Archiv für Juli 2015

Montag, 6. Juli 2015, von Elmar Leimgruber

Griechenland: Nein zum Grexit, Ja zum gemeinsamen Weg (Kommentar)

Ja, es stimmt: Griechenland hat sich finanziell selbst in die Misere geritten. Oder besser nicht Griechenland, sondern sondern deren Regierungen seit Jahrzehnten. Und sprechen wir jetzt mal nicht über die Schulden Österreichs, die vor allem durch die vollkommen unsinnige Notverstaatlichung vor einigen Jahren ausgelöst wurde. Nein, bleiben wir bei Griechenland:

Ja, es stimmt auch: im Vergleich zu anderen Staaten und der Eurozone hat Griechenland eine erstaunlich niedrige Mehrwertsteuer. Und daher -wenn man die Diskussion über den grundsätzlichen Wert der Mehrwertsteuer nicht führen will – muss diese selbstverständlich, auch wenns weh tut, an das EU-Niveau angepasst, also erhöht werden. Aber doch nicht jetzt: Die Menschen in Griechenland können sich jetzt schon ihr Leben kaum mehr leisten. Und ohne Konsum gibts kein Wirtschaftswachstum.

Denn: nein: nicht eine falsche Politik der griechischen Regierung in den vergangenen paar Jahren hat die Menschen in Griechenland ans Existenzminimum und darunter gebracht, sondern die internationalen Geldgeber. Und damit meine ich weniger die EU, welche der griechischen Regierung bis 2020 Zeit lässt (siehe dazu meinen Kommentar zum griechischen Wahlergebnis), um mit den Rückzahlungen zu beginnen, sondern jene anderen dubiosen Gläubiger (wer sind diese eigentlich?), die vor allem vom Internationalen Währungsfond (IWF) vertreten werden und welche riesige Geldsummen irgendwo hin überweisen, aber offenbar nicht dorthin, wo sie dringend benötigt werden, nämlich bei der griechischen Regierung und speziell beim griechischen Volk: nur das ergibt in Wirklichkeit einen Sinn. Ich fordere hier eine Offenlegung, wohin die so genannten Griechenland-Hilfsgelder der internationalen Geldgeber geflossen sind.

Einerseits von Seiten der Geldgeber aus Milliarden irgendwo hin zu schicken, wo es weder bei der griechischen Regierung noch beim griechischen Volk ankommt und andererseits aber von der griechischen Regierung zu verlangen, wiederum Milliarden hierfür zurückzuzahlen, ist gelinde gesagt zynisch.

Und: Nein: Eine weitere Rentenkürzung, wie neben der Mehrwertsteuererhöhung von den Geldgebern gefordert, wäre auch unverantwortlich: Schon jetzt leben dank zunehmender Arbeitslosigkeit Kinder und Enkelkinder in Griechenland vor allem durch ihre Großeltern.

Dass nun eine Mehrheit der Griechen letzthin nicht nur aktiv links gewählt hat, sondern beim Referendum zum neuen „Reform“-Kurs der EU für Griechenland ebenfalls nein gestimmt haben, darf daher nicht verwundern: Die Menschen in Griechenland haben jetzt schon keine Zukunftsperspektive mehr: wie sollten sie noch drastischeren Einsparungen durch ihre Regierung zustimmen können? Es geht so nicht mehr weiter!

Es war daher nicht nur konsequent und mutig, dass die griechische Bevölkerung mehrheitlich nein zu diesen Vorgaben gesagt hat: Es war eine Entscheidung aus der Not heraus und in Würde und Charakter. Das ist gelebte Demokratie, die immerhin in Griechenland auch ihren Ursprung hat.

Die Konsequenz dieses Wahlergebnisses muss daher sein: Natürlich muss die griechische Regierung endlich sinnvolle Vorschläge vorbringen, wie sie das Land auf Dauer sanieren und dann auch die Schulden zurückzahlen will. Vor allem aber muss die EU ihre Politik und ihre Vorgaben ernsthaft überdenken und es liegt nun an ihr, eine erneute Annäherung an Griechenland zu suchen. Denn das Ergebnis ist allein auf ihre Sturheit und auf die unsinnigen Vorgaben vor allem der anderen Geldgeber zurückzuführen.

Ein Grexit, der seit Wochen im Gespräch ist, macht aus meiner Sicht aktuell absolut keinen Sinn. Entweder man hätte schon vor Jahren (zu Beginn der Griechenland-Krise) Griechenland und auch weitere Krisenstaaten (siehe dazu meine EU-”Krisenländer-”Aufstellung” bereits vor Jahren) aus der Währungsunion vertreiben müssen, oder aber man zieht das durch bis zum bitteren Ende.

Da es aber wohl innerhalb der Europäischen Union keine Mehrheit für eine Halbierung (der gesamte Süden müsste aus der Eurozone fallen) der Euro-Zone gibt, wäre auch ein Ausscheiden allein Griechenlands unsinnig.

Sollte ein Grexit dennoch passieren, dann will man damit international wohl ein Exempel statuieren: entweder alle tanzen nach einer Pfeife oder man fliegt raus,

Wollen wir so eine „Solidargemeinschaft“, welche die EU vorgibt zu sein, oder sein zu wollen?

Aus meiner Sicht ergibt langfristig betrachtet nur eine Euro-Kernzone (oder gar eine Beeedigung des Proekts Euro) einen Sinn, in welcher nur jene EU-Staaten vertreten sind, welche auch wirtschaftlich stark genug sind. Kann man sich hierzu auch weiterhin nicht durchringen (wovon ich bedauerlicherweise zutiefst überzeugt bin), dann werden weiterhin die wirtschaftlich stärkeren EU-Staaten die wirtschaftlich schwächeren sosehr unterstützen müssen, dass ihre eigene Wirtschaftskraft zunehmend darunter leiden, wenn nicht vollends daran zugrunde gehen wird. Dieser sicheren Zukunft werden sich auch die Optimisten der Euro-AllInOne-Zementierer bald stellen müssen: dass es ihnen offenbar wichtiger ist, den europäischen Einheitsstaat (den es sowieso nie geben wird) in Geschlossenheit zu bewahren als die Wirtschaft in Europa insgesamt zu retten.

Ich plädiere bezüglich Griechenland dafür, dass die Europäische Union und der IWF sich erneut an den Verhandlungstisch mit der griechischen Regierung setzen und endlich vernünftige Vorschläge unterbreiten, welche die griechische Bevölkerung leben lassen und der griechischen Wirtschaft Wachstum ermöglichen.

Und bezüglich EU: Der Gedanke an ein großes friedliches und geeintes Europa, in dem alle europäischen Staaten vertreten sind und eine einzige Währung haben, ist schön und erträumenswert, keine Frage. Aber realistisch ist er bedauerlicherweise nicht: Jedes Land ist speziell und anders im  mehrfachen Sinn: da müsste man schon alles und alle gleichschalten, vor allem wirtschaftlich und steuerlich zentralisiert: Dann würde es ja vielleicht klappen. Aber so wie jetzt auf keinem Fall, da selbstverständlich jeder Staat auch seine eigenen Interessen und die seiner Bevölkerung vertritt: Vollkommen zu Recht.

Also entweder man ringt sich in der Eurozone (siehe dazu bereits meinen Kommentar zum Thema Griechenland und EU von 2011)  dazu durch, nur noch „Bundesländer“ der großen EU-Zone zu sein (Europäische Zentralreegierung) und damit auch finanziell und wirtschaftlich und steuerlich davon abhängig zu sein. Oder aber es geht weiter wie bisher: Die tüchtigeren und fleissigeren Staaten bezahlen für die Ärmeren und weniger Erfolgreichen. Oder aber: und dafür plädiere ich (obwohl am wenigsten Chancen): Man entscheidet sich schweren Herzens für eine starke Euro-Kernzone und entlässt alle anderen bisherigen EU-Mitgliedsstaaten in ihre Freiheit mit eigener Währung, aber dennoch bevorzugter wirtschaften Partnerschaft.

Lassen wir uns nun aber überraschen, was unsere Regierenden für unsere Zukunft vorhaben…

Donnerstag, 2. Juli 2015, von Elmar Leimgruber

ÖJC: Rechtssicherheit für Journalisten im Urheberrecht + Kurzkommentar

Der Autor dieses Beitrags, Elmar Leimgruber, vor dem Gebäude der Europäischen Zentralbank in Frankfurt. © Elmar Leimgruber, redakteur.ccDer Österreichische Journalisten Club (ÖJC) fordert vom Europäischen Parlament Rechtssicherheit im Urheberrecht. Ursache des aktuellen Statements ist die von EU-Bürokraten angedachte Einschränkung der so genannten “Panoramafreiheit”, also die Freiheit beispielsweise vor Kulturdenkmälern Selfies zu schiessen. Die “Panoramafreiheit” muss erhalten bleiben, fordert die Journalistenvereinigung.

 

Der Österreichische Journalisten Club (ÖJC ) kritisiert ” die weltfremde und verwirrende Entscheidung” des Rechtsausschusses des Europäischen Parlaments die sogenannte “Panoramafreiheit” einzuschränken. “Es kann nicht Sinn europäischen Rechts sein, dass wenn man ein Selfie vor der Karlskirche in Wien machen will, vorher die Erlaubnis der Katholischen Kirche und des Barock-Architekten Johann Bernhard Fischer von Erlach einholen muss”, macht sich ÖJC-Präsident Fred Turnheim über diesen Streich einiger EU-Abgeordneten lustig.

Der öffentliche Raum gehört uns allen. Eine Kommerzialisierung und Privatisierung des öffentlichen Raumes wird vom ÖJC strikt abgelehnt. Die österreichischen Abgeordneten zu EU-Parlament werden ersucht, für den Erhalt der Panoramafreiheit zu stimmen.

Der ÖJC begrüßt die Ablehnung des Geoblockings, da dies für die Informationsfreiheit von wesentlicher Bedeutung ist. Der ÖJC fordert ein einheitliches europäisches Urheberrecht als Gegengewicht zum amerikanischen Copyright. Diese beiden Rechte sind völlig unterschiedlich, da das Urheberrecht die Autoren schützt, das Copyright die Verlage.

Der ÖJC erwartet sich von den EU-Abgeordneten einen massiven Schutz der Urheberinnen und Urheber und ihrer publizistischen und künstlerischen Werke. Daher muss das Urheberrecht aus den TTIP-Verhandlungen herausgenommen werden.

Ich schließe mich den Forderungen des Österreichischen Jouzrnalisten Clubs vollinhaltlich an, besonders was die geplante Einschränkung der so genannten Panoramafreiheit betrifft: Fotos von öffentlichen Gebäuden zu schiessen und auch Selfies vor diesen darf kein Privileg von einigen wenigen sein, sondern muss Allgemeingut sein und bleiben!

Man muss sich nicht wundern, wenn die Zustimmung zur Europäischen Union und vor allem zu ihren Institutionen ständig sinkt, wenn irgendwelchen Bürokraten in Brüssel offenbar so langweilig ist (wieso sie in Zeiten der europaweiten Sparkurse nicht einfach einsparen?), dass sie ständig unsinnigere Ideen entwickeln, um das Leben und die Freiheit der Menschen in der EU immer noch mehr einzuschränken. Ich sage dazu nur: Nein danke!

Mittwoch, 1. Juli 2015, von Elmar Leimgruber

Reporter Ohne Grenzen verklagen BND (Unterschriftenaktion)

Grafik: ROG-WebseiteDie gemeinnützige internationale Journalistenorganisation Reporter ohne Grenzen (ROG) verklagt den deutschen Bundesnachrichtendienst (BND) wegen Verletuung des Fernmeldegesetzes und fordert zu einer Unterschriftenaktion auf. ROG wirft dem Bundesnachrichtendienst vor, den E-Mail-Verkehr der Organisation mit ausländischen Partnern, Journalisten und anderen Personen im Zuge seiner strategischen Fernmeldeüberwachung ausgespäht zu haben:

Der BND “beeinträchtigt massiv die Arbeit von ROG und verletzt die Interessen der Organisation”, so ROG. Die Klage wurde am Dienstag (30. Juni 2015) beim Bundesverwaltungsgericht in Leipzig eingereicht. In einer Online-Petition ruft ROG daher zudem zur Unterstützung der Klage auf, die auch das Verkehrsanalysesystem “VerAS” einschliesst.

 

Für zahlreiche Journalisten aus Deutschland und aus autoritären Staaten wie Usbekistan, Aserbaidschan oder China sei ROG ein regelmäßiger und wichtiger Ansprechpartner, an den sie sich mit schutzwürdigen Anliegen oder vertraulichen Informationen wenden. Die Ausforschung der Kommunikation durch den BND bedeute jedoch, dass sich die Journalisten mit ihren persönlichen Anliegen nicht mehr darauf verlassen können, dass ihre Kommunikation vertraulich bleibt, kritisiert ROG.

Wie aus dem jährlichen Bericht des Parlamentarischen Kontrollgremiums vom 08. Januar 2015 hervorgeht, hat der BND im Zuge der strategischen Fernmeldeüberwachung im Jahr 2013 schätzungsweise hunderte Millionen Mails mit Suchbegriffen durchforstet und schließlich mehr als 15.000 Mails mit Treffern ermittelt, die genauer untersucht wurden. Zu den Schwerpunkten der Arbeit von ROG gehören die Staaten des Nahen und Mittleren Ostens und der ehemaligen Sowjetunion. Im fraglichen Zeitraum stand die Organisation mit zahlreichen Journalisten und zivilgesellschaftlichen Akteuren über Themen wie die Tätigkeit von Geheimdiensten in engem Austausch. Nach allem, was über die vom BND verwendeten Suchbegriffe bekannt ist, muss ROG deshalb davon ausgehen, dass auch zahlreiche E-Mails der Organisation erfasst und weitergehend bearbeitet wurden.

Reporter ohne Grenzen vertritt die Auffassung, dass diese Überwachungspraxis unverhältnismäßig ist und vom Gesetz zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses (kurz G10-Gesetz) nicht gedeckt ist. Angesichts dieser Überwachung sieht ROG den Informantenschutz für Journalisten nicht mehr garantiert und die freie Berichterstattung in Deutschland bedroht. Den Medien ist es nicht mehr ausreichend möglich, ihrer Rolle als vierte Gewalt in einer demokratischen Gesellschaft nachzukommen.

Dabei genießen Journalisten in Deutschland wie auch in anderen demokratischen Ländern ein Zeugnisverweigerungsrecht, das sie dazu berechtigt, gegenüber Ermittlungsbehörden die Quellen ihrer Recherchen zu verschweigen. Auch der Kommunikationsverkehr von Journalisten in der Demokratie steht unter einem besonderen Schutz. Mit seiner Klage will ROG dieses Recht von Journalisten durchsetzen.

Verschiedene Studien sind übereinstimmend zu dem Ergebnis gekommen, dass sich Journalisten angesichts von Massenüberwachung in ihrer Arbeit bedroht fühlen und gezwungen sehen, ihre Arbeitsweise zu ändern oder bestimmte Recherchen nicht weiter zu verfolgen. In Einzelfällen schrecken Informanten sogar davor zurück, Journalisten zu kontaktieren, weil sie fürchten, vom Geheimdienst enttarnt zu werden. Informanten und Whistleblower sind jedoch eine Grundvoraussetzung für unabhängige, journalistische Berichterstattung in einer Demokratie.

Die juristische Überprüfung der Überwachungspraxis durch das Bundesverwaltungsgericht soll auch die Glaubwürdigkeit Deutschlands gegenüber der willkürlichen Praxis autoritärer Staaten wie China, Saudi-Arabien oder Turkmenistan stärken. Die UN-Vollversammlung hat Ende 2013 die Resolution „Right to Privacy in the Digital Age“ verabschiedet, die die Bundesregierung mit initiiert hatte.

Es erscheint uns jedoch wenig glaubwürdig, wenn die Bundesregierung einerseits versucht, andere Regierungen zu mehr Achtung der Informationsfreiheit zu bewegen, und deutsche Nachrichtendienste gleichzeitig einer ähnlichen Praxis folgen und Bürger ebenfalls massenhaft ausspähen. Die Bundesregierung muss stattdessen die in der Resolution genannten Forderungen auch im eigenen Land umsetzen und sicherstellen, dass die deutschen Geheimdienste sich bei ihren Überwachungsmaßnahmen an geltende Gesetze halten.

ROG klagt deswegen auch gegen den Einsatz des Verkehrsanalysesystems „VerAS“. Mit diesem Programm erhebt und verarbeitet der BND seit dem Jahr 2002 Metadaten auch von deutschen Bürgern, die im Zusammenhang mit ihrer Kommunikation anfallen. Dabei erfasst der Nachrichtendienst neben Telefonverbindungen, SMS und E-Mails auch das Surfen im Internet sowie die Nutzung von sozialen Netzwerken. Für diese Art von Datensammlung und -analyse gibt es keine gesetzliche Grundlage; sie muss deshalb sofort eingestellt werden.

Aus Sicht der Sicherheitsbehörden verfolgt  „VerAS“ das Ziel, Beziehungen zwischen Terrorverdächtigen zu erkennen und auf diese Weise geheime Pläne oder ganze Netzwerke aufzudecken. Dieses Verfahren wird so umfassend angewandt, dass auch Journalisten erfasst werden können, die nur indirekt und über bis zu vier weitere Kommunikationspartner mit einem Terrorverdächtigen in Verbindung gebracht werden können. Auf diese Weise kommt  der BND eigenen Angaben zufolge auf rund 500 Millionen Metadaten pro Monat, die er erfasst. Angesichts dieser immensen Datensammlung ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass auch die Verbindungsdaten von ROG als internationaler Organisation vom BND gespeichert wurden.

“Der Schutz des Post- und Telekommunikationsgeheimnisses ist ein weltweit geachtetes Menschenrecht. Deshalb haben Reporter ohne Grenzen und andere zivilgesellschaftliche Gruppen bereits im März eine umfassende Kontrolle der deutschen Geheimdienste angemahnt. Wir wiederholen heute unsere Forderung, dass es keine Überwachungsmaßnahmen ohne gesetzliche Grundlage geben darf, weder im Inland noch im Ausland”, betont Reporter ohne Grenzen.