Mit ‘Karl Aiginger’ getaggte Artikel

Samstag, 6. November 2010, von Elmar Leimgruber

Über die “Gesundheit” von “gerechten Gesellschaften”

WIFO-Chef Karl Aiginger
Foto: © Leimgruber

Gesellschaften mit geringeren Unterschieden in der Bildung haben eine höhere Lebenserwartung, ein höheres Wachstum und auch mehr Beschäftigung. Dies erklärte der Leiter des Instituts für Wirtschaftsforschung (WIFO), Karl Aiginger bei der Sozialstaatsenqueste zum Thema “Sind gerechtere Gesellschaften gesünder ?” im Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger. “Eine Erhöhung der Bildungschancen verringert die Einkommensdifferenzen, senkt die Gesundheitskosten, erhöht die Lebenserwartung und sichert die Beschäftigung. Den dadurch gewonnenen Vorteil hat die gesamte Gesellschaft und langfristig profitieren davon auch die Bezieher höherer Einkommen”, erklärte der WIFO-Chef.

“Erbschaften und Vermögen bestimmen mehr als das Einkommen aus Beschäftigung über die individuelle Position in der Verteilungshierarchie” betonte Giacomo Corneo von der Freien Universität Berlin. Für Kontinentaleuropa (hier besonders für Grossbritannien) gelte, dass das Privatvermögen in Relation zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) stärker steigt und die Einkommenskonzentration zunimmt. Diese Zunahme der Ungleichheit sieht Corneo durch die Entwicklung von Vermögen und Erbschaften zu einem Großteil mitbestimmt.

“In jenen Ländern, in denen die Einkommen gerechter verteilt sind (allen voran in den nordischen Ländern), gibt es weniger psychische Erkrankungen, weniger Alkohol-  und Drogensucht, eine geringe Säuglingssterblichkeit, weniger Fettleibigkeit, weniger Teenager-Schwangerschaften, eine geringere Selbstmordrate und weniger Gefängnisstrafen”. Dies behauptete Richard Wilkinson, Co-Autor des Buches “The Spirit Level” bei der Tagung.
Eine gerechtere Einkommensverteilung kommt demnach nicht nur jenen zugute, die sozial und ökonomisch benachteiligt sind, sondern allen Einkommensschichten. Für die Zukunft sprach er sich für große soziale Veränderungen aus, die nicht ein mehr an Konsum sondern ein mehr Freizeit bedeutet, und auch eine Verbesserung in der sozialen Umwelt erfordert, so Wilkinson.

Der Vorsitzende des Verbandsvorstandes im Hauptverband, Hans Jörg Schelling, betonte, dass die Gesundheitsausgaben Österreichs – immerhin rund 10 Prozent des Bruttoinlandsprodukts – nur zu 20 Prozent die Gesundheit der Bevölkerung mitbestimmen. Der größere Teil wird von anderen Faktoren beeinflusst. “Um die Gesundheit in Österreich nach dem Motto “Länger leben bei guter Gesundheit” nachhaltig verbessern zu können, braucht es eine Gesundheitsorientierung in allen Politikbereichen (“Health in all politics”)”.

Die Wichtigkeit der Umverteilungsfunktion der öffentlichen Hand und den aktivierenden Sozialstaat als Startrampe betonte Sozialminister Rudolf Hundstorfer . Ohne Umverteilung des Staates würde das Armutsrisiko drei Mal so hoch sein als dieses gegenwärtig ist. Hauptmotor für mehr Verteilungsgerechtigkeit bleibe aber dennoch der Arbeitsmarkt: “In diesem Bereich werden wir auch in Zukunft verstärkt Maßnahmen setzen, die die Arbeitsmarktintegration von Arbeitslosen verbessern helfen”, versprach der Sozialminister.

Donnerstag, 28. Oktober 2010, von Elmar Leimgruber

Van der Bellen @ Regierungsbudget: Das ist Studentenquälerei

(v.l.n.r.:) WIFO-Chef Karl Aiginger, Grünen-Eminenz Alexander van der Bellen, Moderator Klaus Webhofer, Sozialminister Rudolf Hundstorfer, Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner
Foto: © Leimgruber

Das Budget “ist kein Fehler”, mit den meisten Studien ist man eh mit 24 Jahren fertig und die Einsparungen im Familienbereich sind zwar zwar “schmerzhafte, aber sehr vertretbare Maßnahmen.” Dies betonte Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ) in der Ö1-Sendung “Im Klartext” zum Thema “Zur Kasse bitte! Das rot-weiß-rote Steuer- und Sparpaket” am Mittwoch Abend (27.10.2010) im ORF Radiokulturhaus. Der Familienausgleichsfond ist mit 6 Mrd. Euro verschuldet und daher sind Familienunterstützungen “in dieser Form” nicht weiter finanzierbar, ergänzte Wirtschaftsminister  Reinhold Mitterlehner (ÖVP): “Es gibt keine wirkliche Alternative zum Familiensparpaket.”

Sozialminister Hundstorfer (SPÖ)

Dieser “Anschlag auf Familien mit niedrigem Einkommen” und die “Studentenquälerei” hat “maximalen Schaden angerichtet”, erzürnte sich hingegen ex-Grünen-Chef Alexander Van der Bellen: Diese Massnahmen betreffen 35.000 Studenten, sie kosten für die Betroffenen ein Vierfaches der Studiengebühren, es werden nur Inländer zur Kasse gebeten und nicht auch Ausländer und die Abbrecherquote wird steigen, ist der Wirtschaftsprofessor überzeugt. Zur Pflegefinanzierung wären Erbschaftssteuern sinnvoll gewesen, was die Bankensteuer aussieht, wird sich zeigen, gab sich Van der Bellen skeptisch.

WIFO-Chef Aiginger
Foto: © Leimgruber

Das Budget 2011 der österreichischen Bundesregierung führt zwar zu einer Senkung des Staatsdefizits, was aber nur kurzfristig funktioniert, weil die “falschen Maßnahmen” gesetzt wurden. Dies kritisierte WIFO-Chef Karl Aiginger: Es ist “nicht günstig”, dass bei den Jungen mehr gespart wird wie bei den Pensionen. Zudem sind einerseits Studiengebühren notwendig, andererseits aber effizientere Stipendien und Studentenkredite, forderte Aiginger. Die Steuererhöhung für Treibstoff verteidigte der Wirtschaftsforscher, wünscht sich jedoch, dass zu einem späteren Zeitpunkt so erworbene Zusatzgelder zur “Entlastung der Arbeit” verwendet werden. Er regt zudem eine umfassende Verwaltungs-, Schul- und Gesundheitsreform, die Schliessung von unausgelasteten Krankenhäusern (z.B. Heeresspitäler), die Reduzierung von Förderungen sowie eine höhere Besteuerung für Vermögen an.

Wirtschaftsminister Mitterlehner
Foto: © Leimgruber

“Die Maßnahmen sind wie sie sind” und es gibt “keine Alternativen”, antwortete Hundstorfer: Die aktuellen Regierungspläne werden dazu führen, dass 40% weniger ab 2014 eine Frühpension beantragen können als heute. Die geplanten Gesetze werden es zudem “unmöglich machen”, dass Banken als Antwort auf die Bankensteuer die Gebühren für die Kunden erhöhen, ist der Sozialminister überzeugt. Und der Wegfall der Familienbeihilfe bei arbeitslosen Jugendlichen zwischen 18 und 21 Jahren hängt auch damit zusammen, dass ein Grossteil der aktuell Betroffenen (etwa 4.000) zwar Familienbeihilfe kassiert, sich aber nicht beim AMS meldet und sich daher offenischtlich nicht helfen lässt, kritisierte der Sozialminister.

Grünen-Eminenz Van der Bellen
Foto: © Leimgruber

Es sind zwar noch “Abrundungen möglich”, aber auch der bei der Erhöhung der Treibstoff-Steuer geht es für die Regierung nicht darum, “die Mobilität einzuschränken”, aber längerfristig kann man es sich nicht leisten, den “folgenden Generationen Schulden” zu hinterlassen, erklärte Wirtschaftsminister Mitterlehner. “Die Verwaltungsreform ist mein Lieblingsthema”, aber in welchem Bereich konkret kann man weniger Beamte haben? Und über das Thema Grundsteuer will der Wirtschaftsminister “nicht mal diskutieren”. Diesem Standpunkt schloss sich auch der Sozialminister an mit dem Argument: Höhere Grundsteuer bedeutet höhere Mieten, “und das will wohl niemand”.

Die Diskussionsrunde unter der Leitung von Ö1-Innenpolitikredakteur Klaus Webhofer wurde auf ORF Radio Ö1 live übertragen und wird am Donnerstag, 28.10.2010 um 12:05 Uhr und um 22:45 Uhr im ORF-TV-Sender TW1 ausgestrahlt.

Und meinen Kommentar zum Budget 2011 gibts hier.