Mit ‘Euro-Rettungsschirm’ getaggte Artikel

Montag, 26. Januar 2015, von Elmar Leimgruber

Was der Linksruck in Griechenland für Europa bedeutet

Griechenland hat nun also gewählt. Und ich habe großes Verständnis für das Wählerverhalten. Das Land, das die Wiege der Demokratie ist und selbst der Logik, zumindest wenn man den alten griechischen Philosophen jene Ehre zukommen lässt, welche sie in der Tat verdienen. Das Land am Mittelmeer hat in den vergangenen Jahren mehr als genug gelitten, aber nicht unter den “Schikanen” der EU -was man der Bevölkerung dort aus populistischen Gründen seit Jahren eintrichtert- sondern wegen der schwerwiegenden Fehler der früheren vielfach sozialistisch geführten Regierungen.

Während also seit Jahren unter den Griechen ein EU- und vor allem ein Deutschland-Hass gezüchtet und genährt wurde, ist es aber letztlich genau der EU und hier vor allem Deutschland zu verdanken, dass das seit Jahren nicht nur schwerverschuldete, sondern teils sogar zahlungsunfähige Land Griechenland immer wieder EU-Hilfszahlungen erhält und damit die drohende Staatspleite, welche die Bevölkerung dort erst recht vernichten würde, erfolgreich verhindert wird. Seit den Hilfsvereinbarungen ab 2010 flossen (von der EU und vom IWF) insgesamt 227 Milliarden Euro an Hilfsgeldern nach Griechenland. Und zudem wurde zwischen der EU und Griechenland bereits vereinbart, dass sowohl die Laufzeit der EFSF-Kredite gegenüber der ursprünglichen Vereinbarung um 15 Jahre verlängert wird als auch  die Regierung in Athen bis 2022 (!) keine Zinsen auf das geborgte Geld zahlen muss. Das sind keinesfalls unseriöse Bedingungen.

Natürlich könnte man jetzt sagen, dass gleich nach dem Auftreten der ersten finanziellen Probleme Griechenlands dessen Austritt aus der Europäischen Union zumindest hätte ernsthaft überlegt werden müssen. Nur: Eine Europäische Union, vor allem eine Währungsunion, welche alle Euro-Staaten miteinander in einer Währung verbindet, ist nun mal (zumindest im Notfall) auch eine Solidargemeinschaft, ob man dies nun will oder nicht. Nur so hat sie meines Erachtens überhaupt einen Sinn: So lange es eine Währungsunion in dieser Form gibt, führt an der Solidarität kein Weg vorbei.

Also musste alles versucht werden, um konjunkturschwächere Staaten (nicht nur Griechenland) mit Krediten zu unterstützen und damit ihre Mitgliedschaft in der Union zu erhalten, Natürlich nicht ohne Bedingungen: Niemand (egal ob als Privater, als Bank oder als Staat) borgt wem anderen über Jahre hindurch immer wieder neues Geld, wenn die Wahrscheinlichkeit, dass das Geld inklusive Zinsen zurückgezahlt wird, unwahrscheinlich ist bzw. immer mehr sinkt. Daher werden selbstverständlich Kriterien ausgehandelt, die dafür sorgen sollen, dass durch notwendige Reformen die Ausgaben immer geringer werden und damit auch die Wahrscheinlichkeit der Rückzahlung gegeben ist. Genau dies verlangt die EU, allen voran Deutschland als Hauptgeldgeber (29%) der Kredite von Griechenland vollkommen zu Recht. So erklärt das offenbar aber niemand der griechischen Bevölkerung, weshalb die EU und allen voran Deutschland -zu Unrecht- als die Griechenland-Zerstörer diffamiert werden.

Selbstverständlich kann und muss man darüber reden, wie die Hilfsgelder teilweise auch direkt der griechischen Bevölkerung zugute kommen. Andererseits hat die griechische Regierung aber nach wie vor (ein Relikt aus der sozialistischen Versorgungs-Ära) einen sowohl personell als auch finanziell sehr aufgeblasenen Staats- und Beamtenapparat zu bezahlen. Haben aber die Banken keine Gelder zur Verfügung, gibts diese weder über die Geldautomaten und erst recht nicht für den Staat zur Bezahlung der Gehälter von Staatsbediensteten und Beamten. Und: Besser massive Gehaltskürzungen als Kündigungen. Das muss man der griechischen Bevölkerung auch mal darlegen.

Während ich nach den letzten Griechenland-Wahlen noch begeistert war von der überdurchschnittlichen Besonnenheit der griechischen Bevölkerung, habe ich diesmal zwar einen Wahlsieg des linken Nationalpopulisten (wie passt das überhaupt zusammen?) Alexis Tsipras von Syriza befürchtet. Die Bevölkerung musste ja wirklich harte Sparmaßnahmen über sich ergehen lassen und auch die Arbeitslosigkeit stieg dramatisch, ich hoffte aber dennoch erneut auf eine vernünftige Entscheidung der Bevölkerungs-Mehrheit. Und diese wäre auch mit Sicherheit zustande gekommen, würden nicht (wie in anderen Ländern genauso) letztlich in Krisenzeiten immer die charismatischen Populisten (egal ob links oder rechts) die Wahlen gewinnen.

Tsipras trat mit unrealistischen Forderungen an und gab Wahlversprechen ab, die er mit ziemlicher Sicherheit nicht einhalten wird können: Grundsätzliche aber nicht die Substanz ändernde Neuverhandlungen mit der EU sind zwar wohl möglich. Aber wer sollte die Kredite von  227 Mrd. Euro zurückzahlen, wenn nicht der Schuldner Griechenland selbst? Und warum sollte das hochverschuldete und (ohne Finanzhilfen) und immer wieder zahlungsunfähige Land auch weiterhin Milliardenhilfen erhalten, wenn es nicht bereit ist, die eingeleiteten Reformen fortzuführen und damit die Wahrscheinlichkeit der Rückzahlungsmöglichkeit zu erhöhen? Seien wir uns ehrlich: Das ist nicht nur unwahrscheinlich, sondern einfach unrealistisch.

Die griechische Bevölkerung hier derart zu täuschen und zu blenden und sie mit falschen Wahlversprechen zu ködern, ist in hohem Maße verantwortungslos. Selbst wenn ich Tsipras als Idealisten betrachten würde, dem es tatsächlich um das Wahl seiner Bevölkerung geht, müsste ich ihm -der ja keinesfalls mehr ein Newcomer in der Politszene ist- politische Naivität vorwerfen. Ich befürchte aber eher, dass sein Wille zur Macht Staat der eigentliche Grund seines Handelns sein könnte.

Schon bald wird sich dann zeigen, ob Tsipras (falls er Regierungschef wird), tatsächlich diese seine Vorhaben umsetzen wird: die Superreichen des Landes hoch besteuern (viel Erfolg dabei!) und die Armen steuerlich entlasten, Neuverhandlungen mit der EU, Erzwingung eines weiteren Schuldenschnitts, aber kein Austritt aus der Eurozone.

Vor allem Deutschland als Hauptkreditgeber für Griechenland konnte die Hilfszahlungen für Griechenland schon anfangs der eigenen Bevölkerung gegenüber nur damit rechtfertigen, dass es sich hierbei um Kredite handelt, die selbstverständlich wieder zurückgezahlt werden müssen. Diese Gelder fehlen nun mal in Deutschland, Österreich und weitern EU-Ländern massiv. Und große Teile der Bevölkerung haben zunehmend immer weniger Verständnis dafür, wenn Milliarden an Euros für Banken- und Staaten-Rettungen offenbar im Übermaß vorhanden sind,  jedoch nicht, wo es um die finanzielle Grundversorgung der eigenen Bevölkerung geht. Ein bedeutsamer Schuldenschnitt der kreditgebenden Euroländer für Griechenland verbunden dennoch mit weiteren Hilfszahlungen würde also nicht nur die betroffenen Staatskassen langfristig massiv belasten, sondern führte zu einem weiteren Wirtschaftseinbruch und damit verbunden zu noch mehr Arbeitslosen. Mittelfristig würde das noch viele weitere Bevölkerungsschichten auf die Straße treiben, nicht aus Boshaftigkeit, sondern aus Sorge um ihr finanzielles Überleben.

Natürlich war das warnende Statement der deutschen Bundeskanzlerin in bezug auf die griechischen Wahlen notwendig: Die Eurozone ist tatsächlich ohne Griechenland und auch ohne weitere Pleitestaaten denkbar. Selbstverständlich. Nur: Welchen Sinn macht dann ein Klein-Euro-Gebilde überhaupt noch?

Und auch wenn dieses Thema noch nicht aktuell sein mag: In ein Fass ohne Boden wirft man irgendwann kein Geld mehr, vor allem nicht Milliarden: Ohne die Einhaltung von Bedingungen wirds auf Dauer kein Geld mehr geben. Also zuerst der sichere Boden im Fass, dann das Geld. Wie der Boden aussehen muss, darüber darf und muss (z.B. Sinnhaftigkeit gewisser Reformen und direkte Geldzahlungen an die griechische Bevölkerung) gern diskutiert werden. Aber dass Griechenland langfristig den Geberländern das geborgte Geld zurückzahlen muss, darf nicht in Frage gestellt werden.

Mittwoch, 25. Juli 2012, von Elmar Leimgruber

Euro: Schluss damit!

Ich bin ein überzeugter Europäer ohne Wenn und Aber. Doch “Europa braucht den Euro nicht”: Bin diesbezüglich ganz der Meinung von Thilo Sarrazin (vgl. dazu meinen Bericht über seinen Vortrag in Wien). Auch für mich war jahrzehntelang der Traum eines geeinten Europa unter einer gemeinsamen Währung wünschens- und lebenswert. Und ich bin allen dankbar, welche alles darangesetzt haben, diesen Traum zu verwirklichen. Doch jetzt lautet das Gebot der Stunde: Umdenken!

Doch Europa ist nicht eins, weder ideologisch noch im Willen noch in der Mentalität: Jeder Staat in Europa will selbst bestimmen, wie er regiert und will vor allem selbst darüber entscheiden, wie und wofür er seine Gelder einsetzt. Zudem werden dann auch noch -wie besipielsweise in Frankreich- populistische Politiker gewählt, die den Menschen -entgegen der Realität- das soziale Paradies auf Erden (basierned typisch sozialistisch auf weiterer Geldverschwendung) versprechen.

Eine gemeinsame Eurozone ist auf Dauer nur möglich, wenn jedes Land auf seine wirtschaftliche Souveränität verzichtet und niemand dabei ausschert (wirtschaftliche EU-Zentralregierung). So lange jeder Euro-Staat mit öffentlichem Geld selbstbestimmt agieren kann, wird es immer eine Ungleichheit geben und es wird immer mehr Euro-Pleitestaaten geben, die nur dadurch (wenn überhaupt) überleben können, dass andere Staaten sie mitfianzieren. Aber selbst die anderen, die gesunden Staaten, haben nicht unbegrenzte Geldmittel zur Verfügung. Das -und das muss ich abermals betonen- ist der wirtschaftliche Untergang Europas. Daher meine eindringliche Bitte, vor allem an den Euro-Baumeister Deutschland: Schluss mit dem Euro! Jetzt!

Man muss -bei aller Schmerzhaftigkeit der Einsicht des Versagens- jetzt endlich Kartext reden: Das gemeinsame Projekt Euro ist gescheitert. Leider. Die Idee, der Traum, war großartig, aber er war bedauerlicherweise -aufgrund der (wirtschaftlichen) Unterschiedlichkeit der Staaten- nicht verwirklichbar.

Dass Ratingagenturen den Ausblick des Euro-Rettungsschirms auf negativ senken ist nachvollziehbar. Noch mehr zu denken geben muss aber die Tatsache, dass selbst der wirtschaftliche Ausblick der finanziell tragenden Säulen der Eurozone, von Deutschland, Niederlande und Luxemburg aufgrund der gemeinsamen Haftung in Europa auf negativ gesenkt wurde.

Und nein: Ein Lästern über die ach so bösen Ratingagenturen ist die falsche Antwort. Die richtige Antwort muss lauten. Das Euro-Projekt ist gescheitert. Solidarität im gemeinsamen Europa ist lobenswert, aber nur dann, wenn nicht alle dadurch sterben:

Die Eurozone ist mit einer Stadt mit einem schönen Zntrum, umgeben von mühsam errichteten feuerfesten Stadtmauern vergleichbar, der sich immer mehr Nachbarstädte anschließen und es so eine einzige große Stadt, jedoch mit autonomen Regierungen entsteht: Die Regierung des Stadtzentrums ernahnt jahrelang die Städte in den Außenbezirken zum Schutz aller, sich um genügend Wasservorräte zu kümmern und größten Wert auf den Brandschutz zu legen, doch dies wird ignoriert. So beginnen immer mehr Städte in den Außenbezirken, die sich nie um Brandschutz gekümmert haben, zu brennen, da sie sich nie um Brandschutz und um genügend Wasservorräte gekümmert haben. Jene Häuser im Zentrum der Stadt, die immer schon Wert auf Brandschutzmaßnahmen gesetzt haben, schicken nun ihre Feuerwehren mit immer mehr Wasser zu den brennenden Städten im Umkreis, aber diese brennen mangels Brandschutz weiter und es kommen neue brennende Häuser hinzu, weil es offenbar sogar Brandstifter gibt.

Irgendwann droht das Wasser des Zentrums auch endgültig zu versiegen und es ist allen klar, dass es nicht mehr möglich ist, weiteres Wasser für andere zur Verfügung zu stellen, weil sonst die gesamte Stadt in Flammen steht. Unter Schmerzen ist das Stadtzentrum nun zum Selbstschutz gezwungen, die Wasserlieferungen an außerhalb einzustellen und auch die brandsicheren Tore zu schließen, weil es einfach keine Alternative gibt: Und bei allem Idealismus: Auch in der Politik muss man endlich aus dem Traum erwachen:

Eine europäische Wirtschafts-Zentralregierung ist nach wie vor undenkbar, und selbst dann, wenn sie gelingen würde, wäre es jetzt vermutlich schon viel zu spät dafür. Um ein wirtschaftliches Überleben aller EU-Staaten zu ermöglichen, muss der Euro weg, damit die einzelnen Staaten über die Inflation die Möglichkeit erhalten, wettbewerbsfähig zu bleiben. Entscheidet man sich hingegen für den Fortbestand des Euro, werden alle untergehen, weil Deutschland, Luxemburg, Niederlande, Finnland und Österreich wirtschaftlich nicht der Lage sind, alle anderen EU-Staaten zu finanzieren und daher alle pleite sein werden.

Ich appelliere daher eindringlich an alle Verantwortlichen in Europa, verantwortungsvoll zu agieren und den gemeinsamen Euro friedlich zu begraben, bevor es zu spät ist. Bitte darum. Alle anderen Gemeinsamkeiten, wie die Grenzenfreiheit und Zollunion können und sollen dennoch bleiben.

Weitere Berichte und Kommentare zur Thematik:

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Donnerstag, 3. November 2011, von Elmar Leimgruber

Die Zeit ist reif für eine europäische Zentralregierung

Nein, das kann so nicht weitergehen mit der Europäischen Union (EU). Ich bin bekanntlich ja überzeugter Europäer und sehe auch keine Alternative zu einem vereinten Europa. Und ein Rückfall in einen Vielstaaten-Europa wäre verheerend.

Aber trotzdem: so kann es nicht weitergehen: Die EU muss zu einer wirklichen Union Europas werden. Es kann nicht so sein wie bisher, dass jeder Staat zuallererst seine eigenen Nationalinteressen vertritt und so weiterwurstelt wie bisher und Schulden anhäuft in Massen, in dessen Folge ihn die Gemeinschaft dann auch noch finanziell auffangen muss.

Es war -wie dokumentiert- grundsätzlich gut und richtig, als europäische Gemeinschaft Griechenland im finanziellen Notstand nicht allein zu lassen. Aber wie mittlerweile ersichtlich ist, ist Griechenland leider ein Fass ohne Boden. Wie kommen aber die Steuerzahler anderer europäischer Länder dazu, auf Dauer (!) beispielsweise  den aufgeblasenen griechischen Beamtenapparat zu finanzieren? Und wie kommt die EU vor allem dazu, sich und ihre Großzügigkeit nach dem Erlass der Hälfte ihrer Schulden auch noch durchs griechische Volk in Form einer Volksabstimmung beurteilen zu lassen?

An sich ist Griechenland dank jahrzehntelanger sozialistischer Misswirtschaft und Geldverschleuderung und Nichtprivatisierung und Nichtbekämpfung von Korruption und Steuerhinterziehung im großem Umfang angeblich längst schon pleite und könnte damit Hunderttausenden Beamten keine Löhne mehr auszahlen, hätte nicht die Europäische Union dies über den Euro-Rettungsschirm finanziert. Und weil im Gegenzug für die EU-Hilfe -vollkommen zu Recht- auch Sparmaßnahmen von der griechischen Führung eingefordert wurden, erntete der grichische Premier natürlich Massenproteste von den betroffenen Bevölkerungsschichten. Und ja, jeder Regierungschef agiert zu gern populistisch (was selten langfristig gedacht und erst recht nicht vernünftig ist) und der sozialdemokratische griechische Regierungschef agiert aktuell offenbar ganz besonders egoistisch und allein an das eigene politische Überleben denkend: Warum sonst will er ausgerechnet jetzt, wo seinem Land 50% der Schulden erlassen wurden, sein Volk abstimmen lassen?

Nur damit keine Missverständnisse aufkommen: Natürlich bin ich ein überzeugter Demokrat und ja natürlich haben Volksabstimmungen auch ihre Berechtigung: Über die -meines Erchtens- viel zu rasche Expansion der Europäischen Union beispielsweise hätte man sehr wohl die Bevölkerung aller bisherigen EU-Länder abstimmen lassen müssen; immerhin werden nur diese ja als so genannte Geberländer auch zur Kasse gebeten. Und vielleicht wäre vor Bildung und ständiger Erweiterung des so genannten Euro-Rettungsschirms auch eine Volksabstimmung in allen EU-Ländern zumindest interessant gewesen. Aber wo es darum geht, als Staat bankrott zu gehen oder nicht, bezweifle ich, dass das Volk in der Lage ist zu beurteilen, was zu tun ist, wo dieses Problem nicht mal die klügsten Köpfe der Gesellschaft eindeutig beantworten können. Die Europäische Union fühlt sich also -vollkommen zu Recht- durch Griechenland hintergangen.

Und wenn schon Volksabstimmung, dann bitte doch eine solche, ob man es als Griechenland weiterhin verantworten kann, zu Lasten der anderen Länder der EU zu leben und einseitig Gelder zu kassieren. Und ja, vielleicht wäre es sinnvoll, würde Griechenland ernsthaft einen Austritt aus dem Euro-Raum überlegen. Vielleicht wäre aber auch, da Griechenland keinesfalls das einzige südeuropäische Land mit finanziellen Problemen ist, eine zweite, eine südliche Eurozone mit einem schwächeren Euro überlegenswert.

Dabei kreist im Moment zwar alles um Griechenland als Anlassfall, aber Griechenland allein ist nicht mal das Hauptproblem. Dieses sitzt viel tiefer: Griechenland steht nur für eine grundsätzlich falsche dem europäischen Gedanken entgegengesetzte Einstellung, wie jeder andere EU-Staat übrigens genauso: Man sieht sich und seinen eigenen Staat als Priorität und erst dann irgendwo Europa. das passt so nicht: es ist eine EU neu notwendig.

Wenn der Nationalstolz und der persönliche Stolz und der ständige Gedanke an die nächsten Wahlen im eigenen Land aber wichtiger sind als ein gemeinsames Europa, kann dieses letztlich nie Wirklichkeit werden. Das Hauptproblem sind also die Nationalstaaten, die sich selbst und ihre Lokalinteressen bislang immer für wichtiger halten als Europa im Gesamten. So lange hier die Nationalstaaten nicht umdenken und auf ihre persönlichen Befindlichkeiten zugunsten Europas verzichten, wird es immer populistisch darum gehen, wiedergewählt zu werden. Und daher wird auch weiter -zu Lasten der künftigen Generationen- Geld verschwendet und die Schulden wachsen.

Will man also wirklich eine europäische Union, die diesen Namen zu Recht verdient, auch weil man sich als solidarische und verantwortungsvolle Gemeinschaft versteht, dann muss man auch bereit sein, auf seinen Nationalstolz zu verzichten: Wir sehen im aktuellen Fall Griechenland und auch bei anderen Ländern, dass die steuerliche und finanzielle Autonomie der Nationalstaaten zu Populismus und zur Verweigerung der Budgetsparsamkeit führt. Es muss daher Schluss damit sein, dass jeder Staat mit seinen Finanzen nach eigenem Belieben jonglieren kann: das hat uns letztlich die aktuelle Misere eingebrockt.

Und ich betone nochmal: Es geht hier nicht nur um Griechenland: Viele EU-Staaten stehen -wie berichtet- vor dem finanziellen Ruin. Und weder ist es rein finanziell möglich noch sinnvoll, alle diese Länder durch Rettungsschirme aufzufangen: die Folge wäre, dass die so genannten EU-Geberländer (allein diese beteiligen sich am Rettungsschirm), denen es bislang noch einigermaßen gut gut (wie etwa Deutschland und Österreich) ebenfalls Bankrott-gefährdet wären. Daher -obwohl es allen Beteiligten wehtut- bevor es für alle zu spät ist, müssen sich die EU-Staaten jetzt rasch entscheiden:

Entweder man gibt den Gedanken einer Europäischen Union mit gemeinsamen Währung auf oder man teilt die EU in eine starke nördliche und eine schwache südliche Zone. Oder man drängt Staaten, die sich kategorisch nicht an die Vorgaben halten, aus dem Euroraum hinaus. Oder aber, und dafür plädiere ich: man bildet eine europäische Zentralregierung. Und natürlich muss diese -vom EU-Parlament kontrolliert- die finanzielle Oberhoheit über alle maßgeblichen öffentlichen Gelder der einzelnen Mitgliedsstaaten haben und daher auch nicht nur die Steuern einziehen, sondern vorher schon einheitliche Steuersätze in allen EU-Ländern durchsetzen. Nur dann kann es vielleicht eine Europäische Union geben, die fernab von jeder nationalen Eigenbrötlerei die großen Interessen eines geeinten Europas auch lebt.

Ich wünsche mir dieses echte vereinte aus verschiedensten wunderbaren Kulturen gewachsene (und ein solches soll es auch bleiben: Kulturelle Vielfalt ist Reichtum) Europa aus tiefstem Herzen. Und dennoch befürchte ich, dass die europäischen Nationalstaaten die Zeichen der Zeit nicht erkennen wollen, sondern weiterhin ihre nationalen Eigeninteressen verteidigen werden. Damit sind der totale Zerfall der Europäischen Union und der Eurozone nur noch eine Frage der Zeit. Denn je höher der Euro-Rettungsschirm auch werden mag, er wird immer weniger finanzierbar sein (aktuell beträgt er eine Billion Euro, demgegenüber steht das deutsche BIP bei 3,4 Billionen), sondern es würde einfach kurzerhand mehr Geld gedruckt. Die Folge davon wäre eine verheerende Inflation im gesamten EU-Raum, was hoffentlich niemand ernsthaft haben will.

Noch ist es Zeit in Verantwortung für Europa zu agieren: Es ist Zeit, dass die Verantwortlichen zu Gunsten Europas auf nationales und populistisches Gedankengut definitiv verzichten. Wer hören kann, der höre und er handle weise, aber entschieden und nachhaltig, also langfristig zum Wohle aller Menschen in der Europäischen Union.