Mit ‘Besprechung’ getaggte Artikel

Montag, 16. Februar 2015, von Elmar Leimgruber

We Will Rock You Wien (Musical-Kritik)

In einer komplett globalisierten Zukunft ohne reale Musikinstrumente herrscht Globalsoft auf dem Planeten iPad. Die Killerqueen schaltet alle Jugendlichen (Gaga-Kids) online über das Internet und über Gehirnwäsche gleich und unterdrückt mit ihrem Polizeichef Kashogghi jegliche eigene Meinung. Nur die „Bohemians“, eine Handvoll Rockrebellen, proben den Aufstand gegen den alles beherrschenden Konzern für Freiheit, Individualität und die Wiedergeburt des Zeitalters des Rock. Auch Scaramouche, eine Aussteigerin und Galileo, ein Träumer mit Visionen, zwei junge Außenseiter, wollen sich mit der glattgebürsteten, gleichgeschalteten Realität nicht abfinden. Sie schließen sich den Bohemians an, begeben sich auf die Suche – und finden zusammen mit Hilfe der Erinnerungen des alten Doc die unbegrenzte Kraft der Freiheit, der Liebe und des Rock: Eine zeitkritische Story mit der genialen Musik von Queen und dem Buch von Ben Elton.

Ich habe das Musical “We Will Rock You” bereits 2008 im Wiener Raimund-Theater genossen und fand es damals recht unterhaltsam, wenn mir auch manche Anspielungen an die österreichische Musikszene eher plump erschienen. Im Oktober 2010 erlebte ich es endlich auch live in London, wo es bis zum vergangenen Jahr seit 2002 zu sehen war. Es lag wohl daran, dass es sich um eine Nachmittagsvorstellung handelte, aber fast alle Songs wurden sehr verkürzt dargeboten, eigentlich unverzeihlich bei einem Musical, in dem es immerhin und eigentlich um die Musik und nicht um  langatmige Dialoge geht.

Da mich diese Londoner Aufführung, von der ich mir wohl auch zu viel erwartet hatte, maßlos enttäuschte, wollte ich auf die neue Produktion, die kürzlich in Deutschland gastierte und derzeit in der Wiener Stadthalle gastiert, verzichten. Die Neugier jedoch war stärker. Und es hat sich gelohnt:

Obwohl eine Tourneeproduktion, ist die Regie, verbunden mit der hochwertigen technischen Ausstattung von Mark Fisher und Willie Williams großartig. Und genauso und das muss ich absolut hervorstreichen: Die Liveband (und die Musiker erwähne ich hiermit erstmals lobend in einer Kritik: Steve White, Holger Kappus, Jamie Humphries, Phil Hilborne, Oliver Poschmann, Alex Nies) unter der Leitung des Niederösterreichers Jeff Frohner hat internationales Top-Niveau, mit dem wohl die wenigsten Pop- und Rockgruppen mithalten können: da kommt nicht nur der Musik von Queen wegen echte Partystimmung auf, sondern die Jungs spielen einfach einsame Klasse.

Als Träumer Galileo erleben wir Christopher Brose: er hat eine großartige Stimme und er lebt und singt seine Rolle aus tiefstem Herzen. Dass die “Bohemian Rhapsody” am Ende der Vorstellung dennoch nicht mehr so kraftvoll gelingt, liegt daran, dass er sich vorher schon sehr verausgabt hat und dass alle Queen-Songs einfach jede Menge Energie erfordern. Als seine Partnerin Scaramouche brilliert vor allem schauspielerisch Marjolein Teepen.

Was mich besonders freut: Der Österreicher Markus Neugebauer findet als Brit seine ihm eigene Rolle als geladener und begnadeter Rocksänger, von dem man gern noch mehr hören möchte.

Und wenn Goele De Raedt als boshafte Killer Queen die Bühne betritt, spürt man ihren Hass gegenüber allem Fremden und ihre unendliche Machtbesessenheit auch als Zuschauer. Ihr zur Seite steht Martin Berger als Kashogghi als gestrenger etwas devot wirkender Polizeichef, dessen schauspielerische Qualitäten seine gesanglichen übersteigen. Stefan Müller-Rupert als Doc verblasst zwar zu Beginn des Musicals, findet jedoch am Ende seine Rolle als Wegweiser für die Suchenden. Alles in allem: Für mich ein großartiges Musical, wenn es so zur Aufführung gelangt wie aktuell in Wien.

Wer auf volle Action im Musical steht und nochdazu die Rockmusik von Queen liebt, sollte sich “We Will Rock You” in der Wiener Stadthalle (noch bis 1. März) nicht entgehen lassen.

Freitag, 29. Juni 2012, von Elmar Leimgruber

Die drei Musketiere duellieren in Baden

Der Theaterstoff ist eigentlich bekannt, aber da es sich bei Ralph Benatzkys Revue-Operette “Die drei Musketiere” um eine Fortsetzung (Text: Rudolph Schanzer und Ernst Welisch) des klassischen Stücks (von Alexandre Dumas) handelt, darf man inhaltlich dennoch gespannt sein, was passieren mag. Die Themen bleiben freilich dieselben: Der Kardinal intrigiert, aber dank der Loyalität der Musketiere kann schließlich die Gerechtigkeit siegen. Die Bühne Baden hat sich an dieses, 1929 in Berlin uraufgeführte, aber indes lang in Vergessenheit geratene Werk des Komponisten vom “Weissen Rössl” herangewagt und das Ergebnis (Premiere war am 22. Juni) kann sich sehen und hören lassen:

“Musik von gestern und heute”, welche Ralph Benatzky verspricht, trifft dann auch ins Schwarze: Klar klingt sie nicht wie heutige zeitgenössische Klassik, aber für die damalige Zeit war sie sicherlich äußerst innovativ: von rein klassischer romatischer Musik spannt sich der Bogen hin zu Jazz und Swing vom Allerfeinsten und den Titelsong der “Drei Musketiere” habe ich immer noch im Ohr. Dafür, dass das Werk musikalisch so großartig ist, ist es eigentlich viel zu unbekannt und mindestens so herausragend wie sein allseits bekanntes “Weißes Rössl”.

Die Besetzung, das gesamte Ensemble ist großartig. Ganz besonders hervorzuheben sind Artur Ortens (Kardinal), Frauke Schäfer (Königin Anna), Stefan Bischoff (König Ludwig), Reinhard Alessandri (D’Artagnan), Miriam Sharoni (Leona de Castro), Edith Leyrer (Madame Brissard), Elisabeth Fruhmann (Miotte), Beppo Binder (Caramel), Robert Sadil (Pater Ignotus), Kateryna Pacher (Catherine), Jasmina Sacr (Manon)  und nicht zuletzt Daniel Ohlenschläger (Porthos) und Darius Merstein-MacLeod (Aramis).

Die Regie/Inszenierung von Intendant Robert Herzl (Ausstattung: Pantelis Dessyllas) ist großartig, die Choreographie vom neuen Ballettchef Michael Kropf ist innovativ, die Fechtchoreographie von Christian Zmek (auch Kommandeur der Musketiere) ist authentisch und Franz Josef Breznik dirigiert gewohnt souverän das präzise musizierende Orchester der Bühne Baden. Daher bleibt nur noch zu schreiben: Schauen sie sich “Die drei Musketiere” in der Sommer-Arena in Baden an und lassen sie sich in eine andere Welt entführen, die so verschieden der heutigen Zeit vielleicht gar nicht sein mag. Nähere Informationen, Termine und Tickets sind hier abrufbar.

Und hier sind Eindrücke in Bildern (Fotos) von der Premiere der “Drei Musketiere” in Baden:

Dienstag, 4. Oktober 2011, von Elmar Leimgruber

Unterhaltsames, aber nichts Himmlisches im Wiener Ronacher

Nur wenige Musicals habe ich in Wien mit mehr Spannung und Neugier erwartet als Sister Act und am 3. Oktober 2011 war es soweit. Im Gegensatz zu manchen anderen Besuchern habe ich mir aber gar nicht die Musik von Marc Shaiman aus dem gleichnamigen Film erwartet und war daher auch nicht überrascht, sie nicht zu hören. Die Musik des Musicals vom Disney Haus- & Hofkomponisten Alan Menken erinnert jedoch an manchen Passagen ganz klar an den damaligen Original Score, jedoch finde ich, dass er schon schönere Musik komponiert hat (“Arielle”, “Glöckner”, Schöne und das Biest”, “Hercules”…). Auch die Story wurde an manchen Stellen etwas abgeändert (beispielsweise findet die Verfolgungsjagd nun nicht mehr in einem Casino statt, sondern direkt im Kloster). Da aber nicht nur das Musical denselben Titel wie der Film trägt und der Grundstrang der Story im Grunde derselbe ist und zudem auch noch die damalige Film-Hauptdarstellerin, nämlich Whoopi Goldberg , auch Co-Produzentin des Musicals ist, sind Vergleiche angebracht:

Und da fällt Eines schon ganz deutlich auf: Das filmische Haupt-Thema: Oberflächliche Disco-Queen landet durch Verfolgung im Kloster und findet dort ihre Läuterung und einen neuen Sinn im Leben, kommt im Musical nur sehr am Rande vor, im ersten Teil überhaupt nicht, was ich sehr bedauerlich finde, was jedoch an Glenn Slater (Liedtexte) sowie an Cheri & Bill Steinkellner (Buch) liegen dürfte. Außer der Mutter Oberin werden alle Klosterschwestern so dargestellt, wie wenn sie ihr Ordens-Leben nicht wirklich lieben würden. Und auch Monsignore O’Hara wirkt im Musical eher lächerlich und oberflächlich und ausschließlich an Geld und eigenem Prestige interessiert, jedenfalls nicht wie ein Mann Gottes. So verliert eine (durch im Film sinnvolle und tiefgehende und auch noch höchst erfolgreiche) Story im Musical leider an Gehalt und Tiefgang und verkommt zu einer zugegebenermaßen lustigen Unterhaltungs-Show von Tänzerinnen in kitschig glitzernden Nonnenkostümen. Aber mit dem Film “Sister Act” hat das Musical leider nur den oberflächlichen Erzählstrang gemeinsam.

Nichts desto Trotz: die Darstellerinnen und Darsteller der Wiener Produktion sind ausgezeichnet gecastet: allen voran Ana Milva Gomes als Deloris van Cartier und Suzanne Carey als Mutter Oberin: Gomes ist ein außergewöhnliches Talent im Singen, im Tanzen und im Schauspiel und sie ist die Idealbesetzung für diese Rolle und dasselbe trifft auch auf Carey zu: Die Frau hat eine unglaublich schöne Stimme und sie ist nicht die Mutter Oberin: sie ist sie: Dieser hat Alan Menken übrigens die meines Erachtens schönsten Melodien geschrieben, die teilweise sehr an seinen “Glöckner von Notre Dame” und “Die Schöne und das Biest” erinnern, aber einfach traumhaft sind.

Michael Schönborn, der Bruder des Wiener Erzbischofs Kardinal Christoph Schönborn, ist zwar sicher ein ausgezeichneter Schauspieler und beweist hier vor allem auch komödiantisches Talent als Monsignore O’Hara, doch aber bei aller Sympathie: ich würde diese Rolle nicht spielen wollen. Besonders positiv erwähnenswert seien noch Barbara Obermeier als faszinierend schön singende Novizin Sr. Mary Robert, komödiantisch hervorragend Sonja Atlas als Sr. Mary Patrick, Thada Suanduanchai als tollpatschiger Polizei Eddie (ein großartiges schauspielerisches Talent mit Vorzügen auch im gesanglichen Bereich) die drei “Unterweltganoven” Bernhard Viktorin, Peter Kratochvil und Arcangelo Vigneri und vor allem Kathy Tanner als Sr. Mary Lazarus, die für mich nach diesem Abend bereits eine Schauspiel-Legende ist. Das Orchster der Vereinigten Bühnen Wien unter der Leitung von Michael Römer musizieren -wie meistens- großartig, die Regiearbeit von Carline Brouwer ist gut durchdacht (wenn es mir teilweise auch zusehr glitzert) und das Bühnenbild von Klara Ziglerova passt ebenfalls.

Zusammengefasst: Wer sich also bei “Sister Act” ein religiöses oder gar tiefgehendes Musical erwartet, dürfte ziemlich sicher enttäuscht werden: Den Autoren sei an dieser Stelle empfohlen, ihre Texte (vor allem “Nonnen haben’s gut”) zu überarbeiten. Wer hingegen einfach nur einen lustigen Musicalabend, fernab von religiösen oder tiefgehenden Gedanken verbringen, will, wird damit in “Sister Act” bestens bedient. Und dasselbe trifft auch für jene Freunde von Musicals zu, die schöne Stimmen und fabelhafte Interpretationen auch im schaupielerischen Bereich zu schätzen wissen.

Und hier sind Eindrücke in Bilder vom Musical “Sister Act”, unter anderem von der Premiere am 15. September im Wiener Ronacher.
Fotos, auf denen nicht kulturia.com als Urheber aufscheint,  sind ©  Vereinigte Bühnen Wien (VBW)/ Ralf Brinkhoff/Birgit Mögenburg: