Mit ‘Blogger’ getaggte Artikel

Freitag, 5. April 2013, von Elmar Leimgruber

Reporter ohne Grenzen: Merkel sei hart zu Putin! (Info und Kommentar)

INFO: Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel soll bei ihrem Treffen mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin am Sonntag (7. April) ihre Sorge um die zunehmende Kontrolle des Internets in Russland zum Ausdruck zu bringen, forert “Reporter ohne Grenzen” (ROG). „Die neuen Regeln, die angeblich Kinder und Jugendliche schützen sollen, sind so schwammig formuliert, dass sie leicht gegen Oppositionelle und kritische Medien benutzt werden können“, sagte ROG-Geschäftsführer Christian Mihr in Berlin. „Es ist hochproblematisch, wenn einige wenige Beamte darüber entscheiden, welche Seiten sich Nutzer anschauen dürfen und welche nicht.“

Seit November 2012 führt laut ROG die russische Medienaufsichtsbehörde Roskomnadsor eine schwarze Liste von Webseiten, die Internetprovider im Land blockieren müssen (Internetzensur). Offiziell dient sie dem Jugendschutz und soll Pornografie und Themen wie Drogenkonsum oder Selbstmord aus dem Netz fernhalten. Doch schon kurz nach dem Start fanden sich darauf auch Seiten von Oppositionellen und angeblichen Extremisten. So sperrte der russische Blog-Anbieter Live Journal im Februar das Konto von Michael Jakowlew, dem Oppositionsführer in Russlands siebtgrößter Stadt Omsk. Kurz zuvor hatte der Youtube-Beitreiber Google vor einem Moskauer Gericht gegen die Sperrung eines angeblich jugendgefährdenden Videos geklagt.

Mehr als 2000 Seiten finden sich Angaben der russischen Piratenpartei zufolge inzwischen auf der schwarzen Liste. Vor allem Seiten über Homosexualität und „Extremismus“, Glücksspiel und Drogen seien in den vergangenen Monaten gesperrt worden, so der russische Journalist Andrej Soldatow. Er hat sich mit seiner Webseite Agentura.ru auf Überwachung und Geheimdienste spezialisiert und dokumentiert akribisch alle bekannten Fälle von Internetzensur. Soldatow berichtet von einem Experiment in der Region Kostroma, wo lokale Internetprovider ihren Nutzern nur noch Zugang zu einem „gesäuberten“ Internet anböten.

Doch es sind nicht nur strenge Internetgesetze, die die Pressefreiheit in Russland bedrohen. Im März verabschiedete das Parlament ein Gesetz, das den Gebrauch von Schimpfwörtern in den Medien verbietet und dafür bis zu 5000 Euro Strafe vorsieht. Dies hielt selbst die russische Regierung für so unpräzise, dass sie die Abgeordneten bat, das Gesetz noch einmal zu überarbeiten. Im November 2012 hatten Abgeordnete der Regierungspartei Einiges Russland versucht, das umstrittene Agentengesetz von Nichtregierungsorganisationen (NGOs) auf Medien auszuweiten. Medien, die über russische Politik berichten und sich zu 50 Prozent aus dem Ausland finanzieren, müssten sich als ausländische Agenten registrieren, forderten sie in ihrem Gesetzvorschlag.

Nur wenige Medien wagen in dieser Lage noch offene Kritik an der Regierung. Zu ihnen gehören der Internet-Sender Doschd TV, die Boulevard-Zeitung Moskowski Komsomolez, die Zeitung Nowaja Gaseta und der Radiosender Echo Moskwy. Auf der ROG Rangliste der Pressefreiheit steht Russland auf Platz 148 von 179 – nur zwei Plätze vor dem Irak. Nowaja Gaseta-Chefredakteur Dmitri Muratow zeichnete zum 20-jährigen Jubiläum seiner Zeitung ein entsprechend düsteres Bild: In Russland habe die Presse ihre grundlegende Aufgabe aufgegeben, die Mächtigen zu kontrollieren. „Heute kontrollieren die Medien eher die Bevölkerung“, so Muratow.

KURZKOMMENTAR: Sicher ist es notwendig, dass gegen Internetzensur aufgetreten wird. Dies gilt auch und im Besonderen für Russland. Und sicher ist es auch sinnvoll, dass “Frau Europa” Angela Merkel (CDU), die sich immer wieder für Pressefreiheit eingesetzt hat, hier beim russischen Machthaber auftritt. Aber mindestens genauso notwendig wäre es, dass das, was ROG von Merkel verlangt, auch von Deutschlands Ex-Kanzler Gerhard Schröder (SPD) erwartet wird, der immerhin nun in Diensten Putins steht.

Und bei aller berechtigten Kritik Russland gegenüber sollte nicht vergessen werden, dass Internet-Überwachung und -Zensur inzwischen auch im “freien” Europa auf der Tagesordnung steht und dies hier nicht nur toleriert, sondern offensichtlich sogar erwünscht ist. Erinnert sei hier beispielsweise an die fast kritiklose Umsetzung von Internetkontrollmaßnahmen durch das als besonders liberal geltende Frankreich. Ebenfalls fragwürdig in diesem Zusammenhang ist auch, dass bekanntlich selbst die Vereinten Nationen (UNO) eine weltweite Kontrolle des Internet fordern. Es wäre daher angemessen, dass Reporter ohne Grenzen auch hier mahnt.

Und noch eine grundsätzliche Frage sei abschließend gestattet: In welchem (auch westlichen) Land manipulieren und kontrollieren nicht “öffentliche Meinung” und Medien die Bevölkerung?

Mittwoch, 2. Januar 2013, von Elmar Leimgruber

2012: 88 Journalisten und 47 Blogger getötet

88 Journalisten sowie 47 Blogger und Bürgerjournalisten wurden 2012 bei ihrer Arbeit getötet – mehr als je zuvor, seit Reporter ohne Grenzen (ROG) 1995 die erste Jahresbilanz veröffentlichte. Das geht aus der ROG-Bilanz für 2012 hervor. Die vollständige ROG-Jahresbilanz 2012 ist hier abrufbar.
“Zu den enorm hohen Opferzahlen haben vor allem der Syrien-Konflikt, die Gewalt der Taliban in Pakistan und der Bürgerkrieg in Somalia beigetragen”, sagte ROG-Vorstandssprecher Michael Rediske in Berlin. Die Bürgerkriegsländer Syrien und Somalia, das von den Taliban und Stammesrivalitäten destabilisierte Pakistan sowie Mexiko und Brasilien, wo Drogenkartelle und Banden die Staatsmacht herausfordern, gehörten 2012 zu den gefährlichsten Orten für Journalisten.

Die meisten inhaftierten Journalisten und Blogger zählte Reporter ohne Grenzen 2012 in der Türkei, wo sich die Zahl der Festnahmen seit der Verschärfung des Kurdenkonflikts verdoppelte, sowie in China, wo die Regierung die Zensur vor dem Parteitag enorm verschärfte. Zahlreiche Journalisten sitzen zudem in Syrien und im Iran im Gefängnis sowie in Eritrea, das seit Jahren den letzten Platz auf der ROG-Rangliste einnimmt.

Donnerstag, 27. September 2012, von Elmar Leimgruber

Klenk: Journalismus-Ausbildung nur für Berufstätige

 

Ressl, Hinterleitner, Turnheim, Bruckenberger, Wasserbauer, Klenk

Nur diejenigen sollten Journalismus studieren, die vorher bereits einen anderen Beruf erlernt haben. Dies forderte Florian Klenk, Chefredakteur des “Falter” beim gestrigen “Treffpunkt Medien” zum Thema “Selbstdarsteller, Redaktionsmitglied oder Web 2.0-Netzwerker -Was muss der Journalist von morgen sein?” In manchen Medien sei es zu Recht üblich, dass ein Jurist über juristische Themen schreibt und ein Arzt über medizinische Themen: dies sollte eigentlich selbstverständlich sein, meinte Klenk. Er vermisse zudem echten Journalismus, der darin bestehe, “rauszugehen, zu recherchieren und gute Geschichten” zu suchen. Der reine Agentur-Journalismus werde an Bedeutung verlieren, während “das Erzählen von guten Geschichten” immer von Bedeutung bleiben werde, zeigte sich Klenk, der auch auf Twitter “nicht privat” postet, überzeugt.

Wasserbauer, Klenk

Das Web 2.0 und Social Networks (Facebook, Twitter…) seien zwar sehr schnelle Medien, für eine Nachrichtenagentur sei aber letztlich -bei allem Bemühen um Geschwindigkeit- der Wahrheitsgehalt der Information entscheidend, erklärte Johannes Bruckenberger, Stv. Chefredakteur der Austria Presse Agentur (APA). Er ermutige seine Mitarbeiter, in sozialen Netzwerken auch selbst aktiv zu sein und diese auch zu nützen, so Bruckenberger.

 

Ressl, Klenk, Hinterleitner, Wasserbauer, Turnheim, Bruckenberger

Während Elisabeth Wasserbauer vom Kuratorium für Journalistenausbildung (KFJ) unter anderem die “Selbstdarstellung” und einen Mangel an Objektivität unter Bloggern ortete, nützt Gerlinde Hinterleitner, Chefredakteurin von derstandard.at die sozialen Netzwerke vor allem zur Promotion für Printprodukte.

An der Podiumsdiskussion unter der Leitung von Fred Turnheim (ÖJC), welche auch als Live-Stream ins Internet übertragen wurde, nahmen Florian Klenk, Elisabeth Wasserbauer, Johannes Bruckenberger, Gerlinde Hinterleitner und der Kommunikationsberater Werenfried Ressl teil. Die Veranstaltung fand im Rahmen der diesjährigen Österreichischen Medientage in der Wiener Stadthalle statt.

Donnerstag, 24. Mai 2012, von Elmar Leimgruber

DJV verurteilt islamistischen Mordaufruf an Journalisten

Der deutsche Journalisten Verband (DJV) ist empört über einen Mordaufruf an Journalisten. In einem im Internet kursierenden Mordaufruf eines Islamisten wird unter anderem dazu aufgerufen, Journalisten zu ermorden, die Demonstranten mit Mohammed-Karikaturen gezeigt hätten.

„Unvoreingenommene und kritische Berichterstattung ist die Aufgabe von Journalistinnen und Journalisten“, reagiert DJV-Bundesvorsitzender Michael Konken: „Dazu gehört auch die Berichterstattung über Demonstrationen.“ Es sei völlig inakzeptabel, dass Journalisten ins Visier von Fanatikern gerieten.

Der DJV-Vorsitzende forderte die Sicherheitsbehörden zu umfangreichen und zügigen Ermittlungen gegen die Urheber des Mordaufrufs auf. „Es muss klar sein, dass Hasspamphlete keinen Platz in der demokratischen Gesellschaft haben.“ Er erwarte, dass die ins Visier geratenen Journalisten und ihre Angehörigen von den Behörden größtmöglichen Schutz erhielten, so Konken.

Seit Jahresbeginn wurden übrigens weltweit 21 Journalisten und 6 Blogger getötet, viele von ihnen in Kriegsgebieten wie Syrien oder Somalia. Im Schnitt kam alle fünf Tage ein Berichterstatter ums Leben. Zum Internationalen Tag der Pressefreiheit am 3. Mai hatte Reporter ohne Grenzen (ROG) diese Zahl publiziert und die neue Liste der „Feinde der Pressefreiheit“ vorgestellt.

Montag, 12. März 2012, von Elmar Leimgruber

Welttag gegen Internetzensur: 12 Internet-Schurkenstaaten

Die Staaten Bahrein, Belarus, Birma, China, Kuba, Iran, Nordkorea, Saudi Arabien, Syrien, Turkmenistan, Usbekistan und Vietnam sind die größten Feinde des Internets: Online-Inhalte werden in diesen Ländern stark gefiltert, kritische Blogger und Online-Journalisten ausfindig gemacht und unter Druck gesetzt. Zum Welttag gegen Internetzensur am heutigen 12. März veröffentlicht die Journalistenorganisation Reporter ohne Grenzen (ROG) den aktuellen Bericht über die „Feinde des Internets“. Er beschreibt Staaten mit massiver Online-Überwachung und dokumentiert deren Kontroll- und Zensurmaßnahmen. ROG zählt zwölf Länder zu den Feinden des Internets, 14 weitere stehen „unter Beobachtung“.

Vierzehn Staaten stellt ROG im aktuellen Bericht „unter Beobachtung“. Dazu gehören Australien, Ägypten, Eritrea, Frankreich, Indien, Kasachstan, Malaysia, Russland, Südkorea, Sri Lanka, Thailand, Tunesien, Türkei und die Vereinigten Arabischen Emirate. Neu hinzugekommen sind in diesem Jahr Indien und Kasachstan. In Indien hat die Regierung die Onlineüberwachung seit den Bombenanschlägen in Mumbai 2008 verschärft. Das kasachische Regime überwacht das Internet seit gewalttätigen Zusammenstößen bei Ölarbeiterstreiks im Südwesten des Landes besonders stark.
Vor allem die Umbrüche in den arabischen Ländern haben laut ROG gezeigt, wie wichtig das Internet im Kampf gegen autoritäre Regime ist, erklärt ROG. Kritische Blogger mobilisierten über soziale Netzwerke zum Widerstand, Bürgerjournalisten füllten Lücken der Berichterstattung, wo konventionelle Medien zensiert und ausländische Reporter nicht zugelassen wurden. Viele Regierungen reagierten darauf mit verschärfter Online-Überwachung und versuchten, kritische Journalisten und Internetnutzer zum Schweigen zu bringen. Rund 120 Blogger und Online-Aktivisten sind derzeit weltweit in Haft, vor allem in China, Iran und Vietnam.

Vor allem Iran und China haben die Internet-Überwachung im vergangenen Jahr deutlich verstärkt. In China übt das Regime massiven Druck auf private Internetfirmen aus, damit diese sie bei der Zensur unterstützen. Iran hat ein eigenes „nationales Internet“ angekündigt. Sowohl im Iran als auch in Vietnam wurden im vergangenen Jahr zahlreiche Online-Aktivisten festgenommen. Im Iran sitzen derzeit 20, in Vietnam 18 von ihnen im Gefängnis. Der Iran unterstützt auch das Regime in Syrien, das Berichte über die Niederschlagung der Opposition unterdrückt, bei der Kontrolle des Internets. In Turkmenistan hat die Staatsspitze den Informationskrieg 2.0 vorerst gewonnen.

Nordkorea hingegen kämpft damit, dass immer wieder Kommunikationstechnik über die chinesische Grenze geschmuggelt wird. In Kuba tragen Regierungsanhänger und Oppositionelle ihre Auseinandersetzungen vor allem im Internet aus. Saudi Arabien setzt derweil seine rigorose Online-Zensur fort. In Usbekistan setzten die Behörden alles daran, Diskussionen über die arabischen Revolutionen auf den Seiten von Uznet zu unterbinden. Bahrein wurde im vergangenen Jahr nahezu vollständig von der internationalen Berichterstattung abgeschnitten: Ausländische Journalisten kamen nicht ins Land, Blogger wurden verhaftet. Auch in Belarus hat Präsident Alexander Lukaschenko die Onlineüberwachung verstärkt, während sich das Land immer weiter politisch isoliert.

Donnerstag, 22. Dezember 2011, von Elmar Leimgruber

66 ermordete Journalisten 2011

Die Zahl der Bedrohung von Journalisten nimmt weltweit zu: Bereits 66 Journalisten wurden im Jahr 2011 (2010: 57) während ihrer Arbeit oder wegen ihres Berufs ermordet. Und auch die Zahl der Festnahmen, Entführungen und Übergriffe stieg 2011 weiter. Dies geht aus der aktuellen Jahresbilanz von Reporter Ohne Grenzen (ROG) hervor. 1.044 Journalisten wurden demnach seit vergangenem Januar weltweit festgenommen (2010: 535), 1.959 wurden angegriffen oder bedroht (2010: 1.374), 71 wurden entführt (2010: 51).

Zu den Ländern mit der höchsten Zahl an getöteten Journalisten gehören wie bereits im vergangenen Jahr Pakistan (10 Todesfälle), Irak (7) und Mexiko (5). Zu dieser Gruppe zählt erstmals auch Libyen mit fünf getöteten Journalisten. In seiner aktuellen Bilanz veröffentlicht ROG außerdem eine Liste der zehn gefährlichsten Regionen, Städte und Plätze für Medienschaffende weltweit: Dazu gehören zum Beispiel die syrischen Städte Deraa, Homs und Damaskus, der Tahrir-Platz in Kairo, der Distrikt Khuzdar in der südwestpakistanischen Provinz Belutschistan oder der mexikanische Bundesstaat Veracruz.

Auch die Repressionen gegen Blogger und Internetaktivisten haben laut ROG in diesem Jahr weiter zugenommen. So wurden bisher 199 Cyberdissidenten festgenommen (2010: 152), zudem verloren mindestens fünf Online-Aktivisten ihr Leben. Der Anstieg der Repressionen gegen Blogger und Internetnutzer hängt mit deren zunehmend wichtigen Rolle bei der Verbreitung von Informationen und Nachrichten zusammen. “In einigen Ländern haben Blogger eine zentrale Rolle bei der Berichterstattung übernommen, vor allem, wenn konventionelle Medien stark zensiert oder internationale Journalisten nicht ins Land gelassen wurden”, sagt ROG-Vorstandssprecher Michael Rediske. Damit seien sie stärker in das Visier von Behörden oder gewaltbereiter Gruppen geraten, so Rediske weiter.

Einen Anstieg verzeichnet ROG auch bei der Zahl der Länder mit Online-Zensur, die sich von 62 auf 68 erhöht hat. Dagegen ist die Zensur konventioneller Medien mit rund 500 zensierten Medien konstant geblieben. Zudem registrierte ROG in den vergangenen zwölf Monaten mehr als 70 Journalisten, die aus ihrer Heimat flüchten mussten. In zehn dieser Fälle leistete das Nothilfe-Referat der deutschen ROG-Sektion Unterstützung bei der Beantragung von Asyl für die Aufnahme in Deutschland.

Ein bedeutender Faktor für den starken Anstieg an Repressionen und Gewalt gegen Medienschaffende waren die Ereignisse um den “Arabischen Frühling” sowie Proteste in Ländern wie Sudan, Belarus oder Uganda. “2011 war in vielen Ländern ein Jahr der Demonstrationen und Kämpfe für Freiheit und Demokratie”, so  Rediske. “Die meisten Machthaber antworteten mit systematischer Gewalt. Nicht nur die Proteste sollten im Keim erstickt, sondern auch Berichte darüber unterdrückt werden”, so Rediske weiter. Überwiegend treffe die Gewalt einheimische Journalisten, deren Schicksal ROG mit der Bilanz in das Blickfeld der Öffentlichkeit rücken will. Die ROG-Jahresbilanz 2011 ist hier online abrufbar.

Montag, 4. April 2011, von Elmar Leimgruber

ROG: China verstärkt Internetzensur

Reporter ohne Grenzen (ROG) kritisiert die zunehmende Internetzensur und verstärkten Repressionen gegen Blogger in China. Insbesondere seit den Erhebungen in arabischen Ländern hat die staatliche Online-Überwachung deutlich zugenommen. Internetnutzer, die Aufrufe zu Demonstrationen nach dem Vorbild der „Jasmin-Revolution“ verbreitet haben, wurden festgenommen. Gleichzeitig beobachtet ROG ein wachsendes Ausmaß von Störungen und Sperrungen von Websites in China.

Das deutsche Netzwerk Xing meldete laut ROG die Blockade und Störungen der Internet-Plattform in China. Xing schließt mittlerweile technische Gründe für die Sperrung und eingeschränkte Erreichbarkeit aus. ROG fordert die sofortige Freischaltung des Dienstes. „Die Störungen passen in das Bild einer seit einigen Monaten währenden dramatischen systematischen Filterpolitik in der Volksrepublik. Die Regierung versucht derzeit mit allen Mitteln, kritische Debatten im Netz zu unterdrücken“, so ROG-Geschäftsführer Christian Rickerts. Mehr denn je verdiene die chinesische Regierung heute den Titel „Feind des Internets“.

Nach Angaben eines Vertreters von Xing bestehen die Blockade und Störungen des Netzwerkes in China seit ungefähr zehn Tagen. Während das Portal in Hong Kong derzeit noch erreichbar sei, funktioniere der Dienst in Shanghai nur sehr eingeschränkt und in Peking sowie in übrigen Teilen des Landes gar nicht mehr, so das Unternehmen. Das Netzwerk, das in China nach eigenen Angaben rund 500.000 Mitglieder hat, geht nach umfassenden technischen Prüfungen davon aus, dass staatliche Filtermaßnahmen die Ursache für die Störung sind.

Erst am 21. März hatte das Internetunternehmen Google die chinesischen Behörden beschuldigt, für Probleme mit dem E-Mail-Dienst Gmail verantwortlich zu sein. Chinesische Nutzer dieses Dienstes berichteten, seit Ende Februar Schwierigkeiten beim Zugriff auf die Gmail-Website und beim Versand von Nachrichten zu haben. Google vermeldete zudem Störungen seines „Instant Messaging Service“.

Diese zensorischen Eingriffe kommen in einer Zeit, in der die chinesischen Behörden versuchen, Demonstrationsaufrufe zu unterbinden. Seit den Erhebungen in Tunesien und Ägypten haben Internetnutzer zahlreiche Appelle zu Protesten über das Internet verbreitet. Die Behörden reagierten mit Filterungen nach Schlüsselwörtern wie „Jasmin“, „Ägypten“ und „Tunesien“. Seit einigen Wochen werden zudem vermehrt Internet-Aktivisten festgenommen. „Die Behörden sind entschlossen, jeden ins Gefängnis zu bringen, der die Revolutionen in der arabischen Welt unterstützt oder Aufrufe für ähnliche Erhebungen in China veröffentlicht“, so ROG.

ROG kritisiert darüber hinaus die andauernde Verfolgung von Unterstützern des inhaftierten Friedensnobelpreisträgers Liu Xiaobo und Unterzeichnern des Reformmanifests „Charta 08“. Das Dokument ist eine von chinesischen Intellektuellen und Menschenrechtsaktivisten initiierte und im Internet veröffentlichte Petition für demokratische Reformen in China. Scharf verurteilte ROG im März den Richterspruch gegen Liu Xianbin, der sich in Online-Artikeln für demokratische Reformen in seinem Land einsetzte: Ein Gericht verurteilte den Bürgerrechtler wegen „Anstiftung zum Umsturz der Staatsgewalt“ zu zehn Jahren Haft. ROG fordert die Freilassung von Liu und eine Revision des unfairen Gerichtsverfahrens.

Donnerstag, 21. Oktober 2010, von Elmar Leimgruber

ROG: Pressefreiheit-Rankings 2010 – Europa im Abwärtstrend

Die Lage der Medienfreiheit in Europa hat sich weiter verschlechtert. Dies ist ein Ergebnis der am 20.10.2010 veröffentlichten Rangliste zur Lage der Pressefreiheit 2010 (World Press Freedom Index 2010) von Reporter ohne Grenzen (ROG). Der bereits bei der vorherigen Erhebung von 2009 festgestellte Abwärtstrend einiger süd- und südosteuropäischer Staaten setzt sich demnach im aktuellen ROG-Ranking fort. Auch bei den EU-Gründungsstaaten Frankreich und Italien hat sich diese Entwicklung bisher nicht umgekehrt.

Gleichzeitig beobachtet ROG bei der Lage der Pressefreiheit wachsende Unterschiede zwischen den EU-Mitgliedsländern: Zwischen den drei am besten platzierten EU-Ländern an der Spitze des Rankings – Finnland, die Niederlande und Schweden – und den am schlechtesten platzierten – Bulgarien, Griechenland – liegen rund 70 Positionen.

Rund die Hälfte der 27 EU-Mitgliedsstaaten sind unter den 20 führenden Ländern der aktuellen Rangliste. Die Schere innerhalb der Staatengemeinschaft geht jedoch stark auseinander. So liegen zwölf EU-Länder, also fast die Häflte, zwischen dem 30. und 70. Rang. Am stärksten gefallen ist Griechenland (2009: Platz 35, 2010: Platz 70). Damit bildet das südeuropäische Land gemeinsam mit Bulgarien (2009: Platz 68, 2010: Platz 70) das Schlusslicht unter den EU-Staaten. In Griechenland waren körperliche Angriffe bei Demonstrationen und Drohungen gegen Journalisten ein Grund für die Abwärtsbewegung.

Auch bei den EU-Gründungsstaaten Frankreich (2009: Platz 43, 2010: Platz 44) und Italien (2009 und 2010: Platz 49) gibt es keine Indizien für eine Verbesserung der Situation: Grundlegende Probleme wie die Verletzung des Quellenschutzes, die zunehmende Konzentration von Medieneigentum sowie gerichtliche Vorladungen von Journalisten dauern an.

“Es ist beunruhigend festzustellen, wie einige EU-Mitgliedstaaten weiter Plätze in der Rangliste verlieren”, äusserte sich dazu ROG-Generalsekretär Jean-François Julliard: “Wenn die EU-Staaten keine Anstrengungen unternehmen, setzt sie ihre weltweit führende Position bei der Einhaltung von Menschenrechten aufs Spiel. Die europäischen Staaten müssen dringend ihre Vorbildfunktion wiedererlangen”, appelliert Julliard.

Die Pressefreiheit – Rangliste 2010
Grafik: rog.at

Auch in diesem Jahr dominieren wieder nordeuropäische Staaten die ersten Ränge. Finnland, Island, die Niederlande, Norwegen und Schweden teilen sich zusammen mit der Schweiz den ersten Rang. Seit Veröffentlichung der ersten ROG-Rangliste im Jahr 2002 hatten alle sechs Staaten schon einmal diese Position inne. Die gesetzlichen Schutzgarantien für Medienschaffende und das hohe Maß an Respekt für die wichtige Arbeit von Journalisten in demokratischen Systemen sind in diesen Ländern vorbildlich.

Österreich nimmt in diesem Jahr Platz 7 ein. Die Verbesserung im Vergleich zum Vorjahr (Platz 13) ist in Relation zu den anderen genannten Ländern zu sehen. Österreich hat 2010 im Ranking deshalb besser abgeschnitten, weil sich die Situation der Pressefreiheit in den anderen Ländern teilweise verschlechtert hat. Grossbritannien liegt übrigens am 19. und die USA am 20. Platz.

Deutschland steht in diesem Jahr – fast unverändert – auf Platz 17 (2009: Platz 18): Wie auch in anderen EU-Staaten wurden Redaktionszusammenlegungen und Stellenstreichungen negativ bewertet. Der Zugang zu Behördeninformationen bleibt ebenfalls unzureichend. Zu weiteren Kritikpunkten gehörten unter anderem das Strafverfahren gegen zwei Leipziger Journalisten in der so genannten Sachsensumpf-Affäre.

Anlass zur Sorge bietet darüber hinaus die Entwicklung der Türkei. Nachdem sich der EU-Anwärter schon im Index 2009 um 20 Plätze verschlechtert hatte, folgt in diesem Jahr ein weiterer Rückfall um 16 Ränge. Damit steht das südeuropäische Land auf Position 138 (2009: 122). Ins Gewicht fielen bei der schlechten Platzierung die steigende Zahl von Klagen gegen Journalisten und Medien sowie Festnahmen von Medienmitarbeitern. Die Türkei gerät somit in unmittelbare Nachbarschaft zu Russland (2009: 153, 2010: 140).

Zensur, Gewalt und Repressionen gehören nach wie vor zum Alltag vieler kritischer Journalisten auch in der Russischen Föderation. Die Mordserie im Erhebungszeitrum der vorherigen Rangliste hat sich jedoch nicht wiederholt. Eine äußerst schwierige Situation der Pressefreiheit dokumentiert ROG zudem seit vielen Jahren auf dem Balkan. Besonders kritisch ist die Lage in Serbien (85), im Kosovo (92) und in Montenegro (104). Drohungen gegen Journalisten und der steigende Einfluss krimineller Gruppen auf Medienunternehmen erschweren die Arbeit von Medienschaffenden in Südosteuropa erheblich.

Die Situation auf den untersten Positionen der Rangliste weltweit ist fast unverändert: Birma, Iran, Turkmenistan, Nordkorea und Eritrea sind erneut die Schlusslichter. Neu hinzugekommen zu der Gruppe der zehn repressivsten Staaten der Welt sind in diesem Jahr der Sudan und Ruanda. Mit der diesjährigen Rangliste wird zum neunten Mal die Situation der Pressefreiheit in 178 Staaten und Regionen weltweit verglichen. In die Bewertung wurden Verstöße gegen dieses Menschenrecht im Zeitraum von September 2009 bis August 2010 einbezogen:

Seit 2005 stehen Eritrea (178), Nordkorea (177) und Turkmenistan (176) ganz unten auf der Liste. Eine systematische Verfolgung von unabhängigen Medienschaffenden und ein vollständiges Fehlen von Nachrichten und Informationen kennzeichnet die Lage in den Ländern seit mehreren Jahren. “Wir sehen leider keine Verbesserung in den autoritären Staaten”, so Julliard. „Wir sind besorgt über den harschen politischen Kurs einiger Regierungen von Ländern am unteren Ende des Rankings.”

Die Situation hat sich auch in Ruanda (2009: 157, 2010: 169) und im Sudan (2009: 148, 2010: 172) verschärft. Die beiden Länder im Osten und Nordosten Afrikas sind deswegen auf die zehn hintersten Ränge abgerutscht. In Ruanda fielen zusätzliche Zensurmaßnahmen und Schließungen von Medien vor der Präsidentschaftswahl im August 2010 ins Gewicht. Überdies wurde ein Journalist ermordet. Im Sudan hat die Regierung ihre Überwachung der Printmedien deutlich verstärkt, mehrere Journalisten wurden verhaftet und eine oppositionelle Tageszeitung wurde geschlossen.

Auch Birma rangiert wieder unter den letzten zehn Staaten. Auf Versuche von Journalisten, Nachrichten jenseits von Propaganda zu veröffentlichen, reagieren die Behörden mit Gefängnis und Zwangsarbeit. Es gibt erste Anzeichen dafür, dass sich die Lage angesichts der im kommenden Monat bevorstehenden Parlamentswahl noch verschärfen wird.

Kaum verändert haben sich darüber hinaus die Positionen der Volksrepublik China (2009: 168, 2010: 171), des Irans (2009: 172, 2010: 175) und Syriens (2009: 165, 2010: 173). Die starke Wirtschaftsmacht China nimmt immer noch nicht ihre Verantwortung bei der Wahrung der Menschenrechte wahr. Anlässlich der Bekanntgabe der Verleihung des diesjährigen Friedensnobelpreises an Liu Xiaobo hat die Regierung wieder ihre starre Haltung manifestiert: Medienberichte über die Preisvergabe wurden zensiert, Unterstützer Lius festgenommen.

Im Iran haben die Menschenrechtsverletzungen gegen Journalisten und Blogger und die staatliche Zensur in diesem Jahr ein noch größeres Ausmaß erreicht. Mehr als 200 Medienschaffende sind seit Sommer 2009 aus der islamischen Republik geflüchtet. In Syrien lassen weit greifende Mechanismen zur Kontrolle von staatlichen und privaten Medien, repressive Pressegesetze und die Unterdrückung von oppositionellen oder kritischen Journalisten so gut wie keine Freiräume mehr für unabhängige Meinungsäußerung.

Die Philippinen, Ukraine und Kirgistan sind neben Griechenland am stärksten in diesem Jahr abgestiegen: Auf den Philippinen (2009: 122, 2010: 156) ereignete sich im vergangenen November eines der schwersten Massaker an Journalisten: Rund 30 Medienmitarbeiter kamen damals ums Leben. In der Ukraine (2009: 89, 2010: 131) verzeichnet ROG eine stetige Verschlechterung der Situation der Pressefreiheit seit Viktor Janukowitschs Wahl zum Präsidenten: Die staatliche Kontrolle über die Medien und Repressionen gegen Journalisten haben zugenommen, die Medienvielfalt nimmt ab. In Kirgistan (2009: 125, 2010: 159) gingen die politischen Unruhen mit der Verfolgung von Journalisten einher, die ethnischen Minderheiten angehören.

Die vollständigen Pressefreiheit-Rankings 2010 weltweit sind hier abrufbar.

Freitag, 15. Oktober 2010, von Elmar Leimgruber

EP-Journalistenpreis 2010 geht an Polen, Schweden, Ungarn und Grossbritannien

Journalisten aus Polen, Großbritannien, Ungarn und Schweden wurden am 14.10.2010 mit dem diesjährigen Journalistenpreis des Europäischen Parlaments (EP) in insgesamt vier Kategorien ausgezeichnet: Print, Radio, TV und Internet. “Mit seiner Entscheidung, diesen Preis zu schaffen, will das Europäische Parlament kritischen und unparteiischen Journalismus fördern. Ich weiß, wie schwer die Aufgabe sein kann, Europa, seine Politiken und
seine Entscheidungen zu erklären. Aber es ist unerlässlich,” sagte Jerzy Buzek, Präsident des EU-Parlaments. Jeder Gewinner erhielt 5000 Euro.

Nach der Preisverleihung folgte eine Podiumsdiskussion zum Thema “Journalisten -  eine gefährdete Spezies?”. Fast alle nationalen Gewinner der EU-Mitgliedstaaten besuchten die Veranstaltung. Zusätzlich waren auch 50 junge Journalisten anwesend, die an einem Workshop des EP teilnehmen.
Witold Szablowski von der polnischen Tageszeitung “Gazeta Wyborcza” gewann den Preis in der Kategorie Printmedien für seinen Artikel: “Heute werden zwei Leichen an Land gespült”. Der Artikel setzt sich mit dem Problem der illegalen Zuwanderung in die Europäische Union auseinander. Laut der Jury ist der Beitrag “informativ, lebendig und authentisch”. Ein Jurymitglied hob die Qualität der Schreibkunst hervor – diesen Artikel zu lesen sei wie das Lesen eines “literarischen Werks”.

Kajsa Norell und Nuri Kino von Sveriges Radio Ekot (Schweden) gewannen den Preis in der Kategorie Radio für ihre Reportage über die finanzielle Unterstützung der Türkei durch die EU. Wie der investigative Beitrag zeigt, kommen EU-Gelder nicht vollständig bei den örtlichen Landwirten in der Türkei an. Die Radiosendung ist laut Jury “eine hervorragende Untersuchung”, ausgezeichnet durch ein “perfektes Timing” und “perfekte Länge”. Gedreht wurde sowohl in der türkischen Provinz als auch in Ankara.

Zsolt Németh von MTV Ungarn gewann den Preis in der Kategorie TV für sein Programm “Euforia”, das die Geschichte der EU in verständlicher Weise solchen Zuschauern näherbringt, die wenig über die EU wissen, und vor allem auch jüngeren Zuschauern. Die Jury lobte die Qualität des Programms sowie seine hohe Kreativität, die TV-Projekten über die EU oft fehlt. Vor allem aber schaffe es der ungarische Beitrag, “gleichzeitig attraktiv, witzig und lehrreich” zu sein.

James Clive-Matthews aus Großbritannien gewann den Preis in der Kategorie Internet für seinen Blogbeitrag “EUtopia -  welcher Prozentsatz der Gesetze stammt von der EU?”  In der Begründung der Jury hieß es, der Autor habe “hervorragende Recherchearbeit” geleistet, und der Beitrag sei sehr “verständlich, überzeugend und humorvoll” sowie “informativ und interessant”. Der Journalist, der einer der “wenigen Blogger, die sich ernsthaft mit der EU befassen”,
sei, habe sehr ernsthafte statistische und vergleichende Arbeit geleistet, aber gleichzeitig könne sein Artikel “mit großem Vergnügen” gelesen werden.