Mit ‘Erneuerbare Energien’ getaggte Artikel

Montag, 14. März 2011, von Elmar Leimgruber

Wo die Zukunft der Atomkraft liegt

Europäisches Atomkraftwerk aus der Luftperspaktive

“Die Geschichte der Atomindustrie ist eine Geschichte von Katastrophen: Tschernobyl, Harrisburg und jetzt Fukushima,” schreibt die Zeitschrift “Öko-Test”. Obwohl der Internationalen Atomenergie-Behörde (IAEA) in Wien alle Vorfälle in Atomanlagen ab dem Schweregrad 2 (von insgesamt 7) gemeldet werden müssen, “weigert sich die IAEA, eine Auflistung der vergangenen Unfälle zu publizieren,” kritisiert das Konsumentenschutzmagazin.

Die vielleicht bereits schon eingetretenen oder auch noch eintretenden Kernschmelzen in den angeblich sichersten Atomkraftwerken der Welt, in Japan, entfachen -vollkommen zu Recht- auch in Europa die Diskussion über die Sicherheit von Atomenergie neu. Dabei bleibt klar : Die Energiegewinnung mittels (eigener) Atomkraft ist günstig, bringt Unabhängigkeit von anderen Staaten und ist “umweltfreundlich”, zumindest, was die dabei entstehenden “Abgase” (Wasserdampf) betrifft, und vorausgesetzt, es tritt keine Störung ein.

Atomkraftwerke weltweit (Stand 2005)
Grafik: PD

Mal abgesehen von dem nach vor ungelösten Problem der “Entsorgung” von radioaktivem Müll: Selbst unparteiische Atomkraftkenner geben zu, dass nach dem Einsetzen der Kernschmelze praktisch nichts mehr unternommen werden kann, sondern dass die Radioaktivität von da an nicht mehr kontrolliert werden kann und dass selbst massivste Stahlbehälter Temperaturen von über 2000 Grad Celsius nicht auf Dauer widerstehen könnten.

Mal abgesehen davon, dass Atomkraftwerke auch Ziele von Terrorangriffen sein könnten: Angesichts der Tatsache, dass heute zwar einigermaßen sicher Vulkanausbrüche und Tsunamis vorausgesagt werden können, jedoch nicht Erdbeben, kann man heute nicht mehr -entgegen besserem Wissen- von “sicheren Atomkraftwerken” sprechen. Auf Dauer ist daher auch die friedliche Nutzung Atomenergie (ganz zu schweigen von Atomwaffen) also beim besten Willen nicht verantwortbar, aus Verantwortung der Menschheit gegenüber. Und doch sind wir aktuell auch in Europa auf diese atomenergielose Zeit nicht vorbereitet:

Natürlich sind die aktuellen Forderungen nach sofortiger Stilllegung aller Atomkraftwerke gerade aufgrund der aktuellen tragischen Vorkommnisse zutiefst nachvollziehbar, obwohl sie rein emotional und aus Ängsten heraus entstehen. Und dennoch sind solche Probleme nicht emotional lösbar, sondern sachlich:

Wir brauchen Energie und wir brauchen Strom. Genauer: wir alle (nicht nur die Industrie und die Betriebe haben einen Lebensstandard, der viel Energie und viel Strom erfordert, um unsere modernen Bedürfnisse zu decken. Dessen müssen wir uns bewusst sein. Und ich bin davon überzeugt, dass die meisten von uns, um Strom zu sparen, nicht große Einschränkungen ihres Lebensstandards in Kauf nehmen würden. Da wir also ausreichend Strom für unser alltägliches Leben in Wohlstand nötig haben, muss die Energie von woher kommen.

Die sehr “pragmatische” österreichische Antwort auf diese Frage ist leider ziemlich verlogen: Nur weil man selbst keine Atomkraftwerke hat, aber im Bedarfsfall dennoch kein Problem damit hat, auch Atomstrom zu importieren (wobei Strom -österreichisch ausgedrückt- sowieo kein Mascherl hat), ist man noch lange kein Atomkraftgegner, vor allem dann nicht, wenn man sich (der Bedarfshintertür wegen) nicht wirklich für die Schließung zumindest von grenznahen Atomkraftwerken einsetzt.

Und es ist auch wieder rein emotional, kontraproduktiv, nicht sachlich und daher auch keinesfalls sinnvoll, wenn sich so genannte Umweltschützer einerseits gegen Atomenergie einsetzen, sich andererseits aber gegen jegliche Errichtung von Windstrom- oder Solarstromanlagen zur Wehr setzen.

Bald wird es zwar -wie berichtet- möglich sein, den Energiebedarf zu 100 Prozent aus erneuerbaren Werten zu decken, doch noch ist es leider nicht so weit. Es geht also wohl derzeit tatsächlich überhaupt noch nicht, einfach alle Atomkraftwerke stillzulegen. Dies mag tragisch und frustreich sein, ändert aber nichts daran, dass der aktuelle Weg ein anderer sein muss und ich hoffe sehr, dass die deutsche Bundesregierung hier auf ihren warnenden Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) hört, der einen Ausstieg aus der Atomenergie fordert.

Meine Vorschläge sind diese:

- Die Sicherheit der bestehenden Atomkraftwerke muss weiter erhöht werden.

- Die IAEA muss -entgegen ihrem bisherigen Verhalten- international zu voller Transparenz verpflichtet werden, sodass alle ihr gemeldeten Vorkommnisse in Atomkraftwerken auch wahrheitsgemäß und rechtzeitig die möglicherweise gefährdete Bevölkerung erreicht, um sie in Sicherheit zu bringen.

- Die Forschung an und die Entwicklung von allgemein leistbaren erneuerbaren Energien muss massiv durch öffentliche Gelder gestützt werden mit dem Ziel, möglichst rasch und möglichst kurzfristig auf die weitere Nutzung der Atomengerie vollends verzichten zu können.

Alle darüber hinausgehenden Forderungen und Wünsche sind meines Erachtens leider unrealistische und unverwirklichbare Träume. Im 21. Jahrhundert indes sollte man sich den brennenden Problemen der Zukunft auf einer sachlichen Basis nähern können, finde ich, so auch im Bereich Atomkraft.

Ach übrigens: Es nervt mich gewaltig, wenn westliche Politiker an die Öffentlichkeit treten und sagen, dass man in Österreich oder Deutschland in punkto Radioaktivität nichts zu befürchten hat: erstens ist es eine indirekte Verhöhnung der Betroffenen in Japan und anderer gibts es Atomkraftwerke nicht nur in Japan, sondern auch mitten in Europa. Und es nervt auch, dass Italien -wie berichtet- den Bau neuer Atomkraftwerke plant. Die Öko-Test-Liste der schlimmsten Atomkraft-Katastrophen kann übrigens hier kostenlos downgeloadet werden.

Montag, 18. Oktober 2010, von Elmar Leimgruber

Fachkräftemangel gefährdet Forschungs- und Entwicklungsstandort Schweiz

Ausländische Manager beurteilen die Verfügbarkeit hoch qualifizierter Beschäftigter in der Schweiz derzeit kritisch und klagen über einen Fachkräftemangel, insbesondere im Bereich Forschung und Entwicklung. Zudem werden nach ihrer Überzeugung die Top-Talente zukünftig aus China, den USA und Indien kommen. Dabei halten sie die Schweizer Bevölkerung zwar für aufgeschlossen bei Zukunftstechnologien, aber für wenig tolerant gegenüber fremden Religionen und Kulturen. Das sind Ergebnisse der Studie «Technologie, Talente und Toleranz: Wie zukunftsfähig ist die Schweiz?» des internationalen Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsunternehmens Ernst & Young. Befragt wurden Manager von 1’200 international tätigen Unternehmen aus forschungsintensiven Branchen weltweit. 100 dieser Unternehmen haben ihren Sitz in der Schweiz.

43 Prozent der Manager beurteilen demnach die aktuelle Verfügbarkeit von Spezialisten kritisch, jeder fünfte klagt sogar über einen erheblichen Fachkräftemangel – insbesondere kleinere Unternehmen sind davon betroffen. Während sich klassische Einwanderungsländer wie zum Beispiel Irland oder die USA über den Zustrom hoch qualifizierter Fachkräfte derzeit nicht beklagen können, sehen Firmen am Standort Schweiz in der Verfügbarkeit von Top-Talenten einen Engpass.

Die Mehrheit der befragten Unternehmen (54 Prozent) sieht dementsprechend auch den Engpass an Hochqualifizierten vor allem im Bereich Forschung und Entwicklung. Um diesen Missstand zu beseitigen, greifen mehr und mehr Unternehmen in der Schweiz auf Fachkräfte aus dem Ausland zurück. Für 58 Prozent, also deutlich mehr als die Hälfte, bilden ausländische Fachkräfte inzwischen eine gewichtige Gruppe unter den Hochqualifizierten. Dabei stehen bei den befragten Schweizer Unternehmen Fachkräfte aus Deutschland auf der Beliebtheitsskala aktuell ganz weit oben – sogar noch vor heimischen Top-Talenten. 84 Prozent geben an, in erster Linie in Deutschland zu rekrutieren, etwas weniger (70 Prozent) in der Schweiz.

Für Markus Schweizer, Managing Partner Accounts & Business Development bei Ernst & Young, sind diese Ergebnisse alarmierend: «Als Land ohne natürliche Ressourcen ist die Schweiz auf das Wissen und die Fähigkeiten hoch qualifizierter Fachkräfte – schweizerische und ausländische – angewiesen. Nur mit ihnen lassen sich neue Ideen entwickeln und hochwertige Produkte und Dienstleistungen anbieten, die der Schweiz im globalen Wettbewerb Marktchancen sichern. Ein massiver Fachkräftemangel droht zu einem Innovationshemmnis zu werden.»

Unter den weltweit führenden Ländern für Spitzentechnologien kann sich die Schweiz auf Rang 7 positionieren. Erst jedes zehnte Unternehmen bezeichnet die Schweiz als einen von drei Top-Standorten für Spitzentechnologien. Trotz dieses nur mittelmässigen Abschneidens im weltweiten Ranking sehen Unternehmen mit Sitz in der Schweiz derzeit keine Nachteile beim Zugang zu fortschrittlichen Technologien. Im Gegenteil: 68 Prozent der befragten Schweizer Unternehmen beurteilen den Zugang zu fortschrittlichen Technologien in der Schweiz als «gut» oder «sehr gut». Nur ein Prozent der Unternehmen erteilt schlechte Noten.

«Die Umfrageergebnisse machen deutlich, wo die Herausforderungen für die Schweiz derzeit liegen», sagt Dominik Bürgy, Managing Partner Tax & Legal bei Ernst & Young. «Der Forschungs- und Entwicklungsstandort Schweiz hat sich in den vergangenen Jahren gut etabliert, nun geht es darum, die Innovationskraft vor Ort weiter auszubauen und die eigene Position gegenüber aufstrebenden Ländern wie China und Indien zu verteidigen. Dabei dürfen wir zentrale Schlüsseltechnologien des 21. Jahrhunderts nicht aus den Augen verlieren.»

Zu den Schlüsseltechnologien des 21. Jahrhunderts rechnen sowohl Unternehmen mit Sitz in der Schweiz als auch Firmen in anderen Ländern die Informations- und Kommunikationstechnologien sowie erneuerbare Energien. Dabei fällt auf, dass Schweizer Unternehmen den erneuerbaren Energien sowie der Mikro- und Nanotechnologie ein weitaus höheres Potenzial zutrauen als Unternehmen anderswo. Andererseits scheinen Unternehmen in der Schweiz – im Vergleich zum Rest der Welt – die Bedeutung der Informations- und Kommunikationstechnologien zu unterschätzen.

«Wenn die Schweiz eine führende Position unter den Top-Standorten für Spitzentechnologien einnehmen will, darf sie auch auf diesem Auge nicht blind sein und muss sich kreativen Branchen, wie der Informations- und Kommunikationstechnologie sowie Wireless IT und Internet, gegenüber öffnen», sagt Dominik Bürgy. «Zwar setzt die Schweiz schon heute auf Zukunftsbranchen, jedoch eher im Bereich der industriellen Fertigung als im Bereich der digitalen Medien und neuer Geschäftsmodelle.

Beim Thema Toleranz zählen nur 8 Prozent der befragten Unternehmen die Schweiz zu den führenden Nationen der Welt. Mit Rang 11 verpasst die Schweiz daher eine Platzierung unter den Top-10-Standorten. Die USA werden mit Abstand als das toleranteste Land weltweit angesehen (49 Prozent), danach folgen mit grossem Abstand Deutschland (31 Prozent) und Grossbritannien (30 Prozent). Überdies hält die Mehrheit der Befragten (58 Prozent) die Schweizer Bevölkerung zwar für aufgeschlossen gegenüber Zukunftstechnologien, aber für wenig tolerant gegenüber fremden Religionen und Kulturen (67 Prozent).

Die vorliegende Studie basiert auf einer Befragung von 1’200 multinational tätigen Unternehmen aus forschungs- und entwicklungsintensiven Branchen durch telefonische Interviews der Führungskräfte (Geschäftsleitungs- und Verwaltungsratsebene sowie Leiter Strategie oder Forschung und Entwicklung). 100 der befragten Unternehmen haben ihren Sitz in der Schweiz. Die Befragung wurde im August/September im Auftrag von Ernst & Young durch das unabhängige Marktforschungsinstitut Valid Research (Bielefeld) durchgeführt. Die Studie, die ausschliesslich in Deutsch vorliegt, steht als Download zur Verfügung.