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Donnerstag, 22. Januar 2015, von Elmar Leimgruber

Sozialbericht: Ist sozialer Ausgleich in Österreich gut ausgeprägt?

Gestern Mittwoch wurde der alle zwei Jahre erscheinende vom Wirtschaftsforschungsinstitut (WIFO), der Statistik Austria und dem Sozialministerium erstellte Sozialbericht vorgestellt. “Im Vergleich zu anderen EU-Staaten haben sich in Österreich die Folgen der Finanz- und Wirtschaftskrise bislang relativ moderat ausgewirkt. Dies ist sowohl auf wirtschafts-, fiskal- und beschäftigungspolitische Maßnahmen als auch wohlfahrtsstaatliche Strukturen und die Sozialausgaben als konjunkturstabilisierende Faktoren zurückzuführen”, unterstrich Sozialminister Rudolf Hundstorfer.

Im Gegensatz zum Sozialminister aber, der seit drei Jahrzehnten die Unternehmens- und Vermögenseinkommen stärker ansteigen sieht als die Einkommen aus Arbeit, betont die Wirtschaftskammer (WKO), dass die österreichische Einkommensverteilung im internationalen Vergleich sehr gut abschneidet: “Der soziale Ausgleich ist in Österreich besonders stark ausgeprägt”, erklärt Anna Maria Hochhauser, Generalsekretärin der Wirtschaftskammer:  Wird die Umverteilungswirkung anhand des international anerkannten GINI-Koeffizienten betrachtet, so befinde sich Österreich im OECD-Vergleich sogar an erster Stelle.

Die Umverteilung durch das Steuer- und Transfersystem reduziere den Gini-Koeffizienten für die Einkommensverteilung (0=völlige Gleichverteilung, 1=maximale Ungleichverteilung) von 0,47 (Bruttoeinkommen) auf 0,26 (Nettoeinkommen). Somit liegt Österreich mit einer Differenz des Gini-Koeffizienten zwischen Brutto- und Nettoeinkommensverteilung von 0,21 an der OECD-Spitze. Das Nettopensionsvermögen ist durch die gesetzliche Mindest- und Höchstpension sogar noch gleicher verteilt als das Nettovermögen. “Wir stehen bei der sozialen Sicherheit viel besser da als die meisten europäischen Länder. Die Wirtschaftskammer setzt sich daher im Rahmen der Steuerreform für eine Senkung des Eingangssteuersatzes bei der Lohn- und Einkommensteuer ein,” betont Hochhauser.

Die starke Umverteilung habe aber auch ihren Preis, so Hochhauser. Der Anteil der Steuern und Sozialabgaben am BIP betrage in Österreich bereits über 40 Prozent: “Wir sind damit im OECD-Vergleich ein absolutes Hochsteuerland. Auch ist zu berücksichtigen, dass 10% der Lohnsteuerpflichtigen 52% des Lohnsteueraufkommens zahlen. Die Steuerschraube darf daher nicht noch weiter zugedreht werden. Noch höhere Steuern oder neue Steuern auf Eigentum würden den Wirtschafts-und Arbeitsstandort Österreich erheblich unter Druck setzen. Das kann sich unser Land gerade in wirtschaftlich fordernden Zeiten nicht leisten”, so Hochhauser.

Anders bewertet die österreichische Armenkonferenz den aktuellen Sozialbericht: “Dauerhafte Armut bei steigendem Reichtum ist kein Naturgesetz”, kommentiert die Armutskonferenz die Daten des aktuellen Sozialberichts. “Armut und soziale Ungleichheit sind keine Naturereignisse, die es mit jeder frischen Statistik neu zu bestaunen gilt. Es gibt genügend Instrumente und Möglichkeiten in der Schule, beim Wohnen und mit sozialen Dienstleistungen gegenzusteuern.”, so das österreichische Netzwerk, das 500.000 Menschen im Jahr begleitet, unterstützt und mit ihnen für eine Verbesserung ihrer Lebensbedingungen kämpft.

Der aktuelle Sozialbericht ist hier vollständig online abrufbar.

Sonntag, 18. Dezember 2011, von Elmar Leimgruber

Der Weg aus dem Würgegriff der Finanzmärkte

Ja, es stimmt: Europa (und nicht nur das) ist im Würgegriff der Finanzmärkte. Aber das sind die Ursachen: Obwohl bereits im Euro-Stabilitätspakt (Ursprung 1992) geregelt ist, dass Staaten die Höhe ihres jährlichen Haushaltsdefizits auf 3% ihres Bruttoinlandsprodukts (BIP) und den Stand ihrer öffentlichen Verschuldung auf 60% ihres BIPs begrenzen müssen, hielt sich kaum eine Regierung (in Österreich wenigstens die schwarz-blaue Regierung teilweise) an diese Vorgaben: Jede Regierung nutzte für sich zwar die Vorteile der Grenzenlosigkeit und der gemeinsamen Währung ohne aber die geforderten und zugesagten Verpflichtungen auch einzuhalten. Im Gegenteil: die meisten Regierungen trieben in den vergangenen Jahren ihre Staatsschulden in unermessliche Höhen. Dies konnte (und kann) nicht auf Dauer ohne Folgen bleiben.

Wenn ein Staat kostendeckend wirtschaftet- und dies sollte der Regelfall sein- dann hat er es nicht notwendig, Geld zu borgen (von wem und zu welchen Bedingungen dieses auch immer kommen mag). Wenn ein Staat aber bedauerlicherweise (in vielen Fällen) seit Jahrzehnten nicht nur seine Schulden nicht zurückzahlt, sondern im Gegenteil weiterhin zusätzliche neue zusätzliche Schulden produziert, dannn kann dies nicht auf Dauer toleriert werden. Denn jeder, der eine Leistung erbringt, will auch dafür bezahlt werden, egal ob er die Heizung repariert, Kartoffeln verkauft oder Geld borgt. Dem Geldgeber als den Schuldigen und den Bösen hinzustellen, wenn er gegen die weitere Schuldenproduktion ist, ist daher also nicht gerechtfertigt. Im Gegenteil: Durch die Anhäufung ständig neuer Schulden beweist man geradezu, dass man selbst offensichtlich nicht in der Lage ist, vernünftig zu wirtschaften.

Die vielfach verbreitete “Schlachtet die Finanzmärkte”-Stimmung in der Bevölkerung verwundert mich nicht, weil ihnen maßgeblich das nötige Wissen zum Verstehen verwehrt wird: Viele Kolleginnen und Kollegen im Journalismus nähren Falschinformationen, hetzen teilweise sogar auf, informieren nicht oder nur mangelhaft darüber, was Sache ist und warum es so ist. Dies versuche ich nun anhand eines weiteren Beispiels nachzuholen:

Jeder, der schon mal einen Kredit aufgenommen hat, weiss, wie das funktioniert: man möchte beispielsweise ein Haus kaufen und hat nicht genügend Bargeld, um sich den Traum vom Eigenheim zu verwirklichen und begibt sich auf die Suche nach einer geeigneten Bank für die Finanzierung. Ob die Finanzierung überhaupt genehmigt wird oder nicht, hängt dann maßgeblich davon ab, wie hoch die Eigenmittel sind (also welchen Anteil vom erwünschten Kapital man selbst besitzt), wie viel man monatlich verdient und ob man noch sonstige (freie oder kreditbehaftete) Immobilien besitzt. Und je nach dem, wie viele Sicherheiten jemand zu bieten hat, fallen die Konditionen der Kreditvergabe durch die Bank aus:

Wenn also wer 50 Prozent und mehr an Eigenkapital hat (z.B. 200.000 von insgesamt benötigten 300.000 Euro) und zudem noch ein Einkommen von 2.500 euro netto aufweisen kann, dann erhält er mit Sicherheit weitaus bessere Konditionen von der finanzierenden Bank als wer, der 1.500 Euro monatlich verdient und 100.000 Euro Eigenkapital hat. Dies ist ja auch gerechtfertigt, weil die höheren Zinsen in diesem Fall der Bank helfen, das Risiko der Nichtrückzahlbarkeit zu gegenfinanzieren. Aber natürlich steht es dem Kreditnehmer frei, mit dem Finanzierer über bessere Bedingungen und Zinsen zu verhandeln: auch in diesem Fall werden jedoch wirklich bessere Konditionen nur bei guter Bonität erreicht werden können. Und hat man verhandelt und sich geeinigt, haben sich natürlich beide Seiten an die Vereinbarungen zu halten.

Um bei diesem Beispiel der Hausfinanzierung zu bleiben: Tritt wer bezüglich eines Hauskaufes an eine Bank mit dem Ersuchen um Kredit heran, der keine oder nur sehr geringe Eigenmittel hat, aber dafür schon mehrere kreditfinanzierte Häuser hat, deren Einkommen nicht mal in der Lage ist, die Kreditzinsen zu decken, wird jede Bank aus nachvollziehbaren Gründen die Finanzierung des zusätzlichen neuen Objektes ablehnen: sie würde mit Sicherheit das geborgte Geld niemals zurückbekommen. Bei Staaten ist es ähnlich: Verschuldete Staaten sind zwar vermutlich auch niemals in der Lage, die gesamte über Jahrzehnte hindurch angehäufte Schuldenlast zurückzuzahlen, aber dennoch bekommen sie immer wieder Kredite, weil sie sonst eben pleite gehen würden. Aber aus verständlichen Gründen werden die Konditionen der Kreditvergabe (Auflagen/Verpflichtungen) immer strenger: So werden also auch verschuldete Staaten -nachvollziehbar- an ihre Verpflichtung zur Einhaltung von Budgets erinnert. Und unabhängig von den strengeren Vorgaben der Kreditgeber: Es kann ja nicht das Ziel sein, ständig immer neue Schulden zu produzieren und diese den nachkommenden Generationen aufzubürden.

Was die Konditionen betrifft, spielen natürlich auch die so genannten Rating-Agenturen eine maßgebliche Rolle: Aber auch wenn es mich beunruhigt, dass das Bemühen um eine Einschränkung der Macht der US-Rating-Agenturen innerhalb der EU keine Mehrheit fand: es gibt meistens zwei Seiten, so auch hier: Man mag diesen Analysten ja durchaus zu Recht vorwerfen, dass nicht jegliche Einstufung nur auf rein objektiven Kriterien beruht. und es wird auch zutreffen, dass durch eine Herabstufung der Kreditgeber dank höherer ZInsen auch mehr verdient, aber er trägt auch gleichzeitg das höhere Risiko, sein Geld nicht mehr zurückzubekommen. Einerseits also ist blinder Glaube an das Allwissen der Ratingagenturen sicher nicht angebracht, andererseits aber sollte jeder auch, der bereit ist, sein Geld in einen Staat oder eine Bank zu investieren auch einigermaßen darüber Bescheid wissen, wie es seinem Kreditnehmer finanziell geht. Genau darüber -möglichst objektiv- zu informieren ist Aufgabe der Rating-Agenturen. Und daher wäre vielleicht eine europäische Rating-Agentur ähnlich einem Kreditschutzverband auch durchaus sinnvoll: wer kauft und investiert, sollte über das Risiko Bescheid wissen, das er eingeht, unabhängig davon, ob er sich dabei um einen Laptop, ein Fahrzeug, eine Immobilie, eine Aktie, eine Bank oder um einen Staat handelt.

Will man sich also als Staat aud Dauer immer unabhängiger vom Würgegriff der Finanzmärkte machen, muss man -so sonderbar es klingen mag- sich deren Gesetzen unterwerfen: Je kostendeckender die Staatsaushalte sind, desto freier und unabhängiger können sie agieren. Daher ist jetzt die so genannte Schuldenbremse auch dringendst notwendig. Und noch vielmehr ist diese Schuldenbremse in einer Gemeinschaft wie der Europäischen Union notwendig: Genau so wie es wichtig, richtig und solidarisch in einer Gemeinschaft ist, dass man sich gegenseitig unterstützt und aufbaut, wenn einer Probleme hat, ist es auch wichtig, richtig und solidarisch, dass dies niemand (egal ob willentlich oder nicht) in der Gemeinschaft ausnützt. Wie kommen wirtschaftlich noch einigermaßen gesunde EU-Staaten wie Deutschland oder Österreich dazu, das selbst mühsam erarbeitete und auch selbst benötigte Geld auf Dauer Pleitestaaten wie Griechenland zur Verfügung zu stellen? Dass wir nun in der EU ein wirtschaftliches Problem haben und sich nun Griechenland, Italien, Portugal, Spanien und einige andere (siehe meinen Beitrag dazu bereits vom 16. Juli 2010 ) so entwickeln konnten, dass sie nun auf Kosten der anderen leben, hat auch seine Ursachen:

Aus rein wirtschaftlichen Überlegungen heraus wurden sicherlich manche Staaten zu früh (weil noch nicht reif dazu) in die EU aufgenommen. Zudem wurde vor der Euro-Einführung offensichtlich (auch aufgrund von falschen gelieferten Zahlen der betreffenden Länder: warum übrigens werden die Verantwortlichen hierfür nicht zur Rechenschaft gezogen?) die Wirtschaftsleistung so mancher Staaten falsch eingeschätzt und demnach auch deren Währungswert falsch berechnet. Und ebenfalls ein Fehler war es, dass man damals den einzelnen Nationalstaaten ihre Versprechen zur Einhaltung von Sparvorgaben geglaubt hat. Deren Nationalstolz ist es auch zu verdanken, dass eine gemeinsame Regierung aller EU-Staaten damals deswegen nicht zustande kam. Dies war ein schwerwiegender Fehler, wie wir jetzt sehen: Wenn immer mehr Staaten in der EU offensichtlich damit scheitern, zukunftsorientierte Budgets zu erstellen, die sie nicht weiter in den Schuldenstrudel hineinziehen, dann zeigt dies -wie bereits in meinem Kommentar vom 3. November betont- dass eine zentrale europäische Wirtschaftsregierung nicht nur jetzt dringend notwendig ist, sondern eigentlich schon vor der Währungsunion hätte eingeführt werden müssen: Will man eine Gemeinschaft sein, muss eben jedes Mitglied bereit sein, für und im Sinne dieser Gemeinschaft und zum Wohle aller zu agieren.

Natürlich aber plädiere ich nicht für eine realitäts- und menschenferne Brüsseler Bürokraten-Regierung, sondern für eine gemeinsame, demokratisch legitimiertes (also von der EU-Gesamt-Bevölkerung gewählte) Parlament, welches eine Zentralregierung bestimmt, in welcher natürlich alle EU-Länder vertreten sein müssen. Und diese Zentral-Wirtschaftsregierung ist dann dafür zuständig, nicht nur zentral die Steuern aller Mitgliedsländer einzuheben (auch um Steuerlöcher zu schließen) und auch wieder zu verteilen, sondern jeweils auch anhand der geplanten Staatshaushalts-Ausgaben auch deren jeweilige Höhe festzulegen. Nur so kann längerfristig gewährleistet werden, dass die einzelnen Staaten wirtschaftlich so arbeiten, dass sie weder selbst pleite gehen, noch die wirtschaftlich gesunden Mitglieder der Gemeinschaft für die Fehler der Pleitiers bezahlen müssen.

Sollte diese zentrale europäische Wirtschaftsregierung aber -was ich befürchte- wieder mal an der Realitätsverweigerung, am Verantwortungsmangel für die europäische Gemeinschaft und am Nationalstolz der einzelnen EU-Staaten scheitern, bliebe nach meiner Einschätzung langfristig wohl wirklich nur noch die Beerdigung des Euro-Projekts, beziehungsweise eine Neugründung eines wirtschaftlich gesunden Klein-Euro-Raums mit Deutschland, Österreich und vielleicht noch ein paar anderen Staaten. dann wäre aber auch die große Idee EINES Europa gestorben, was ich sehr bedauern würde.

Es stimmt also: es wurden zweifelsohne schwerwiegende Fehler im Vorfeld der Euro-Einführung begangen. Aber noch ist es nicht zu spät. Und ich glaube auch nach wie vor an die Europäische Union und an die Währungsunion. Den populistischen EU-Austrittsgedanken (beispielsweise von Österreichs FPÖ-Chef H.C. Strache) lehne ich daher striktest ab: Eine Rückkehr in den früheren Nationalstolz (wir sind wir und die anderen scheren uns einen Dreck) würde langfristig -das lehrt uns die Geschichte, aus der wir bekanntlich nicht dazulernen- zu dem führen, was hoffentlich (noch) niemand will: zu weiteren Unruhen, territorialen Ansprüchen und Kriegen mitten in Europa.

Gemäß der weisen Vision und der politischen Maxime: “Nie wieder Krieg in Europa” wurde seinerzeit bereits die EG gegründet, die später zur EU und dann auch zur Währungsunion wurde. Es muss daher im Sinne aller verantwortungsbewussten Menschen in Europa, unabhängig von Volks- oder Staatsangehörigkeit, Hautfarbe, Religion, Beruf und Funktion sein, sich aktiv einzubringen für eine bessere Welt und für ein besseres solidarischeres Europa, in dem das Gemeinsame mehr zählt als das Trennende: wo aber jeder selbstverständlich (auch EU-gefördert) seine eigene Kultur und die seines Landes leben darf und soll (Vielfalt in der Einheit), wo sich jeder EU-Bürger auch als überzeugter Europäer wohl und zuhause fühlen kann.

“Nie wieder Krieg in Europa” muss weiter Bestand haben. Und wenn irgendein EU-Staat dagegen verstößt, dann müssen ihn auch in Zukunft alle anderen (mit allen nötigen Mitteln) in seine Schranken weisen und definitiv stoppen. Ich glaube an die Zukunft Europas und ich glaube an die Zukunft der EU. Möge mein Glaube Berge versetzen.

 

Freitag, 14. Januar 2011, von Elmar Leimgruber

PwC: China wird Weltwirtschaftsmacht Nr. 1

China wird im Jahr 2050 Wirtschaftsmacht Nr. 1 sein, prophezeit PwC.
Foto: Dieter Schütz/pixelio.de

Die Erde wird im Jahr 2050 eine vollkommen andere Weltwirtschaftsordnung haben als heute: China wird die Nummer werden, gefolgt von den USA am zweiten und von Indien am dritten Rang. Zu diesem Ergebnis kommt die Studie “The World in 2050″ der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PriceWaterhouseCoopers (PwC). Demnach wird zwar das Pro-Kopf-Einkommen in den Industriestaaten weiterhin höher bleiben, jedoch wird die Wirtschaftskraft der E7-Staaten die der G7 um über 60 Prozent übersteigen.

Gemessen am Bruttoinlandsprodukt (BIP) wird China im Jahr 2050 die mit Abstand größte Wirtschaftsmacht sein, gefolgt von den USA und Indien. Die Gewichtsverteilung in der globalen Wirtschaftsordnung ändert sich in den kommenden Jahren grundlegend. Zudem rücken Schwellenländer wie Brasilien, Russland oder auch Mexiko und Indonesien im weltweiten Wirtschaftsranking weit vor, während etablierte Industriestaaten wie Deutschland und Frankreich an Bedeutung verlieren. Deutschland fällt von Rang vier auf Rang acht.

Das Bruttoinlandsprodukt der so genannten E7-Staaten (Brasilien, China, Indien, Indonesien, Mexiko, Russland und die Türkei) wird 2050 den Berechnungen der PwC-Experten zufolge um fast zwei Drittel über dem der G7-Staaten (Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Japan, Kanada und die USA) liegen. Derzeit erreichen die E7-Staaten nur rund 36 Prozent der Wirtschaftsleistung der führenden Industrienationen. Wird die jeweilige Wirtschaftsleistung der Staaten in Kaufkraftparitäten statt zu Marktwechselkursen bewertet, ist das Bruttoinlandsprodukt der E7-Staaten im Jahr 2050 voraussichtlich sogar doppelt so groß wie das der G7.

Für die G7-Staaten sind die Konsequenzen dieser Entwicklung vielschichtig und schwer zu überblicken. Einerseits dürften mit dem wirtschaftlichen Erstarken der Schwellenländer auch neue Global Player entstehen, die mit Konzernen aus den etablierten Industriestaaten um Märkte und Rohstoffe konkurrieren. Andererseits schafft der wachsende Wohlstand in den E7-Staaten auch neue Absatzmärkte für Unternehmen der G7.

“Die Motoren zum Antrieb des weltweiten Wachstums liegen in Zukunft vor allem in Asien und Lateinamerika. Das Wachstum der Schwellenländer schafft aber auch mehr Wohlstand in den alten Industrienationen”, kommentiert PwC-Partner Alfred Höhn.

Der Aufstieg der E7 setzt die Regierungen der G7-Staaten allerdings unter Druck. Sie müssen möglichen Arbeitsplatzverlusten in nicht mehr konkurrenzfähigen Branchen begegnen und den Strukturwandel vorantreiben, wobei die notwendige Sanierung der Staatsfinanzen die Handlungsspielräume einschränkt.

Gemessen an der Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts bis 2050 gibt es auf Ebene der Nationalstaaten klare Auf- und Absteiger (vgl. Tabelle 1). So klettert Indien im Ranking der größten Volkswirtschaften vom elften (Jahr 2009) auf den dritten Platz, China verbessert sich von Rang drei auf Rang eins. Demgegenüber fallen die USA vom ersten auf den zweiten, Japan vom zweiten auf den fünften und Deutschland sogar vom vierten auf den achten Platz zurück. Dennoch bleibt das Wohlstandsgefälle zwischen den Staaten der G7 und der E7 groß. Das deutlich höhere Wirtschaftswachstum in den Schwellenländern geht nämlich mit einem starken Bevölkerungswachstum einher. Damit steigt das Pro-Kopf-Einkommen wesentlich langsamer als das Bruttoinlandsprodukt insgesamt.

Selbst bei einem Vergleich auf Basis der Kaufkraftparität dürfte das BIP je Einwohner in China bis 2050 nur von heute 14 Prozent auf 45 Prozent des US-Niveaus steigen, Indien kommt auf 28 Prozent (2009: 7 Prozent). Demgegenüber legt das Pro-Kopf-Einkommen in Deutschland von 79 Prozent auf 82 Prozent des Pro-Kopf-Einkommens in den USA zu. “Im Jahr 2050 wäre demnach das durchschnittliche Einkommen eines US-Bürger immer noch doppelt so hoch wie das eines vergleichbaren Bürgers in China”, betont Höhn.

Tabelle 1 – Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts bis 2050
Rang
2009
Land BIP in Mrd. USD
(Kurs 2009)
Rang
2050
Land BIP in Mrd. USD
(Kurs 2009)
Quelle: Weltbank, PwC-Berechnungen
1 USA 14.256 1 China 51.180
2 Japan 5.068 2 USA 37.876
3 China 4.909 3 Indien 31.313
4 Deutschland 3.347 4 Brasilien 9.235
5 Frankreich 2.649 5 Japan 7.664
6 UK 2.175 6 Russland 6.112
7 Italien 2.113 7 Mexiko 5.800
8 Brasilien 1.572 8 Deutschland 5.707
9 Spanien 1.460 9 UK 5.628
10 Kanada 1.336 10 Indonesien 5.358
11 Indien 1.296 11 Frankreich 5.344
Tabelle 2 – Entwicklung des relativen Pro-Kopf-Einkommens (USA=100), kaufkraftbereinigt
2009 2030 2050
Quelle: Weltbank, PwC-Berechnungen
USA 100 100 100
Japan 71 78 79
Deutschland 79 80 82
UK 81 83 87
Frankreich 76 79 83
Italien 71 74 74
Kanada 84 83 83
China 14 33 45
Indien 7 15 28
Brasilien 22 31 41
Sonntag, 29. August 2010, von Elmar Leimgruber

Forum Alpbach: Unbezahlte Familienarbeit anerkennen

Unbezahlte Arbeit muss anerkannt und honoriert werden. Und diese hat ein Geschlecht und das ist weiblich. Zu diesem Resume kamen Experten eines Arbeitskreises beim diesjährigen Forum Alpbach. Unbezahlte Haus- und Familienarbeit, Kindererziehung sowie Alten- und Krankenpflege werden zum Großteil von Frauen geleistet. Die durch Haus- und Familienarbeit erworben Qualifikationen werden jedoch auf dem Arbeitsmarkt kaum berücksichtigt. Frauen tragen somit die Hauptverantwortung für Familienarbeit und erhalten dafür nicht die entsprechende Anerkennung, kritisierten die Teinehmer. Die Ausführungen aller Diskutantinnen und Diskutanten beinhalten zudem die Forderung nach verstärktem Engagement aller gesellschaftlichen Gruppierungen im Bereich unbezahlter Tätigkeiten.

Unser Arbeitsbegriff hinkt, ist sich die Mehrheit des Podiums im Arbeitskreis 3 der Alpbacher Reformgespräche sicher. Unbezahlte Haus- und Familienarbeit, Kindererziehung sowie Alten- und Krankenpflege werden auch in Österreich zum Großteil von Frauen verrichtet. Diese Familienarbeit war dann auch der Fokus der Diskussionsrunde. Der Leiter des Instituts für Familienforschung und EU-Parlamentarier Othmar Karas verweist auf einen zwölfprozentigen Gehaltsunterschied zwischen Männern und Frauen im europäischen Durchschnitt: “Und wir in Österreich bilden mit 25 Prozent die rote Laterne!”, zeigt er sich empört.

Die Bundesvorsitzende von “Frau in der Wirtschaft”, Adelheid Fürntrath-Moretti, meinte zwar: “Das Weibchen schaut in der Natur nun mal auf die Brut. Das mag sich neuen Gegebenheiten anpassen, aber im Grunde genommen ist es so.” Sie wies aber zudem darauf hin, dass man hinsichtlich unbezahlter Arbeit zwischen dem Muss (Pflege, Haushalt, Familienarbeit) und dem freiwilligen sozialen Engagement unterscheiden müsse. Und: “Nicht immer alles, was man tut, lässt sich in Geld bewerten. “Das Ehrenamt ist ein wertvoller Bestandteil unserer Gesellschaft und durch die Absetzbarkeit von Kinderbetreuungsgeld konnten wir ein positives Signal setzen, um den Frauen im Bereich der erforderlichen unbezahlten Arbeit entgegen zu kommen. Darüber hinaus fordert “Frau in der Wirtschaft” auch eine Absetzbarkeit von Ausgaben für Haushaltshilfen”.

Sabine Beckmann, Politikwissenschafterin an der Hochschule Bremen, wünscht sich mit dem Konzept der “inclusive citizenship” einen neuen Arbeitsbegriff. Wolfgang Mazal, Arbeits- und Sozialrechtler an der Universität Wien, kritisiert das frühere Frauenbild: “Die Nationalökonomie der fünfziger Jahre definiert eben primär Männerarbeit als Erwerbsarbeit, alles andere schien im BIP nie auf.” Die Vorsitzende der ARGE Österreichische Bauern, Anna Höllerer beklagt, dass Leistungen für Familie und Kinder monetär nicht bewertet sind.