getitelt, wenn die Legenden der elektronischen Musik in Person einen ihrer raren Live Gigs gibt: Und wenn es auch sinnbildlich stimmig sein mag, es ist nicht korrekt. Kraftwerk waren ja im Grunde immer da, nie weg, stets als Musik-Arbeiter tätig. Qualitative Präsenz erstreckt sich ja nicht allein auf akkordgleiches Veröffentlichen von Alben, im Zweijahresrhythmus stattfindende Konzerttourneen oder Dauerpräsenz in Musikmagazinen. Präsenz hat auch eine geistige Ebene, künstlerische Komponente, Ästhetik der Verantwortung. In Düsseldorf etwa oder Köln, wo die elektronische Musik der Nachkriegszeit ihren Anfang nahm, hat man das schon früh erkannt und verfolgt diesen Weg konsequent bis heute. Die bewusst gewählte Distanz zur althergebrachten und „akzeptierten“ Kunst machten es den Pionieren auf diesem Gebiet nicht immer leicht. „Knöpfchendreher vom Rhein“ schrieb der „Spiegel“ einst.

Präsenz findet bei Kraftwerk im Alltagsleben statt. Seit Bekanntwerden der Trojaner-Affäre beweist „Computerwelt“ einmal mehr seine visionäre Kraft, nach Fukushima zeigt „Radioaktivität“ seine Zeitlosigkeit: Elektronische Volksmusik eben. Und seit ihrem Bestehen sind Kraftwerk nicht nur Produzenten, sondern auch Personifizierung von Kunst im besten Sinne. So ist es nur konsequent, dass das Lenbachhaus in München den vier Musikarbeitern eine Ausstellung widmet. Kurator Matthias Mühling meint, es sei zu Beginn nicht leicht gewesen, die als medienscheu geltenden Künstler für dieses Projekt zu gewinnen.

Den Zuseher erwartet eine, eigens von Ralf Hütter für diese Installation konzipierte, mehrkanalige 3D Video-Installation, die Kraftwerk auch abseits der Bühne für den Zuseher erlebbar macht. Dabei gewinnen die audiovisuellen Darbietungen im Zusammenspiel mit der ungewöhnlichen Örtlichkeit (der Kunstbau befindet sich in einem nicht mehr genutzten Abschnitt oberhalb eines Tunnels der Münchner U-Bahn) eine ganz neue Dimension und lässt den Betrachter in der konzentrierten Situation der Halle in eine hypnotische wie meditative Ebene eintauchen. Grossflächig projizierte Videosequenzen dimmen die Ausstellungshalle in ein Wechselspiel der Farben, während minimalistische Klangcollagen „Heimcomputer“ oder „Mensch Maschine“ aus den Lautsprechern gepulst werden. Rund eine Stunde dauert dieser Medienloop, zu dessen Betrachtung 3D Brillen der Infitec-Technologie benötigt werden. Eine raumgreifende, multimediale Erfahrung als Gesamtkunstwerk der Kraftwerk’schen Deutung unserer Zeit. Leibhaftig präsent sind, in den schon aus den Bühnenshows der vergangenen Jahre bekannten neongrünen Wireframe-Anzügen, auch die Kraftwerk-Doppelgänger. Stumm stehen sie auf ihrem Platz, gleichzeitig aber wachsam und scheinbar jederzeit bereit ihren Dienst anutreten: „Wir sind auf alles programmiert, und was Du willst wird aufgeführt“. Ralf Hütter, Henning Schmitz, Fritz Hilpert und Stefan Pfaffe, dem jüngsten Kraftwerk Mitglied. Massgeblich ihm sind die neuen, beeindruckenden dreidimensiuonalen Videosequenzen zu verdanken.


Parallel zur Videoinstallation fanden am 12. und 13. Oktober drei Konzerte (darunter ein Mitternachtskonzert) in der Alten Kongresshalle statt. Die aus allen Teilen des globalen Dorfes angereisten Fans – einige von ihnen sind seit über dreissig Jahren mit dabei – begeisterten Kraftwerk mit einer Neu-Konzeption ihres Mensch Maschine Konzepts. Die Kraftwerk’sche Videopräsenz hat sich auch hier in die dritte Ebene verlagert, mit dem Opener „Die Roboter“ treten die Mekanik-Doppelgänger dem Zuseher entgegen, scheinen aus der Leinwand heraus zu treten. Nachdem Kraftwerk in den vergangenen Jahren ihr musikalisches Euvre digital überarbeitet haben, war es nur eine konsequente Schlussfolgerung, auch die Videosequenzen einer zeitgemässen Interpretation zu unterziehen. Verblüffend, mit welcher Leichtigkeit die visuelle Umsetzung geschaffen wurde, hier wird nicht bewusst auf die inflationär grassierende 3D-Welle aufgesprungen, sondern Kraftwerk nutzen, synchron zu ihrem musikalischen Bildern, die Möglichkeiten von dreidimensionalen Möglichkeiten raffiniert aus: Da ist nichts zu viel, nichts aufdringlich. „Electric Cafe“, „Spacelab“ und „Techno Pop“ wurden ins Programm aufgenommen und frenetisch bejubelt, „Autobahn“ glänzt in seiner Langversion von 1981, und ganz allgemein gewinnt man den Eindruck, dass Kraftwerk präsenter denn je sind.

Klanglich präsentierten sich Kraftwerk in München erneut auf Referenzniveau, kristallklar und makellos (nicht zuletzt dank einer sehr guten Akustik der Halle), gäbe es doch nur die Möglichkeit sich ein vergleichbares Soundsystem ins Eigenheim zu stellen. Mit einer Leichtigkeit spielen sie ihre teils weit jüngeren Mitbewerber des elektronischen Zirkus an die Wand, beweisen mit magischem Minimalismus ihre Überlegenheit all den Ramsch-Techno und Volksschul-Elektronikern die des geschulter Hörers Ohr beleidigen. Wer die Etappen der „Tour de France“ mit einer derart Lockerheit und Professionalität bewältigt, braucht eben keine Laser ins Publikum schiessen, keinen Trockeneisnebel wabern zu lassen, keine stupides Herumgehopse auf der Bühne wie es bei diversesten Trance-Happenings in Sport- und Konzerthallen zum Brauch geworden ist.
Es darf davon ausgegangen werden, dass in den kommenden Jahren eine weltumspannende Tournee folgt, und Kraftwerk sind die zeitlose Sprache dieses globalen Dorfes im 21 Jahrhundert.


Information zur 3D Videoinstallation:

Lenbachhaus Kunstbau / München
15. Oktober – 13. November 2011 / Di – So 10 – 22 Uhr
Eintrittspreise: 5 Euro / ermäßigt 2,50 Euro

Samstag, 12. März 2011, von Georg Jajus

Kraftwerk als App

Kraftwerk “Radioaktivität” live im Stahlwerk Nowa Huta, Krakow, 2008. Foto: Georg Jajus

Prolog: redakteur.cc ist für gewöhnlich keine Plattform für klassisches Product Placement oder Produktwerbung. Doch ab und an gibt es Momente, wo selbst der nüchternste Journalist in hellste Verzückung gerät.

Einigermassen überraschend (und zunächst noch via Facebook als Hoax vermutet) erblickte am 11. März 2011 ein neues, offizielles Produkt der Düsseldorfer Elektronikpioniere Kraftwerk den Markt: Doch nicht als klassisches Konzeptalbum, sondern als App für iPhone, iPod touch und iPad. Ja, richtig gehört. Kraftwerk präsentieren sich also – ganz getreu dem Motto “Ich bin der Musikant mit Taschenrechner in der Hand” – voll am Puls des digitalen Zeitalters und ermöglichen es erstmals, selbst zum Createur elektronischen Klangspektrums mittels eines kleinen, kompakten Geräts (“Taschenrechner”) zu werden.

Das von Ralf Hütter und Fritz Hilpert in Zusammenarbeit mit Norman Fairbanks entwickelte Produkt “Kling Klang Machine” ist eine intelligente Musikapplikation, welche Musik in Abhängigkeit von Tageszeit und Zeitzone selbsttätig stets neu generiert. Durch Interaktion des Benutzers kann die so entstandene Musik mittels verschiedener Settings neu variiert werden. So können verschiedenste Klangeffekte ebenso programmiert werden wie ein eigener Step-Sequenzer. Ist das persönlich präferierte Klangmodell gefunden worden, kann es abgespeichert werden und versorgt den Benutzer über 24 Stunden hindurch mit stets neu komponierter Musik.

Das App steht ab sofort im iTunes Store unter folgender Adresse um 6.99 Euro zum Download bereit: http://appshopper.com/link/kraftwerk-kling-klang-machine-no1 .

Epilog: Für den Herbst 2011 ist übrigens ein Kraftwerk-Konzert mit atemberaubender 3D Visualisierung in München geplant.

Und hier können Sie in Musik von Kraftwerk reinhören: