Mit ‘Gerechtigkeit’ getaggte Artikel

Samstag, 6. November 2010, von Elmar Leimgruber

Über die “Gesundheit” von “gerechten Gesellschaften”

WIFO-Chef Karl Aiginger
Foto: © Leimgruber

Gesellschaften mit geringeren Unterschieden in der Bildung haben eine höhere Lebenserwartung, ein höheres Wachstum und auch mehr Beschäftigung. Dies erklärte der Leiter des Instituts für Wirtschaftsforschung (WIFO), Karl Aiginger bei der Sozialstaatsenqueste zum Thema “Sind gerechtere Gesellschaften gesünder ?” im Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger. “Eine Erhöhung der Bildungschancen verringert die Einkommensdifferenzen, senkt die Gesundheitskosten, erhöht die Lebenserwartung und sichert die Beschäftigung. Den dadurch gewonnenen Vorteil hat die gesamte Gesellschaft und langfristig profitieren davon auch die Bezieher höherer Einkommen”, erklärte der WIFO-Chef.

“Erbschaften und Vermögen bestimmen mehr als das Einkommen aus Beschäftigung über die individuelle Position in der Verteilungshierarchie” betonte Giacomo Corneo von der Freien Universität Berlin. Für Kontinentaleuropa (hier besonders für Grossbritannien) gelte, dass das Privatvermögen in Relation zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) stärker steigt und die Einkommenskonzentration zunimmt. Diese Zunahme der Ungleichheit sieht Corneo durch die Entwicklung von Vermögen und Erbschaften zu einem Großteil mitbestimmt.

“In jenen Ländern, in denen die Einkommen gerechter verteilt sind (allen voran in den nordischen Ländern), gibt es weniger psychische Erkrankungen, weniger Alkohol-  und Drogensucht, eine geringe Säuglingssterblichkeit, weniger Fettleibigkeit, weniger Teenager-Schwangerschaften, eine geringere Selbstmordrate und weniger Gefängnisstrafen”. Dies behauptete Richard Wilkinson, Co-Autor des Buches “The Spirit Level” bei der Tagung.
Eine gerechtere Einkommensverteilung kommt demnach nicht nur jenen zugute, die sozial und ökonomisch benachteiligt sind, sondern allen Einkommensschichten. Für die Zukunft sprach er sich für große soziale Veränderungen aus, die nicht ein mehr an Konsum sondern ein mehr Freizeit bedeutet, und auch eine Verbesserung in der sozialen Umwelt erfordert, so Wilkinson.

Der Vorsitzende des Verbandsvorstandes im Hauptverband, Hans Jörg Schelling, betonte, dass die Gesundheitsausgaben Österreichs – immerhin rund 10 Prozent des Bruttoinlandsprodukts – nur zu 20 Prozent die Gesundheit der Bevölkerung mitbestimmen. Der größere Teil wird von anderen Faktoren beeinflusst. “Um die Gesundheit in Österreich nach dem Motto “Länger leben bei guter Gesundheit” nachhaltig verbessern zu können, braucht es eine Gesundheitsorientierung in allen Politikbereichen (“Health in all politics”)”.

Die Wichtigkeit der Umverteilungsfunktion der öffentlichen Hand und den aktivierenden Sozialstaat als Startrampe betonte Sozialminister Rudolf Hundstorfer . Ohne Umverteilung des Staates würde das Armutsrisiko drei Mal so hoch sein als dieses gegenwärtig ist. Hauptmotor für mehr Verteilungsgerechtigkeit bleibe aber dennoch der Arbeitsmarkt: “In diesem Bereich werden wir auch in Zukunft verstärkt Maßnahmen setzen, die die Arbeitsmarktintegration von Arbeitslosen verbessern helfen”, versprach der Sozialminister.

Montag, 25. Oktober 2010, von Elmar Leimgruber

Österreich wird sterben – Kommentar zum Budget 2011

Das neue -viel zu späte- Budget der österreichischen Bundesregierung stellt vor gedankliche Herausforderungen: Wir haben gewusst, dass wir nach den entscheidenden Wiener Wahlen alle zur Kasse gebeten werden: die einen mehr, die anderen weniger durch. Dass das Sparpaket weniger erschreckend ausfiel als erwartet, mag einerseits beruhigt aufatmen lassen, andererseits aber erfüllt es mich auch mit Sorge, vorallem, weil ich wieder mal den Eindruck habe, dass jegliche Massnahmen mit Blick auf die nächsten Wahlen entschieden werden:

Mal abgesehen davon, dass es ein Skandal ist, dass die Budgetsanierung (bislang bekannt) wieder mal ausschliesslich durch Steuern saniert werden soll anstatt den verstaubten roten und schwarzen Parteimachtblöcken ihre Privilegien zu entziehen und anstelle dessen mutige Strukturreformen durchzuführen. Der teils veraltete und unnötige Beamtenapparat (vor allem in höheren Rängen), der zuweilen auch nur deshalb aufrechterhalten wird, um wohlverdiente Parteifreunde oder Angehörige stattlich zu finanzieren, gehört mal kritisch durchleuchtet und von Privilegien und Freunderlwirtschaft befreit. Und natürlich sollten die Politiker die fähigsten, kompetentesten und verantwortungsbewusstesten Menschen in einem Staat sein. Und daher braucht es auch keinerlei Versorgungsposten für irgendwelche “wohlverdiente” Parteiponzen. Denn die freie Wirtschaft müsste sie als Beste der Besten nach ihrem Ausstieg aus der aktiven Politik umwerben: Leider wird aber auch das nur ein Traum von mir bleiben. Und nein: Ein Beamter ist im Allgemeinen ganz sicher kein Hackler und daher garantiert nicht privilegiert in Pension zu schicken.

Wirklich mutig in guten Sinne ist das Steuerpaket auch nicht, denn die im realen Hoch-Luxus Lebenden verschont geblieben (was aber leider zu erwarten war und was leider auch immer so bleiben wird, egal, welche Parteien gerade regieren, denn wer Überfluss an Geld hat, regiert direkt oder indirekt):

Damit meine ich nicht jene zwar nicht besitzlosen, aber dennoch unreichen Mittelständler mit ein bis zwei Häusern, deren effektiver Warenwert die Millionengrenze schnell überschreiten kann, obwohl sie sich mangels “flüssigem” Kapital auch nicht mehr leisten können als andere. Vielmehr meine ich damit jene Elite-Überreichen, die oft mehrere Gehälter kassieren und so zu Millionen an Euros Jahreseinkommen gelangen: Ganz abgesehen davon, dass es unmoralisch ist, Jahresgehälter von 500.000 Euro und mehr zu kassieren, wenn einfache Arbeiter und Angestellte mit 1000 Euro monatlich wirtschaften können müssen: die haben einfach, wenn sie schon glauben, was “Besseres” zu sein und für die Gesellschaft zu leisten, dies auch durch einen höheren finanziellen Beitrag an die Gesellschaft in Form von “Reichen-Steuern” zu leisten. Das ist keine Frage des Neides, sondern der Gerechtigkeit.

Dass Konzerne schärfer besteuert werden (wobei dies natürlich auch ein zweischneidiges Schwert ist) und die Bankensteuer nun kommt (wobei dafür wohl auch wieder indirekt die Kunden zur Kasse gebeten werden würften) und die Stiftungen und die Aktiengewinne nun besteuert werden sollen, ist aber schon mal ein guter Schritt in die richtige Richtung, obwohl ich hier für eine grundsätzliche Besteuerung von Aktien erst ab einer gewissen Grössenordnung bin.

Die rot-schwarze Regierung hat sich nun aber im Budget für sogenannte Massnahmen entschieden, die darauf abzielen, bei möglichst vielen Menschen gleichzeitig abzukassieren, wodurch der Einzelne im Verhältnis verhältnismässig wenig bezahlen muss, der Staat dafür aber umsomehr davon profitiert:

Dass die Steuer für Tabakprodukte erhöht wird, begrüsse ich ausdrücklich, weil es im Ermessen eines Jeden liegt, ob er dieses “Luxusgut” konsumiert oder nicht. Anders steht es mit der Besteuerung von Flugtickets, was weniger ökologische Ursachen hat, sondern viel mehr ein “billiger” von Deutschland kopierter Versuch ist, Geld zu lukrieren.

Etwas komplizierter ist es mit der Erhöhung der Treibstoffsteuer. So fern sich dies ausschliesslich auf Tankstellen-Sprit bezieht, ist es zwar schmerzhaft für einen Grossteil der Bevölkerung, zumal sie autofahrend unterwegs ist, aber durchaus einsichtig, und zwar nicht nur aus ökologischen Gründen, sondern auch aufgrund des kleine Massnahme-grosse Wirkung-Prinzip, was das Lukrieren von Steuergeldern betrifft. Dennoch erwarte ich mir hier von der Bundesregierung, dass sie dann genauso auch für eine Senkung der Spritpreise bei den Benzinlieferanten stark macht. Und diese Steuer darf keinesfalls, obwohl sie dem Staat viel Geld bringt, auch auf Heizöl und Heizgas angewandt werden, zumal Heizung nun mal im Winter zum täglichen Bedarf gehört.

Dass der Bereich Bildung, Forschung und Entwicklung künftig mehr Geld erhalten soll (wenn auch die Universitäten leider nur 80 Mio. Euro mehr erhalten) ist zwar richtig, notwendig und auch sinnvoll. Aber dass im selben Atemzug die Förderungen für Familien, Kinder, Schüler und Studenten gekürzt und gestrichen werden werden (wofür sich die SPÖ stark machte), könnte man als schlechten Scherz auffassen, wenn es nicht so ernst wäre: Eine Gesellschaft, die nicht dafür Sorge trägt, dass sie genügend Kinder hat und die nicht nur dazu ermutigt, sondern auch finanziell tatkräftigt unterstützt, darf sich nicht wundern, wenn sie nicht nur nicht mehr in der Lage ist, die Pensionen zu bezahlen, sondern letztlich ausstirbt.

Unabhängig von allen ideologischen Diskussionen ist es also im Interesse der Allgemeinheit, kinderfreundlich zu sein und ideale Rahmenbedingungen dafür zu schaffen. Verantwortungsvolle Politiker denken hier nicht nur egoistisch an die nächsten Wahlen, sondern vor allem an die künftigen Generationen. Hier sei vor allem die ÖVP daran erinnert, dass Bundeskanzler Wolfgang Schüssel seinerzeit Wahlen gewann, weil er sich nicht nur zur Familie bekannte, sondern durch zahlreiche Förderungen und Unterstützungen der Öffentlichen Hand das Ja zu Kindern erst finanziell ermöglichte und dass das Abgleiten der “Volkspartei” unter Josef Pröll zu einem an die SPÖ billig verkauften und angeglichenen orientierungs- und willenslosen Haufen erst zu den schweren Misserfolgen der letzten Jahre führte.

Alles andere, was die aktuelle rot-schwarze Regierung im Budget geplant hat, kann ich -bei aller Kritik und Unzufriedenheit- noch irgendwie mittragen, obwohl es zusehr den Stempel der SPÖ trägt (daher ist auch der Gewerkschaftsbund nicht unzufrieden damit), die zum Nachteil des Landes leider sehr ideologisch denkt nach dem Motto: Karriere ist wichtiger als Familie. Genau dieses rein kurzsichtige Denken aber wird -ganz abgesehen davon, dass so schon recht wirtschaftlich betrachtet die Pensionen nicht mehr lange finanzierbar bleiben werden- letztlich zum Untergang unserer Gesellschaft führen wie wir sie heute kennen.

Dieses Budget ist zusammengefasst also einseitig und unterm Strich ungenügend: Manche Steuern sind vielleicht sogar sinnvoll, andere vollkommen Fehl am Platz. Dabei wäre schon aus Verantwortung für die künftigen Generationen echtes Sparen angesagt: an den Strukturen, am Machtapparat, an den Privilegien, an der sinnlosen Geldvernichtung für eigenbrötlerische Prestigeprojekte. Hingegen ausgabenmässig zu “sparen” durch das Aushungern von Familien und durch das Streichen und Kürzen von Familienbeihilfe und Pflegegeldern, kann man nur vollkommen fehlgeleitet, kurzsichtig und unmenschlich nennen.

Von der unter Werner Faymann immer auf die Wünsche der Kronenzeitung und auf die nächsten Wahlen schielenden Populismuspartei Nummer 1, der SPÖ, erwarte ich mir schon gar nichts mehr. Aber von der ÖVP erwarte ich mir und ich hoffe ich -gegen jede Hoffnung-, dass sie aus ihrem verstaubten Kusch-Eck hervorkriecht, sich an ihre christlichen Werte erinnert, sich daran aufrichtet und endlich wieder Farbe bekennt und die Politik des Landes bestimmt. Sonst wird es in ein paar Jahren das kleinste Problem sein, dass die ÖVP praktisch nicht mehr existiert: wer sollte eine an Bünde verpflichtete, aber im Grunde inhaltslose Partei auch wählen wollen?

Das eigentliche Problem ist aber: Österreich wird sterben. Ein Land ohne Kinder kann nicht überleben und hat keine Zukunft. Ausser vielleicht durch viele Migranten aus islamischen Ländern, bei denen viele Kinder ein Statussymbol darstellen. Aber vielleicht ist dies ja ganz im Sinne der SPÖ.

Weitere politische Kommentare (Auswahl):

- zum Wiener Wahlergebnis

- im Vorfeld der Wien-Wahl

- zur Machtergreifung der SPÖ im ORF

- über Freie Medien

- über die österreichische Bundesregierung

- über den Medienmacher Hans Dichand

- über HC Strache

- über SPÖ Niessl

- über Helmut Zilk

- über Bruno Kreisky

Montag, 20. September 2010, von Elmar Leimgruber

20. September ist Weltkindertag: UNICEF ruft zum Kampf gegen Armut

Kinderarbeit in Peru
Foto: UNICEF Alejandro Balaguer

Vor 56 Jahren beschloss die Vollversammlung der Vereinten Nationen (UNO) die Einführung des Weltkindertages mit dem Ziel, die Rechte der Kinder zu stärken und die Freundschaft unter Kindern und Jugendlichen zu fördern. Anlässlich des diesjährigen Weltkindertags unter dem Motto “Respekt für Kinder” am 20. September und des Starts des Millenniumsgipfels der Vereinten Nationen in New York am selben Tag fordert das Kinderhilfswerk der UNO, UNICEF, mehr Einsatz der Regierungen für die Rechte der Kinder.

Zum Auftakt des Millenniumsgipfels der Vereinten Nationen ruft UNICEF die Regierungen dazu auf, ihre Versprechen zu halten und den Kampf gegen Armut und Unterentwicklung zu verstärken. Insbesondere müssen mehr Investitionen in die Grundbildung von Kindern gemacht werden. Weltweit gehen über 100 Millionen Kinder nicht einmal in eine Grundschule.

Kinder in Nicaragua
Foto: UNICEF Alejandro Balaguer

Nach einer aktuellen Studie von UNICEF sind zwar in den vergangenen Jahrzehnten Fortschritte bei der Armutsbekämpfung, beim Kampf gegen die Kindersterblichkeit und bei den Einschulungsraten zu verzeichnen. Doch diese sind sehr ungleich verteilt und gerade die ärmsten Kinder sind vielfach davon ausgeschlossen. Die globale Finanzkrise, der Klimawandel, die wachsende Zahl von Naturkatastrophen sowie bewaffnete Konflikte verschärfen die Not der ärmsten Familien. Über eine Milliarde Menschen leben heute in extremer Armut – mehr als die Hälfte davon sind Kinder.

“Die ärmsten Kinder leiden am meisten unter Krankheiten, Hunger und Ausbeutung. Sie müssen im Mittelpunkt aller Anstrengungen stehen, sonst scheitern die Millenniumsziele. Investitionen in die ärmsten Kinder sind nicht nur eine Frage der Gerechtigkeit. Sie sind der wirksamste Beitrag für nachhaltige Entwicklung und Sicherheit”, erklärt Jürgen Heraeus, Vorsitzender von UNICEF Deutschland.

Am Weltkindertag, 20.9.2010 beginnt in New York der Millenniumsgipfel der Vereinten Nationen. Zehn Jahre nach ihrer Verabschiedung ziehen die Regierungen Bilanz über die Umsetzung ihres Versprechens, die folgenden acht messbaren Ziele zur Überwindung von Armut und Unterentwicklung bis zum Jahr 2015 zu verwirklichen:

Millenniumsziel 1: Halbierung von Hunger und Armut: Die Zahl untergewichtiger Kinder unter fünf Jahre ist zwar gegenüber 1990 zurückgegangen. Doch noch immer leidet im globalen Durchschnitt jedes vierte Kind unter fünf Jahren an Untergewicht – mit großen regionalen Unterschieden. Nur die Hälfte der Länder ist auf dem Weg, das Millenniumsziel bis 2015 zu erreichen.

Millenniumsziel 2: Grundbildung für alle: Die Einschulungsraten sind in den Entwicklungsländern seit 1990 gestiegen. Fortschritte gab es vor allem dort, wo Schulgebühren abgeschafft wurden. Doch noch immer gehen über 100 Millionen Kinder nicht zur Schule – die meisten davon in Südasien und im südlichen Afrika.

Millenniumsziel 3: Geschlechter gleichstellen: In zwei Drittel der Länder sind die Einschulungsraten von Mädchen und Jungen inzwischen in etwa gleich. Doch vor allem im Nahen Osten, Südasien und im südlichen Afrika sind insbesondere Mädchen aus armen Familien beim Schulbesuch weiter benachteiligt. Ohne Bildung und Aufklärung können sie sich schlechter gegen sexuelle und wirtschaftliche Ausbeutung schützen.

Überlebensmittel Trinkwasser
Foto: UNICEF Shehzad Noorani

Millenniumsziel 4: Kindersterblichkeit um zwei Drittel senken: 1990 starben in den Entwicklungsländern im Durchschnitt etwa 90 von 1.000 Kindern vor ihrem fünften Geburtstag. Heute ist die Rate auf 60 pro Tausend gesunken – immer noch zu wenig, um das Millenniumsziel zu erreichen. Die meisten Kinder sterben an vermeidbaren oder behandelbaren Krankheiten. Erfolge gibt es bei der Bekämpfung der Masern, einer der Haupttodesursachen von Kleinkindern.

Millenniumsziel 5: Reduzierung der Müttersterblichkeit um drei Viertel: Die medizinische Versorgung Schwangerer wurde verbessert. Aber insbesondere in ländlichen Gebieten der Entwicklungsländer gibt es kaum ausrechende medizinische Hilfe für werdende Mütter. Die Folge: Jedes Jahr sterben über 358.000 Frauen an den Folgen von Schwangerschaft und Geburt.

Millenniumsziel 6: Krankheiten wie AIDS und Malaria bekämpfen: Die Aids-Aufklärung bei jungen Menschen wurde verbessert, aber das Wissen und die Bereitschaft Kondome zu benutzen variieren stark. In allen Regionen haben mehr HIV-positive Kinder Zugang zu Aids-Medikamenten – trotzdem gibt es immer noch für zwei Drittel der betroffenen Kinder keine Behandlung. Die Anstrengungen zur Eindämmung von Malaria zeigen zwar Wirkung. Aber die Tropenkrankheit ist immer noch eine der häufigsten Todesursachen bei Kindern.

Millenniumsziel 7: Zugang zu sauberem Trinkwasser und Sanitäranlagen: Weltweit stieg der Anteil der Menschen, die Zugang zu sauberem Wasser haben, von 77 Prozent (1990) auf 87 Prozent. Doch bis heute haben nach wie vor über 880 Millionen Menschen kein sauberes Trinkwasser. Rund 1,1 Milliarden müssen ihre Notdurft im Freien verrichten.

Millenniumsziel 8: Entwicklungshilfe ausbauen: Die weltweiten Entwicklungshilfeleistungen sind in den vergangenen zwei Jahren gestiegen. Doch lediglich Dänemark, Schweden, Norwegen, die Niederlande und Luxemburg erreichen das Ziel, 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens für Entwicklungshilfe aufzuwenden. Deutschland liegt bei 0,4 Prozent. Im Durchschnitt geben die Industrieländer 0,31 Prozent. Ohne verstärkte Unterstützung durch die Industrieländer wird ein Großteil der Kinder in Entwicklungsländern weiterhin in Armut leben.

Dienstag, 27. Juli 2010, von Elmar Leimgruber

Barenboim: Frieden heisst, den ersten Schritt auf den anderen zugehen


“Wie kann man verkünden, dass man Frieden will, ohne allen Menschen die gleichen Grundrechte einzuräumen,” fragte gestern der der jüdische Stardirigent Daniel Barenboim bei seiner Eröffungsrede der Salzburger Festpiele. Friede sei mehr als ein Zustand der Nicht-Aggression: “Friede verlangt Perfektion, nämlich die Perfektion von Gerechtigkeit, Strategie und Mitgefühl.”

Friede könne demnach nur erreicht werden, “wenn eine für alle Beteiligten günstige Lösung gefunden werden kann, eine Lösung, die für alle gerecht, in strategischer Hinsicht für alle von Vorteil und in Bezug auf alle moralisch vertretbar ist. Zu warten stellt in keinem Fall eine Option dar, denn wenn man wartet, gestattet man es bloß ungeduldigen, militanten Elementen, die Oberhand zu gewinnen,” erläuterte der bereits seit Kindestagen auch erfolgreiche Pianist seinen Standpunkt.

“Die wirklich brennende Frage ist nicht die, ob die Lösung in der Erschaffung eines Zweivölkerstaats oder in der eines legitimen und souveränen palästinensischen Staats besteht. Die wirklich aktuelle Frage ist die, ob beide Parteien willens sind, aufeinander zuzugehen”, bezog der Dirigent erneut zum Konflikt im Nahen Osten Stellung: “Zu warten, bis der andere zu einem kommt, ist eine kurzsichtige Taktik, eine, die seit mehr als sechzig Jahren erfolglos geblieben ist. Man hat oft gesagt, dass Gerechtigkeit Opfer verlangt, aber was für ein Opfer stellt die Aufhebung der Besetzung palästinensischen Gebiets und der Abriss jüdischer Siedlungen dar?”

Jetzt sei es an der Zeit, die einerseits bewunderten und andererseits verachteten Eigenschaften des jüdischen Volkes, “die hohe Moral, das Gerechtigkeitsempfinden und die Intelligenz wieder zu entdecken, sich um eine universelle Moral zu bemühen, eine Moral, die wir nicht nur auf uns selbst anwenden, sondern auf alle Völker, einschließlich des palästinensischen,” forderte Barenboim: “Es gibt keine andere Lösung, wenn der Staat Israel eine Zukunft haben will und wenn die Palästinenser irgendwann in den Besitz ihrer Grundrechte gelangen sollen”.

Und jetzt sei auch der richtige Zeitpunkt, “sich des Einflusses bewusst zu werden, den ein internationales Festival von dieser Bedeutung, von solch hohem künstlerischem Niveau und mit solch einer illustren Geschichte haben könnte. Und vor allem ist es der richtige Zeitpunkt, einmal zu überlegen, welche Verantwortung sich aus einem solchen Einfluss ableitet. Diese Verantwortung besteht nämlich darin, eine Quelle der Stärke und der moralischen Autorität darzustellen, mit deren Hilfe man extremistische, fundamentalistische Ideologien de-radikalisieren oder ihnen entgegenwirken kann. Und sie besteht auch darin, ein Forum für Gespräche über die notwendigen Voraussetzungen für Frieden abzugeben”, erklärte der Dirigent.

Musik biete zwar sowohl die Möglichkeit, die Hässlichkeit der Welt zu vergessen, und verleihe die Fähigkeit verleiht, die Welt und ihre Gräuel zu verstehen und zu transzendieren, aber es erfülle ihn dennoch mit Schmerz: “Ich fühle mich persönlich zerrissen von jenem Bruch, der zwischen Israelis und Palästinensern besteht, demselben Bruch, der auch Israel daran hindert, eine praktikable Lösung für die Zukunft zu finden. Nichts, was ich sage, kann diesen Bruch heilen, keine Sonate, Symphonie oder Oper kann die tiefe Kluft zwischen zwei Völkern, die nicht willens sind, die notwendigen Schritte zur gegenseitigen Annäherung zu machen, schließen,” so Barenboim.

Hier ist die Rede Daniel Barenboims in voller Länge abrufbar.

Weitere Beiträge über Daniel Barenboim:

- Das Brahms-Requiem interpretiert von Barenboim (CD-Besprechung)

- Barenboim oder wie das Leben so spielt (Konzert-Kritik)

- Barenboim und der Gottesdienst (Konzert-Kritik)

- Barenboim und das spirituelle Opfer (Konzert-Kritik)

- Barenboim und der Frühling (Konzert-Kritik)

- Barenboim, der Renaissance-Musiker (Konzert-Kritik)

Und hier können Sie der Musik von Daniel Barenboim als Dirigent und Pianist lauschen:

Donnerstag, 24. Juni 2010, von Elmar Leimgruber

Reiche wollen höhere Steuern zahlen (Info und Kommentar)

Viele Deutsche mit hohem Einkommen würden angesichts der Finanzkrise des Staates höhere Steuern in Kauf nehmen. In einer Umfrage für das Hamburger Magazin stern sagten 42 Prozent der Deutschen, die über ein Haushaltsnettoeinkommen von 4000 Euro und mehr verfügen, sie seien zur Bewältigung der Krise grundsätzlich bereit, mehr Steuern zu entrichten. Ähnlich hoch (43 Prozent) ist der Prozentsatz in der Einkommensklasse zwischen 3000 und 4000 Euro netto im Monat. Sogar knapp jeder Dritte, der weniger als 3000 Euro netto im Monat verdient, würde angesichts der Haushaltskrise mehr zahlen. Datenbasis für die Forsa-Umfrage waren 1001 repräsentativ ausgesuchte Bundesbürger vom 16. und 17. Juni 2010.

Ihre Bereitschaft zu höheren Steuern erklären im neuen stern auch mehr als 50 Unternehmer, Prominente oder weniger bekannte, gut verdienende deutsche Bundesbürger. Ernst Prost, Chef des Motorenöl-Herstellers Liqui Moly, sagt: “Mir ist das ein Rätsel, warum die Politik Leute vor einer höheren Belastung verschonen will, die gar nicht verschont werden wollen.” Modeunternehmer Jürgen Hoch empfindet es als “blanken Hohn, wenn Hartz-IV-Empfängern das Elterngeld gestrichen wird, und Leute wie ich müssen keinen Cent mehr bezahlen”. Auch Porsche-Konzernbetriebsratschef Uwe Hück hält es für “ungerecht und einen Skandal, wenn die Folgen der Krise nur von den Geringverdienern getragen werden”. Hück zum stern: “Ich erwarte von einer Regierung, dass sie Typen wie mich, die gutes Geld verdienen, stärker zur Kasse bittet”.

Die soziale Schieflage des Sparpakets prangert auch Tim Renner an, der Geschäftsführer der Motor Entertainment Group in Berlin. “Es ist obszön, dass der von den Finanzmärkten verursachte volkswirtschaftliche Schaden ausgerechnet von Arbeitslosen und Hartz-IV-Empfängern beglichen werden soll”, so Renner zum stern. Um den Größenwahn zu stoppen, der die Finanzkrise auslöste, schlägt Trigema-Chef Wolfgang Grupp vor, den Spitzensteuersatz “auf 60 oder 70 Prozent zu erhöhen und denen, die persönlich haften, einen Rabatt von 50 Prozent einzuräumen.”

“Eindeutig ja” zu mehr Steuern sagt im neuen stern auch Schauspieler Joachim Fuchsberger. “Wir hatten ja schon höhere Einkommenssteuersätze und sind auch nicht verhungert. Ich bin bereit, meinen Beitrag zu leisten beim Auslöffeln der Suppe, die wir uns alle eingebrockt haben”, so der 83-Jährige. Für einen “neuen Lastenausgleich” ist Autor und Ex-Tagesthemen-Moderator Ulrich Wickert: “Jeder, der mehr als 5000 Euro im Monat verdient, zahlt ein Monatsgehalt an den Staat, um damit die Schulden abzutragen”

Über das Thema Ungleichgewicht habe ich schon mehrmals geschrieben, so habe ich beispielsweise mal Jahreseinkommen von über 500.000 Euro als unmoralisch verurteilt, wo ich nach wie vor dahinterstehe.

Ich halte es zwar für problematisch, wenn im Rahmen von geplanten Steuererhöhungen wieder mal vor allem jene zur Kasse gebeten werden, die eh immer alles sanieren müssen und immer am meisten absahnen müssen (die bis zu einem Gehalt von 5.000 Euro monatlich). Aber: Solidarität ist das Gebot der Stunde: Wenn selbst schon Grossverdiener es offenbar mittlerweile einsehen, dass das Gleichgewicht nicht stimmt, wenn den Armen immer noch mehr weggenommen oder (vor allem berechtigte Sozialleistungen) verwehrt wird, dann wird es Zeit, dass nicht nur die Politiker umdenken. Es ist höchste Zeit, dass vor allem jene wirklich ganz ganz oben an den Geld-, Macht- und Einflusstöpfen, die die eigentlichen Regierenden sind, auch ein Einsehen finden und bereit sind, jene an ihrem Überfluss teilhaben zu lassen, die jedes Monat ums finanzielle Überleben kämpfen müssen.

Samstag, 6. März 2010, von Elmar Leimgruber

Globalisierung: Ist wirtschaftlicher Wohlstand ein Menschenrecht?

Am 24.9.2001 verfasste ich auf meiner damaligen Homepage einen vielbeachteten Kommentar, der -angesichts der heutigen Wirtschaftskrise- nach wie vor Gültigkeit besitzt.

Mein damaliger Kommentar im Wortlaut:



Wirtschaftlicher Wohlstand – Ein Menschenrecht (?)

Durch Globalisierung zu mehr oder zu weniger Armut?

Spätestens seit dem G8-Gipfel in Genua und den Zusammenstößen von Demonstranten mit der Polizei hat das Thema Globalisierung wieder eine breite Öffentlichkeit erreicht. Die Kluft zwischen dem reichen Norden und dem armen Süden sei hausgemacht und werde eben gerade durch die Globalisierungstendenzen erzeugt, ja heraufbeschworen, sagen Gegner einer “Weltwirtschaft”.Erst vor wenigen Tagen hatten Globalisierungsgegner die Weltbank und den Internationalen Währungsfond (IWF) aufgefordert, alle ihre Sitzungen öffentlich zugänglich zu machen. Zudem sollten den Ländern der Dritten Welt ihre Schulden erlassen werden, bekräftigte die “Bewegung für weltweite Gerechtigkeit”, eine Dachorganisation von Protestgruppen, in Washington. Die gegenwärtige Politik, die den Einwohnern armer Länder den Zugang zu Gesundheitsversorgung und Bildung erschwere, müsse geändert werden. Der IWF hingegen wird seine Prognose für das Weltwirtschaftswachstum in diesem Jahr erneut nach unten revidieren, und zwar auf 2,8 von 3,2 Prozent. Ob sich die Weltkonjunktur dann 2002 erholen werde, bleibe ungewiss, hieß es aus IWF-Kreisen.Die G8 haben in Genua zwar u.a. beschlossen, dass die 14 ärmsten Staaten der Welt keine Zollgebühren mehr für ihre Exporte entrichten müssen, aber es werde keine weiteren Schuldenerlasse mehr für diese geben. Globalisierung sei nicht die Ursache der Not in der Dritten und Vierten Welt, hieß es. Im Gegenteil: Die Öffnung der Märkte sei das einzige probate Mittel, um Armut in den unterentwickelten Ländern zu bekämpfen, so die Staats- und Regierungschefs der USA, Kanadas, Frankreichs, Großbritanniens, Deutschlands, Italiens, Japans und Rußlands.

“Die Globalisierung ist eine Tatsache, ob sie uns gefällt oder nicht”, meinte auch EU-Kommissionspräsident Romano Prodi unlängst. “Wir haben die Aufgabe, sie zu beherrschen und in den Dienst des Menschen zu stellen”, forderte Prodi. Das Problem der Armut in der Welt lasse sich nicht mit weniger, sondern nur “mit mehr Globalisierung” lösen. “Das Europa, wie ich es mir vorstelle, ist ein soziales Europa, ein Europa der Bürger, das der Welt als Vorbild dient, weil es Schutz bietet und in der Lage ist, auch in den aufstrebenden Ländern für Wohlstand und Wachstum zu sorgen”. Dafür wolle er kämpfen und “vor allem jene Kräfte zurückdrängen, deren Reichtum sich aus der Armut anderer speist”, erklärte der EU-Kommissionspräsident abschließend.

Reichtum und Armut gibt es aber nicht nur zwischen einzelnen Staaten, sondern auch in jedem Land selbst. Nach Angaben der Caritas wandten sich allein im vergangen Jahr über 60.000 Menschen in Österreich an die Hilforganisation. Sie sei auch die erste Anlaufstelle für Menschen, die am Rand der Armut und Obdachlosigkeit stehen. Ihnen werde Beratung und Unterstützung im Umgang mit Ämtern angeboten, schwangeren Frauen werde Arbeit vermittelt, Sachhilfen in Form von Lebensmittel, Kleidung und Möbel oder einer finanziellen Überbrückungshilfe gegeben. Ein relativ neues Phänomen der Armut sind laut Caritas hochverschuldete junge Menschen, die durch gesellschaftlichen Druck oder Medien ihre materiellen Grenzen überschreiten und ohne fremde Hilfe in die Obdachlosigkeit abgleiten.

Der gesellschaftliche Druck, sich alles leisten zu müssen, weil es sich “die anderen” ja auch leisten, kann sich in der Tat verheerende Folgen haben für die, die das nötige Geld hierfür eben nicht haben. Und auch die von Banken verlockenden günstigen Kredite verführen so manche junge Familie dazu, sich auf Schulden einen vorübergehenden Luxus zu leisten. Vorübergehend aber im durchaus im wörtlichen Sinn, weil er oft spätestens dann zu Ende ist, wenn einer der Partner seinen Arbeitsplatz verliert oder wenn sich die Partner trennen. Auch sind die von den Sozialpartnern ausgehandelten Kollektivverträge für die verschiedenen Branchen nach wie vor sehr unterschiedlich, vor allem was die Festlegung des Mindestgehaltes betrifft. Wenn die New Economy auch seit Monaten eine intensives wirtschaftliches Erdbeben verspüren mag: nach wie vor ist dort noch am meisten zu verdienen, dafür wenig im Bau- und Industrie- und Gastgewerbe. Auch von daher wird so eine finanzielle Gleichheit der Menschen auch in Österreich schwer realisierbar sein.

Im Artikel 25 der allgemeinen Erklärung der Menschenrechte heißt es zwar, dass jeder Mensch “Anspruch auf eine Lebenshaltung hat, die seine und seiner Familie Gesundheit und Wohlbefinden” wie Nahrung, Wohnung, ärztliche Betreuung und Sozial- Fürsorge, gewährleistet. Aber heißt das nur, dass jeder Mensch das Recht hat, sozial abgesichert bloß zu überleben oder muss er sich finanziell auch noch mehr als das Lebensminimum leisten können? Wo endet die Armut und wo beginnt der sogenannte Wohlstand? Für einen fast Verdurstenden in der Wüste kann beispielsweise ein Schluck Wasser auch schon Reichtum bedeuten.

Gibt es denn ein Recht auf wirtschaftlichen Wohlstand? Wohl eher nicht. Und garantiert ein gewisser Lebenstandard im Sinne eines wirtschaftlichen Wohlstands auch gleichzeitig, dass der Mensch dadurch glücklich wird? Offenheit und Hellhörigkeit für Leid, Not und Armut sowie Solidarität werden aber meines Erachtens zu Recht erwartet, besonders von “zivilisierten” Staaten, Institutionen und Menschen, die im Wohlstand leben. Bedenkenswert wäre aber auch die Vision, die Güter der Erde gerechter zu verteilen, sowohl zwischen reichen und armen Ländern als auch zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern.