Mit ‘Geschichte’ getaggte Artikel

Freitag, 23. August 2013, von Elmar Leimgruber

Mariahilfer Straße neu: Grünes Sandkasten-Luftschloss

Grundsätzlich bin ich ja für Fußgängerzonen, vor allem in den historischen Stadtzentren überall im freien Westen. Beispielsweise nicht mehr durch die Wiener Kärntner Straße, welche übrigens seit 1974 Fußgängerzone ist, spazieren zu können, ohne von Autos oder Rad-Rowdys (wobei dies immer mehr zunimmt) gerempelt zu werden, wäre inzwischen undenkbar. Und das ist gut so.

Fußgängerzonen bieten unersetzbare Lebensqualität für Anrainer und Touristen: Selbstverständlich. Doch die besten Fußgängerzonen bieten zwar Geschäfte jeglicher Art, dies steht jedoch nicht im Vordergrund: gerade in der österreichischen Hauptstadt steht die sprichwörtliche Wiener Gemütlichkeit im Vordergrund: man genießt es als Einheimischer oder Tourist, über die breite Kärntner Straße, den Graben und den Kohlmarkt zu wandeln und man genießt die große Geschichte dieser Stadt, welche vor allem von Jahrhunderten Monarchie geprägt wurde und deren prachtvolle Bauten auch heute noch Bewunderung bei Besuchern aus aller Welt auslösen. Das Zentrum Wiens (der erste Bezirk) und so auch jeder anderen historischen Stadt sollten daher auch weitgehend autofrei bleiben.

Die Mariahilfer Straße in Wien zwischen 6. und 7. Bezirk hingegen war nie historisches Zentrum der Stadt, sondern seit Jahrhunderten eine Verkehrstraße Richtung Westen. Und 1870 nahm auf dieser Strecke auch der erste Wiener Straßenwagen (Auto-Vorläufer) seinen Betrieb auf. Und selbst Kaiser Franz Joseph befuhr regelmäßig diese auf dem Weg von der Hofburg nach Schönbrunn und setzte durch, dass selbst die damalige Straßenbahn Nachrang hatte.

Anstatt also die Mariahilfer Straße, die seit jeher Verkehrsstraße war, für den Verkehr zu sperren, wäre eher eine Sperre des historischen Wiener Rings um den ersten Bezirk herum mit seinen prachtvollen Bauten geschichtlich und touristisch sinnvoll.

Ergänzt sei, dass es nur eine wirkliche Befragung der Anrainer und der direkt Betroffenen, der Wirtschaftstreibenden, gibt, die ein klares Nein zur Fußgängerzone in Mariahilf ergibt. Dennoch ideologische Ziele und eigene Prestigeprojekte einfach auf Kosten der Steuerzahler gegen den Willen der Bevölkerung (dass an der Befragung nur wenige teilnahmen, ist kein Gegegenargument, sondern wohl auf die zunehmende Resignation der Leute zurückzuführen: die da oben machen eh, was sie wollen) umzusetzen, spricht Bände über das demokratische Denken der dafür Verantwortlichen Grünen in der Wiener Stadtregierung.

Früher mal standen die Grünen für Ideale, für Basisdemokratie und für Mitbestimmung der Bürger. Heute regieren sie und setzen noch egoistischer ihre eigenen Projekte um als die so genannten “Alt”-Parteien. Die Betroffenen einfach vor vollendete Tatsachen zu stellen und dann einen “Dialog” zu beginnen, wenn man eh alles schon umgesetzt hat, was man selber will, zeigt, wie ausgerechnet die Wiener Grünen (ein böses Omen auch für eine eventuelle Regierungsbeteiligung der Grünen in der Bundesregierung) die Demokratie verhöhnen. Dass sich nun selbst die Linienbusfahrer aus Sicherheitsgründen weigern, durch die Fußgängerzone zu fahren, zeigt ebenfalls, wie unreif und engstirnig dieses Maria Vassillakou-”Denkmal” in Wien in Wirklichkeit ist.

Die aktuelle “neue Mariahilfer Straße” ist zum Scheitern verurteilt, weil das Konzept einfach nicht gut durchdacht ist: es wird zu noch mehr sinnlosen Staus und in Folge zu massiver Verärgerung führen: die Autofahrer werden sich nach diesen Erfahrungen hüten, je wieder in der Mahü (Mariahilfer Straße) einzukaufen. Also wenn man schon neue Verkehrspläne hat, sollte man Nägel mit Köpfen machen, also eine grundsätzliche, wirklich sinnvolle Lösung (und zwar nicht nur für jene Bezirke, wo die Grünen regieren) finden und umsetzen. Also bevor man Straßen sperrt, sollte man zuerst mal die betroffene Bevölkerung davon überzeugen, dass ein neues Verkehrskonzept notwendig ist und dafür auch eine breite Mehrheit dafür gewonnen haben.

Ist dies gelungen, sind also die Betroffenen (Anrainer und Wirtschaft) mehrheitlich für eine Fußgängerzone Innere Mariahilfer Straße -eine Idee, der ich unter gewissen Voraussetzungen sogar was Positives abgewinnen könnte- dann gilt es, eine Gesamtlösung, ein sinnvolles Verkehrskonzept nicht nur für zwei “grüne” Bezirke, sondern für die gesamte Stadt zu erstellen, welche nicht dazu führt, dass alle anderen Straßen stadtauswärts Richtung Westen noch mehr in Verkehr und Staus ersticken, als dies jetzt der Fall ist:

A) Wenn schon, dann sollte man gesamte Innere Mariahilferstraße vom Ring bis zum Westbahnhof zur Fußgängerzone umfunktionieren, und zwar ohne Quermöglichkeiten, außer für den Linienbus. Und der Linienbus muss immer Vorfahrt haben!

B) Liefertätigkeit sollte mit wenigen Ausnahmen nur zwischen 4.00-10.00 Uhr möglich sein.

C) Und ganz wichtig: In der Praxis gibt es kein konfliktfreies Miteinander zwischen Fußgängern und Radfahrern: Also wenn schon, dann dreiviertel der Straßenbreite für Fußgänger und der Rest als Radweg. Die unzähligen sich um keine Verkehrsregeln kümmernden Rad-Rowdys sollten ihren eigenen Radweg haben und aus Sicherheitsgründen keinesfalls den Fußgänger-Bereich nützen dürfen.

Eine Aufteilung der Inneren Mariahilferstraße in zwei so genannte Begegnungszonen, welche in der Mitte zur Fußgängerzone wird, durch die dann aber doch der Linienbus durchmuss, ist einfach nur Stumpfsinn. Dieses Projekt kann nur scheitern. Und auch wenn die Grüne Maria Vassilakou nicht nur Vizebürgermeisterin, sondern auch Verkehrsstadträtin der Stadt Wien ist: Bürgermeister Michael Häupl persönlich möge nicht länger zu dieser unnützen Geldvernichtung schweigen, sondern dem unreifen Treiben auf Kosten der Steuerzahler, diesem im grünen Sandkasten entworfenen Luftschloss, durch ein Machtwort ein jähes Ende setzen. Danke.

 

 

Abschließend zum Vergleich noch die offizielle Infos der Stadt Wien zur Mariahilfer Straße neu:

1. FußgängerInnen-Zone auf der Mariahilfer Straße zwischen Kirchengasse und Andreasgasse
+ Das Liefern ist werktags von Montag bis Samstag zwischen 6 und 13 Uhr möglich.

2. Zwei Begegnungszonen zwischen Getreidemarkt und Kirchengasse sowie Andreasgasse und Kaiserstraße; Lieferzeiten und Lieferzonen bleiben unverändert.
+ Es gilt Tempo 20.
+ Drei “Kiss and Ride”-Plätze zum Ein- und Aussteigen wurden eingerichtet.
+ Zufahrten zu allen Garagen und Hauseinfahrten sind möglich.

3. Öffis und Taxis: Ein eigener Fahrbereich für den 13A wurde rot eingefärbt.
+Das Queren der Fahrbahn für den 13A ist erlaubt, das Längsgehen nicht.
+ Es gilt Tempo 20.
+ Taxis dürfen in Fahrtrichtung des Busses zum Abholen und Hinbringen die Fahrbahn des 13A benutzen. Das Ein- und Aussteigen erfolgt neben der markierten Fahrfläche. Das Durchfahren, ohne dort Ein-oder Aussteigen zu lassen, ist nicht erlaubt. Im Bereich der FußgängerInnen-Zone ist die Zu- und Abfahrt für Taxis zwischen 6 und 13 Uhr möglich.
+ Der Nachtbus N49 fährt seit 15. August nachts auf der Trasse der Straßenbahnlinie 49.

4. Radfahren ist in der gesamten Mariahilfer Straße in beiden Richtungen möglich.
+ Angepasste Geschwindigkeit, maximal Tempo 20 in den Begegnungszonen
+ FußgängerInnen-Zone: Schrittgeschwindigkeit, außer roter Fahrbereich für 13A: Dort Tempo 20 in Fahrtrichtung des Busses
+ Weitere Informationen: Radfahren auf der “neuen” Mariahilfer Straße – Fahrrad Wien

5. Das Parken in den betroffenen Bereichen der Mariahilfer Straße ist nicht mehr möglich.
+ Schaffung von AnwohnerInnen-Parkplätzen in den Seitengassen (je 27 AnwohnerInnen-Parkplätze im 6. und im 7. Bezirk). Ein weiterer Ausbau ist geplant.
+ Die umliegenden Garagen ermöglichen das Parken. Ausreichend Stellplätze sind vorhanden.

Nähere Infos der Grünen Stadtplanung zur Mariahilfer Straße neu gibts offiziell hier.

Ein Info-Folder ist hier downloadbar.

Freitag, 22. Februar 2013, von Elmar Leimgruber

Kino-Kurzkritik: “Lincoln” und “Les Miserables”

"Lincoln" bald auf Blu Ray und auf DVD: Jetzt vorbestellen
Selten, vielleicht gar zu selten ,schreibe ich auch Kritiken über Filme. Ein guter Anlass, diese “Tradition” jetzt zu brechen, sind nicht nur zwei außergewöhnliche “Kunst”-Filme, welche aktuell im Kino zu sehen sind, sondern ist auch die Oscar-Verleihung 2013 in wenigen Tagen:
Auf dem Programm dieser Kino-Kurzkritik stehen “Lincoln” von Steven Spielberg und “Les Miserables” von Tom Hooper:

In ersten Fall handelt es sich um einen teils geschichtlichen Film (er beruht auf dem Buch “Team of Rivals: The Political Genius of Abraham Lincoln” von Doris Kearns Goodwin), werden doch die letzten Regierungsjahre von US-Präsident Abraham Lincoln filmisch festgehalten.
Anders historisch ist auch das Thema des zweiten Films: er beruht auf dem Roman “Les Miserables” (“Die Elenden”) von Victor Hugo und dem darauffolgenden gleichnamigen Musical “Les Miserables” von Kretzmer/Boubil/Schönberg.

Ja es stimmt: Steven Spielberg hat sich in seinem Filmepos nicht wirklich an historische Fakten gehalten, gilt Abraham Lincoln -historisch betrachtet- doch als gemäßigter, aber keinesfalls als verbissener und energischer Gegner der Sklaverei, als der er im Film dargestellt wird. Aber wer ins Kino geht, um authentischen Geschichtsunterricht (und gibt es solchen überhaupt?) zu erhalten, ist dort wohl sowieso fehl am Platz:

Selbstverständlich hat ein Regisseur künstlerische Freiheiten bei dem, was er macht. Und es gibt wohl wenige Anliegen, die für Spielberg persönlich wichtiger wären, sie auch in seinen Werken zu vermitteln als die Menschenrechte und der Kampf gegen Sklaverei und Ungleichbehandlung von Menschen verschiedener Hauptfarbe, vor allem von Schwarzen (Filme: “Die Farbe Lila”, “Amistad” und jetzt “Lincoln”). Und da es Spielberg in seinen Filmen viel weniger um ein Hobby geht, sondern vielmehr darum, was zu vermitteln (Botschaft): warum sollte er dann in seinem aktuellen Film “Lincoln” nicht anhand eines US-Präsidenten, der es tatsächlich geschafft hat, zumindest auf dem Papier die Sklaverei, sein Anliegen noch mehr unterstreichen und betonen, als es historisch tatsächlich der Fall war?

Für mich ist “Lincoln” eindeutig in jeder Hinsicht der Film des Jahres und er verdient einen Oscar sowohl von der Regie und vom Drehbuch (Tony Kushner) her als auch als Film insgesamt. Den Oscar als besten Hauptdarsteller würde ich zwar dennoch nicht an Daniel Day-Lewis (in der Titelrolle des Films) vergeben, aber dafür unbedingt an Tommy Lee Jones, welcher in der Rolle des republikanischen Anti-Sklaverei-Polemikers Thaddeus Stevens köstlich für gehörigen Wirbel sorgt.

Der Film selbst ist zwar äußerst “langsam”, aber er lebt lobenswerterweise von intelligenten Dialogen. Und der  Score (Filmmusik) von John Williams passt exzellent dazu. Mein Tip: Den Film anschauen, so lange er noch im Kino zu sehen ist.

"Les Miserables" bald auf Blu Ray und auf DVD: Jetzt vorbestellen
Zugegeben: “Les Miserables”, dieses große Epos über wahre Liebe und Menschlichkeit, die selbst den drohenden Tod übersteigt, ist seit vielen Jahren mein Lieblingsmusical und daher war es Muss, dessen Verfilmung im Kino zu sehen. Die gesamte Handlung und auch das Drehbuch selbst sind von den Original-Autoren und Komponisten Alain Boublil, Herbert Kretzmer (zusammen mit William Nicholson) und Claude-Michel Schönberg und auch vom Original-Produzenten des Musicals, Cameron Mackintosh produziert. Dementsprechend ist -entgegen anderslautenden Kommentaren- die Verfilmung ganz im Sinne der Schöpfer des Original-Musicals.

Tom Hooper als Regisseur setzt den Inhalt des Musicals gut, jedoch nicht exzellent (noch zu wenig stimmig) um, dafür fehlt ihm wohl noch die nötige Erfahrung. Ich hätte vermutlich Baz Luhrmann mit der Regie beauftragt. Es fließen viele Tränen und Schmerz, Leiden, Armut, Ungerechtigkeit und Tod schmerzen teils  aufgrund der Eindringlichkeit und des Pathos, mit welcher der Inhalt vermittelt wird: und das gefällt mir so: ein Musical muss mich berühren und eine Musical-Verfilmung natürlich mindestens genau so.

Hugh Jackman als Valejan ist verdient als bester Hauptdarsteller Oscar-nominiert und er verdient diesen auch zweifellos: Noch nie habe ich ihn vorher so genial erlebt sowohl als Schauspieler als auch überraschenderweise als großartiger (leider jedoch nicht in “Bring him Home”) Sänger. Ebenfalls ganz sensationell: Anne Hathaway als Fantine, welche sich eine Auszeichnung als beste Nebendarstellerin verdienen würde. Positiv aufgefallen ist mir (neben einem außergewöhnlich guten Orchester unter der Leitung des Londoner WestEnd-Dirigenten Stephen Brooker; die Orchestrierung stammt übrigens von der genialen Komponistin Anne Dudley) zudem Eddie Redmayne als Marius, welcher mal nicht wie viele seiner Vorgänger in Liebessülze versinkt. Valejans Gegenspieler Javert hingegen ist eine glatte Fehlbesetzung: Russel Crowe ist zwar ein exzellenter Schauspieler, aber dieses Musical ist offenbar nicht seine Welt: weder schauspielerisch und erst recht nicht gesanglich: warum gab man diese Rolle nicht dem gleichermaßen gesanglich wie schauspielerisch genialen Norm Lewis? Ebenfalls sehr schwach finde ich auch Sacha Baron Cohen und Helena Bonham Carter als Ehepaar Thénardier. Dafür hat mich die zumindest kleine Rolle als Bischof für den Original Jean Valejan aus dem Jahr 1985, Colm Wilkinson, im Film ganz besonders gefreut.

Wer das Musical “Les Miserables” oder überhaupt Musicalfilme liebt, kommt an diesem Film -trotz einiger Schwächen- nicht vorbei.

Und hier können Sie sowohl in die Filmmusik von “Les Miserables” als auch in den Score von “Lincoln” reinhören:

Dienstag, 15. März 2011, von Elmar Leimgruber

Deutsch ist, wer deutsch spricht

Wenn es um die Frage geht, was nationale Identität ausmacht, ist den Deutschen ihre Sprache am wichtigsten. Das ergab eine repräsentative Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Emnid für das Magazin Reader’s Digest (März-Ausgabe). Demnach ist für 43 Prozent der Menschen die deutsche Sprache das entscheidende Identitäts-Kriterium, gefolgt von der gemeinsamen Geschichte (35 Prozent) und den ähnlichen Werten (14 Prozent). Nur drei Prozent der insgesamt 1002 Befragten gaben an, für sie sei die Religion besonders identitätsstiftend.

Ganz anders stellen sich die Verhältnisse in den beiden deutschsprachigen Nachbarländern dar. Eine Umfrage in Österreich ergab, dass hier nur etwa 16 Prozent der Bürger die Auffassung vertreten, dass die deutsche Sprache das entscheidende Kriterium für das Nationalbewusstsein ist. In der Schweiz, wo Reader’s Digest das Institut Isopublic mit einer repräsentativen Umfrage beauftragte, halten immerhin 22 Prozent die gemeinsame deutsche Sprache für besonders prägend.

Zurück zu Deutschland: Hier gibt es Unterschiede je nach Bildungsstand und Lebensmittelpunkt. Bei den formal gebildetsten Befragten gaben 28 Prozent an, ihnen seien die gemeinsamen Werte besonders wichtig. Hingegen waren nur acht Prozent der Personen mit Hauptschulabschluss dieser Meinung.

Auch bei der Frage, welchen Stellenwert die Geschichte einnimmt, gehen die Meinungen auseinander. 46 Prozent der Sachsen und Thüringer sowie 43 Prozent der Befragten in Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg und Sachsen-Anhalt nennen die gemeinsame Vergangenheit als wichtigste Grundlage der deutschen Identität. Im Unterschied dazu scheinen die Menschen in Baden-Württemberg mit 27 Prozent deutlich weniger geschichtsbewusst zu sein.

Freitag, 4. März 2011, von Elmar Leimgruber

Über Südtirols Nein zu den italienischen Einheitsfeiern

Die “Expansion” Italiens von 1815 bis 1870

Am 17. März feiert Italien 150 Jahre italienische Einheit. Die 1961 durch militärärische Siege von Giuseppe Garibaldi und durch die anschließende Einsetzung eines König erzwungene Einheit Italiens war jedoch von Anfang an auch innerhalb des damals neuen Italien umstritten. Dies änderte sich erst recht nicht mit Ende des ersten und zweiten Weltkriegs, als das italienische Staatsgebiet zusätzlich vergrößert wurde.

Und auch heute, 150 Jahre nach der “Einheitsgründung” Italiens, sehen auch viele Italiener der Einheit Italiens sehr skeptisch und daher keinen Grund zum Feiern. So will die mit Silvio Berlusconi im römischen Parlament sitzende Lega Nord schon längst einen eigenen Staat Padanien (Poebene).

Südtirol wurde erst nach dem ersten Weltkrieg Teil des italienischen Staatsgebietes, was für die Südtiroler Bevölkerung bis heute als Unrechts-Anschluss gesehen wird. Dies hängt mit mehreren Faktoren zusammen:

Einerseits war Südtirol bereits im 10. Jahrhundert Teil des Herzogtums Bayern (einer Art Vorgänger Österreichs) gehörte seit 1363 zu Tirol und war als Kronland auch Teil der Habsburgermonarchie, orientierte sich kulturell und geschichtlich vor allem am süddeutschen Kulturraum (Schloss Tirol liegt in Südtirol und der Südtiroler Andreas Hofer leitete auch den Tiroler Freiheitskrieg gegen Napoleon) und daher war selbst bei der Volkszählung 1910 zu 89 Prozent der Südtiroler Bevölkerung deutschsprachig.

Andererseits sorgte zudem das Verbot der deutschen Sprache und Kultur, die Zwangsitalienisierung und massenhafte Ansiedlung von Süditalienern während des italienischen Faschismus in Südtirol zu großem Unmut und Enttäuschung: Bei der letzten Volkszählung 2001 schienen 61 Prozent der Bevölkerung in Südtirol als deutschsprachig auf, 24,5 als italienisch und 4 Prozent als ladinisch.

Das Herzogtum Bayern im 10. Jahrhundert mit Südtirols Landeshauptstadt Bozen
Karte: CC tk

Südtirols Landeshauptmann hat kürzlich bekanntgegeben, dass die Südtiroler Landesregierung offiziell nicht an den 150-Jahr-Feierlichkeiten Italiens teilnehmen wird. Die folgende Reaktion von Staatspräsident Giorgio Napolitano, der sein Unverständnis darüber äusserte und meinte, auch die Südtiroler wären Italiener, provozierte eine weitere ausführliche Antwort von Südtirols Landeshauptmann Luis Durnwalder: Er habe zwar vollstes Verständnis für all jene, die das Einheits-Jubiläum feiern wollten. “Das selbe Maß an Verständnis erhoffe und erwarte ich mir allerdings auch für all jene, die keinen Grund zum Feiern sehen”, so Südtirols Landeshauptmann.

Die unterschiedliche Herangehensweise an das Jubiläum sei vor einem historischen Hintergrund zu sehen, beginnend mit der Tatsache, dass Südtirol vor 150 Jahren noch nicht zu Italien gehört habe, sondern nach wie vor Teil Österreichs gewesen sei. Auch weist Durnwalder darauf hin, dass die Annexion Südtirols durch Italien im Jahr 1919 gegen den ausdrücklichen Willen der Bevölkerung erfolgt sei. “Ich glaube nicht, dass man von einem Teil der Südtiroler Bevölkerung – einem großen Teil zudem - erwarten kann, dass sie die Einheit Italiens feiert, wenn die Generation ihrer Eltern oder Großeltern jahrzehntelang gelitten hat, nur weil sie ihre Muttersprache sprechen, ihre Kultur verteidigen und ihre Traditionen leben wollte”, betonte Durnwalder.

Schloss Tirol, der ehemalige Sitz der Grafen von Tirol, in Dorf Tirol oberhalb von Meran in Südtirol

Wären die drei Volksgruppen im Land der selben Meinung, hätte er – Durnwalder – kein Problem, die gesamte Bevölkerung zu vertreten. “Aber während die Italiener im Land sicherlich das Recht und auch einen Grund zum Feiern haben, dürfte die Zurückhaltung der Deutschen und Ladiner doch verständlich sein”, so der Landeshauptmann, der betont, keine alten Wunden aufreißen zu wollen. “Geben wir stattdessen allen die Möglichkeit, selbst zu entscheiden, ob sie feiern wollen oder nicht, und zwar in vollem Respekt vor den verschiedenen historischen Hintergründen und Gefühlen”, erklärte Durnwalder.

“Ich habe die Verfassung immer respektiert, auch weil ich der Meinung bin, dass wir mit dem Staat eine moderne Autonomie entwickelt haben, die wir – so glaube ich – auch gut und im Sinne aller drei Volksgruppen in Südtirol verwalten”, so der Landeshauptmann, der darüber hinaus betont, sich auch immer für das friedliche Zusammenleben eingesetzt zu haben. “Dieses Zusammenleben hat heute ein Niveau erreicht, um das uns viele beneiden, weil wir auf den Dialog und auf das gegenseitige Verständnis gesetzt haben”, so Durnwalder.

Dienstag, 23. November 2010, von Elmar Leimgruber

Südtirol bewirbt sich als Kulturhauptstadt Europas

Das so genannte Waltherhaus in Südtirols Landeshauptstadt Bozen
Foto: @ Leimgruber

Mit Beschluss der Südtiroler Landesregierung am 22. November 2010 ist für Südtirol der Weg frei, sich an einer Kandidatur zur Europäischen Kulturhauptstadt im Jahr 2019 zu beteiligen. Geplant ist laut Landeshauptmann Durwalder aber nicht beispielsweise eine Bewerbung der beiden Südtiroler Städte Bozen oder Meran, sondern einer grossen “Region”:

Gemeinsam mit den Regionen Venetien sowie Friaul-Julisch Venetien und dem Trentino will sich Südtirol demnach 2019 als Europäische Kulturhauptstadt bewerben. “Der Trend geht immer stärker weg von einer Kulturhauptstadt im wahrsten Sinne des Wortes und hin zu einem ganzen Gebiet, das sich als ‘Hauptstadt’ bewirbt”, so Durnwalder. In diesem Sinne wolle man sich an einer Kandidatur der Länder im Nordosten Italiens beteiligen.

“Wir wollen aber als gleichwertige Partner über die Ausrichtung der Kandidatur und die entsprechenden Projekte mitentscheiden dürfen und unsere Eigenheiten besonders hervorheben”, so Landeshauptmann Luis Durnwalder. So wolle man als gleichwertiger Partner dem Netzwerk der Länder angehören, zudem wolle man sicherstellen, dass die Besonderheiten Südtirols als mehrsprachiges (deutsch, ladinisch, italienisch) Grenzgebiet besonders hervorgehoben würden. “Klar ist auch, dass alle drei Sprachgruppen einbezogen werden müssen”, forderte der Landeshauptmann.

“Wir können sicher sein, dass die Kandidatur auch ohne uns zustande kommen würde, nur wären wir dann ein weißer Fleck auf der Landkarte, während tausende Kulturinteressierte auf unsere Nachbarregionen schauen”, so der Landeshauptmann. Im zeitlichen Aufeinandertreffen der Bewerbung mit dem 100-Jährigen der Annexion Südtirols durch Italien sieht der Landeshauptmann indes kein Problem: “Im Gegenteil: Wir wollen auch im Rahmen der Bewerbung zeigen, dass Südtirol ein ganz besonderes Land mit einer entsprechenden Geschichte und Kultur ist”, so Durnwalder.

Sonntag, 21. Februar 2010, von Elmar Leimgruber

Tiroler Gedenkjahr in Mantua offiziell beendet

Die Landeshauptleute Durnwalder und Platter und Kulturlandesrat Panizza (v. r.n.l.) vor der neuen Andreas Hofer-Stele in Mantua
Foto: LPA/Pertl

Die Freiheitskämpfe von 1809 seien ausgetragen worden, um die Tiroler Identität zu verteidigen und die gelte es nach wie vor zu leben. Dies erklärte Südtirols Landeshauptmann Luis Durnwalder gestern anlässlich des 200. Todestages des Tiroler Landeshelden und Freiheitskämpfers Andreas Hofer in Mantua. “Heute tun wir dies selbstverständlich nicht mehr mit Waffen, sondern mit den Waffen des Geistes, mit denen wir versuchen, den Alpenraum zukunftsträchtig zu gestalten”, so Durnwalder. Neben Kranzniederlegungen wurde auch eine neue Stele am Eingang des Andreas-Hofer-Gedenkgartens enthüllt. An Andreas Hofers Heimathaus, dem Sandwirt in St. Leonhard in Passeier in Südtirol, war das Tiroler Gedenkjahr vor einem Jahr eingeläutet worden, in Mantua, wo Hofer am 20. Februar 1810 erschossen worden ist, ist es gestern offiziell abgeschlossen worden.

Kranzniederlegung vor dem Andreas-Hofer-Denkmal in Mantua
Foto: LPA/Pertl

“Wir sind ein Tirol und gehören zusammen”, hatte Landeshauptmann Durnwalder anlässlich der Tiroler Ehrenzeichen-Verleihung betont. Gestern ergänzte er: “Wenn wir das Gedenkjahr heute abschließen und sagen würden ‚Das war’s!’, wäre das Gedenkjahr umsonst gewesen”, betonte Durnwalder. Vielmehr sei dank der Beschäftigung mit Geschichte und Zukunft in diesem Jahr viel auf den Weg gebracht worden.

Ziel des Gedenkjahrs sei es nicht gewesen, “Eintagsfliegen” zu produzieren, sondern nachhaltige Projekte auf den Weg zu bringen: “Das Gedenkjahr war wie eine Tankstelle, an der wir unsere geistige Maschine aufgetankt haben, um uns den Herausforderungen der Zukunft stellen zu können”, so das Fazit des Landeshauptmanns.

“Wir sind am Ende des Gedenkjahrs am Beginn einer neuen Ära der Zusammenarbeit angekommen”, ergänzte der Tiroler Landeshauptmann Günther Platter. “Das gemeinsame Tirol, die Europaregion, ist voller Leben, das es jetzt weiter zu nutzen gilt.” Für ihn sei Andreas Hofer ein Held, weil er Werte wie Glaube, Heimat, Demut und Solidarität vermittelt habe, bekannte Platter.

Der österreichische Botschafter in Rom, Christian Berlakovits wies insbesondere auf die identitätsstiftende Bedeutung Andreas Hofers für ganz Tirol hin. Die Europaregion Tirol-Südtirol-Trentino sei eine große Chance, die Vergangenheit zu überwinden und die Herausforderungen der Zukunft anzugehen, sagte Berlakovits.

Und hier ist der offizielle Videobericht zum Ereignis.

Weitere Meldungen und Kommentare zum Thema Südtirol:

- Was kratzt Österreich schon die Doppelstaatsbürgerschaft für Südtiroler

- Südtirols Alt-Landeshauptmann Silvius Magnago 96

- Doppelstaatsbürgerschaft für Südtiroler

- Italienischer Botschafter in Wien regt neues Toponomastik-Gesetz für Südtirol an

- Südtirol: Wo bleibt die Schutzmacht Österreich?

Mittwoch, 6. Januar 2010, von Elmar Leimgruber

Wien: Italienischer Botschafter regt neues Toponomastik-Gesetz für Südtirol an

Massimo Spinetti, Italienischer Botschafter in Österreich
Foto: ambvienna.esteri.it

Am 20. Dezember letzten Jahres berichtete ich hier empört über die fehlende Unterschützung seitens der “Schutzmacht” Österreich für Südtirol in bezug auf die Ortsnamenfrage. Gerade noch in letzter Minute war in Rom durch Intervention rechter Abgeordneter ein beschlossenes Parlamentsgesetz wieder aufgehoben worden, mit dem das seit der Faschistenzeit bestehende Verbot der Verwendung deutscher Ortsnamen (die sogenannten Tolomei-Dekrete) in Südtirol aufgehoben hätte werden sollen. Aus Südtiroler Sicht bedeutet die Bestätigung dieser faschistischen Gesetze, dass die historischen deutschen Ortsnamen in Südtirol wiederum -wie seinerzeit- per Staats-Gesetz abgeschafft würden.

Dagegen protestierten nicht nur die regierende Südtiroler Volkspartei, sondern auch die deutschsprachigen Oppositionsparteien Südtirols: die Freiheitlichen, die Südtiroler Freiheit, die Union für Südtirol und -was bei solchen Themen seltenst vorkommt- auch die gemischtsprachigen Grünen. Nur das offizielle Österreich verharrte selbst trotz solch rarer Einigkeit in Südtirol in gleichgültigem Schweigen.

Und jetzt kommt plötzlich “Hilfe” in dieser Frage von gänzlich unerwarteter Seite: Ihr liege ein Brief von Massimo Spinetti, des italienischen Botschafters in Wien zu diesem Thema vor, berichtet die “Tiroler Tageszeitung” (TT) heute: Die Nichtaufhebung des Toponomastikdekretes von 1923 garantiere nur den Weiterbestand der (damals neu eingeführten) italienischen Ortsnamen auch heute und für die Zukunft. Dies ändere aber “absolut nichts” an der Erlaubnis der Verwendung der (historischen) deutschen Ortsnamen, schreibt demnach der Botschafter.

Die Verpflichtung zur Zweisprachigkeit in Südtirol sei sowieso später in den Pariser Verträgen vom 5. September 1946 zwischen Italien und Österreich festgelegt worden, in denen “auf Basis der Gleichberechtigung die Verwendung der deutschen und der italienischen Sprache bei öffentlichen Verwaltungen, in öffentlichen Dokumenten sowie in der zweisprachigen topographischen Nomenklatur” vorgesehen sei.

Laut Artikels 8 des Autonomiestatutes liege die Zuständigkeit in Bezug auf Ortsnamen “unter Beibehaltung der Verpflichtung zur Zweisprachigkeit” beim Land Südtirol. Und demnach stehe es dem Südtiroler Landtag frei, ein neues Ortsnamengesetz zu verabschieden, versicherte Spinetti laut TT.

Ja, wenn dem so ist, dann appelliere ich hiermit an die Südtiroler Landesregierung, raschestmöglich ein gutüberlegtes neues Toponomastikgesetz zu verabschieden. Bin jedenfalls gespannt, wie die Reaktionen aus Südtirol als auch jene der italienischen Rechten (die in Südtirol besonders stark vertreten sind) auf dieses Angebot des italienischen Botschafters in Wien sein werden.

In den letzten Wochen wird in Südtirol übrigens auch eifrig darüber diskutiert, Südtirolern (auf Wunsch) zusätzlich zur italienischen Staatsbürgerschaft auch die österreichische anzubieten; zudem müsse die Schutzmachtfunktion Österreichs ind er Verfassung verankert werden, fordert die Südtiroler Volkspartei unter Landeshauptmann Luis Durnwalder und Parteiobmann Richard Theiner. Dass Spinetti auch zu diesem Thema im Brief an die TT Stellung bezogen hätte, schreibt die Zeitung allerdings nicht.

Sonntag, 20. Dezember 2009, von Elmar Leimgruber

Südtirol: Wo bleibt die “Schutzmacht” Österreich?

Das italienische Parlament hatte schon vor Monaten beschlossen, faschistische Dekrete abzuschaffen und dies sollte vor wenigen Tagen in Kraft treten. Eigentlich lobenswert. Hätten da nicht in letzter Minute italienische rechte Abgeordnete dagegen interveniert. Und so wurde nichts daraus.
Die Folge ist, dass faschistische Gesetze, wie das, das ein Verbot aller historischen deutschsprachigen Ortsnamen in Südtirol vorsieht, weiterhin in Kraft bleiben.
Die deutschsprachigen Oppositionsparteien in Südtirol laufen Sturm dagegen und sogar die Südtiroler Volkspartei (SVP) tritt überraschend scharf gegen diesen Affront auf die Südtiroler Bevölkerung auf. Und selbst die Südtiroler Grünen, die als volksgruppenübergreifende Partei üblicherweise weit “versöhnlichere” Töne von sich geben, sind über diese Rückwärtsgewandheit der italienischen Regierung erbost.

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Aufwiedersehen Südtirol. Foto: Elmar Leimgruber

Und wo bleibt die Entrüstung der Schutzmacht Österreich?
Man hüllt sich -wie üblich- in zurückhaltendes Schweigen, ausser wer erdreistet sich (wie das unlängst mal wer unverfroren gewagt hat), für Südtirol die Selbstbestimmung zu fordern…

Geschichtliches für Näherinteressierte zu diesem Thema findet sich u.a. bei Wikipedia und natürlich auch im Buchhandel.

Mittwoch, 7. Mai 2008, von Elmar Leimgruber

Stoppt Straches Nationalismus!

Man mag das Wirken von FPÖ-Chef H.C. Strache ja durchaus gut finden und vielleicht sogar für notwendig halten.
Aber was sich Strache bei seinem “Staatsbesuch” in Serbien geleistet hat, kann meines Erachtens nicht mehr toleriert werden:
Während ganz Europa versucht zusammenzuwachsen und einen gemeinsamen europäischen Weg zu gehen, fährt der FPÖ-Chef zu den serbischen Nationalisten, bestärkt sie in ihrem nationalistischen Denken, ermutigt sie zu einem antieuropäischen Weg und ruft ihnen auch noch auf serbisch zu: “Kosovo ist Serbien”.
Das kann man nicht mehr Populismus nennen, wenn Strache auch offenbar damit im Teich der Wiener Serben Wählerstimmen fischen will. Das was Strache in Serbien tat, ist eine Volksverhetzung solches Ausmaßes, die ich bisher noch nie erlebt habe. Es kann nicht sein, dass ein österreichischer Parlamentarier in ein fremdes Land fährt und sich mit nationalistischen Kräften solidarisiert und dessen aufgebrachte Bevölkerung noch weiter aufhetzt gegen Europa und damit auch gegen Österreich.
Es ist tragisch, dass keiner der namhaften Politiker hier dagegen Stellung bezieht. Wer hier schweigt, riskiert einen weiteren Balkankrieg.
Ich teile das Anliegen Serbiens, dass dessen Minderheitsbevölkerung im Kosovo geschützt wird und dass international gewährleistet und garantiert wird, dass die serbische Bevölkerung im Kosovo dieselben Rechte haben muss wie die Kosovo-Albaner.
Aber Nationalismus, von wem auch immer, von Österreichern oder Deutschen, von Serben, Franzosen, Italienern und Chinesen ist abzulehnen und zu verurteilen.
Wir leben in einem friedlichen geeinten Europa, das uns vor große Verantwortung stellt. Nehmen wir diese Verantwortung an und meistern wir sie: mit einem gesunden Selbstbewusstsein und Patriotismus für die Interessen des eigenen Landes, seine Sprache, Kultur und Geschichte im eigenen Land und der EU gegenüber. Aber wir sind nicht nur Deutschland, Österreich, Südtirol, sondern wir sind auch Europa. Und das ist sehr gut so.

Montag, 1. März 2004, von Elmar Leimgruber

Symposium: Musik in Diktaturen des 20. Jahrhunderts

“Musik in Diktaturen des 20. Jahrhunderts” war das Thema eines Symposiums an der Bergischen Universität Wuppertal am 28. und 29. Februar 2004. Im Mittelpunkt stand dabei die Auseinandersetzung mit Musik in diktatorischen Staatssystemen: In Deutschland in der Zeit des Nationalsozialismus, in Italien unter Mussolini, in Spanien unter Franco, in der ehemaligen DDR, in der ehemaligen Sowjetunion und in China während der Kulturrevolution.
Die Auseinandersetzung mit Musik in diktatorischen Staatssystemen hat sich erst seit wenigen Jahren als Feld musikwissenschaftlicher Forschung etablieren können. Mit dem Symposium griffen die Universität Wuppertal und die Bundeszentrale für politische Bildung das Thema wieder auf:
Experten untersuchten, wie einerseits in autoritären politischen Systemen ein kulturelles Umfeld geschaffen wird, das kreative Kräfte in den Bann politischer Agitationen stellt – und wie andererseits durch Instrumentalisierung auch künstlerische Gegenkräfte evoziert werden, die sich ihr auf ästhetischer Ebene entziehen wollen.
Seit dem 1995 an der Universität Wuppertal durchgeführten Symposium “Die dunkle Last: Musik und Nationalsozialismus”, das verschiedene Aspekte eines einzigen diktatorischen Herrschaftssystems beleuchtete, wurden musikalische Phänomene im Fokus verschiedener Diktaturen analysiert und verglichen.
Während sich diese Forschungsprojekte jedoch entweder ausdrücklich auf faschistische oder staatssozialistische Herrschaftssysteme konzentrierten, untersuchte das Wuppertaler Symposium Musik im Kontext faschistischer und staatssozialistischen Diktaturen. Neben vielen Unterschieden wurden auch signifikante Ähnlichkeiten in der Musikproduktion deutlich gemacht.
Veranstalter des Symposiums war das Fach Musikpädagogik der Uni Wuppertal in Zusammenarbeit mit der Bundeszentrale für politische Bildung und gefördert wurde es von der Stiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur und der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG). Die Gesamtleitung hatten Dr. Oliver Kautny und Dr. Helmke Jan Keden.