Mit ‘Drogen’ getaggte Artikel

Donnerstag, 19. September 2013, von Elmar Leimgruber

EU: Kampf den Designerdrogen

Neue synthetische Drogen stellen ein immer größeres Problem dar: Ihre Zahl hat sich in der EU von 2009 bis 2012 verdreifacht. 2013 wurde jede Woche mehr als eine neue Substanz gemeldet. Dieses Problem muss auf europäischer Ebene angegangen werden. Immer leichter können die Substanzen über das Internet erworben werden, und sie verbreiten sich rasch in den EU-Mitgliedstaaten: 80 % der neuen psychoaktiven Substanzen werden in mehr als einem EU-Mitgliedstaat gefunden.

Die Europäische Kommission will künftig daher verstärkt gegenso genannte “Legal Highs” vorgehen. Bei diesen auch unter dem Namen Designerdrogen bekannten Stoffen handelt es sich um neue psychoaktive Substanzen, die alternativ zu illegalen Drogen wie Kokain und Ecstasy verwendet werden. Diese Substanzen stellen ein großes Risiko für die öffentliche Gesundheit und die Gesellschaft insgesamt dar.

Beispiele: Die Designerdroge 5-IT hat innerhalb von fünf Monaten, d. h. zwischen April und August 2012, 24 Personen in vier Mitgliedstaaten das Leben gekostet. 4-MA, ein Amphetamin-Imitat, wurde mit 21 Todesfällen in vier Ländern allein im Zeitraum 2010-2012 in Verbindung gebracht.

Am stärksten von dem Problem betroffen sind junge Menschen. Die Eurobarometer-Umfrage “Youth attitudes on drugs” aus dem Jahr 2011 zeigt, dass durchschnittlich fünf Prozent der jungen Europäer diese Suchtstoffe zumindest einmal in ihrem Leben konsumiert haben. Spitzenreiter war Irland mit 16 %, nahe gefolgt von Polen, Lettland und Großbritannien mit 10 %. Deutsche Jugendliche mit 3,7 % und österreichische mit 4 % liegen im europäischen Mittelfeld.

 

Der Plan der EU-Kommission sieht nun vor, Legal Highs wie etwa den aufputschenden Wirkstoff “5-IT” mit lebensgefährlichen Risiken innerhalb von wenigen Monaten zu verbieten. Bisher dauerte das Verfahren zwei Jahre. Davon unbeeinträchtigt soll jedoch die legale industrielle und kommerzielle Nutzung der Substanzen sein. Die Vorschläge folgen Warnungen von Seiten der EBDD (Europäische Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht) und von Europol hinsichtlich des Ausmaßes des Problems und einem Bericht von 2011, dem zufolge der derzeitige EU-Mechanismus für die Bekämpfung neuer psychoaktiver Substanzen ausgebaut werden muss.

„Die neuen Suchtstoffe werden in Europa immer problematischer und gefährden vor allem junge Menschen. Bei einem Binnenmarkt ohne Grenzen benötigen wir gemeinsame europäische Vorschriften zur Bekämpfung dieses Problems. Heute schlagen wir rigorose EU-Vorschriften zu den neuen psychoaktiven Substanzen vor. Dazu gehört auch die Möglichkeit, schädigende Substanzen für einen gewissen Zeitraum unmittelbar vom Markt nehmen zu können“, betont Justizkommissarin Viviane Reding.

Die EU-Drogenstrategie für den Zeitraum 2013-2020 legt die Prioritäten für die EU-Drogenpolitik fest. Das Auftauchen und die rasche Verbreitung neuer psychoaktiver Substanzen wird als eine neue Herausforderung angesehen, der entschieden – auch durch den Ausbau bereits vorhandener EU-Rechtsvorschriften – begegnet werden muss.

In den vergangenen Jahren wurde durchschnittlich jede Woche eine neue psychoaktive Substanz in der EU entdeckt, und die Zahlen dürften in den kommenden Jahren noch steigen. Seit 1997 haben die Mitgliedstaaten mehr als 300 Substanzen entdeckt, und ihre Zahl hat sich zwischen 2009 und 2012 verdreifacht (von 24 im Jahr 2009 auf 73 im Jahr 2012).

Mittwoch, 18. September 2013, von Elmar Leimgruber

WHO: 18 Mio. Kinder in Europa werden misshandelt

Allein in der europäischen Region der Weltgesundheitsorganisation WHO werden über 18 Millionen Kinder im Alter von unter 18 Jahren misshandelt (physischer, sexueller oder emotionaler Missbrauch bzw. Vernachlässigung und Verelendung). Diese Zahlen entstammen einem neuen Bericht des Regionalbüros zur Prävention von Kindesmisshandlungen und sollten laut WHO jeden Politikgestalter wachrütteln, der mit der Umsetzung des Europäischen Rahmenkonzepts für Gesundheit und Wohlbefinden „Gesundheit 2020“ befasst ist.

Die Details: Die Misshandlungen der Kinder enden manchmal tödlich. 852 Kinder im Alter von unter 15 Jahren sterben in der Region jedes Jahr auf diese Weise. Doch diese Todesfälle sind nur die Spitze eines Eisbergs. In dem auf der 63. Tagung des WHO-Regionalkomitees für Europa vorgelegten Bericht wird davon ausgegangen, dass Misshandlungen sehr hohe Prävalenzraten erreichen: 29,1% bei emotionalen Misshandlungen, 22,9% bei physischen Misshandlungen und 13,4% bei sexuellem Missbrauch von Mädchen bzw. 5,7% von Jungen.

Junge, alleinstehende, arme und schlecht ausgebildete Eltern, die in sozial benachteiligten Umfeldern leben, können laut WHO eher gefährdet sein, ihre Kinder zu misshandeln. Die soziale und kulturelle Akzeptanz der körperlichen Züchtigung von Kindern, Ungleichheit, wirtschaftliche Sorgen und die Gesetzgebung üben alle einen Einfluss auf die Misshandlung von Kindern aus. Kindesmisshandlungen sind auch eng verknüpft mit Alkohol- sowie Drogenmissbrauch in der Familie, Erziehungsstress und häuslicher Gewalt. Arme Kinder sind am härtesten betroffen: die Raten tödlicher Misshandlungen sind in Ländern mit niedrigem bis mittlerem Volkseinkommen doppelt so hoch wie andernorts und innerhalb der Länder sind die Zahlen in Familien mit geringerem Einkommen ein Mehrfaches derjenigen am oberen Ende der Gesellschaftspyramide.

Kindesmisshandlungen wirken sich nicht nur verheerend auf das Leben der Opfer aus, sie verursachen auch einen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Schaden in der Größenordnung von 10 Mrd. Euro. Die Belege für einen Zusammenhang zwischen Misshandlungen und der Ausbildung einer psychischen Erkrankung sind eindeutig. Kindesmisshandlung kann die Ursache für bis zu ein Viertel der Krankheitslast durch psychische Störungen wie Depressionen, Angstzustände, Essstörungen, Verhaltensstörungen, Suizidversuche, Selbstbeschädigung sowie den Konsum illegaler Drogen sein. Sie wirkt sich auf den Schulgang aus und führt zu schlechteren Abschlüssen sowie geringeren Beschäftigungsperspektiven. Es besteht auch ein starker Zusammenhang mit riskantem Sexualverhalten und die Belege für eine Verknüpfung mit der Ausbildung von Adipositas und anderen nichtübertragbaren Krankheiten häufen sich. Gewalttätigkeit wird wie in einem Teufelskreis von einer Generation zur nächsten weitergegeben.

„Es ist an der Zeit, dass wir Kindesmisshandlung als ein Thema der öffentlichen Gesundheit anerkennen und nicht ausschließlich als Gegenstand der Kriminaljustiz oder des Sozialwesens behandeln. Gegen Kindesmisshandlung kann ein ganzheitlicher gesundheitspolitischer Ansatz präventiv wirken und diese Chance dürfen wir nicht verpassen. In den kommenden Monaten werden wir eine Reihe von Maßnahmen vorbereiten, welche die Länder hierzu ergreifen können, und wir sind gerne bereit, sie hierin zu unterstützen“, sagt Zsuzsanna Jakab, WHO-Regionaldirektorin für Europa.

Prävention kostet weniger als die Bewältigung der Folgen einer Misshandlung. Ein Ansatz der öffentlichen Gesundheit und die nachhaltige Umsetzung evidenzbasierter Maßnahmen wie der folgenden sind erforderlich:

  • Gezielte Interventionsprogramme für gefährdete Familien durch Hausbesuche während der ersten Jahre zur Unterstützung der Eltern bei der Erziehung,
  • Präventionsprogramme gegen Kopftraumata durch Misshandlung (Schüttelsyndrom), Verringerung der Verfügbarkeit von Alkohol und intensive soziale und medizinische Unterstützung für stark gefährdete Familien.
  • Interventionen wie Kampagnen in den Massenmedien, Programme für soziale Normen und Maßnahmen zur Linderung der Armut sind viel versprechend, allerdings ist in der Europäischen Region noch weitere Forschung erforderlich.
Dienstag, 22. Januar 2013, von Elmar Leimgruber

Heeres-Volksbefragung: Jetzt wird analysiert und reformiert

Bundesheer-Vorführung Staatsfeiertag

Zunächst zur Wahlanalyse, und dann zur Zukunft des österreichischen Bundesheeres:

-Wahlanalyse:

Ich bin -wie in meinem bisherigen Kommentaren erläutert- nicht grundsätzlich gegen ein Berufsheer, nur aktuell halte ich dies -speziell in Österreich- nicht für sinnvoll oder gar zeitgemäß. Daher kann ich meine Freude über das Ergebnis der Volksbefragung nicht verbergen:

Zum einen war das Thema Abschaffung des Grundwehrdienstes verbunden auch mit der Abschaffung des Zivildienstes offenbar ein Thema, das die Menschen in Österreich mehr bewegte als beispielsweise Wahlen zum Europaparlament. Sich nicht nur inhaltlich mit den Folgen der einen oder anderen Entscheidung auseinanderzusetzen, sondern sich durch die Teilnahme an der Volksbefragung aktiv einzubringen, ist ein großes Zeichen politischer Reife und zeigt vor allem Eines: Wenn es der Bevölkerung wirklich um was geht, dann will sie mitbestimmen, also die direkte Demokratie: das freut alle politischen Lager und das freut mich auch ganz besonders: Danke für die außerordentlich hohe Wahlbeteiligung.

Dieses Ergebnis der Volksbefragung ist auch ein starkes Ja zur Solidarität mit dem eigenen Land und seinen Menschen, besonders der Hilfsbedürftigen, der kranken und der alten Menschen. Der Zivildienst ist zwar “nur” ein Ersatzdienst für den Grundwehrdienst, aber mit dem Fallen des Grundwehrdienstes würde er ebenfalls fallen. Daher ist dieses Hauptargument (74%), für die Beibehaltung der allgemeinen Wehrpflicht zu stimmen, sehr nachvollziehbar und auch vernünftig. Und es stimmt zudem auch nicht, dass der Wehrdienst keine Rolle in der Entscheidung gespielt hat: Gleich 70 % der Bevölkerung halten Wehrdienst und Zivildienst für einen wichtigen Beitrag der Jugend für die Gesellschaft und entschieden sich daher für die Wehrpflicht. Und dies scheint mir auch besonders wichtig: es ist eine Entscheidung gegen den weiterverbreiteten Egoismus in unserer Gesellschaft: wir leben nicht für uns allein und wir haben nicht nur Rechte, sondern auch Pflichten. Und das ist gut so: Zumindest eine kurze Zeit im Leben schadet der verpflichtende Einsatz für Österreich, für andere Menschen niemanden (im Übrigen Frauen auch nicht): Im Gegenteil: das ist gelebte Solidarität. Katastrophenschutz und die Neutralität Österreichs waren übrigens weitere Gründe, sich fürs bestehende System auszusprechen.

Und dass -wie der ORF ärgerlicherweise seit dem Wahlabend polemisierte- die Senioren der Jugend mit dieser Entscheidung ihr Modell aufgedrängt hätten, stimmt so auch nicht: Zum einen blendete der ORF -der übrigens in der gesamten Berichterstattung äußerst einseitig und tendenziös manipulierend war (obwohl er mehrmals auf diese Verfälschung hingewiesen wurde) dauernd die größe Altersgruppe der 30-59-Jährigen aus, welche genauso (61%) wie ihre älteren Mitbürger (71%) zugunsten des bestehenden Modells der Wehrpflicht entschieden. Zum Einen wurde verschwiegen, dass augerechnet die Wahlbeteiligung der direkt Betroffenen, der Jungen, am Geringsten war (weil es offenbar kein Thema für sie ist, an der Wehrpflicht beteiligt zu werden). Und beide anderen Altersgruppen (30+), die sich immerhin um viele Jahrzehnte erstrecken, haben so entscheiden. Es muss sogar sogar positiv überraschen, dass so viele der eigentlich Betroffenen (entgegen der billigen Populismuskampagne der SPÖ zusammen mit ihren Massenblättern: “Ersparen wir den jungen Leuten doch diese Zeit”), die Jungen (Bis 29 Jahre) sich immerhin zu 37% ebenfalls für die Wehrpflicht ausgesprochen haben: Sie sind bereit, Verantwortung für ihr Land und für ihre Mitmenschen zu übernehmen, auch wenn nicht sofort wer (wie beispielsweise Sozialminister Rudolf Hundstorfer) mit dem vollen Geldbeutel winkt. Und dafür gebührt ihnen großer Respekt und Achtung: Sie haben einen sicher nicht immer einfachen, auch weil verpflichtenden Weg, trotzdem gewählt.

Ebenso postiv überraschend ist auch das Wahlverhalten der Frauen: auch sie stimmten (mit 55%) -obwohl es sie nicht direkt betrifft- für die Wehrpflicht: Dank und Anerkennung. Und selbst von jenen Wählern, welche nie weder Grundwehrdienst noch Zivildienst hatten, halten 50% das bestehende Modell der Wehrpflicht für sinnvoll.

Schon am Wahlabend waren sich dann auch alle “Experten” (allen voran Herbert Lackner, “Profil”) einig, dass das Ergebnis der Volksbefragung nicht nur eine Absage an das SPÖ-Modell ist, sondern zudem auch zeigt, dass die großen Massenblätter (“Krone”, “Österreich” und “heute”) bei der Mobilisierung der Bevölkerung nicht (mehr) funktionieren. Ich sage dazu nur: Falschanalyse: Wo werden die beiden Gratisblätter “heute” und “Österreich” (also wohl als fast einzige tägliche Tageszeitungen und entgegen anderslautenden Behauptungen der “Krone”) tatsächlich gelesen? Richtig: in Wien. Und genau hier, wo alle drei Massenblätter massivst für den SPÖ-Standpunkt (Aufhabung der Wehrpflicht)  mobilisierten, gabs auch -im Gegensatz zu allen anderen Bundesländern in Österreich- ein klares Ja zum Berufsheer. Beruhigen mag zwar wenigstens, dass vor allem die “Krone”, welche im Gegensatz zu beiden Gratisblättern auch über Wien hinaus von Bedeutung ist, offenbar die Mehrheit der Bevölkerung (im Burgenland, wo die Krone 50% Reichweite hat, war das Ergebnis denkbar knapp) dennoch nicht auf ihre Seite zu ziehen in der Lage war. Es wäre aber dennoch ein schwerwiegender Fehler, würde man -vor allem in Wien- Macht und Einfluss der für Wahlkampf instumentalisierten propagandistischen Massenblätter unterschätzen.

- Konsequenzen: Zukunft des österreichischen Bundesheeres:

Werbung für Pioniere beim Bundesheer: http://www.bundesheer.at/miliz/formular_pikp.phpDiese klare Volksentscheidung (alle offiziellen Abstimmungsergebnisse sind hier abrufbar) sowohl in der Wahlbeteiligung (52,4 Prozent) als auch zugunsten der Wehrpflicht sind ein klarer Auftrag an alle politischen Parteien (besonders natürlich SPÖ und ÖVP)  und Fachleuten (ich plädiere hier, auch Berufsheer-Befürworter Gerald Karner wieder in die entsprechende Kommission zu integrieren), sich an einen Tisch zu setzen und sowohl beim Zivildienst als auch und besonders beim Grundwehrdienst die notwendigen Reformen endlich einzuleiten:

Beim Zivildienst muss dafür gesorgt werden, dass die Betroffenen noch mehr sinnvolle Tätigkeiten während ihres Dienstes ausüben, um noch besser zu gewährleisten, dass sehr viele anschließend auch weiterhin entweder beruflich oder noch besser als freiwllige Mitarbeiter für die Sozialeinrichtungen und Hilfsorganisationen tätig bleiben.

Der Grundwehrdienst hingegen muss grundlegend reformiert, ja neu struktuiert werden: Innenministerin Johanna Mikl-Leitner hat am Wahlabend zu Recht gesagt, dass der Grundwehrdienst “Sinn machen” muss für jene, die ihn absolvieren. Dies kann nur funktionieren, wenn der Aufenthalt in den Kasernen klar (und keinesfalls langweilig) organisiert wird: Es gibt viel zu viele so genannte “Systemerhalter” beim Bundesheer, was auch damit zusammenhängt, dass es sich hier vorwiegend um unkündbare Beamte handelt. Diese Situation muss sich ändern: Genauso wenig wie in der Privatwirtschaft und übrigens auch im sonstigen Öffentlichen Dienst reine Systemerhalter untragbar sind, trifft dies selbstverständlich auch auf das Bundesheer zu. Die geplante Bereinigung von überflüssigen Mitarbeiten im Heer (Generalstabchef Edmund Entacher:  Zahl der Brigadiere wird drastisch reduziert) muss umgesetzt werden und zudem muss ein neues Dienstrecht her und auch sind befristete Arbeitsverhältnisse für neue Herresangehörige (nicht im Beamtenstatus)  anzudenken: Auch im Bundesheer muss das Leistungsprinzip wieder zählen.

Und inhaltlich muss selbstverständlich im wahrsten Sinne des Wortes auch militärisch ausgebildet werden: immerhin müssen jene, welche den Grundwehrdienst absolviert haben, unter fachkundiger Anleitung im Notfall auch in der Lage sein, Verantwortung für ihr Land Österreich zu übernehmen und dessen Menschen zu verteidigen. Zu glauben, dass eine Landesverteidigung heute überholt ist (wie vor allem die KPÖ und Kreise der Grünen träumen), weil es aktuell keine Kriegsszenarien in Europa gibt, zeugt von Unkenntnis und Ignoranz. Immerwährender Friede ist wünschenswert, aber bedauerlicherweise nicht wahrscheinlich. Der vielverbreitete Standpunkt: “Stell dir vor, es ist Krieg und keiner geht hin” unterstreicht leider nur den Unwillen, für sein Land und seine Mitmenschen einzutreten und sie zu verteidigen. In Folge setzt sich immer der “Stärkere”, der Aggressor durch, was in niemandes Interesse sein kann. Für den hoffentlich nicht zu schnell (aber wahrscheinlich wohl leider) eintretenden Fall der Fälle muss auch Österreich mit seinen Männern (und Frauen) vorbereitet und gerüstet sein, sich zu verteidigen. Dies schreibt nun sogar (in diesem Fall äußerst lesenswert!) “unverdächtig” Christian Rainer (“Profil”).

Und wenn sich jetzt alle lobenswerterweise der Bundesheer-Reformkommission des von mir hochgeschätzten Wiener Alt-Bürgermeisters Helmut Zilk erinnern (an der übrigens alle Parlamentsparteien beteiligt waren), was ich für gut finde, möge man sich den Satz von Zilk in der Einführung des Endberichts einprägen: “Die Kommission ist in der Frage der Wehrpflicht zur grundsätzlichen Erkenntnis gelangt, dass derzeit ein Verzicht darauf nicht möglich ist.” Es stimmt also nicht, was der Grüne Peter Pilz (damals auch in der Kommission) am 21. Jänner in der ZIB2 (ORF2) wörtlich dazu sagte: “Über die Wehrpflicht haben wir uns überhaupt nicht geäußert.”

Fraglich ist allerdings, dass von den Vorschlägen der Bundesheer-Reformkommission bis heute -mit Ausnahme der Verkürzung des Grundwehrdienstes auf 6 Monate (wobei ich persönlich die Sinnhaftigkeit dieser Verkürzung anzweifle)- praktisch nichts umgesetzt wurde, was wohl nur am dafür zuständigen Verteidigungsminister Norbert Darabos (SPÖ) liegen kann. Möge er also ruhig noch bis Ende der kurzen noch verbeliebenden Legislaturpersiode im Amt bleiben und dann vom Volk abgewählt werden.

Soldat auf Haflinger in unwegsamen Gelände. Foto: Wolfgang RiedlspergerDie Reformkommission empfielt übrigens den Ausschluss von Auslands-Einsatzverweigerung von Berufssoldaten beim Einstieg ins Bundesheer vor und schlägt im Grundwehrdienst unter anderem folgende Reformen zur Schaffung eines “identitätsstiftenden Bundesheer-Leitbildes” vor:

- Grundwehrdiener mehrheitlich in der Einsatzorganisation zu verwenden und die Zahl  der Systemerhalter unter Berücksichtigung der Tauglichkeitsgrade und der beruflichen  Vorbildung auf ein Mindestmaß zu reduzieren
- die Schaffung der Voraussetzungen für die unverzügliche Aufnahme als vorerst zeitlich befristeter Berufssoldat und Berufssoldatin einschließlich der besoldungs-, sozial- und pensionsrechtlichen Konsequenzen unter Berücksichtigung der Einstiegsentlohnung vergleichbarer Berufe und unter dem Aspekt der Existenzabsicherung. Für Grundwehrdiener soll diese Regelung ab dem Zeitpunkt der Annahme der Verpflichtungserklärung wirksam werden;
- die Anerkennung herausragender Dienstleistung durch Prämien und Sachleistungen sowie die Abgeltung überdurchschnittlicher Belastungen oder auch Gefährdungen im Rahmen der Ausbildung;
- die Ermöglichung einer systematischen Information am Arbeitsmarkt im Rahmen des allgemeinen Betreuungsangebotes zur Vorbereitung der Wiedereingliederung ins zivile Berufsleben;
- die Überprüfung der Notwendigkeit, Zweckmäßigkeit und des Umfanges der Dienste vom Tag;
- die Anpassung der Ausbildungsinhalte an die neuen Aufgaben und Herausforderungen des Bundesheeres.
- das Angebot einer unentgeltlichen Inanspruchnahme ressortinterner Beratungsmöglichkeiten für eine Erstberatung in Rechts-, Vermögens- und Schuldnerfragen sowie Fragen des Konsumentenschutzes für alle Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen.
- die flächendeckende Einführung einer zweckmäßigen und internationalen Standards entsprechenden Ausrüstung und Ausstattung der Soldatinnen und Soldaten.
- Suchtbekämpfung einschließlich geeigneter Führungs- und Überprüfungsmaßnahmen, um dem Konsum legaler (Alkohol) und illegaler Drogen entgegenzuwirken, verbunden mit Ausbau der militärischen Sportausbildung (mindestens eine Stunde Sport täglich).

Der vollständige Endbericht der Bundesheer-Reformkommission ist übrigens hier abrufbar.

Pioniere des Bundesheers bei Leistungsschau am NationalfeiertagIch plädiere dafür, mit der Umsetzung der längst notwendigen Reformen nicht bis zu den Nationalratswahlen im Herbst zu warten, sondern sie aufgrund dieser überparteilichen Einigung bereits vor Jahren diese endlich konstruktiv zu diskutieren und nach Möglichkeit einstimmig umzusetzen: immerhin geht es um die Zukunft der Sicherheit Österreichs.

Und -dies möge an dieser Stelle auch nicht unerwähnt bleiben- wenn die Zeit hierfür reif ist (kann noch sehr lange dauern), also wenn alle EU-Staaten endlich ernsthaft bereit sind, eine gemeinsame europäische Verteidigungsstruktur umzusetzen, dann möge Österreich nicht zögern, sich ebenfalls daran zu beteiligen: Wir helfen nach klugem, weitsichtigem und weisen Ermessen) anderen, die unsere Hilfe brauchen und sie helfen uns (Österreich ist -langfristig betrachtet- militärisch allein nicht überlebensfähig): das ist gelebte Solidarität, auch in der (Europäischen) Gemeinschaft. Ob dieser Einsatz dann mit einem reinen Berufsheer sinnvoller ist oder in der jetzigen Mischform aus Grundwehrdienern, Berufssoldaten und Freiwilligen (Miliz), diese Frage stellt erst dann (ebenfalls in Form einer Volksbefragung?), und nicht heute: Aktuell bleibt unser Heer ein Heer aus dem Volk für das Volk: und das ist sehr gut so.

Heute haben wir uns in der Volksbefragung für diese gelebte Solidarität mit Östereich und seinen Menschen im Grundwehrdienst und Zivildienst entschieden. Und ich bin sehr stolz auf unsere Bevölkerung, die diese klare Entscheidung getroffen hat.

Donnerstag, 8. November 2012, von Elmar Leimgruber

Zum Skandal um die Kastelruther Spatzen: Hintergrund und Kommentar

Ein regelrechter Skandal plagt seit Tagen die Welt des volkstümlichen Schlagers: Die Kastelruther Spatzen, mit mehr als 15 Mio. verkauften Tonträgern und 13 Echo-Preisverleihungen seit Jahrzehnten erfolgreichste volkstümliche Gruppe überhaupt und dafür auch mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, haben seit vielen Jahren keine einzige ihrer Erfolgs-CDs mit ihren Instrumenten selbst eingespielt, sondern das waren Studiomusiker. Einzig Sänger Norbert Rier, der die Vorwürfe als “in der Branche üblich” bestätigt, hat jeweils gesungen. Alles in allem also jahrelanger “Betrug”, behauptet nun Walter Widemair, Studioleiter von Koch Universal in Osttirol.

Widemair hatte zunächst ein eigenes, trotz der damaligen Einmaligkeit des Sounds erstaunlicherweise nur wenig erfolgreiches eigenes Musikprojekt, das Dolomiten Sextett Lienz, beschäftigte sich dann aber zuehmend mit der Arbeit im Tonstudio von Koch. Seit dieser Zeit komponierte und arrangierte (und spielte auch selbst großteils die Trompete) Widemair zahlreiche der erfolgreichsten Spatzen-Hits. Zudem arbeitete er aber auch für andere volkstümliche Gruppen wie beispielsweise das Nockalm Quintett; daher auch die musikalische Ähnlichkeit des “Spatzen-Sounds” mit anderen  volkstümlichen Gruppen.

Am Beginn der Karriere der Spatzen war der Südtiroler Privatradio-Pionier, Charly Mazagg, maßgeblich für ihren, auch internationalen Erfolg, verantwortlich: er verschaffte ihnen einen Plattenvertrag und organisierte ihnen Auftritte auch in TV-Sendungen, welche ihnen eine Bekanntheit über Südtirol hinaus beschwerte. Endlich international bekannt, trennten sich die Spatzen von ihrem Manager Mazagg, was diesen vor allem persönlich sehr verletzt.

Einige Zeit nach der Trennung berichtete schließlich die deutsche BILD-Zeitung erstmals darüber, dass die Kastelruther Spatzen nicht live musizieren. In Folge fand damals in Südtirol eine “Krisensitzung” mit entscheidenden Medienvertretern statt, in welcher die Spatzen alle Vorwürfe als richtig bestätigten und als Rechtfertigung angaben, ja regulären Berufen nachzugehen und daher gar nicht die nötige Zeit zum Musizieren zu haben. Schließlich einigte man sich auf eine “Schadensbegrenzung”, die darin bestehen sollte, den zahllosen volkstümlichen Fans im gesamten deutschsprachigen Raum ihre bisherigen Illusionen der “heilen Welt” wieder zurückzugeben und die Berichterstattung darüber einzustellen. Und tatsächlich gab es seither bis vor wenigen Tagen keinen nennenswerten diesbezüglichen medialen Vorwurf mehr.

Und kaum thematisiert die BILD das Thema nach Jahrzehnten am 6.11. erneut (auf der Titelseite: siehe Screenshot), schon beginnt die Rechtfertigung von Neuem: Die wichtigste Südtiroler Tageszeitung, die “Dolomiten”, widmete den Spatzen am Mittwoch fast eine gesamte wohlwollende Seite (siehe Screen-Shot), was vielleicht ja noch nachvollziehbar wäre, weil es sich um den bekanntesten volkstümlichen Export Südtirols handelt. Etwas distanzierter berichtet die zweite, “Die Neue Südtiroler Tageszeitung” ebenfalls ausgiebiger über das Thema.

Die BILD aber legte am Mittwoch noch nach und fordert eine Rückgabe der 13 Echos, was die Deutsche Musikindustrie, die die Preise vergibt, natürlich verweigert. Laut “Oberspatz” Rier hat nämlich die Plattenfirma Koch Universal selbst darauf bestanden, dass die Produktionen von Profimusikern im Studio eingespielt wird und nicht von den Kastelruther Spatzen selbst.

Das eigentliche Problem der Volkstümlichen Musik ist aber ein ganz anderes, nämlich das, was Rier (und auch seine Kollege Albuin Gross gegenüber der “Tageszeitung”) als “in der Branche üblich” bezeichnet: Wie viele jene volkstümlichen Stars, die seit Jahren im “Musikantenstadl” und in anderen -sonderbarerweise höchst erfolgreichen- TV-Sendungen auftreten, sind wirklich echt? Wer spielt denn hier tatsächlich sein Instrument selbst? Und wer in TV-Shows singt wenigstens noch live? Kommerziell erfolgreiche Schlagermusik kommt aus dem Studio, bzw. vom Band und ist meistens nicht live.

Der aktuelle Skandal um die Kastelruther Spatzen ist jahrzehntealt und leider immer noch und wieder aktuell. Sie sind aber keinesfalls die einzigen: Im Falle des im volkstümlichen Kreisen äußerst beliebten  Trompeters Stefan Mross kam es sogar zu einem neunjährigen Streit  vor Gericht, wo der Produzent bestätigte, dass ein belgischer Profitrompeter im Studio die Passagen von Mross gespielt hat. Und laut Mross-”Erfinder” Karl Moik soll selbst das Liebespaar Mross/Hertel nur inszeniert gewesen sein.

All dies (und auch vor Jahren aufgeflogene Koks-Affären im volkstümlichen Bereich) und vieles, was noch nicht öffentlich bekannt ist, zeigt jedoch eines ganz eindeutig und daran wird auch der aktuelle neue Fall nichts ändern: Das volkstümliche Publikum lebt vielfach in der Verdrängung der Realität: und daher: was nicht sein darf, ist auch nicht:

Wenn über die heilige Maria der Berge oder über die Sonne des Rosengartens und der immerwährenden Liebe und der schönsten Alpenblumen gesungen wird, schmelzen die Herzen dahin und einer Droge ähnlich verfallen die Menschen in eine Art Trance-Zustand, der sie zumindest für einige TV-Stunden vergessen lässt, dass die Wirklichkeit oft eine vollkommen andere, eine triste und keinesfalls durchwegs romantische ist.

Was das Verhalten von Walter Widemair betrifft, ist jedenfalls nicht von Reue auszugehen, von der er in seinem Outing-Buch schreibt. Durch den jahrzehntelangen großen Erfolg der Spatzen hat er auch maßgeblich mitverdient. Der Verdienst steht ihm ja auch in vollem Maße zu. Und auch wenn ich seinerzeit die Musik seines eigenen Sextetts sehr schätzte und die folgenden für meine Ohren unerträglichen Schnulzenreihen für andere, vor allem die Kastelruther Spatzen nicht ausstehn kann: die Produktionen sind technisch perfekt und entsprechen seit langer Zeit zu Hundert Prozent dem Geschmack der betäubungswilligen volkstümlichen Zielgruppe: Insofern: grandiose Arbeit geleistet und diese ist bislang ja auch fürstlich entlohnt worden.

Dass Widemair nun nach solchen Welterfolgen der Spatzen, die maßgeblich auf ihn und seinen “Spatzen-Sound” zurückzuführen sind, laut Medienberichten maßgeblich die Gelder gekürzt wurden, wird wohl der eigentliche Grund für sein plötzliches öffentliches Outing sein. Dass er nun sehr sauer ist, kann ich nachvollziehen, zumal die Zielgruppe Volkstümliche Musik und Schlager eine der wenigen ist, wo die Leute noch mehrheitlich bereit sind, sich die Tonträger tatsächlich zu kaufen und zumindest hier keine Absatzkrise, sondern nach wie vor eine Goldmiene der Musikindustrie besteht. Dennoch ist auch Widermairs Weg, hier an die Öffentlichkeit zu gehn, nicht fair. Sinnvoller wäre es, seine weitere Arbeit mit diversen volkstümlichen Gruppen davon abhängig zu machen, inwieweit sie und Koch Universal ihn an den daraus resultierenden Einnahmen auch entsprechend beteiligen.

Positiv ist diese aktuelle Diskussion über volkstümliche Musik (genauso wie auch über andere Musikrichtungen, wo gesoffen und gekifft und andere Drogen konsumiert werden) trotzdem, denn wachrütteln ist immer sinnvoll, egal um welche Zielgruppe es geht. Norbert Rier hat eine einmalige Stimme, welche die Menschen zu tränen rührt: Das ist so und natürlich wird das auch entsprechend vermarktet (wie übrigens weitere ex-Sänger der Spatzen, Andreas Fulterer und Oswald Sattler genauso). Und Rier wird man sicher im gesamten deutschsprachigen Raum weiter singen hören wollen. Und es wird den volkstümlichen Fans vollkommen egal sein, wer seine Musik komponiert, wer die Texte schreibt und wer musiziert. Ich gehe daher davon aus, dass Rier in Folge seine Solo-Karriere weiter ausbauen wird.

Soll man die Menschen also nun wachrütteln, ihne ihre Realitäts-Verweigerungs-”Droge” vorhalten? Ja natürlich! Aber ändern wird es nichts: Gewisse Menschen brauchen die einfachen, immer gleich klingenden Melodien mit den möglichst naiven und kitschigen Texten, um ihrer Wirklichkeit zumindest kurz zu entfliehen. Und sie wollen auch weiterhin daran glauben, dass es zumindest in der volkstümlichen Musik (nicht zu verwechseln mit echter historisch gewachsener und hochwertiger und daher zu schätzender Volksmusik, die jedoch im Kommerz-TV äußerst selten vorkommt) noch echte Liebe und echte Gefühle gibt. Und wer das braucht, dem sei es halt gelassen. Die Realität will man nicht: da werden auch noch so große Skandale nichts ändern: Alles bleibt, wie es immer war. Leider.

Und wer jetzt doch noch reinhören will in den von Walter Widemair erfundenen Spatzen-Sound (auch im Vergleich zur Musik seines Dolomiten Sextetts Lienz und zum Nockalm Quintett) reinhören will:
bittesehr:

Montag, 27. Juni 2011, von Elmar Leimgruber

UNO: Synthetische Drogen und Medikamentenmissbrauch im Vormarsch

Sucht: Medikamenten-Missbrauch und synthetische Drogen nehmen zu

Der weltweite Drogenmarkt ist zwar stabil. Der Konsum von synthetischen Drogen und Medikamentenmissbrauch nehmen hingegen zu. Dies geht aus dem aktuellen Welt-Drogenbericht 2011 der UNO hervor, der im Vorfeld des alljährlich am 26. Juni begangenen Internationalen Tags gegen Drogenmissbrauch und unerlaubten Suchtstoffverkehr (Welttag gegen Drogen) veröffentlicht wurde. Demnach sind die globalen Märkte für Kokain, Heroin und Cannabis entweder geschrumpft oder stabil geblieben, während die Produktion und der Missbrauch von Medikamenten und synthetischen Drogen angestiegen ist.

Der illegale Anbau von Opium- und Coca-Pflanzen beschränkte sich auf einige wenige Länder. Obwohl die Produktion von Opium stark zurück ging und der Anbau von Coca leicht reduziert wurde, war die Produktion von Heroin und Kokain insgesamt gleichbleibend.

Cannabis aber bleibt mit Abstand die Droge, die weltweit am meisten produziert und konsumiert wird, obwohl die Datenbasis hierzu laut UNO eher dünn ist. 2009 haben zwischen 2,8 und 4,5 Prozent der weltweiten Bevölkerung zwischen 15 und 64 Jahren – das sind 125 bis 203 Millionen Menschen – Cannabis mindestens einmal konsumiert. Während die Cannabis-Gras (Marihuana)-Produktion weit verbreitet ist, besonders auf dem amerikanischen Kontinent und in Afrika, wird Cannabisharz weiterhin fast ausschließlich in zwei Ländern produziert: Marokko, das Westeuropa und Nordafrika beliefert, und Afghanistan, das die Märkte in Südwestasien bedient. 2010 war Cannabis profitabler für afghanische Bauern als Opium. 2010 war in Afghanistan Cannabisharz eine weitaus profitablere Pflanze als Opium.

“Drogen verursachen jährlich 200.000 Tote. Da Menschen mit einem schwerwiegenden Drogenproblem den Großteil der Drogenkonsumenten ausmachen, ist die Behandlung dieses Problems einer der besten Wege, den Markt zusammenzuschrumpfen,“ warnte Yury Fedotov, Exekutivdirektor des UNO-Büros für Drogen- und Verbrechensbekämpfung (UNODC). 2009 haben die UNO-Mitgliedsstaaten die Gültigkeit des internationalen Drogekontrollregimes  während des High-Level Segments der Suchtstoffkommission bestätigt. Exekutivdirektor Fedotov betonte das Prinzip der „gemeinsamen Verantwortung“ und die Notwendigkeit, nationale, regionale und internationale Bemühungen in eine umfassende Strategie für Anbau, Produktion und Handel von Drogen einzubauen.

Weltweit haben rund 210 Millionen Menschen, oder 4,8 Prozent der Bevölkerung im Alter von 15-64 Jahren, mindestens einmal illegale Substanzen im letzten Jahr konsumiert. Der allgemeine Drogenkonsum, inklusive des problematischen Teils, (0,6 Prozent der Bevölkerung von 15 bis 64 Jahren) ist stabil geblieben. Die Nachfrage nach Substanzen, die nicht international kontrolliert werden, ist dagegen enorm gestiegen. Die Wirkung von Cannabis wird zudem durch synthetische Cannabinoide nachgeahmt, bekannt auch unter dem Namen „Spice“.

Der weltweite Schlafmohn-Anbau hat 2010 195.700 Hektar erreicht, eine leichte Steigerung im Vergleich zu 2009. Die Opium-Produktion sank dagegen um 38 Prozent auf 4.860 Tonnen, da Schädlinge einen großen Teil der Ernte zerstört hatten. Trotzdem hat Afghanistan den größten Anteil an der Opium-Produktion weltweit (3.600 Tonnen oder 74 Prozent). Während der Anbau in Afghanistan stabil blieb, wurde der globale Trend von Steigerungen in Myanmar bestimmt, wo der Anbau im Vergleich zu 2009 um 20 Prozent gestiegen ist. Als Resultat ist auch die Opium-Produktion in Myanmar von 5 Prozent der weltweiten Produktion im Jahr 2007 auf 12 Prozent im Jahr 2010 angestiegen. Die weltweite Opium-Produktion sank zwischen 2007 und 2010 um 45 Prozent, vor allem infolge der schlechten Erträge 2010, doch dieser Trend wird sich laut UNO vermutlich nicht fortsetzen.

Die weltweite Anbaufläche für Coca sank 2010 auf 149.100 Hektar, ein Rückgang von 18 Prozent seit 2007. Der US-Kokain-Markt ist den letzten Jahren massiv eingebrochen. Trotzdem ist er noch immer der größte weltweit mit einem Verbrauch von 157 Tonnen im Jahr 2009, was 36 Prozent des Gesamtverbrauchs entspricht. Der zweitgrößte Kokain-Markt ist Europa, speziell West- und Mitteleuropa, wo der Verbrauch auf 123 Tonnen geschätzt wird. In den vergangenen zehn Jahren hat sich der Kokainverbrauch indes in Europa verdoppelt (obwohl er in den letzten Jahren relativ stabil geblieben ist). Geschätzte 21 Tonnen Kokain sind 2009 über Westafrika nach Europa gekommen.

Sprunghaft ansteigende Produktion, Handel und Verbrauch von Amphetaminen begleitet von einer Rückkehr des Opium-Anbaus und des Heroinhandels geben in Südostasien Anlass zur Sorge. Viele nicht regulierte Substanzen werden als „legal highs“ und Ersatz für illegale Aufputschmittel, wie etwa Kokain oder Ecstasy, vermarktet. Methaphetamin, eine im hohen Maße süchtig machende Substanz, breitet sich derzeit über Ostasien aus und  verzeichnet auch in Nordamerika seit 2009 wieder einen Anstieg, nachdem es einige Jahre rückläufig war. In der Tat war 2009 ein Rekordjahr hinsichtlich der Beschlagnahmung synthetischer Drogen, größtenteils vorangetrieben durch das Abfangen von Methaphetamin – das 2009 (15,8 Tonnen) im Vergleich zu 2008 (11,6 Tonnen) um mehr als ein Drittel anstieg – vor allem in Myanmar. Obwohl Myanmar eine der Hauptquellen für Methaphetamin-Pillen in Südostasien ist, entwickelt sich auch Afrika zu einer Quelle für Methaphetamin, das für Ostasien bestimmt ist.

Der UNO-Weltdrogenbericht wurde am Hauptsitz der Vereinten Nationen vom erst kürzlich wiedergewählten UNO-Generalsekretär Ban Ki-Moon sowie von Yury Fedotov, Joseph Deiss, Präsident der Generalversammlung, Gil Kerlikowske, Direktor der Drogenkontrollbehörde des Weißen Hauses und Viktor Ivanov, Direktor der russischen Drogenkontrollbehörde vorgestellt.

Sonntag, 29. Mai 2011, von Elmar Leimgruber

Ausgrenzungspolitik fördert AIDS-Ausbreitung

Drogen und AIDS gehen in Osteuropa Hand in Hand
Foto: caritas-international.de

Die politische und gesellschaftliche Ausgrenzung von mit dem HIV-Virus infizierten Drogenabhängigen trägt maßgeblich zur rasanten Ausbreitung von Aids in Osteuropa bei. Davon zeigt sich Caritas international, das Hilfswerk der deutschen Caritas, anlässlich der europäischen HIV-Konferenz, die vom 25.-27. Mai in Tallinn von der Weltgesundheitsorganisation (WHO), den Vereinten Nationen (UNO) und der Europäischen Union (EU) veranstaltet wird, überzeugt. Caritas international (CI) fordert daher ein Ende der Ausgrenzungspolitik in Osteuropa und volle Menschenrechte auch für Drogennutzer.

In nur 15 Jahren stieg die geschätzte Zahl der HIV-Infizierten in Osteuropa von wenigen tausend auf über eineinhalb Millionen. Die extrem schnelle Ausbreitung der Epidemie ist laut CI vor allem auf den starken Anstieg des Drogenkonsums und die Verwendung von nicht sterilen Spritzen nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion zurückzuführen. In Russland wird die Zahl der Drogennutzer auf 1,5 bis über 4 Millionen geschätzt; in einigen Städten sind davon 30-50 Prozent HIV-positiv. Gegen jede gesellschaftliche Stigmatisierung von Aids-Kranken hat sich indes der vatikanische Kardinalstaatssekretär Tarcisio Bertone gewandt.

Die Stigmatisierung, Schikanierung und Kriminalisierung von Infizierten und Drogenabhängigen sowie die Weigerung, Substitutionsprogramme einzuführen, verhindern in vielen osteuropäischen Ländern nach wie vor einen gezielten Kampf gegen Aids, kritisiert Caritas international. Um die Ausbreitung des Virus zu stoppen, wäre daher ein Dreiklang aus Aufklärung und Beratung, Angeboten von Drogenersatzprogrammen sowie die Verteilung steriler Spritzbestecke an die Drogennutzer notwendig.

Caritas international, das Hilfswerk der deutschen Caritas, unterstützt seit vielen Jahren HIV/Aids-Projekte in Osteuropa. Schwerpunkte sind die Verbesserung der bestehenden Suchthilfe sowie die Integration von HIV-Infizierten in bestehende Angebote für Menschen am Rand der Gesellschaft. Caritas international ist das Hilfswerk der deutschen Caritas und gehört zum weltweiten Netzwerk der Caritas mit 165 nationalen Mitgliedsverbänden, der Caritas internationalis.

Caritas internationalis begeht in diesem Jahr den 60. Jahrestag seiner Gründung und deren Generalversammlung fand vor wenigen Tagen in Rom statt. Diese hatte am Dienstag Kardinal Oscar Andres Rodriguez Maradiaga aus Honduras für vier weitere Jahre in seinem Amt als Präsident von Caritas Internationalis bestätigt. Zu seinem Generalsekretär wählte das Gremium am Freitag Michel Roy (Caritas Frankreich), der die Nachfolge von Lesley-Anne Knight antritt. Caritas Internationalis ist der Dachverband der weltweit 165 eigenständigen nationalen Caritasverbände. Der Generalversammlung gehören 300 Delegierte an.