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Freitag, 19. April 2013, von Elmar Leimgruber

Die dreisteste Werbelüge des Jahres: foodwatch bläst zur Wahl

Es ist soweit: Ab sofort können die Verbraucher online einen Monat lang abstimmen, welches Unternehmen den Preis für die dreisteste Werbelüge des Jahres bei einem Kinderprodukt erhalten soll: Nominiert sind “Capri Sonne”, “Monster-Backe”, “Pom-Bär”, “Kosmostars” und “Paula”.

Die Wahl zum Goldenen Windbeutel 2013 ist eröffnet. Mit der Kür der dreistesten Werbemasche bei Kinderprodukten in diesem Jahr rückt die Verbraucherschutzorganisation foodwatch das Thema Kinderlebensmittel in den Fokus.

foodwatch vergibt den Goldenen Windbeutel 2013 bereits zum fünften Mal, in den vergangenen Jahren immer als Negativpreis für die Werbelüge des Jahres. 2012 entfiel eine Mehrheit der fast 130.000 abgegebenen Stimmen auf Hipp. Die vorherigen “Preisträger” waren Ferrero (2011), Zott (2010) und Danone (2009).

Während auf der einen Seite Fehlentwicklungen bei der Kinderernährung, insbesondere grassierendes Übergewicht, beklagt werden, wird die Lebensmittelindustrie nicht zur Verantwortung gezogen, kritisieren die Verbraucherschützer. In einem Marktcheck mit mehr als 1.500 Kinderprodukten hatte foodwatch 2012 nachgewiesen, dass drei Viertel der gezielt an Kinder vermarkteten Industrieprodukte süße und fettige Snacks sind. Mit Werbung fast ausschließlich für unausgewogene Produkte verstärkt die Lebensmittelindustrie diesen Trend – gleichzeitig setzt sie darauf, die Erziehungshoheit der Eltern zu umgehen, indem sie Kinder über Sportvereine, Schulen und Kindergärten oder digitale Medien anspricht, kritisiert foodwatch:

“Kinder sind die Zielscheibe der perfidesten Webestrategien von Lebensmittelherstellern”, sagt Oliver Huizinga, Experte für Lebensmittelwerbung bei der Verbraucherorganisation foodwatch. “Mit allen Mitteln versuchen die Unternehmen, den Einfluss der Eltern zu umgehen und Kinder für jene Produkte anzufixen, die die höchsten Gewinnmargen versprechen – und das sind nun einmal Süßigkeiten und Snacks.”

Für den Goldenen Windbeutel 2013 hat foodwatch fünf Produkte nominiert:

1. Capri-Sonne von Wild/SiSi-Werke, nominiert für Schul-Marketing und Sport-Schwindel: Für die Wasser-Zucker-Aroma-Mixtur mit ein bisschen Fruchtsaft setzt Hersteller Wild auf die Nähe zum Sport: Er spricht Kinder bei gesponserten Sport-Events an, vergibt ein eigenes Schwimmabzeichen. Außerdem verbreitet Capri-Sonne Unterrichtsmaterial mit Markenlogo und Lernaufgaben zum Produkt – indirekte Werbung an den Eltern vorbei.

2. Monster-Backe Knister von Ehrmann für die Vermarktung überzuckerter Produkte als Spielzeug: Der Hersteller setzt alles daran, überzuckerte Produkte als Spielzeug zu vermarkten. Bei all den Knister-, Blubber- oder Zunge-Färb-Applikationen gerät schnell in Vergessenheit, dass der “Fun- und Action-Joghurt” mit acht Stück Würfelzucker pro 135-Gramm-Becher ganz einfach eine Süßigkeit ist.

3. Pom-Bär von Funnyfrisch für ein Paradebeispiel scheinheiliger Werbebeschränkungen: Der Hersteller hat sich eine Selbstbeschränkung für “verantwortungsvolles Marketing” auferlegt, die Werbung an Kinder unter 12 Jahren grundsätzlich ausschließt. Außer, wenn die Produkte besondere Nährwert-Eigenschaften erfüllen. Diese Hürde überspringt nach funnyfrischs kreativer Definition aber selbst der fettig-salzige Pom-Bär-Snack (2,5 Prozent Salz, 28 Prozent Fett – und damit mehr als fünf Mal so salzig und doppelt so fettig wie Pommes frites von McDonald’s). Der wird mal eben als “kindgerecht” umgedeutet – und kräftig weiter direkt an Kinder beworben.

4. Nestlé Kosmostars für Zucker-Kleinrechen-Tricks: Laut Nestlé ein “vollwertiger Start in den Tag” mit “Vollkorngarantie” – in Wahrheit schlicht eine Süßigkeit. “Weniger als 9 Gramm Zucker pro Portion”, wirbt Nestlé für seine Kinder-Frühstücksflocken – rechnet die “Portion” aber auf gerade einmal 30 Gramm klein. Tatsächlich stecken 25 Prozent Zucker in den Kosmostars, mehr zum Beispiel als in Butterkeksen. Das stolz verkündete Zuckerreduktionsprogramm brachte nur eine Verbesserung von sehr viel zu viel auf viel zu viel.

5. Paula von Dr. Oetker für digitalen Kinderfang: Für den “Kuhflecken”-Pudding (mit 13 Prozent Zucker – mehr als in Dr. Oetkers Schokopudding) schlägt der Hersteller eine wahre Materialschlacht: Von Klingeltönen über eine iPhone-App bis Online-Karaoke zum Auswendiglernen des Paula-Kinder-Raps aus dem Werbespot. Höhepunkt: Internetspiele wie die “Flecken-Jagd”, bei der virtuelle Paulas so viele Puddings wie möglich einsammeln sollen. Zur Erinnerung: Kinder essen bereits doppelt so viele Süßigkeiten wie von Ernährungsexperten empfohlen.