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Sonntag, 9. August 2015, von Elmar Leimgruber

Studie: Mittelstand entgehen 46 Milliarden Umsatz

Der deutsche Mittelstand nimmt sich selbst zu wenig ernst und unterschätzt seine Bedeutung für die Wirtschaft. Dies geht aus einer aktuellen Studie des internationalen Unternehemensberatung A.T. Kearney hervor. Dem deutschen Mittelstand könnte demnach bis 2020 ein Umsatzpotenzial von jährlich 46 Milliarden Euro entgehen.

„Mittelstand=mittelwichtig?“ lautet der Titel der Publikation, die fehlende Veränderungsbereitschaft als größtes Wachstumshemmnis betrachtet. Die Untersuchung von A.T. Kearney in Zusammenarbeit mit dem Marktforschungsinstitut TNS Emnid basiert auf einer Befragung von mehr als 100 Führungspersönlichkeiten aus dem Mittelstand und nutzt Daten des Statistischen Bundesamtes und der Stiftung Familienunternehmen.

„Der Mittelstand ist Herz und Motor der deutschen Wirtschaft. Er hat großes Potenzial auch in Zukunft die starke Mitte zu bilden, wenn alle Beteiligten Mut zur Veränderung zeigen und der Staat Bürokratie abbaut“, sagt Martin Sonnenschein, Managing Partner Central Europe bei A.T. Kearney. „Aktuell sind nur 14 Prozent der Top 50 des Mittelstandes in Zukunftsbranchen tätig. Nur 6 Prozent von diesen Unternehmen sind in den letzten 50 Jahren gegründet worden. Das muss sich ändern.“.

Eingebettet ist die Untersuchung in die Zukunftsstudie von A.T. Kearney „Deutschland 2064 – Die Welt unserer Kinder“: Der Mittelstand ist einer der fünf zentralen Themenbereichen in den kommenden fünf Jahrzehnten. „Unternehmen könnten 9 Milliarden Euro zusätzlich generieren“, erläutert Götz Klink, Partner bei A.T. Kearney und Mittelstandsexperte. „Das restliche Umsatzpotenzial von 35 Milliarden Euro erfordert, dass Mitarbeiter, Gesellschaft und Staat an einem Strang ziehen und mehr Zukunft wagen.“

Viele bestehende Unternehmen investieren laut A.T. Kearney zu wenig in die Zukunft. Während die Mehrzahl der deutschen Ökonomen Investitionen in Wachstum grundsätzlich für notwendig hält, erkennt nur jeder vierte Mittelständler diese Notwendigkeit.

Gleichzeitig entstehen zu wenig neue Unternehmen: Es fehlt es an einer starken Gründerkultur. Gut jeder dritte Studierende würde am liebsten im öffentlichen Dienst arbeiten. 72 Prozent der jungen Deutschen wollen kein Unternehmer werden. 40 Prozent der Deutschen halten ihr Land für unternehmerunfreundlich. Zwei Drittel der Deutschen misstrauen Innovationen. „Dieses gesellschaftliche Klima schafft keinen gesunden Nährboden für Unternehmertum und Innovationsfähigkeit“, so Mittelstandsexperte Klink.

Gleichzeitig, so die Untersuchung, erfordern die Globalisierung, kürzer werdende Produktlebenszyklen und steigende Kundenbedürfnisse, dass auch Kunden, Lieferanten, branchenfremde Experten, Studierende oder Gründer in den Innovationsprozess einbezogen werden. „Ein elementarer Bestandteil des Innovationsprozesses sind Netzwerke“, erläutert Klink. „Aber die Vernetzung zwischen mittelständischen Unternehmen innerhalb einer Branche oder mit spezialisierten Forschungseinrichtungen ist oft sehr regional geprägt. Hier wäre mehr auch globaler Weitblick erforderlich.“

Ein weiteres wichtiges Element ist ein neues Rollenverständnis der Arbeitnehmer, denen oftmals die emotionale Bindung zum Arbeitgeber fehlt. Dazu könnten Unternehmen beitragen, indem sie mehr Mitarbeiter am Kapital beteiligen, flachere Hierarchien einbauen, selbstverantwortliches Handeln zulassen und die Beschäftigten in Entscheidungsprozesse einbinden.

Würde der Staat mehr gestalten und weniger verwalten, könnte das dem deutschen Mittelstand ein zusätzliches Umsatzpotenzial von 13 Milliarden Euro im Jahr bringen. 70 Prozent der Mittelständler halten die politischen Rahmenbedingungen und 90 Prozent die Verwaltung für eine Innovationshürde.

Wir brauchen Risikobereitschaft, Trendgespür und Pioniergeist, “ resümiert Sonnenschein. „Wenn alle beteiligten Akteure an diesen Schrauben drehen, sehe ich der Zukunft des Mittelstands und von Deutschland insgesamt positiv entgegen.“

Diese A.T. Kearney-Studie ist hier online abrufbar.